Berlin – Seit mehreren Monaten berichten IT-Experten und Praxisinhaber von gravierenden Sicherheitsproblemen durch Installation einzelner Komponenten der Telematik-Infrastruktur (TI) – die für Arztpraxen teuer werden können. Auch der BVOU-Gesamtvorstand hat sich zu Beginn des Jahres mit der Einführung der TI ausführlich befasst.
Jetzt hat es das Thema in den Bundestag geschafft: Die FDP-Fraktion konfrontiert die Bundesregierung mit den Vorwürfen und nutzt die Anfrage, um ihr zum Fortschritt beim Anschluss an die TI auf den Zahn zu fühlen. Das berichtet das Apotheker-Portal „Apotheke Adhoc“.
In mehreren Arztpraxen kam es zu Sicherheitsmängeln: Nach der Installation der Komponenten sollen die angeschlossenen EDV-Systeme der betroffenen Praxen plötzlich ohne ihre bisherige Firewall mit dem Internet verbunden gewesen sein. Rechner in der Praxis seien damit nicht mehr vor Zugriffen von außen geschützt, sensible Daten können eingesehen, kopiert oder verändert werden.
Obwohl die Probleme bekannt sind, wurden von staatlicher Seite bisher keine Maßnahmen ergriffen. Mit den Vorwürfen konfrontiert, verwies die Gematik lediglich auf andauernde Gespräche mit den Anbietern und versichert: Die Konnektoren seien sicher – allenfalls liege das Problem in der Installation. Grund für den Fehler sei vor allem eine unsachgemäße Installation seitens der Dienstleister. Demnach würden Techniker häufig auch in kleineren Praxen den Online-Anschluss für den Parallelbetrieb einrichten, bei der der Konnektor nur eine von vielen Komponenten ist und deshalb nicht mit der integrierten Firewall arbeitet. Die Gematik empfiehlt den Parallelbetrieb deshalb nur für große medizinische Einrichtungen wie Kliniken, „die bereits ein größeres LAN etabliert haben und über entsprechende Sicherheitsfunktionen gemäß dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik verfügen“.
Die FDP-Fraktion scheint die Sorgen der Ärzte zu teilen: Es sei „unbefriedigend“, dass den Lieferproblemen der Komponenten nun auch noch deren Installation Probleme bereitet, heißt es in der Anfrage unter Federführung von Dr. Wieland Schinnenburg „Eine Installation von Sicherheitskomponenten, die neue Sicherheitslücken in Praxisnetzwerken aufreißen kann, dürfte nicht zu einem verstärkten Vertrauen der Ärzte, Psychotherapeuten und weiteren angeschlossenen Praxen und Einrichtungen in die Telematikinfrastruktur führen.“
Da von der Gematik anscheinend keine weiteren Informationen vorliegen, wollen die Liberalen nun von der Bundesregierung wissen, wie weit verbreitet die Probleme nach deren Kenntnisstand sind, wie sie sie bewertet und was sie unternehmen will, um sie zu beheben. Auch über die Art der Sicherheitsmängel will die FDP Auskunft. Im selben Atemzug will die Fraktion dann Informationen zum allgemeinen Stand des Anschlusses an die Telematik: Wie viele Standorte sind bereits angeschlossen? Sind alle Hardwarekomponenten verfügbar und lieferbar und wenn nicht, warum? Bei geplanten Honorarkürzungen nach § 215 Absatz 2b Sozialgesetzbuch (SGB V) bei den Ärzten will die FDP Auskunft zu Umfang und Verwendung der frei werdenden Mittel.
Berlin – Seit vielen Jahren besteht ein deutliches Versorgungsdefizit in der Rheumatologie in Deutschland. Vor über zehn Jahren stand in der Präambel eines Kooperationsvertrages des Berufsverbandes Deutscher Rheumatologen (BDRh) und einem Hausärzteverbund das Zitat des BDRh-Vorsitzenden Dr. Edelmann:
„Die umfassende Betreuung von Patienten mit entzündlichen Gelenkveränderungen wie rheumatoider Arthritis, Psoriasisarthritis und auch Morbus Bechterew sind in Deutschland noch weit vom Optimum entfernt.“
Die frühe
Überweisung vom Hausarzt zum internistischen Rheumatologen sollte dieses
Problem lösen. Weitere Strukturverträge zwischen dem BDRh und Hausärzten mit
verschiedenen Krankenkassen folgten unter eindeutigem Ausschluss von Orthopäden
und Orthopädischen Rheumatologen.
Memorandum der DGRh 2008
In einem Memorandum zur „Rheumatologischen Versorgung von akut und chronisch Rheumakranken in Deutschland“ der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) aus dem Jahr 2008 wurde die rheumatologische Unterversorgung Deutschlands mit Zahlen belegt und für je 100.000 Einwohner (2) internistische Rheumatologen gefordert (1). Das entspricht einem bundesweiten Bedarf von 1.300 – 1.600 internistischen Rheumatologen. Nach dieser Forderung hätte die Zahl der internistisch-rheumatologisch tätigen Fachärzte seit 2008 nahezu verdoppelt werden müssen. Der Beitrag von Orthopäden und Unfallchirurgen sowie Orthopädischen Rheumatologen war allerdings weder in der Statusfeststellung, noch in den daraus abgeleiteten Forderungen der DGRh für eine Verbesserung der rheumatologische Versorgung berücksichtigt worden.
Statusupdate 2016
Eine Aktualisierung des Memorandums von 2008 wurde als Update 2016 veröffentlicht (1). Es wird festgestellt, dass der Versorgungsbedarf und das Versorgungsdefizit im Vergleich zu 2008 unverändert weiter besteht, sich allerdings die Therapieoptionen und Therapiestrategien (treat to target) sowie die erreichbaren Therapieziele (Remission) verändert haben. Dies habe Auswirkungen auf den rheumatologischen Versorgungsbedarf und führte trotz bestehender Unterversorgung zu einer Ausweitung der von den Rheumatologen beanspruchten Rolle:
„Der internistische Rheumatologe hat die spezifische Aufgabe, die Versorgung von Personen mit rheumatischen und muskuloskelettalen Erkrankungen, insbesondere mit entzündlich-rheumatischen Gelenkerkrankungen, inflammatorischen/immunologischen Systemerkrankungen, endokrinen und metabolischen Erkrankungen mit rheumatischer Symptomatologie sowie schweren Verlaufsformen anderer muskuloskelettaler Erkrankungen verantwortlich zu leiten, zu steuern und zu begleiten.“
Zu diesem
erweiterten Patientenkollektiv gehören in Deutschland ca. 1,5 Mio Menschen mit
entzündlich-rheumatischen Erkrankungen, die von 776 internistischen
Rheumatologen versorgt werden sollen (fast 6.000 Patienten pro Arzt).
Trotz dieser bereits eindrucksvollen Dysbalance erklärt die DGRh im Memorandum von 2016 „auf der Ebene der spezialisierten fachärztlichen Versorgung fachärztlich tätige Internisten für die ambulante Versorgung von … rheumatischen und muskuloskelettalen Erkrankungen zuständig“. Wie will diese kleine Facharztgruppe auch noch weitere muskuloskelettale Erkrankungen behandeln, wenn sie es schon nicht allein schafft, die entzündlich-rheumatischen Erkrankungen zu versorgen? Die DGRh
stellte immerhin fest, daß diese Aufgabe von den internistischen Rheumatologen
nicht allein zu bewältigen ist. Deshalb soll mit Hausärzten, weitere ärztlichen
Fachrichtungen und nichtärztlichen Heilberufen bei entsprechender Qualifikation
in der Versorgung unkomplizierter Verläufe zusammengearbeitet werden.
Anspruch und Wirklichkeit der rheumatologischen Versorgung
In dem
Memorandum der DGRh werden für eine hochwertige ambulante Versorgung von
Rheumapatienten folgende Voraussetzungen gefordert:
Anspruch: Primär versorgende Ärzte (Allgemeinmediziner, Orthopäden etc.) müssen über grundlegendes rheumatologisches Wissen verfügen, um Patienten mit Bedarf an rheumatologischer Mitbetreuung sicher von solchen ohne diesen Bedarf zu unterscheiden.
Wirklichkeit: Kann das wirklich der Allgemeinmediziner? Der Orthopäde und Unfallchirurg lernt dies in seiner Weiterbildung und der Orthopädische Rheumatologe hat diesbezüglich eine 2-jährige Zusatzweiterbildung abgeleistet.
Anspruch: Hat der internistische Rheumatologe eine entzündlich-rheumatische Krankheit festgestellt, so wird er den Patienten entsprechend informieren, die Therapie einleiten und im Bedarfsfall auch die Heil- und Hilfsmittelversorgung vornehmen.
Wirklichkeit: Die Hilfsmittelversorgung erfolgt leider noch viel zu selten in Absprache mit dem Orthopäden und Unfallchirurgen bzw. dem Orthopädischen Rheumatologen.
Anspruch: Bei den meisten entzündlich-rheumatischen Erkrankungen ist eine Überwachung des Verlaufs durch den internistischen Rheumatologen in regelmäßigen Abständen erforderlich.
Wirklichkeit: Viele Verläufe sind aus der Erfahrung von Orthopädischen Rheumatologen unkompliziert. Aber eine Kontrolle 1x jährlich könnte nicht schaden.
Anspruch: Ein Patient mit Gelenkschmerzen oder anderen Symptomen einer entzündlich-rheumatischen Erkrankung benötigt den unmittelbaren Zugang zu seinem Hausarzt. Dieser muss ein rheumatologisches Basiswissen aufweisen, um eine erste Sichtung und ggf. eine Überweisung vornehmen zu können. Hat der primär versorgende Arzt den begründeten Verdacht auf eine entzündlich-rheumatische Erkrankung, sollte der Zugang zum internistischen Rheumatologen innerhalb von zwei Wochen gewährleistet sein.
Wirklichkeit: Aktuell beträgt die Wartezeit für einen Termin beim internistischen Rheumatologen ca. drei bis sechs Monate (Prof. Matthias Schneider, Düsseldorf, DGRh-Pressekonferenz 9/2018)
Versorgungsbedarf und Wartezeiten
Die Differenz zwischen bedarfsgerechter und tatsächlicher Versorgung ist immens. Am 31.12.2015 gab es in Deutschland in der ambulanten internistisch-rheumatologischen Versorgung 665 Vertragsärzte oder angestellte Ärzte und 111 ermächtigte Rheumatologen an Kliniken. Da 155 von diese 665 Ärzten in der hausärztlichen Versorgung standen, waren deutschlandweit sogar nur 510 Fachärzte für die internistisch-rheumatologische Versorgung aktiv, was bei 1,5 Mio Patienten völlig unzureichend ist.
Die Versorgungsrealität dieser Patienten hat sich durch die Memoranden der DGRh seit 2008 nicht verändert, da mit diesen Papieren ausschließlich die Eigeninteressen der internistischen Rheumatologen durchgesetzt werden sollten. Das Ergebnis ist eine Unterversorgung mit daraus resultierenden erheblichen Wartezeiten. Auch
perspektivisch besteht wenig Hoffnung auf eine wesentliche Steigerung der Zahl
der internistischen Rheumatologen: Die Zahl der derzeit weitergebildeten Ärzte
reicht kaum aus, um die aus Altersgründen ausscheidenden Rheumatologen zu
ersetzen.
Lösungsvorschläge der DGRh
Im Memorandum der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie 2016 werden Vorschläge zu Lösung des Problems und ein ausführlicher Forderungskatalog an die Gesundheitspolitik formuliert. Die einfachste Lösung, Orthopäden und Unfallchirurgen und insbesondere die Orthopädischen Rheumatologen in die Primärdiagnostik und -Therapie mit einzubeziehen, findet sich nicht. Der Orthopädische
Rheumatologe wird im gesamten Text nur einmalig erwähnt. Allerdings ging es
hier konkret darum, ihn aus der Bedarfsplanung herauszuhalten. Dies wohl vor
allem im Hinblick auf das ASV-Verfahren Rheumatologie, das 2016 bei einigen
Verbänden für eine Goldgräberstimmung sorgte.
Die Rolle der orthopädischen Rheumatologie
Ungeachtet
der gewünschten Exklusivität der internistischen Rheumatologen durch die DGRh
versorgen Fachärzte für Orthopädie und Unfallchirurgie seit Jahrzehnten eine
erhebliche Zahl von Patienten mit entzündlich rheumatischen Erkrankungen.
Einen ersten Faktencheck liefern zwei jüngst publizierte Übersichtsartikel aus dem Jahr 2018. Die
Behandlungsergebnisse bei Patienten mit Rheumatoidarthritis (RA) haben sich in
den letzten 20 Jahren erheblich verbessert (2). Dies zeigt sich in einem
deutlichen Rückgang der Krankheitsaktivität, einer Verbesserung der
Lebensqualität sowie des Funktionsstatus betroffener Gelenke sowie im Anstieg
der Erwerbstätigkeit.
Bundesweit werden ungefähr zwei Drittel der RA-Patienten internistisch-rheumatologisch (mit-)betreut. Ein Drittel der Patienten wird von Hausärzten und Orthopäden versorgt. Unsere
Fachgruppe wird in der Regel primär von Patienten mit Beschwerden des Bewegungssystems
aufgesucht, insbesondere bei Gelenk- und Rückenbeschwerden. Orthopäden und
Unfallchirurgen können dank ihrer Weiterbildung eindeutig zwischen
entzündlichen und nicht entzündlichen rheumatischen Erkrankungen
differenzieren.
Zu beachten
ist, daß Orthopäden und Hausärzte unabhängig vom Antikörperstatus ihre
Patienten sehr viel seltener mit DMARDs versorgen, als internistische
Rheumatologen (2, 3). Dies hat vermutlich mit den Regressängsten vieler
Kolleginnen und Kollegen zu tun, kann aber auch in der mangelnden Erfahrung mit
Biologica begründet sein.
Den Patienten
entgeht in diesen Fällen eine moderne effektive Rheumatherapie. Hier besteht bei
Orthopäden und Unfallchirurgen Informations- und Fortbildungsbedarf, wie er
z.B. durch das RhefO-Kurskonzept der ADO adressiert wird. Auch die Delegation
bestimmter Therapieoptionen und Teilschritte an geschultes Fachpersonal wie die
Orthopädisch-Rheumatologische Fachassistenz (ORFA) ist denkbar, um den
Versorgungsbedarf zu befriedigen.
Umfrage bei Orthopäden und Unfallchirurgen
Bei einer
Umfrage des BVOU unter rheumatologisch aktiven Orthopäden und Unfallchirurgen (allesamt
Teilnehmer der RhefO-Kursreihe der ADO) gaben die Antwortenden zu über 40% an,
Rheumatoide Arthritiden zu behandeln (Abb. 1). Jeweils ca. 20 % der behandelten
Rheumapatienten verteilen sich auf die Diagnosen M. Bechterew,
Psoriasisarthritis sowie andere Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises.
Abbildung 1: Diagnoseverteilung von behandelten Patienten mit rheumatischen Erkrankungen in der orthopädisch-unfallchirurgischen Praxis (n=145). Umfrage des BVOU zur Versorgungsrealität Rheuma 2018.
Aus seiner
langjährigen Praxiserfahrung heraus kann Dr. Uwe Schwokowski Erfahrungsberichte
bestätigen, daß sich bei Überweisungen von Hausärzten zu internistischen
Rheumatologen nur bei 2 von 10 Patienten die Verdachtsdiagnose „Rheuma“ bestätigt.
Diese fehlgeleiteten Patienten sind Hauptursache der langen Wartezeiten beim
internistischen Rheumatologen.
Würde der
Orthopäde und Unfallchirurg und erst recht der Orthopädische Rheumatologe
regelhaft in den Versorgungsprozeß einbezogen, könnten viele Fehlüberweisungen
vermieden und die Sprechstunden der internistischen Rheumatologen spürbar
entlastet werden. Die internistischen Rheumatologen hätten sehr viel mehr
Vakanzen für Akutfälle, wirklich bedürftige Rheumapatienten und vor allem die
komplexen Therapien bei schweren Verläufen.
Spektrum rheumatologisch tätiger Orthopäden und Unfallchirurgen
Orthopäden und Unfallchirurgen sowie Orthopädische Rheumatologen sind in der täglichen Praxis in der Lage, durch Anamnese und körperliche Untersuchung sowie spezifische Diagnostik wie bildgebende Verfahren (Sonographie und Röntgen) und Laboruntersuchungen, eine Diagnose zu stellen. Sie beherrschen die gängigen Klassifikationssysteme und können selbständig die Initialtherapie starten. Dabei
verordnen Sie vor allem Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) und
Glukokortikoide.
Lediglich ein
Drittel der Kolleginnen und Kollegen verschreiben auch die moderneren DMARDs
regelhaft (Abb. 2). Hier besteht vor allem die Befürchtung, das eigene
Arzneimittelbudget zu überziehen und Regressforderungen ausgesetzt zu sein.
Dieses Risiko ist heute bei intakter Kommunikation mit der zuständigen KV fast
zu vernachlässigen. Bitte wenden Sie sich bei diesbezüglichen Fragen gern an
die Autoren oder die BVOU-Geschäftsstelle.
Abbildung 2: Verordnung von Arzneimitteln zur Therapie rheumatischer Erkrankungen in der orthopädisch-unfallchirurgischen Praxis (n=147). Umfrage des BVOU zur Versorgungsrealität Rheuma 2018.
Bei einer
Umfrage zur Versorgungsrealität bei Orthopäden und Unfallchirurgen, die
Rheumapatienten behandeln, gaben knapp 60% der Antwortenden an, bis zu 50
Rheumapatienten pro Quartal zu behandeln. Bei ca. 40% der Antwortenden waren es
deutlich mehr (siehe Abb. 2).
Abbildung 3: Anzahl behandelter Patienten mit rheumatischen Erkrankungen in der orthopädisch-unfallchirurgischen Praxis pro Quartal (n=147). Umfrage des BVOU zur Versorgungsrealität Rheuma 2018.
Bei deutlich
größeren Erhebungen zur Versorgungsrealität von Rheumapatienten sind Orthopäden
und Unfallchirurgen bei bis zu 30% der Rheumapatienten unmittelbar an der
Versorgung beteiligt. Siehe dazu den folgenden Beitrag von Dr. Johannes
Flechtenmacher.
Orthopäden
und Unfallchirurgen tragen bereits heute zu einer erheblichen Entlastung der
internistischen Rheumatologen bei. Dieser Versorgungsbeitrag könnte bei einer
Kooperation auf Augenhöhe, wie sie in einzelnen Regionen Deutschlands bereits
gelebte Realität ist, in Zukunft noch deutlich gesteigert werden.
Daß diese Kooperationen regional funktionieren, zeigt auch die Erhebung
des BVOU. Der Anteil der Kolleginnen und Kollegen, der die Diagnose einer
rheumatischen Erkrankung selbst stellt, ist ebenso hoch wie der Anteil der
Kollegen, die dies in enger Kooperation mit einem internistischen Rheumatologen
tut (Abb. 4).
Abbildung 4: Diagnosestellung bei Patienten mit rheumatischen Erkrankungen in der orthopädisch-unfallchirurgischen Praxis (n=147). Umfrage des BVOU zur Versorgungsrealität Rheuma 2018.
Perspektiven für die Orthopädische Rheumatologie
Es wird Zeit,
Orthopäden und Unfallchirurgen und die Orthopädischen Rheumatologen als kollegiale
Partner wahrzunehmen, die in der Rheumaversorgung eine wichtige Rolle spielen.
Über die Akademie Deutscher Orthopäden hat der BVOU seit 2012 spezielle Intensivkurse zur Vertiefung der Kenntnisse in der Rheumatologie für Orthopäden und Unfallchirurgen angeboten. In einem dreistufigen Curriculum wird das nötige Fachwissen von der Früherkennung über die Diagnosestellung bis zum Einstieg in die spezielle Rheumatherapie vermittelt. An diesem Kurssystem haben seither 1.800 Teilnehmer an 75 Wochenendkursen teilgenommen, über 500 Kolleginnen und Kollegen haben alle drei Kurse belegt. Das Zertifikat zum „Rheumatologisch Fortgebildeten Orthopäden (RhefO)“ haben bislang leider deutlich weniger Kollegen beantragt, weil die Regularien neben dem Besuch der Kursreihe bislang den Besuch weiterer Fortbildungsveranstaltungen verlangten. Das Erlangen des RhefO-Zertifikates wurde zum Jahresbeginn 2019 erleichtert. Wer alle drei Kurse des RhefO-Curriculums durchläuft, erhält das RhefO-Zertifikat unter der Bedingung, alle 2 Jahre einen RhefO-Refresherkurs zu belegen. Dies macht wegen der rasanten Entwicklung der Arzneimitteltherapie in der Rheumatologie auch Sinn.
Abbau von Abrechnungshürden und Regressen
Regressängste
bei Arzneimittel- und Laborbudgets sowie der unbezahlte Mehraufwand der
Rheumaversorgung hält viele interessierte Orthopäden und Unfallchirurgen davon
ab, in die Versorgung von Rheumapatienten einzusteigen. Hier sind die Kassenärztlichen
Vereinigungen gefordert, Abhilfe zu schaffen und die Rahmenbedingungen für die
Beteiligung von Orthopäden und Unfallchirurgen an der Rheumaversorgung
attraktiver zu gestalten.
Rheumanetzwerke für die strukturierte Rheumaversorgung
Mit Hilfe von Rheuma-Netzen nach dem folgenden Schema gelingt es vor Ort häufig in interdisziplinärer Kooperation zwischen Hausärzten, Orthopäden und Rheumatologen unkompliziert und unbürokratisch die Versorgung von Rheumapatienten zu optimieren. Wäre dies
nicht auch ein Ansatz für ein neues Memorandum aller an der Rheumaversorgung in
Deutschland beteiligten Arztgruppen? Gemeinsam können internistische Rheumatologen, Hausärzte sowie Orthopäden und Unfallchirurgen mit der RhefO-Zusatzqualifikation oder der Zusatzweiterbildung „Orthopädische Rheumatologie“ die Versorgung von Rheumapatienten in Deutschland sicherstellen.
Albrecht K, Zink A (2018): Versorgungssituation der rheumatoiden Arthritis in Deutschland. Akt Rheumatol 2018; 43: 369–374; Springer-Verlag Berlin Heidelberg
Strahl A, Schneider O, Frankenhauser-Mannuß J et al. (2018): Prävalenz, Komorbidität und interdisziplinäre Versorgung der Rheumatoiden Arthritis – Versicherungsdaten zur ambulanten und stationären Versorgung in Baden-Württemberg. Z Rheumatol 2018; 77:113–126; Springer-Verlag Berlin Heidelberg
Berlin – Wie können niedergelassene Orthopäden für entzündlich-rheumatische Erkrankungen sensibilisiert und für eine komplexe Therapie motiviert werden? Dr. Uwe Schwokowski, BVOU-Referatsleiter, geht auf die Situation der Orthopädischen Rheumatologie im Rahmen der Versorgungsrealität in Deutschland ein und erörtert, was sich an der derzeitigen Situation ändern muss.
Herr Dr. Schwokowski, seit vielen Jahren gibt es ein Versorgungsdefizit in der Rheumatologie in Deutschland. Rund 1,5 Millionen Menschen leiden unter entzündlichrheumatischen Erkrankungen und erhalten häufig keine adäquate Behandlung. Was ist die Ursache? Dr. Uwe Schwokowski: Das Hauptproblem an der derzeitigen Situation lässt sich an dem folgenden Punkt ausmachen: Es gibt in Deutschland zu wenig rheumatologische Spezialisten. Aktuell sind ungefähr 750 internistische und 500 zugelassene Orthopädische Rheumatologen in der Niederlassung tätig. In einem Memorandum zur Versorgung von Rheumapatienten in Deutschland von 2016 werden 1350 internistische Rheumatologen zur ausreichenden Versorgung in Deutschland gefordert. Leider werden in diesem Memorandum als Kooperationspartner der internistischen Rheumatologen lediglich die Hausärzte genannt. Die Orthopädinnen und Orthopäden, die auf Grund ihrer Weiterbildung am ehesten in der Lage sind, in der Früherkennung und primärdiagnostik die Versorgungslage zu verbessern, werden also nicht mit einbezogen.
Welchen Grund hat das? Dr. Schwokowski: Das ist auch mir nicht ersichtlich, ich sehe hier jedoch vordergründig berufspolitische Interessen.
Können Sie das näher erläutern? Dr. Schwokowski: Die Orthopäden und Unfallchirurgen sind Primäransprechpartner bei schmerzhaften Gelenk- und Rückenerkrankungen. Sie sind in der Lage, zwischen einem entzündlichen oder nicht entzündlichen Krankheitsbild zu differenzieren. Außerdem sind sie in der Lage, neben der Diagnosestellung auch eine medikamentöse Frühtherapie einzuleiten. Ich sehe den Orthopäden nicht als Konkurrenten der internistischen Rheumatologen, sondern vielmehr als Partner. Er kann als sogenannter Gatekeeper fungieren und dem Internisten zeitintensive Vorarbeit abnehmen.
Halten wir uns einmal vor Augen: Der Anspruch der internistischen Rheumatologen – laut dem Memorandum 2016 – einen Patienten innerhalb von zwei Wochen in einer Frühsichtungssprechstunde zu übernehmen, ist bei der derzeitigen Versorgungslage Augenblicklich definitiv utopisch. Professor Matthias Schneider aus Düsseldorf hat in einer Pressekonferenz zum Rheumatologen-Kongress 2018 in Mannheim über eine Terminwartezeit von drei bis sechs Monaten berichtet. Da eine Diagnosestellung und ein anschließender Therapiebeginn drei Monate nach dem ersten Symptom einer rheumatischen Erkrankung von hoher Wichtigkeit ist, ist die augenblickliche Situation mit den vorhandenen Wartezeiten nicht tragbar. Deswegen: Orthopäden müssen mehr miteinbezogen werden.
Welche Lösungsvorschläge haben Sie aus Sicht des BVOU-Referatleiters? Was fordern Sie konkret? Dr. Schwokowski: Aus meiner Sicht, und das sind die Erfahrungen aus vielen Kursen zur Ausbildung zum rheumatologisch fortgebildeten Orthopäden (RhefO), haben viele Kollegen einfach Ängste vor Arzneimittel- und Laborregressen. Als Lösungsansatz muss hier gefordert werden, dass in allen Bundesländern diagnosebezogene Arzneimittel- und Laborbudgets eingesetzt werden.
Ein weiteres Problem sehe ich darin, dass die Behandlung und die Anamneseerhebung und auch die Behandlung eines Rheumapatienten sehr viel mehr Zeit kostet, dies aber in keiner Weise finanziell für den Orthopäden abgebildet wird. Die Ziffer 18320, die man in so einem Fall anwenden könnte, steht dann in Konkurrenz zur Ziffer 18220 bei Erstkontakt, beziehungsweise in Konkurrenz zur Ziffer 18311 bei Drittkontakt pro Quartal. Unsere Forderung hier: Diese speziellen Rheumatologie-Leistungen des Orthopäden müssten auch entsprechend honoriert werden. Und: Die Ziffer 18320 darf nicht in Konkurrenz zu anderen Ziffern stehen.
Warum ist es so bedeutsam, dass eine entzündlich-rheumatologische Erkrankung im Frühstadium bereits diagnostiziert wird? Inwieweit hat sich die Therapie entzündlich-rheumatischer Erkrankungen in den letzten 20 Jahren verändert? Dr. Schwokowski: In den letzten 20 Jahren hat sich die Therapie entzündlich-rheumatischer Erkrankungen nicht nur geändert, sondern gar revolutioniert, insbesondere durch den Einsatz von Biologika. Professor Klaus Krüger aus München beschrieb das als „turbulente Zeiten in der Rheumatologie“. Heutzutage gelingt es, entzündlich-rheumatische Erkrankungen zwar nicht zu heilen, aber weitestgehend zu stoppen. Wir sprechen hier von einer Remission, also von einem Stillstand des rheumatischen Geschehens. Das ist keine Utopie mehr, sondern wird aktuell schon bei mehr als der Hälfte der Patienten erreicht. Wichtig aber ist: Je früher die entsprechende Therapie eingeleitet wird, um so weniger Schäden sind bei dem Patienten zu erwarten und die Veränderungen, die wir von früher mit Gelenkzerstörungen oder völliger Gelenkversteifung der Wirbelsäule bei Morbus Bechterew kennen, treten unter einer frühzeitigen Therapie heute einfach nicht mehr auf.
Welche Fachrichtungen sollten zur Optimierung der Behandlung von Rheumapatienten aus Ihrer Sicht kooperieren? Dr. Schwokowski: Da entzündlich-rheumatische Erkrankungen Systemerkrankungen sind und nicht nur allein das Gelenk befallen, sondern eben auch andere Strukturen, ist eine Kooperation essentiell. Neben den internistischen und Orthopädischen Rheumatologen spielt der Hausarzt und der Orthopäde in der Früherkennung eine bedeutende Rolle, in der erweiterten Diagnostik dann natürlich auch der RhefO. Andere Fachgruppen wie der Dermatologe, der Gastroenterologe, der Augenarzt sind bei zusätzlichem Befall der Haut, des Darms oder des Auges hinzuzuziehen. Die Interaktion einzelner Fachgruppen ist unabdingbar, denn die Erfahrung vieler internistischer Rheumatologen ist, dass bei einer Überweisung vom Hausarzt mit einer Verdachtsdiagnose Rheuma, von zehn Patienten tatsächlich zwei eine entzündliche rheumatische Erkrankung haben. Hier würde ein Versorgungspfad vom Hausarzt zunächst zum Orthopäden bzw. RhefO Abhilfe schaffen. In der speziellen Rheumatherapie mit innovativen Medikamenten ist eine enge Kooperation zwischen Orthopäden, Orthopädischen Rheumatologen und internistischen Rheumatologen anzustreben.
Was kann der Rheumapatient selbst zur Verbesserung des Krankheitsverlaufes beitragen? Dr. Schwokowski: Hier sollte auf jeden Fall das Schlagwort „gesunde Lebensweise“ fallen: Eine gesunde Ernährung und viel Bewegung spielen eine bedeutsame Rolle. Außerdem ist „positives Denken“ gerade unter den heutigen therapeutischen Optionen aus meiner Sicht von großer Bedeutung. Wichtig ist, dass der Patient aufgrund der Erkrankung nicht in eine Depression verfällt. Deswegen strebe ich stets meine Leitworte an: „Zuversicht bei Arzt und Patient“.
Wie können niedergelassene Orthopäden vermehrt für entzündlich-rheumatische Erkrankungen sensibilisiert und für eine komplexe Therapie motiviert werden? Dr. Schwokowski: Die von mir erläuterten Probleme können schnell zu einer moralischen Demotivation führen. Vielmehr jedoch sollte man sich einmal die positiven Aspekte vor Augen halten: Allen voran sind das aus meiner Sicht zufriedene Patienten und Behandlungserfolge, die ich durch innovative Therapien erzielen kann. Das Image der Praxis wird durch die Rheuma-Spezialisierung aufgewertet und das Selbstwertgefühl steigt.
Welches Beispiel fällt Ihnen an dieser Stelle aus Ihrem Berufsalltag ein? Dr. Schwokowski:Der typische Morbus Bechterew-Patient zum Beispiel ist zwischen zwei und fünf Uhr morgens wegen starker Rückenschmerzen schlaflos. Er muss sich bewegen und wandert nachts durch seine Wohnung. Nach erfolgreicher Behandlung bei mir in der Praxis und Verabreichung eines Biologikums, kommt der Patient nach wenigen Wochen wieder zu mir und schwärmt: „Herr Doktor, das ist der absolute Wahnsinn. Ich habe das erste Mal seit 20 Jahren wieder durchgeschlafen, so wie Sie mir das versprochen haben.“ Wenn ich mich an diese Erlebnisse erinnere, bekomme ich selbst jetzt noch Gänsehaut, denn: Ich habe zufriedene und glückliche Patienten. Genau für solche Erlebnisse arbeite ich. Und die tägliche Arbeit hat mir deswegen immer große Freude bereitet. Diese positiven Erlebnisse übertragen sich im Übrigen auch auf das gesamte Praxisteam, und das bedeutet: Rheumatologie beeinflusst das eigene Image und das der Praxis sehr positiv.
Herr Dr. Schwokowski, vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Janosch Kuno, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit BVOU
Berlin – Bei den Verhandlungen zur Umsetzung des Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG) haben Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und GKV-Spitzenverband sich am Mittwoch, den 19.6. im Bewertungsausschuss auf konkrete Eckpunkte geeinigt. Der Vorstandsvorsitzender der KBV, Dr. Andreas Gassen zeigte sich zufrieden mit dem Ergebnis: „Das TSVG ist leider ein sehr kleinteilig angelegtes Gesetz. Vor dem Hintergrund der nun gemeinsam beschlossenen tragfähigen Lösungen ist es aber möglich, dass sich die vom Gesetzgeber gewollte Mehrarbeit für die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte auch auszahlen kann“.
Die nächsten Schritte für die Umsetzung des TSVG seien damit
klar geregelt. Das Gesetz war am 11. Mai 2019 in Kraft getreten. Einige
Neuerungen gelten seitdem bereits, bei anderen ist dies ab September oder
später der Fall.
Eckpunkte
Seit dem 11. Mai können Ärzte Untersuchungen und Behandlungen bei Patienten extrabudgetär abrechnen, für die durch die Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigungen oder einen Hausarzt Termine vermittelt wurden. Der BA hat nun die umfassten Leistungen und Regeln zu deren Bereinigung aus der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung festgelegt.
Regelung der extrabudgetären Zuschläge für Termine, welche durch dieTerminservicestellen vermittelt werden (gilt ab 1. September).
Zuschlag Terminvermittlung an Facharzt durch Hausarzt: Ab 1. September gibt es für den Hausarzt einen extrabudgetären Zuschlag von zehn Euro je Vermittlung. Voraussetzung: Der vermittelte Termin muss innerhalb von vier Kalendertagen nach Feststellung der Behandlungsnotwendigkeit durch den Hausarzt liegen.
Offene Sprechstunde: Ab 1. September können maximal fünf offene Sprechstunden je Woche extrabudgetär abgerechnet werden. Im Bewertungsausschuss einigte man sich auf die jeweiligen Arztgruppen, die eine offene Sprechstunde anbieten können. Dies sind Augenärzte, Chirurgen, Gynäkologen, HNO-Ärzte, Hautärzte, Kinder- und Jugendpsychiater, Nervenärzte, Neurologen, Orthopäden, Psychiater und Urologen. Nun müssen KBV und GKV-Spitzenverband noch den Bundesmantelvertrag anpassen.
Versorgung von Neupatienten: Ab 1. September können Ärzte die Behandlung von Neupatienten extrabudgetär abrechnen. Patienten gelten als Neupatienten, wenn sie seit zwei Jahren nicht mehr in der Praxis behandelt oder untersucht worden sind.
Berlin – Neben der Darstellung des prüfungsrelevanten Wissens bereiten die Referenten die FAB-Teilnehmer in einer simulierten Prüfungssituation auf zu erwartende, konkrete orthopädisch-unfallchirurgische Fragestellungen vor. Bisherige Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer empfinden die Themen- und Formatvielfalt an den sechs Unterrichtstagen als eine gelungene Vorbereitung. Die Akademie Deutscher Orthopäden (ADO) und Ottobock MedicalCare GmbH vergaben auch für den 26. Facharztvorbereitungskurs zwei Stipendien. Auf dem gemeinsamen Grillabend im Garten der DRK Kliniken Berlin Westend haben wir mit der Stipendiatin Bernadett Predel (Kaufbeuren) über die Kurswoche gesprochen.
Du bist eine der glücklichen FAB-Stipendiatinnen: Erzähl uns doch etwas über Deine Tätigkeiten im Fach O und U. Bernadett Predel: Während meiner bisherigen, fast siebenjährigen, Weiterbildung durfte ich einerseits an zwei regionalen Traumazentren meine Fähigkeiten vor allem in der Akutversorgung von Patienten entwickeln. Dabei erlernte ich die verschiedenen operativen Verfahren der Notfall- wie auch der Elektivtraumatologie und -orthopädie. Andererseits habe ich im vergangenen letzten Jahr die Möglichkeit bekommen, in einer konservativ orientierten orthopädischen Praxis mit Fokus auf Kinderorthopädie und Osteologie, einen Einblick in die nicht-traumatologischen Facetten des Fachgebietes zu bekommen. Mit großem Interesse baute ich meine Fähigkeiten in der konservativen Orthopädie, der manuellen Medizin, der Behandlung häufiger und weniger häufiger kinderorthopädischer Krankheitsbilder sowie osteologischer Verfahren aus und erwarb erste Kenntnisse im Bereich der Akupunktur und Osteopathie.
Berufsbegleitend engagiere ich mich als aktive Bergwachtnotärztin in der Region Allgäu bei der Bergwacht Bayern. In diesem Rahmen übernehme ich dort auch Aufgaben in der notfallmedizinischen Ausbildung der Anwärter und aktiven Einsatzkräfte der im Allgäu und darf seit 2017 das Ressort Notfallmedizin der Bergwachtbereitschaft Kaufbeuren leiten.
Wie geht es jetzt für Dich weiter? Predel: Im April dieses Jahres habe ich die Tätigkeit am regionalen Traumazentrum Memmingen wieder aufgenommen und auch die Arbeit an einer Promotion mit dem Thema “Abriebinduzierte Lockerung von Knie-Totalendoprothesen” begonnen.
Die Prüfung zum Facharzt für Unfallchirurgie und-Orthopädie möchte ich im Spätsommer dieses Jahres ablegen. Für die Zukunft plane ich zunächst, meine Kenntnisse im Rahmen der Verantwortlichkeiten als Facharzt im klinischen Bereich zu festigen. Im Anschluss erwäge ich die Anstellung in einer orthopädischen Praxis mit teilweiser operativer Tätigkeit.
Wie hast Du vom Facharztvorbereitungskurs der ADO in Berlin erfahren? Predel: Das war ganz interessant: Ich habe im Rahmen der Rotation in einer Praxis gearbeitet. Ich habe das Glück gehabt, dass ich in eine Praxis gekommen bin, die orthopädisch-konservativ tätig ist. Mein Chef. Dr. Joachim Geis in Memmingen, ist sehr engagiert. Ihm hatte ich erzählt, dass ich auf der Suche nach einem Termin für einen Vorbereitungskurs bin. Er gab mir den Hinweis, dass die Akademie Deutscher Orthopäden (ADO) des BVOU ein entsprechendes Kursformat anbietet und Stipendien vergibt. Daraufhin habe ich mich beworben.
Wie lief der Bewerbungsablauf für das Stipendium ab? Was musstest Du vorbereiten? Predel: Das funktionierte alles sehr schnell und unkompliziert. Ich habe meinen Lebenslauf aktualisiert und ein Motivationsschrieben verfasst. Die Unterlagen habe ich direkt zur ADO geschickt. Darauf folgte die Zusage, über die ich mich gefreut habe.
Was gefällt Dir besonders gut am Facharztvorbereitungskurs? Predel: Mir gefällt, dass die Kurswoche eine komplette Vorbereitung beinhaltet und das gesamte Themenspektrum abgedeckt wird. Deswegen ist es großartig, dass man bei so einem umfangreichen Fach einen Gesamtüberblick bekommt, trotzdem mit einem Fokus auf das Wesentliche. Viele Dozenten weisen auch an bestimmten Stellen darauf hin, was besonders prüfungsrelevant ist. So kann man auch direkt schauen, welche Themengebiete man sich noch einmal genauer anschauen sollte.
Hast Du auch Verbesserungsvorschläge bezüglich des Ablaufs oder Organisation? Predel: Ich habe einmal bei einer anderen Fortbildungsveranstaltung erlebt, dass 20-minütige Impulsvorträge gehalten wurden. In kürzester Zeit kann man auf diesem Weg wirklich geballtes Wissen vermittelt bekommen und dieses auch sehr gut behalten. Die Informationen ließen sich gut verdauen, denn man hatte zwischen den Vorträgen jeweils eine fünfminütige Pause, bevor der nächste Vortrag an der Reihe war. Das Konzept empfand ich als sehr produktiv. Auf der anderen Seite bin ich mir nicht sicher, inwieweit das auf unser Fach angewandt werden könnte – in O und U gibt es so viele verschiedene große Themengebiete, die man wahrscheinlich splitten müsste.
Ganz neu ist die Event-App. Wie hast Du diese wahrgenommen? Empfindest Du den Einsatz als geglückt? Predel: Auf jeden Fall. Besonders toll fand ich den Einsatz beim Kindertraumatologie-Vortrag aufgrund der Fallbeispiele und der Fragen dazu. Anhand der Beantwortung der Fragen konnten wir nachvollziehen, wer an den Fall konservativ, wer operativ rangehen würde. Für die Entscheidungsfindung dieser Kernfrage war die App super.
Bernadett, vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Janosch Kuno, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit BVOU.
Münster – Der Deutsche Ärztetag (DÄT) ist immer wieder für Überraschungen gut. Das zeigte sich beim 122. Treffen des „Parlaments der Ärzte“ Ende Mai in Münster. Kurz zuvor hatte sich der 1. Vorsitzende des Marburger Bundes (MB), Rudolf Henke, noch Dr. Martina Wenker als Favoritin der Klinikärztegewerkschaft und als erste Frau an die Spitze der Bundesärztekammer (BÄK) gewünscht: „Meine Prognose ist, dass das auch geschehen wird.“ Doch die Delegierten entschieden anders: Sie wählten den Hausarzt, Vorsitzenden des Hartmannbunds und Vizepräsidenten der Ärztekammer Westfalen-Lippe, Dr. Klaus Reinhardt, zum neuen BÄK-Präsidenten.
Wunschtrio mit Klaus Reinhardt wird an die Spitze gewählt
Vorgänger Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery hatte nicht mehr kandidiert. Reinhardt hatte sich im Wahlkampf in einem Trio mit der Kinderchirurgin Dr. Heidrun Gitter (Präsidentin der Ärztekammer Bremen) und der HNO-Ärztin Dr. Ellen Lundershausen (Präsidentin der Landesärztekammer Thüringen) beworben – und konnte auch seine beiden Wunsch-Vizepräsidentinnen durchsetzen. Alle drei siegten allerdings knapp.
Montgomery: Kritik an TSVG und nicht-ärztlichen Gesundheitsberufen
Der DÄT hatte auch dieses Mal eine Vielzahl von Themen und Anträgen zu bewältigen. Schon bei der feierlichen Eröffnung am 28. Mai zeigte sich, was die Ärzteschaft derzeit umtreibt. Noch-Präsident Montgomery kritisierte unter anderem die 25-Wochenstunden-Regelung im Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) und die Fülle an Gesetzesentwürfen zu nicht-ärztlichen Gesundheitsberufen. Damit würden am Rande ärztlicher Tätigkeit neue Berufe kreiert und die Professionalität des Arztberufs ausgehöhlt. Bei der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) war am Tag zuvor bereits der Direktzugang zu Physiotherapeuten kritisch diskutiert worden. Auch das Thema Digitalisierung sprach Montgomery an: Sie könne viel Gutes bewirken, dürfe aber nicht zur Substitution ärztlicher Tätigkeit führen.
Spahn: Rund eine Milliarde Euro mehr an Honorar
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ging auf die Kritikpunkte Montgomerys in seiner Rede ein. Er ließ sich auch durch einen kurzzeitigen Licht- und Stromausfall nicht aus dem Konzept bringen. Im Hinblick auf die 25-Stunden-Regelung verwies er darauf, dass Terminprobleme für viele Menschen im Alltag relevant seien und nicht nur gefühlt. 90 Prozent der Ärzte sagten sogar, sie seien gar nicht betroffen, weil sie sowieso mehr arbeiteten. Außerdem stehe Entsprechendes nun einmal im Koalitionsvertrag. Er wolle aber auch darauf verweisen, dass es für zusätzliche Leistungen nun mehr Geld gebe, rund eine Milliarde Euro. In Bezug auf die Sorgen beim Thema nicht-ärztliche Gesundheitsberufe zeigte Spahn grundsätzlich zwar ein gewisses Verständnis, verwies aber auch auf den steigenden Versorgungsbedarf. Außerdem habe man Wünsche der Ärzteschaft aufgegriffen, zum Beispiel bei der geplanten Ausbildungsreform der Psychotherapeuten. Der Minister riet den Ärzten, das gute Miteinander mit den Gesundheitsberufen zu suchen und „konstruktiv bis in die Wortwahl“ zu sein.
Leitantrag: Stärkung der Freiberuflichkeit, Kooperation bei klaren Verantwortlichkeiten
Im Leitantrag des Ärztetags wird die Politik gleichwohl aufgefordert, Einschnitte in die Selbstverwaltung und damit freiheitliche ärztliche Berufsausübung zu unterlassen und die Stärkung der Freiberuflichkeit zur Richtschnur politischen Handelns zu machen. An anderer Stelle heißt es: „Die Ärzteschaft unterstützt und fördert die Zusammenarbeit zwischen den Gesundheitsberufen bei klaren Verantwortlichkeiten. Sie lehnt aber politische Bestrebungen ab, aus vornehmlich ökonomischen Gründen originäre ärztliche Tätigkeiten auf nicht-ärztliche Gesundheitsberufe zu verlagern.“
Überlastung bei vielen: Wenn die Arbeit Ärzte krank macht
Ein eigener Tagesordnungspunkt war dem Thema „Wenn die Arbeit Ärzte krank macht“ gewidmet. Drei namhafte Referenten trugen vor, worin gesundheitliche Belastungen für Ärzte bestehen, wie die beruflichen Rahmenbedingungen geändert und welche Präventionsmaßnahmen ergriffen werden müssen. Dabei wurde deutlich, dass Personalnot, Arbeitsverdichtung und Wettbewerbsdruck zu körperlicher und auch emotionaler Überlastung führen. Betroffen seien viele, hieß es in Münster: Unter Krankenhausärzten beklagten bei einer MB-Befragung drei Viertel eine berufliche Überlastung. In einer weiteren Befragung gab ein Fünftel der Krankenhausärzte an zu erwägen, ihre ärztliche Tätigkeit aufzugeben. Auch unter niedergelassenen Ärzten fühlen sich viele ausgebrannt, wie eine Befragung der KBV aus dem Jahr 2018 zeigt. Im Leitantrag zu diesem Tagesordnungspunkt wird in einer Vielzahl konkreter Punkte gefordert, gesundheitsgerechte Arbeitsbedingungen für Ärztinnen und Ärzte zu schaffen.
eLogbuch Weiterbildung: Start theoretisch ab 1. Juli 2019 möglich
Bereits auf dem zurückliegenden Ärztetag in Erfurt wurde eine Novellierung der (Muster-) Weiterbildungsordnung beschlossen. Eine wesentliche Neuerung sieht vor, den Kompetenzzuwachs während der ärztlichen Weiterbildung verpflichtend kontinuierlich in einem elektronischen Logbuch zu dokumentieren. In Erfurt hatten die Delegierten die BÄK aufgefordert, mit einem externen Auftragnehmer ein betriebsfähiges Produkt für die Umsetzung eines eLogbuchs zu entwickeln.
In Münster nahm der Ärztetag nun den Sachstandsbericht zustimmend zur Kenntnis und empfahl den Landesärztekammern, die Dokumentation im eLogbuch vorzusehen. Das neue System kann theoretisch ab 1. Juli 2019 an den Start gehen, falls die neue Weiterbildungsordnung in einer Kammer schon umgesetzt beziehungsweise von der jeweiligen Aufsichtsbehörde genehmigt ist. In den Diskussionen wurde allerdings klar, dass es sich um ein noch unfertiges Tool handelt, das sich in der Praxis erst beweisen muss. Mit Hilfe mehrerer Anträge formulierten die Delegierten weitere Bedingungen an den Einsatz: Das eLogbuch solle nutzerfreundlich, transparent und für den Wechsel zwischen Kammern kompatibel gestaltet werden. Die Möglichkeit zur anonymen Evaluation der Weiterbildung solle idealerweise damit kombiniert werden können.
Finanzen: KBV will Anteile am Deutschen Ärzteverlag verkaufen
Der Deutsche Ärztetag befasste sich darüber hinaus mit einer Vielzahl weiterer Themen, wie an der großen Anzahl der Anträge sichtbar wurde. Er diskutierte und verabschiedete zudem wie jedes Jahr die Haushalts- und Finanzplanung der BÄK. Offen angesprochen wurde unter anderem die Zukunft des Deutschen Ärzteverlags und damit des Deutschen Ärzteblatts. Demnach wird seit rund einem Jahr darüber verhandelt, ob die BÄK die Anteile der KBV am Verlag übernimmt. Derzeit halten beide je zur Hälfte Gesellschafteranteile. Der Verkaufswunsch der KBV wird mit Auflagen aus dem GKV-Selbstverwaltungsstärkungsgesetz begründet. Danach muss sich die KBV, verkürzt dargestellt, auf ihr Kerngeschäft konzentrieren und darf keine Beteiligungen wie die an einem Verlag mehr halten.
Autoren: Sabine Rieser/ Dr. Klaus Thierse (eLogbuch)
Münster – Mehr Dynamik – die will der neue Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Dr. Klaus Reinhardt, erzeugen. Kurz nach dem Ende des Ärztetags erklärte er in einem Kurzstatement vor Medienvertretern, es sei wichtig, das, was man anfassen wolle, gemeinsam mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, den Landesärztekammern und den ärztlichen Verbänden zu tun: „Es muss hier mehr Dynamik entstehen. Wir müssen öfters Positionen gemeinsam vertreten.“ Mit geschlossenen Lösungsvorschlägen könne man sich auch besser politisch positionieren.
Auf diesem Weg kann das neue Trio an der Spitze der BÄK auf mehrfache Kompetenz aus O und U zurückgreifen. Der BÄK-Vorstand setzt sich aus dem Präsidenten, den zwei Vizepräsidentinnen, den Präsident(inn)en der Landesärztekammern und zwei weiteren Ärztinnen/Ärzten zusammen. Derzeit haben gleich vier Vorstandsmitglieder der BÄK einen orthopädisch-chirurgischen Hintergrund.
Dr. Wolfgang Miller ist seit kurzem Präsident der Landesärztekammer Baden-Württemberg. Er ist niedergelassen als Chirurg, Orthopäde und Unfallchirurg in Echterdingen. In der BÄK ist er Mitglied in den zwei Ständigen Konferenzen Berufsordnung und Ärztliche Versorgungswerke.
Sanitätsrat Dr. Josef Mischo, Präsident der Ärztekammer des Saarlands, ist Chirurg mit dem Schwerpunkt Unfallchirurgie. Mischo war überraschend gegen die Kinderchirurgin Dr. Heidrun Gitter angetreten, die sich für den Posten als 1. Vizepräsidentin bewarb und zunächst keinen Gegenkandidaten hatte. Er wolle zeigen, dass er bereit sei, sich ebenfalls zu engagieren, hatte der Saarländer in seiner Bewerbungsrede gesagt. Mischo beschrieb sich als eher ruhigen, aber konsequenten Typ. Im vergangenen Jahr hatte er beim Ärztetag als Vorsitzender des BÄK-Ausschusses Berufsordnung die Vorschläge zum Thema Fernbehandlung unterbreitet und mit dazu beigetragen, das schwierige Thema gut über die Bühne zu bekommen.
Dipl.-Med. Frank-Ullrich Schulz ist niedergelassener Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie und als Präsident der Ärztekammer Brandenburg ebenfalls Mitglied im Vorstand der BÄK. Bis zu seiner Wahl in dieses Amt war er Vorstandsmitglied im BVOU. Schulz ist Mitglied der Ständigen Konferenz „Ärztliche Weiterbildung“ der Bundesärztekammer sowie stellvertretendes Mitglied von deren Ständiger Konferenz „Gutachterkommissionen/Schlichtungsstellen“.
Auch die Chirurgie ist unter den Ärztekammerpräsidenten im BÄK-Vorstand gut vertreten: Mit dem Chirurgen Dr. Günther Jonitz (Präsident der Ärztekammer Berlin), dem Thoraxchirurgen Dr. Günther Matheis (Ärztekammer Rheinland-Pfalz) und dem Chirurgen Dr. Theo Windhorst (Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe).
Windhorst war dieses Jahr Gastgeber des Ärztetags in Münster. Er nutzte seine Begrüßung zu einer längeren Rede und betonte gegenüber den anwesenden Politikern, die Ärzte wollten keine Politik der Drohungen und Bestrafungen. Politik könne auch anders, und das wünsche man sich. Statt der oft gewählten Streicher für die musikalische Untermalung der Eröffnung hatte sich Windhorst für ein Kontrastprogramm entschieden: Er ließ neun Trommler, die „Fascinating Drums“, lautstark auftreten. Als Paukenschlag wurde einige Tage später auch seine Wahlempfehlung für die BÄK-Spitze empfunden: Obwohl Marburger-Bund-Mann, sprach der Westfalen sich nicht für die MB-Kandidatin Dr. Martina Wenker aus, sondern für Reinhardt, seinen Vizepräsidenten in der Kammer.
Berlin – Trotz massiver Kritik und gut begründeter Stellungnahmen aus der Praxis, wie auch vom VKD, ist zum Jahresanfang die Ministerverordnung zu den Pflegepersonaluntergrenzen in Kraft getreten.
„Die Auswertung des ersten Quartals bestätigt, dass die Kritik an der Verordnung berechtigt war und der Ansatz nicht hilfreich ist“, kommentiert der Präsident des Verbandes der Krankenhausdirektoren Deutschlands (VKD), Dr. Josef Düllings.
Mit 90 Prozent Erfüllungsquote haben die Krankenhäuser aus dem Stand und ohne Übergangsphase trotz aktuell zunehmenden Personalmangels in der Pflege die Verordnungsvorgaben weitestgehend erfüllt. Ein tieferer Blick in die Umsetzungspraxis offenbart aber auch das durch die Verordnung ausgelöste Dilemma: Viele Krankenhäuser mussten Behandlungen einschränken, um die Vorgaben zu erfüllen. Dies betraf vor allem Intensivstationen, in denen Plätze zum Teil stillgelegt wurden. De facto heißt dies, dass Patienten abgewiesen wurden. Ob dies der Patientensicherheit dient, gerade in den Grippemonaten Anfang des Jahres, darf bezweifelt werden.
Nicht berücksichtigt wurde in der Erhebung zudem die Zahl der eingesetzten Ärzte. Hilfs- und Assistenzkräfte spielten ebenfalls keine Rolle. Der VKD hatte in seiner Stellungnahme zum Verordnungsentwurf bereits darauf hingewiesen, dass die Krankenhäuser in den vergangenen Jahren in erheblichem Maße neue Mitarbeiter eingestellt haben, um die Pflege zu entlasten. Hier wurde mit der Verordnung aus unserer Sicht der Rückwärtsgang eingeschaltet. Plötzlich eingelieferte Notfälle, Krankheit von Mitarbeitern, solche naturgemäß immer wieder auftretenden Ereignisse, führten natürlich zur Unterschreitung der Quoten, die Sanktionen nach sich ziehen. Ein Unding. Unabweisbare Notfälle dürfen nicht als Unterschreitung der Quoten bewertet und sanktioniert werden.
Wie erwartet sind auch die Bürokratielasten gestiegen. Nach Angaben der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) mussten, ausgelöst durch die Verordnung, erstmals siebenhunderttausend Schichten erfasst und ausgewertet werden. Ein völlig übertriebener Aufwand, der am Ende die Versorgungssituation nicht verbessert hat.
Fazit der ersten Auswertung aus Sicht des VKD: „Bitte das Experiment beenden. Wir gehen mit der DKG konform, die sich für ein bedarfsorientiertes Personalbemessungssystem in einer Ganzhauskonzeption ausspricht. Dieses Konzept würde dem Management die Möglichkeit geben, Personal entsprechend den tatsächlichen Erfordernissen der Patientenversorgung flexibel einzusetzen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat gerade kürzlich in der Jahrestagung unseres Verbandes in Berlin betont: “Wir sind nicht die besseren Geschäftsführer, die Ihnen sagen, wie Sie Ihr Personal einsetzen.‘ Wir nehmen ihn gern beim Wort“, so VKD-Präsident Josef Düllings.
Berlin – Nach aktuellen Berechnungen des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) fehlen in Deutschland jährlich bis zu 6.000 Studienplätze im Fach Humanmedizin – wenn die aktuelle ambulante Versorgungsleistung bis 2035 aufrechterhalten werden soll. Abhängig vom Ausbildungserfolg der zukünftigen Studierenden, der Dauer der Weiterbildung und der beruflichen Orientierung variiert die Projektion zwischen 6.000 (75 Prozent der Studienanfänger werden innerhalb von 15 Jahren Facharzt) und 3.000 fehlender Studienplätze (Facharztquote von 92 Prozent) pro Jahr. Im günstigen Fall müssten sich neun von zehn erfolgreichen Absolventen für die medizinische Versorgung und gegen eine Anstellung in Forschung, Industrie, etc. entscheiden. Die Projektion zeigt, dass der vertragsärztliche Versorgungsgrad bis 2035 auf 74 Prozent des heutigen Niveaus absinken könnte – selbst wenn es weiterhin gelingt, die heutige Nettozuwanderung in Höhe von 1.639 Ärzten pro Jahr nach Deutschland aufrechtzuerhalten. Allein eine Steigerung der Zuwanderung um etwa 3.600 Fachärzte pro Jahr würde das medizinische Versorgungsniveau in Deutschland bis 2035 stabilisieren.
„Deutschland ist kurz- und
mittelfristig darauf angewiesen, dass der Zuzug von Ärzten und Fachärzten aus
dem Ausland erheblich steigt. Nur so kann das gewohnte ambulante
Versorgungsniveau gehalten werden. Selbst wenn im Jahr 2020 die
Studienplatzkapazitäten im Fach Humanmedizin von derzeit 11.000 Plätzen um 30
bis 50 Prozent erhöht würden, wären die Auswirkungen in der vertragsärztlichen
Versorgung erst nach 15 Jahren zu spüren, also 2035. In der Zwischenzeit zeigen
sich die Folgen des Studienplatzabbaus in den letzten zwei Jahrzehnten. Der
Wettbewerb um ausgebildete Mediziner und Fachärzte wird in den nächsten zehn
Jahren extrem zunehmen. Es wird spürbar schwieriger werden, das heutige
medizinische Leistungsangebot flächendeckend zu garantieren und zu verhindern,
dass strukturschwächere Regionen benachteiligt werden“, sagte
Zi-Geschäftsführer Dr. Dominik von Stillfried heute in Berlin.
Der demografische Wandel mit
einer zunehmend älter werdenden Bevölkerung begünstigt einen weiteren Anstieg
der Nachfrage nach ärztlicher Versorgung. Ärztliche Leistungen sind
zeitgebunden. Die zur Verfügung stehende Arztzeit in der ambulanten Versorgung geht
aber kontinuierlich zurück. Der Grund dafür sind veränderte Arbeitsgewohnheiten
und zunehmende Verwaltungsaufgaben. So hat sich die Zahl der angestellten Ärzte
seit 2007 fast versechsfacht. Waren 2007 nur rund 5.600 Ärzte angestellt, waren
es 2017 bereits 31.477. Während wirtschaftlich selbständige, niedergelassene
Ärzte im Schnitt 50 Stunden pro Woche arbeiten, führen die Trends zur
Anstellung (40-Stunden-Woche) und zur Tätigkeit in Teilzeit zu einer Abnahme
der Behandlungsleistung pro Arzt. Es werden daher mehr Ärzte benötigt, um das
Versorgungsniveau aufrecht zu erhalten. Die weiter steigende Zahl von Ärzten,
die in den nächsten Jahren aus Altersgründen aus der ambulanten Versorgung
ausscheiden und einen Nachfolger für ihre Praxen suchen, verschärft die
Situation im vertragsärztlichen Sektor weiter.
„Wenn das bisherige Niveau
der medizinischen Versorgung in Zukunft auch nur annähernd aufrechterhalten
werden soll, ist eine substanzielle Steigerung der Ausbildungskapazität durch
die Bundesländer im Fach der Humanmedizin unabdingbar. Um die verfügbare
Arztzeit möglichst zur Patientenversorgung zu nutzen und die Attraktivität der
Niederlassung weiter zu steigern, sollte die ärztliche Tätigkeit in der
stationären und ambulanten Versorgung zudem konsequent von Verwaltungsaufgaben
entlastet werden“, forderte von Stillfried.
Zum Hintergrund
Die Zi-Studie „Bedarfsprojektion für Medizinstudienplätze in Deutschland“ bewertet, wie viele Studienplätze im Fach Humanmedizin im Zuge des „Masterplans Medizinstudium 2020“ notwendig wären, um den erwarteten medizinischen Versorgungsbedarf in Zukunft zu decken. Dazu hat das Autorenteam den Versorgungsbedarf und die zukünftige Behandlungsleistung von Ärzten aus verfügbaren Datenreihen abgeleitet. Die Zusammenführung beider Komponenten ermöglicht eine Abschätzung, ob die aktuelle Zielvorgabe für Studienplätze in der Humanmedizin ausreichend ist. Als Datengrundlage dienen unter anderem ein Auszug aus dem Bundesarztregister (Stand: 31. Dezember 2018), die Daten der aktualisierten 13. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes für den Bund und der relative Beanspruchungsindex rBIX des Zi. Zur weiteren Methodik verweisen wir auf die ausführliche Beschreibung der Datenanalyse in der Langfassung der o. g. Zi-Analyse, die Sie hier finden:
Berlin – „Nicht einmal ein Jahr nachdem der Deutsche Ärztetag im Jahr 2018 den Weg für die ausschließliche Fernbehandlung geebnet hat, ist die Umsetzung in den Ländern auf einem guten Weg. Mittlerweile haben fast alle Ärztekammern entsprechende berufsrechtliche Neuregelungen eingeleitet. Nun kommt es darauf an, Ärztinnen und Ärzte umfassend über die neuen Möglichkeiten zu informieren.“ Darauf verwies Dr. Josef Mischo, Vorsitzender des Berufsordnungsausschusses der Bundesärztekammer, anlässlich der Veröffentlichung von Hinweisen und Erläuterungen der Bundesärztekammer zur ausschließlichen Fernbehandlung sowie eines Fragen-Antwortenkataloges. Die Informationsmaterialien wurden unter Leitung Mischos von der Arbeitsgruppe „Fernbehandlung“ der Bundesärztekammer erarbeitet und vom Vorstand verabschiedet.
Mischo stellte klar, dass alle beruflichen Rechte und Pflichten von Ärztinnen und Ärzten auch im Rahmen einer ausschließlichen Fernbehandlung gelten. Ärzte müssten stets prüfen, ob der jeweilige Fall für eine ausschließliche Fernbehandlung in Frage kommt oder nicht. „Sind die von dem Patienten beschriebenen Beschwerden für eine Beratung oder Behandlung ausschließlich über Kommunikationsmedien geeignet? Ist der Patient in der Lage, über eine technische Plattform zu kommunizieren? Diese und viele weitere Fragen müssen mit einem klaren ‚Ja‘ beantwortet werden, bevor die Fernbehandlung beginnen kann.“ Darüber hinaus sind rechtliche Aspekte, technische Anforderungen und Fragen der Qualitätssicherung zu beachten. Die Bundesärztekammer hat diese und viele weitere Punkte gut verständlich in ihren Hinweisen und Erläuterungen ausgearbeitet. Dort findet sich auch eine Checkliste mit vielen weiteren praktischen Informationen.
Mischo ist überzeugt, dass sich die Behandlung aus der Ferne zum Beispiel über Video-Sprechstunden als eine von vielen Formen ärztlicher Patientenversorgung in Deutschland etablieren wird. Die Arbeitsgruppe wird sich deshalb in einem nächsten Schritt mit Fragen der Einbindung der ausschließlichen Fernbehandlung in die Versorgungsstrukturen befassen.