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Knieverletzungen: Das Kreuz mit dem Kreuzband

Karlsruhe – Winterzeit ist Verletzungszeit. Besonders für Frauen. Das hat unsere Studie zur Inzidenz von Kniegelenkverletzungen gezeigt, die wir vor drei Jahren zusammen mit Kollegen von der AOK Baden-Württemberg veröffentlicht haben (1). Die Auswertung der Versorgungsdaten zeigte damals, dass sich Frauen besonders häufig im ersten Quartal eines Kalenderjahres verletzen. Das Bild war über den sechsjährigen Untersuchungszeitraum immer gleich: Ein sprunghafter Anstieg an Kniegelenkverletzungen zu Jahresbeginn, gefolgt von einem langsamen Rückgang in den anderen Quartalen. Wir haben damals einen Zusammenhang mit dem Wintersport vermutet, weil Frauen beim Wintersport als gefährdeter gelten. Allerdings haben wir – anders als in der Literatur dokumentiert – in den ausgewerteten Versorgungsdaten der AOK Baden-Württemberg keine höhere Inzidenz von Kniebandrupturen bei Frauen finden können. Vermutlich hatten die Patientinnen unseres Studienkollektivs ein anderes Sport- und Freizeitverhalten als die Patientinnen in anderen Studienkolektiven zur geschlechtsspezifischen Inzidenz von Kniebandrupturen.

Der Riss des vorderen Kreuzbands ist eine typische Wintersport-Verletzung.  Aktuelles Beispiel: Die norwegische Ski-Rennläuferin Ragnhild Mowinckel ist in diesem Jahr bereits zum zweiten Mal betroffen, was ihr vorzeitige Saison-Aus bedeutet. Die typische Ursache für den Riss des vorderen Kreuzbands ist die abrupte Bremsbewegung im Valgusstress. Warum Frauen ein höheres Risiko haben als Männer (2,3), ist nicht eindeutig klar, allerdings gibt es Vermutungen. Bei Frauen ist zum Beispiel der Abstand zwischen den beiden Kondylen geringer als bei Männern. Das könnte ein Grund sein (4). Ein weiterer Grund könnten hormonelle Faktoren sein. Frauen landen nach einem Sprung auch anders als Männer. Ihr Knie ist dabei stärker nach innen gedreht.

Warum weise ich Sie heute auf diese Zusammenhänge hin? Zu einem sollten wir Frauen besser über ihr erhöhtes Risiko für eine Ruptur des vorderen Kreuzbands aufklären und zur Prävention anhalten. Klinische Studien und Metaanalysen haben gezeigt, dass sich das Risiko durch neuromuskuläres Training in relevanter Weise reduzieren lässt (5). Zum anderen sollten wir die Ruptur des vorderen Kreuzbands auch stärker als Risikofaktor für einen spätere Arthrose begreifen. Arthrose ist nicht nur eine Erkrankung des Alters, sondern vielfach auch Folge eines Traumas (6,7). Die Wahrscheinlichkeit, dass zehn Jahre nach dem Auftreten einer Kreuzbandverletzung Anzeichen einer Gonarthrose zu sehen sind, liegt bei 80 Prozent (8). Das wird noch immer viel zu wenig beachtet.

Eine aktuelle Studie von Tanvir Khan von der Universität Nottingham und seinen Kollegen in der Zeitschrift „British Journal of Sports Medicine“ geht noch einen Schritt weiter (9). Diese Studie zeigt, dass Verletzungen am vorderen Kreuzband und am Meniskus nicht nur eine Arthrose begünstigen, sondern auch häufiger zu einer Osteoarthrose im Endstadium führen, die dann einen Kniegelenkersatz erfordert. Mit einer Ruptur des vorderen Kreuzbands in der Anamnese ist das adjustierte Chancenverhältnis (Odds Ratio) für eine Knie-TEP wegen Osteoarthrose rund siebenmal höher als ohne diese Verletzung in der Anamnese, bei Meniskusverletzungen sogar fast fünfzehnfach höher. Die Studie von Khan und seinen Kollegen zeigt auch, dass die Patienten, die eine Knie-TEP nach entsprechender Verletzung in der Anamnese bekommen, jünger sind und früher operiert werden als die Patienten mit einer verschleißbedingten Osteoarthrose. Wir sollten uns also im Klaren darüber sein, dass es bei der Behandlung und Rehabilitation einer vorderen Kreuzbandverletzung oder einer Meniskusverletzung immer auch um das Hinauszögern dieser Spätfolgen geht. Die Studie von Khan und seinen Kollegen ist eine aufwendig Fall-Kontroll-Studie mit den Daten des „Clinical Practise Research Datalink“, der die longitudinalen Daten von 3,6 Millionen Patienten enthält und für die Jahre zwischen 1990 und 2011 ausgewertet wurde. Allerdings lässt die Studie keine Aussagen darüber zu, mit welchen Operationsverfahren sich Osteoarthrose und Knie-TEP am besten herauszögern lassen. Diese Fragen müssen in anderen Studien beantwortet werden.

Was sollten wir unseren Patienten zur Vermeidung von vorderen Kreuzband- und Meniskusverletzungen raten? Einige Vorschläge:

  • Gehen Sie nur zum Ski- oder Snowboardfahren auf die Piste, wenn Sie in guter körperlicher Verfassung sind.
  • Schützen Sie Ihre Augen vor der Sonne, tragen Sie warme Kleidung und verwenden Sie eine angemessene Schutzausrüstung.
  • Nehmen Sie sich genügend Zeit zum Aufwärmen.
  • Viele Unfälle passieren am Ende des Tages, wenn die Kräfte nachlassen und die Sicht schlechter wird. Hören Sie rechtzeitig auf und überschätzen Sie sich nicht.
  • Trinken Sie genügend, denn eine Dehydrierung wirkt sich negativ auf Ausdauer und Kraft aus.
  • Fahren Sie in Sichtweise zu anderen Skifahrern und Snowboardern, damit Ihnen zügig geholfen wird, falls Sie Hilfe brauchen.
  • Bereiten Sie sich auch im Vorfeld durch entsprechendes Training ausreichend auf den Wintersport vor.

Dr. Johannes Flechtenmacher, BVOU-Präsident

Literatur:

  • Schneider O et al. Inzidenz von Kniegelenkverletzungen – Zahlen für die ambulante und stationäre Versorgung in Deutschland. Orthopäde (2016) 45: 1015-1026.
  • Joseph AM et al. A multisport epidemiologic comparison of anterior cruciate ligament injuries in high school athletics. Athl. Train, (2013) 48: 810-817.
  • Men vs. Women, did you know the differences extend down to their bone &joints? Orthoinfo.org
  • Souryal TO et al. Intercondylar notch size and anterior cruciate ligament injuries in athletes: A prospective study. Am J Sports Med. (1993) 21.535-539.
  • Silvers HJ et al. Anterior cruciate ligament tear prevention in the female athlete. Curr Sports Med Rep. (2005) 4:341-3
  • Gelber AC et al. Joint injury in young adults and risk for subsequent knee and hip osteoarthritis. Ann Intern Med (2000) 133:321–328
  • Lohmander LS et al. The long-term consequence of anterior cruciate ligament and meniscus injuries: osteoarthritis. Am J Sports Med. (2007) 35:1756-69.
  • Spahn G et al. The time-related risk for knee osteoarthritis after ACL injury : Results from a systematic review. Orthopäde (2016) 45:81-90.
  • Khan T et al. ACL and meniscal injuries increase the risk of primary total knee replacement for osteoarthritis: a matched case-control study using the Clinical Practice Research Datalink (CRPD). Br J Sports Med (2019) 53:965-968

Sprechstunde digital: Onlinetermine und Videosprechstunde mit Orthinform

Berlin – Das Patienteninformationsportal Orthinform hat sich im deutschsprachigen Internet etabliert. Monatlich besuchen zwischen 60.000 und 100.000 Nutzer den Informationsdienst des BVOU. Mit seiner Kombination aus Gesundheitsinformationen und Arztsuche, ist Orthinform einzigartig und unterstützt Kliniken und Praxen bei der Präsentation ihrer Leistungsfähigkeit im Internet.

Der BVOU verfolgt das Ziel, seine Mitglieder mit leicht nutzbaren Angeboten den Weg ins digitale Zeitalter zu ebnen. Beispielsweise sind Online-Terminvergabe und eine leistungsfähige Videosprechstunde so in Orthinform integriert, dass Praxisinhaber und Abteilungsleiter diese mit wenigen Klicks in das persönliche Arztprofil sowie das Profil der eigenen Einrichtung integrieren können.

Terminvergabe online

Es lässt sich jede beliebige Terminvergabe-Software (z. B. samedi, Doctolib oder CGM) über einen Link in das System aufnehmen. Diesen tragen Sie im Dashboard in Ihr persönliches Arztprofil ein. Patienten gelangen mit einem Klick auf den gelben Button [Termin vereinbaren] direkt in Ihr Terminvergabe-Tool.

Aufgrund unserer engen Zusammenarbeit mit samedi wurde deren Terminvergabe-Tool bereits in Orthinform eingebettet. Sind Sie samedi-Kunde, können Sie einfach Ihre Arzt-ID hinterlegen und gewähren Orthinform damit Zugriff auf Ihre Terminvergabe. Über eine Schnittstelle werden alle Terminarten sowie die nächsten freien Termine in Orthinform angezeigt und können von Patienten gebucht werden (Abb. 1).

Abb.1: Terminvergabe auf Orthinform © BVOU

Orthinform-Nutzer legen nur noch fest, welche Terminarten sie anbieten und wie viele freie Zeitslots sie dafür an jedem Arbeitstag zur Verfügung stellen möchten. Ab dann wird ihr Arztprofil für die gewählten Selektivverträge und weitere Sprechstundenangebote bundesweit von Patienten gefunden sowie in entsprechenden Deutschlandkarten angezeigt. Mit einem Klick können Besucher einen Termin bei vereinbaren. Sie können samedi auch ausschließlich für die Terminplanung von Spezialterminen, Selektivverträgen und der Videosprechstunde nutzen und Ihre „normale Sprechstunde“ wie bisher planen.

Terminvergabe für Selektivverträge und sektorübergreifende Versorgungsprojekte

Die Vernetzung mit der samedi-Terminvergabe geht sogar noch weiter: Für alle vom BVOU bundesweit abgeschlossenen Selektivverträge existieren in samedi ebenso Vorlagen, wie für die am häufigsten von Orthopäden und Unfallchirurgen angebotenen Terminarten (z. B. Akupunktur, Schmerzsprechstunde, Stoßwellenbehandlung etc.). Auch die Termine der DAAG-Videosprechstunde sind mit samedi und Orthinform verknüpft und stehen zur Buchung bereit.

Der BVOU verhandelt derzeit weitere attraktive Selektivverträge mit gesetzlichen wie privaten Krankenkassen und arbeitet intensiv an sektorenübergreifenden Versorgungsangeboten. Häufig wird von den Vertragspartnern eine begünstigte Terminvergabe für ihre Versicherten als Voraussetzung für den Vertragsabschluss gefordert. Dafür setzen wir zukünftig auf die Online-Terminvergabe und deren Integration in Orthinform. Versicherte und Callcenter werden dann auf Orthinform nach teilnehmenden Ärzten suchen und bekommen dort bevorzugte Termine bei diesen Ärzten angeboten. Deshalb empfehlen wir allen Kollegen, die Interesse an der Teilnahme an Selektivverträgen haben, ihr Orthinform-Profil zu aktualisieren und samedi als Online-Terminvergabe-Tool einzusetzen.

Videosprechstunde

In Orthinform lässt sich jede zertifizierte Videosprechstunde integrieren. Wir empfehlen das Videosprechstunden-Tool der Deutschen Arzt AG (DAAG), das ähnlich wie samedi in Orthinform integriert ist. Hinzu kommt, dass die Videosprechstunde der DAAG für die Terminplanung auf samedi zurückgreift. Im DAAG-Tool legen Sie selbst Gesundheitsdienstleistungen und Preise sowie die verfügbaren Terminslots fest. Mit der integrierten Bezahlfunktion läuft auch die Abrechnung Ihrer Leistungen einfach und transparent.

Das Dreigespann aus Orthinform, samedi-Terminvergabe und Videosprechstunde der DAAG bietet damit einen zukunftssicheren, kostengünstigen und voll integrierten Einstieg in die digitale Gesundheitsversorgung. Durch die gleichzeitige Integration in ausgewählte Selektivverträge finanzieren sich diese Tools in der Regel selbst.

Abb. 2: Arztprofil: Videosprechstunde und Terminvergabe © BVOU

Fachärzte auf Orthinform erschließen sich mit der Online-Terminvergabe und der Videosprechstunde einen  überregionalen und interessanten Kunden- und Patientenkreis und entlasten Empfangstresen sowie Telefonleitungen (Abb. 2).

Bundesweite Expertensprechstunden online

Als Anbieter von Videosprechstunden mit Orthinform-Profil avancieren interessierte BVOU-Mitglieder zu Vorreitern der Digitalisierung im deutschen Gesundheitssystem und profitieren von der Erweiterung ihres Dienstleistungs- und Patientenkreises.

Diese Entwicklung unterstützt der BVOU durch gezielte Kommunikationsmaßnahmen auf Orthinform und anderen Medien. Zu ausgewählten Erkrankungen werden spezielle Kampagnen geschaltet, die gezielt auf verfügbare Experten und Fachärzte hinweisen, die über Videosprechstunde bundesweit für Konsultationen zur Verfügung stehen.

Für 2020 sind unter anderem Expertenkampagnen für folgende Erkrankungen geplant:

  1. Rückenschmerz
  2. Gonarthrose
  3. Coxarthrose
  4. Rheumatische Erkrankungen
  5. Sportverletzungen
  6. Knorpelverletzungen

Damit kann jeder auf Orthinform vertretene Facharzt in Praxis und Klinik überregional aktiv werden und neue Patientengruppen für sich und seine Einrichtung erschließen.

Ob für eine Zweitmeinung oder die kontinuierliche Beratung von Stammpatienten, die Videosprechstunde wird immer häufiger als Alternative zur Sprechstunde vor Ort genutzt und von vielen Patienten nachgefragt. Auch Kliniken profitieren von diesem Angebot, sowohl bei der Patientenakquise als auch bei der Nachsorge.

Buchung und Preise von Online-Terminvergabe und Videosprechstunde

Der BVOU hat mit den Anbietern samedi und DAAG spezielle Rahmenverträge abgeschlossen. Diese beinhalten neben einer Entwicklungspartnerschaft und der tiefen Integration der Produkte in das Patientenportal Orthinform auch Sonderpreise für BVOU-Mitglieder.

Die Online-Terminvergabe von samedi sowie die Videosprechstunde der DAAG können bequem über das Dashboard auf Orthinform gebucht werden (Abb. 3). Füllen Sie einfach die entsprechenden Buchungsdialoge aus und bereits kurze Zeit später sind beide Tools in Ihr Orthinform-Profil integriert und startbereit. Ebenso leicht lassen sich die Angebote in Ihre Praxis- bzw. Klinikwebseite integrieren.

Abb.3: Orthinform-Dashboard © BVOU

Terminvergabe

Im ersten Jahr ist das Online-Terminvergabetool von samedi für BVOU-Mitglieder kostenfrei nutzbar. Sie können also den Nutzen in Ihrem Alltag ausgiebig testen und die Entlastung von Empfangstresen und Telefonleitungen erleben.

Ab dem 2. Jahr fällt eine monatliche Nutzungsgebühr von 10 € an. Diese amortisiert sich in der Regel bereits nach dem ersten Patienten, der einen Termin für einen Selektivvertrag oder eine Spezialsprechstunde bucht.

Das samedi Comfort-Paket für 49,90 € monatlich bietet die vollständige Integration in den Terminkalender der Praxis-EDV, ein komplettes Ressourcenmanagement (Ärzte, Assistenz, Geräte, Räume) und viele weitere Zusatzdienstleistungen.

Videosprechstunde

Die DAAG-Videosprechstunde steht BVOU-Mitgliedern ab 29 € monatlich zur Verfügung. Für 10 € mehr gibt es bereits ein iPad dazu, über das Sie die Videosprechstunde flexibel und völlig unabhängig von der Praxis-EDV betreiben können.

Die Videosprechstunde ist in einzelnen Selektivverträgen des BVOU als Alternative zu einer Konsultation in der Praxis anerkannt und wird z.B. im SV-Vertrag zur spezialisierten konservativen Therapie bei Arthrose mit 50 € pro Sitzung vergütet. Viele weitere Dienstleistungen per Videosprechstunde werden als Selbstzahlerleistung nach GOÄ vergütet. Auch hier ist das Tool in der Regel bereits mit einem Patienten pro Monat refinanziert.

Fazit

Der Einstieg in die digitalen Gesundheitsdienstleistungen wie Terminvergabe und Videosprechstunde sowie ein professionelles Online-Marketing für die eigene medizinische Expertise, waren nie einfacher.

Der BVOU bietet mit Orthinform eine zentrale und hochfrequentierte Plattform zur Präsentation ärztlicher Leistungen in Praxis und Klinik. Durch attraktive Rahmenverträge für BVOU-Mitglieder und die tiefe Integration der Terminvergabe und Videosprechstunde in Orthinform, schafft jeder den risikoarmen Einstieg in die Digitalisierung.

Nach wenigen Klicks im Dashboard von Orthinform haben Sie die Buchung und Integration von Terminvergabe und Videosprechstunde in Ihr Arztprofil abgeschlossen und Sie sind mit diesen attraktiven Gesundheitsdienstleistungen online.

Der BVOU wird im neuen Jahr weitere Selektivverträge abschließen, die auf Orthinform, Online-Terminvergabe und Videosprechstunde aufbauen. So profitieren Kolleginnen und Kollegen gleich mehrfach vom Einsatz dieser innovativen Angebote.

Dr. Jörg Ansorg
Geschäftsführer BVOU

Telematikinfrastruktur

TI-Konnektorpauschale wird in diesem Jahr nicht mehr abgesenkt

Berlin – Damit erhalten Ärzte und Psychotherapeuten weiterhin 1.547 Euro für den Konnektor erstattet. Erst ab 1. Januar 2020 erfolgt eine Absenkung auf 1.014 Euro. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) konnte ferner erreichen, dass der Erstattungsbetrag für stationäre Kartenterminals ab 1. Oktober 2019 angehoben wird. Die Krankenkassen zahlen zukünftig 535 Euro für ein Gerät, 100 Euro mehr als bisher.

Kriedel: Damit haben Praxen die nötige Sicherheit

„Damit haben alle Praxen, die die nötige Technik bestellt haben, die Sicherheit, dass sie die bisher gültigen Pauschalen erhalten“, sagte KBV-Vorstandsmitglied Dr. Thomas Kriedel. Er gehe zudem davon aus, dass bis Jahresende alle Praxen an die Telematikinfrastruktur (TI) angeschlossen sind.

Schiedsamt abgewendet

In den Verhandlungen zur TI-Finanzierungsvereinbarung hatte der GKV-Spitzenverband eine Absenkung der Erstausstattungspauschale rückwirkend zum 1. Juli verlangt und zur Durchsetzung seiner Forderung das Schiedsamt angerufen. „Dies konnten wir verhindern“, betonte Kriedel und fügte hinzu: „Wir sind froh, dass doch noch eine Einigung möglich war.“

Das Schiedsamt sollte ursprünglich am morgigen Freitag tagen, um eine Lösung herbeizuführen. Die Vertragspartner werden ihre Anträge nun zurückziehen und die Finanzierungsvereinbarung zur TI auf Basis der vereinbarten Eckpunkte anpassen.

Mit dem jetzt gefassten Beschluss beträgt die Erstausstattungspauschale, die die notwendigen Kosten für einen Konnektor und ein Kartenterminal decken soll, bis zum Jahresende weiterhin 1.982 Euro, ab 1. Januar 1.549 Euro. Für Praxen, die Anspruch auf zwei oder drei Kartenterminals haben, erhöht sich diese Pauschale dann pro Gerät um 535 Euro. Entscheidend für die Höhe der Pauschale ist weiterhin der Installationstermin.

Weitere Anpassungen für eMP und NFDM

Außerdem gibt es Neuerungen bei der Finanzierung von Praxen, die sich für den elektronischen Medikationsplan (eMP) und das Notfalldatenmanagement (NFDM) rüsten. Für beide Anwendungen benötigen Praxen weitere Kartenterminals.

Für die Anschaffung dieser weiteren Terminals erhalten Ärzte bereits ab Oktober 535 Euro (statt 435 Euro) pro Gerät. Anspruch darauf haben Ärzte, die ihre Praxis-IT auf den eMP und/oder das NFDM umstellen. Dabei ist die Anzahl der Terminals von der Zahl der Betriebsstättenfälle abhängig.

Für den Aufwand der Praxen bei der Einführung des eMP und NFDM gibt es eine neue Zusatzpauschale von 60 Euro. Diese kann abhängig von der Zahl der Betriebsstättenfälle je Gerät abgerechnet werden. Der Zuschlag ist zeitlich befristet: Er wird vom 1. Oktober 2019 bis zum 30. September 2020 gezahlt.

Damit Praxen mit dem eMP und dem NFDM arbeiten können, sind Updates von Konnektor und Praxisverwaltungssystem erforderlich. Die dafür bereits ausgehandelte Pauschale bleibt unverändert bei 530 Euro. Auch der Zuschlag zur Betriebskostenpauschale in Höhe von 4,50 Euro wird beibehalten.

Die Industrie plant nach eigenen Angaben, im vierten Quartal 2019 ein Konnektor-Update zur Verfügung zu stellen.

Quelle: KBV

Schließung von Kliniken als „Königsweg“?

Frankfurt am Main – In einer aktuellen Studie der Bertelsmann-Stiftung wird dafür plädiert, die Kliniklandschaft in Deutschland von dzt. 1364 Kliniken (Krankenhauspläne der Bundesländer) auf weniger als 600 zu senken. 666 Kliniken verfügten über 100 Betten oder weniger. Selbst lebensbedrohliche Erkrankungen wie Herzinfarkt oder Schlaganfälle könnten hier nicht immer und jederzeit suffizient behandelt werden.  Der Patient wird damit Spielball des Zufalls. Der Raum Köln-Leverkusen könne auf 24 der 38 Häuser verzichten. Ziel ist eine Konzentrierung von Fachkompetenz und Fallzahlen und damit eine vermeintliche Qualitätssteigerung. Man darf  mutmaßen, dass auch ökonomische Überlegungen eine wesentliche Rolle spielen. Die finanzielle Ausstattung vieler Kliniken ist prekär. Zudem sind die Klinik- und Bettenzahlen bezogen auf die Bevölkerungsanteile in Deutschland im europäischen Vergleich unbestritten hoch.

Applaus kommt von der Verbraucherzentrale Bundesverband. Eine stärkere Zentralisierung sei notwendig. Ausschlaggebend für eine qualitätsgesicherte Versorgung seien eine gute technische Ausstattung der Häuser und erfahrene Ärzte. Auch der Spitzenverband der Krankenkassen teilt inhaltlich viele Aspekte der Studie.

Kritik gegen den vorgeschlagenen Kahlschlag kommt von vielen Verbänden und Interessensgruppen. So verweist der Präsident der BÄK, Dr. Klaus Reinhardt, auf die Bedeutung der Daseinsvorsorge und Sicherung einer gut erreichbaren, wohnortnahen Gesundheitsinfrastruktur, wie die „Kommission gleichwertige Lebensverhältnisse“ der Bundesregierung gerade erst gefordert habe. Gerade im ländlichen Raum müsse die flächendeckende Versorgung der Patienten sichergestellt werden. Dr. Gerald Gaß, Präsident der DKG, meint: „Wer vorschlägt, von ca. 1600 Akutkrankenhäusern 1000 plattzumachen und die verbleibenden 600 zu Großkliniken auszubauen, propagiert die Zerstörung von sozialer Infrastruktur in  einem geradezu abenteuerlichem Ausmaß, ohne die medizinische Versorgung zu verbessern.“

Der ambulante Bereich wäre derzeit jedenfalls unfähig, die wegfallenden Klinikbetten bei „Vollambulantisierung“ zu kompensieren. Zudem wird gerade in kleineren Kliniken häufig auch temporär Pflege älterer Patienten betrieben. Stationäre Pflegeinrichtungen oder gar familiäre Strukturen wären in Deutschland bei Wegfall dieses „Puffers“ jedenfalls völlig überfordert. Die Strukturmaßnahmen müssten daher die gesamte Gesundheitslandschaft und das gesamte Gesundheitssystem in Deutschland umfassen. Kaum vorstellbar. Erst recht nicht im Föderalismus.

Woher stammen solche „Ideen“?

Ein Blick gen Norden zeigt: die Dänen haben sich für einen etatistischen Ansatz einer solchen Neuordnung ihrer Kliniklandschaft entschieden. Seit 2007 läuft das „Superspital“-Programm. Gebaut werden 16 neue Kliniken für 6,6 Mrd. Euro. Bis 2025 sollen von den ehemals 79 Krankenhäusern in 2007 nur noch 53 übrig bleiben – davon 21 mit Notfallstationen. Die Kliniklandschaft wird völlig neu geordnet. Die Wege werden für die Patienten weiter. Über die Standorte der – neuen – Kliniken entscheidet zentral eine fünfköpfige Expertenkommission. Die Regionen müssen sich fügen. Ziele sind u.a. die Konzentration komplexer Eingriffe zur Steigerung der Qualität durch Expertise, Senkung von Krankenhausinfektionen durch Einzelzimmer, kürzere Verweildauern. In Norddänemark gibt es bereits Videoschaltungen in die Ambulanzen mit deren Hilfe erste Ferndiagnosen gestellt werden und eine Triage vorgenommen wird. In Dänemark ist bereits seit zehn Jahren eine telefonische Voranmeldung zwingend – über Hausarzt oder Hotline. Ähnliches soll in Deutschland nun auch eingeführt werden. Ein erster Gesetzentwurf liegt dazu vor.

Das dänische Modell ist aber auch nicht ohne Kritik. In einer aktuellen Studie der Denkfabrik Health Consumer Powerhouse landet das Land im europäischen Vergleich „nur“ noch auf Rang 4. Notfallstationen seien schwieriger erreichbar. Die Schweiz hingegen kommt auf Platz 1. Aber auch in der Schweiz kommt man um eine stärkere Konzentration der Spitäler nicht herum. Kleinere Spitäler müssten vermehrt in Zentren für ambulante Behandlungen umgewandelt werden, zumal der klassische Hausarzt vielerorts verschwindet.

Unbestreitbar allerdings ist, dass es in Deutschland in den Ballungszentren ein Überangebot an Krankenhausbetten gibt. Eine sinnvolle, arbeitsteilige Aufgabenteilung unterbleibt in der Regel. Alle bieten möglichst Alles an – und konkurrieren zudem noch zunehmend mit ambulanten Einrichtungen und Tageskliniken. Größe ist – vermeintlich – Marktmacht und: wer baut, muss „am Netz“ gehalten werden. Dies führt zu einer Sucht, möglichst Maximalversorger mit Bauvorhaben zu sein. Oder zu Begriffsmonstern wie „Supra-Maximalversorger“. Bei allgemein begrenzten Mitteln werden die Kliniken baulich und bei der technischen Ausstattung allerdings „ausgebremst“. Anspruch und Wirklichkeit passen häufig nicht zueinander. Land und Träger kommen ihren investiven Verpflichtungen nicht nach – weil kein Geld vorhanden ist. Zudem werden die DRG’s – sofern „mengenanfällig“ – jährlich abgewertet. Das all dies zu Lasten der Qualität der Patientenversorgung gehen muss und zu „Windhundrennen“ führt, ist leicht nachvollziehbar. Die Frustrationstoleranz der Klinik-Angestellten ist vielerorts schon überschritten…. Top-Fachärzte*innen verlassen inzwischen auch Unikliniken und entscheiden sich für eine Selbstständigkeit in spezialisierten Privatkliniken oder in der Niederlassung, da eine Klinikkarriere in leitender Position zunehmend unattraktiv wird. Es entsteht ein Mangel an hoch-qualifiziertem Fachpersonal: in der Ärzteschaft wie in der Pflege.

Eine gezielte regionale Schließung einzelner Kliniken in konsentiert überversorgten Gebieten könnte hier hilfreich sein – bei der Allokation von finanziellen wie von Fachkräfte-Ressourcen. Hierzu müsste allerdings zunächst die Erkenntnis reifen und ein übergreifender politischer Wille vorhanden sein. Damit ist auch weiterhin nicht zu rechnen. Weitere Möglichkeiten wären die Konzentrierung von operativen Eingriffen auf spezialisierte Kliniken mit klar definierten Mindestmengen und Qualitätskontrollen. Hier könnten sich Politik und Kostenträger mit den spezialisierten chirurgischen Fachgesellschaften und Verbänden abstimmen, die wissen, wo die Expertise „sitzt“ – ohne Berührungsängste. Auch damit ist leider nicht zu rechnen.

Damit bleibt die Studie im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung in erster Linie ein allerdings  beachtenswerter Beitrag zur Füllung des Sommerlochs. Die Kliniken werden wohl weiter im „kollektiven Würgegriff“ bleiben.

Prof. Dr. Dr. Reinhard Hoffmann

Vizepräsident BVOU

Jameda-Bewertung bei nicht nachgewiesenem Kontakt zu Praxispersonal unzulässig

Das LG Meiningen hat in einem aktuellen Urteil im einstweiligen Verfügungsverfahren noch einmal kurz und bündig klargestellt, dass die Bewertung eines Arztes auf einer Ärztebewertungsplattform ohne nachgewiesenen Behandlungskontakt unzulässig ist.

Das Gericht folgt damit der Rechtsprechung des BGH (BGH, Urteil v. 1.3.2016, Az. VI ZR 34/15). Nach Ansicht des LG Meiningen gilt dieser Grundsatz auch dann, wenn der angebliche Patient behauptet, er sei bereits vor einer Behandlung vom Praxispersonal trotz starker Schmerzen abgewiesen worden, dies aber nicht nachgewiesen hat.

Der Ärztebewertungsplattform obliegen auch dann Prüfpflichten, denen sie im hier gegenständlichen Fall nicht nachgekommen ist. Die bloße Forderung einer Praxisbeschreibung und der Benennung des Behandlungsmonats und -jahres reicht dazu nicht aus (LG Meiningen, Urteil v. 15.5.2019, Az. (117) 2 O 274/19, nicht rechtskräftig).

Jameda-Bewertung enthielt schwere Vorwürfe

Die Antragstellerin, eine niedergelassene Allgemeinmedizinerin, wandte sich gegen eine Bewertung eines angeblichen Patienten, der auf dem Ärztebewertungsportal jameda.de behauptet hatte, trotz starker Schmerzen vom Personal der Antragstellerin „abgewimmelt“ worden zu sein. Die Antragstellerin wurde mit der Gesamtnote 6,0 bewertet.

Das wollte sich die Ärztin verständlicherweise nicht gefallen lassen. Denn in der unbegründeten Verweigerung einer Behandlung durch einen Arzt liegt nicht nur die Verletzung des hippokratischen Eids (der zwar in Deutschland nicht mehr verpflichtend geleistet wird, jedoch als Ehrenkodex weiterhin Bedeutung hat) sondern möglicherweise auch eine nach § 323c des Strafgesetzbuchs (StGB) strafbare unterlassene Hilfeleistung.

Die Antragstellerin meldete Jameda diese Bewertung daher als Problem. Sie beanstandete, dass die Angaben in der Bewertung nicht wahr seien, und bestritt, dass der Bewertende tatsächlich in der Praxis gewesen und trotz starker Schmerzen im Nierenbereich vom Personal „abgewimmelt“ worden sei. Sie teilte mit, dass sie sicher sei, dass sich ein solcher Vorfall nach eingehender Rücksprache mit ihrem Praxisteam in ihrer Praxis nicht ereignet habe.

Jameda hatte die Bewertung samt Benotung zunächst vorübergehend von der Webseite entfernt, die Bewertung ohne Noten dann aber wieder veröffentlicht, da sie den Wahrheitsgehalt der Bewertung durch eine kurze Praxisbeschreibung und die Nennung des Behandlungsmonats und -jahres des Bewertenden als dargelegt ansah.

Jameda konnte die Behauptung nicht beweisen

Das LG Meiningen bejahte eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Antragstellerin. Grundsätzlich sei zwar die Antragstellerin nach den allgemeinen Regeln für die Verletzung ihrer Rechte darlegungs- und beweisbelastet. Jedoch treffe die Antragsgegnerin bei negativen Tatsachen – hier dem Fehlen des Kontakts mit dem Praxispersonal – eine sekundäre Darlegungs- und Beweislast. Das Gericht entschied, dass die Antragsgegnerin ihren daraus resultierenden Prüfpflichten hinsichtlich des behaupteten Sachverhalts nicht nachgekommen war, und berief sich dabei auf die Rechtsprechung des BGH.

Denn die vom Portalbetreiber durchzuführende Überprüfung muss erkennbar zum Ziel haben, die Berechtigung der Beanstandung des betroffenen Arztes zu klären. Er muss daher ernsthaft versuchen, sich hierzu die notwendige Tatsachengrundlage zu verschaffen und darf sich insbesondere nicht auf eine rein formale Prüfung zurückziehen (BGH, Urteil v. 1.3.2016, Az. VI ZR 34/15).

Dies gilt nach Ansicht des LG Meiningen auch dann, wenn der angebliche Patient behauptet, dass er bereits vom Personal abgewiesen worden sei. Denn die ärztlichen Pflichten beginnen manchmal nicht erst im Behandlungszimmer, sondern bereits dann, wenn der Patient mit starken Schmerzen die Praxis betritt. Der Vorwurf des „Abwimmelns“ wiegt dann unter Umständen sehr schwer, siehe oben.

Die Antragstellerin konnte nach eingehender Absprache mit ihrem gesamten Personal jedoch glaubhaft machen, dass niemand mit starken Schmerzen am Empfang abgewiesen worden war. Dem konnte Jameda nichts entgegensetzen.

Pauschale Praxisbeschreibung nicht ausreichend

Nach Ansicht des LG Meiningen reichen eine Praxisbeschreibung und die Nennung des Behandlungsmonats sowie des Behandlungsjahres nicht aus, um den behaupteten Kontakt mit dem Praxispersonal darzulegen.

Das LG Meiningen überträgt damit die Rechtsprechung des BGH, wonach es nicht ausreichend ist, die Behandlung in mindestens zwei Sätzen zu umschreiben und den Behandlungszeitraum zu nennen (BGH, Urteil v. 1.3.2016, Az. VI ZR 34/15), auf eine zu pauschale Praxisbeschreibung.

Jameda hätte den Verfasser der Bewertung vielmehr nochmals auffordern müssen, die angebliche Abweisung in der Praxis der Antragstellerin möglichst genau zu beschreiben und sich beispielsweise eine anschließende Behandlung oder den weiteren Verlauf der Krankengeschichte skizzieren lassen müssen. Jameda haftet hinsichtlich dieser Bewertung, da die Plattform als Hostprovider durch die Kenntnis von der Rechtsverletzung mittelbare Störerin geworden ist.

Im Falle der Zuwiderhandlung droht Jameda ein Ordnungsgeld bis zu 250.000 € oder bis zu sechs Monate Ordnungshaft. Der Streitwert wurde mit 15.000 € festgesetzt. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Jameda steht nun das Rechtsmittel der Berufung zur Verfügung oder die Klärung des Sachverhalts im Hauptsacheverfahren.

Arno Lampmann
Rechtsanwalt
Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz
Köln


Ärzte wehren sich erfolgreich gegen „Zwangslistung“ bei Jameda

Köln – Im Frühjahr dieses Jahres haben drei Gerichte unabhängig voneinander entschieden: Ärzte und Heilpraktiker müssen das ungewollte Anlegen von sogenannten Basis-Profilen auf dem Artbewertungsportal Jameda nicht dulden. Zwei Kammern des Landgerichts Bonn und das Landgericht Wuppertal gaben damit den Klagen zweier Zahnärzte und einer Heilpraktikerin gegen Jameda Recht, die sich wegen der fehlenden Zustimmung zur Nutzung ihrer Daten auf dem Portal auf die Verletzung des Datenschutzrechts berufen hatten[1]. Jameda kämpft allerdings weiter um sein Geschäftsmodell und hat gegen die Entscheidungen Berufung eingelegt.

Ein „Basis“-Profil auf Jameda enthält nicht viel: Name und Adresse des Arztes sowie die Bewertungen von Patienten werden dort veröffentlicht. Ansonsten ist das Profil nichtssagend und leer: Fast alle Felder und Funktionen, die das Portal zur ansprechenden Gestaltung des eigenen Profils anbietet, können nur gegen eine monatliche Zahlung befüllt werden. So bleibt insbesondere das Feld mit dem Portraitfoto frei, stattdessen ist dort nur ein Schattenriss zu sehen. Auch die Homepage der Praxis wird nicht angegeben. Schon gar nicht können Ärzte, die keinen Vertrag mit Jameda haben, „weitere Informationen“ über ihre Leistungen angeben oder Fotos, Artikel oder Videos hochladen. In den freien Feldern finden sich dagegen direkte Anprachen an den Noch-Nicht-Kunden, so z.B.: „Sind Sie Dr. XY? Vervollständigen Sie jetzt Ihr Profil und geben Sie so neuen Patienten einen Eindruck von Ihnen und Ihrer Praxis.“. Bei dem fehlenden Profilbild heißt es: „Dieser Arzt hat leider noch kein Portrait hinterlegt.“ Ein Hinweis auf die Kostenpflichtigkeit dieser Einträge ist nicht ohne weiteres zu finden. Außerdem wird das Profil noch für Werbung von Drittunternehmen genutzt. Mitten im Basis-Profil findet sich – genau wie an den seitlichen Rändern – Werbung z.B. für Reiseanbieter, Versicherungen oder Banken. Bezahlte „Premium“-Profile können dagegen mit einer Vielzahl von Inhalten bis hin zur Onlinebuchung für Termine bestückt werden, die fast die eigene Praxishomepage überflüssig machen könnten.

Im vergangenen Jahr hatte eine Kölner Hautärztin vor dem Bundesgerichtshof erfolgreich auf Profillöschung geklagt. Das Gericht war der Ansicht, dass Jameda sich nicht (mehr) neutral verhalte, indem zahlenden Kunden „verdeckte Vorteile“ verschafft würden. Daher durften die Daten der Ärztin nicht ohne ihre Zustimmung verwendet werden. Allerdings: wer sich gegenüber Jameda auf das Urteil berief, wird weiterhin abgewiesen. Jameda hatte im Nachgang zu der Entscheidung einige Änderungen in der Profilgestaltung vorgenommen und meint deswegen, dass Ärzte nun wieder akzeptieren müssten, in dem Portal ungewollt aufzutauchen. Jameda beruft sich darauf, dass das Portal einen Beitrag zur Transparenz im Gesundheitswesen leiste und ein öffentliches Interesse an einer vollständigen Ärztelistung bestünde.

Allerdings kamen die drei mit der Sache befassten Gerichte nun zu dem Ergebnis, dass die Änderungen nicht ausreichten, um Jameda (wieder) die notwendige Neutralität zu verschaffen. Die Kläger hatten vorgebracht, dass die Möglichkeit, das eigene Profil nur gegen Entgelt aufbessern zu können, für den Portalnutzer nicht erkennbar sei und bezahlte Einträge attraktiver als die „Zwangs-Profile“ seien. Weiterhin würde Jameda die ungewollt angelegten „Basis-Profile“ dazu benutzen, für zahlende Jameda-Kunden indirekt Werbung zu machen. Berücksichtigt wurde unter anderem auch, dass sich Ärzte durch die unterschiedliche Gestaltung der Profile zu einer Mitgliedschaft gedrängt fühlen könnten. Daher würde – so auch die drei Entscheidungen – das Interesse der Betroffenen das Interesse von Jameda an der Datennutzung überwiegen. Damit fehlt es an den Voraussetzungen für eine Datenverarbeitung ohne Einwilligung.

Ob die Profile am Ende wirklich gelöscht werden müssen, werden nun die Oberlandesgerichte entscheiden. Die erste Entscheidung ist im Herbst diesen Jahres zu erwarten.

Dr. Frauke Schmid-Petersen ist Rechtsanwältin bei HÖCKER Rechtsanwälte in Köln und seit 1999 auf dem Gebiet des Medienrechts tätig und war in den genannten Verfahren als Prozessvertreterin für die jeweiligen Ärzte tätig.


[1] LG Bonn Urt. v. 28.3.2019. Az. 18 O 143/18, Urt. v. 29.3.2019, Az. 9 O 157/18 und LG Wuppertal, Urt. v. 29.03.2019, Az. 17 O 178/18.

„Eine generalisierte und fundierte Ausbildung gewährleisten!“

Berlin/ Baden-Baden – Auf der BVOU-Mitgliederversammlung am 4. Mai 2019 in Baden-Baden wählten die Anwesenden PD Dr. Christian Merle in den BVOU-Gesamtvorstand und zum Vertreter Leitender Ärzte und Oberärzte in O und U. Im Interview spricht er über die Anforderungen an seinen Beruf und darüber, wie sich junge Ärztinnen und Ärzte trotz der wachsenden Herausforderungen zu leitenden Positionen begeistern lassen können.

PD Dr. Christian Merle, in Baden-Baden wurden Sie im BVOU-Gesamtvorstand als Vertreter der Oberärzte gewählt, stellen Sie sich doch einmal kurz vor:
PD Dr. Christian Merle: Ich bin als Oberarzt an der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie des Universitätsklinikums Heidelberg tätig und leite hier seit 2018 das Endoprothetikzentrum. Meine Ausbildung habe ich ebenfalls in Heidelberg mit Rotation an die BG Unfallklinik Ludwigshafen und Auslandsaufenthalten an der University of Oxford und dem Hospital for Special Surgery in New York absolviert. Neben dem klinischen Schwerpunkt in der Primär- und Revisionsendoprothetik von Hüfte und Knie liegt auch mein wissenschaftliches Interesse im Bereich des Gelenkersatzes, insbesondere des Teilgelenkersatzes am Knie und der patientenindividuellen Endoprothetik. Als stellvertretender Leiter des Forums Mittelbau (FOURMit) der DGOU beschäftige ich mich unter anderem mit den berufspolitischen Themen der fachlichen und persönlichen Weiterbildung sowie Möglichkeiten der Qualifizierung nach dem Facharztabschluss. Ich freue mich, die Belange und Interessen der Fach- und Oberärzte/-innen als zahlenmäßig große Gruppe entscheidender Leistungsträger an deutschen Kliniken auch im BVOU vertreten zu dürfen.

Welche Ziele haben Sie sich für das erste Jahr gesetzt?
D Dr. Christian Merle: Es gibt aus meiner Sicht zwei relevante Themen, die ich auch im BVOU gerne voranbringen möchte.

Das exponentiell wachsende Wissen im Fachgebiet der muskuloskelettalen Erkrankungen, die stetige Weiterentwicklung von Operationstechniken und Implantatsystemen und die Sektions-/ Bereichsstruktur vieler Kliniken zeigen den Bedarf an einer zunehmenden operativen Subspezialisierung der Fachärzte, um eine qualitativ hochwertige, sichere und effiziente Patientenversorgung gewährleisten zu können. Im englischsprachigen Raum wird dieser Versorgungsrealität über strukturierte Fellowships Rechnung getragen; in Deutschland hingegen ist das operative Weiterbildungsangebot nach dem Facharzt sehr heterogen und nur unzureichend charakterisiert. Eine generalisierte und fundierte Ausbildung, die das gesamte Spektrum der operativen und konservativen Orthopädie und Unfallchirurgie abdeckt, muss zur Erlangung der Facharztkompetenz weiterhin gewährleistet bleiben. Nach der Facharztprüfung stellen klinische Fellowships eine attraktive und zukunftsfähige Möglichkeit dar, um dem zunehmenden Bedarf an operativ hochspezialisierten Fachärzten gerecht werden zu können. Wir haben in Heidelberg ein entsprechendes Rotationsmodell für Fachärzte in den subspezialisierten Sektionen etabliert, welches auf große Nachfrage und Zustimmung stößt und neben der klinischen auch die wissenschaftliche Karriere individuell fördert. Potentiell können Fellowships in die bereits vorhandenen Zusatzweiterbildungen für spezielle Orthopädie bzw. Unfallchirurgie integriert werden und diese perspektivisch weiterentwickeln. Hierfür ist jedoch eine transparente und einheitliche Definition von Umfang, Dauer und curricularem Inhalt in Anlehnung an die qualitätsorientierten Vorgaben der Sektionen der Fachgesellschaften in Deutschland erforderlich.

Des Weiteren bin ich davon überzeugt, dass in Anbetracht der aktuellen berufspolitischen Entwicklungen eine intensivere Zusammenarbeit der Klinikärzte und der niedergelassenen Ärzte sowohl in der Patientenversorgung als auch der Fort-/ und Weiterbildung von essentieller Bedeutung ist. Abstimmungsschwierigkeiten, die insbesondere durch die Vielfältigkeit der Tätigkeitsbereiche in unserem Fachgebiet entstehen, können durch intensivere Kooperationen und eine bessere Vernetzung überbrückt werden.

Die heutigen Anforderungen an Oberärzte und Chefärzte in O und U gehen weit über die medizinische Expertise und Fachkenntnisse hinaus. Was zählt aus Ihrer Sicht dazu?
PD Dr. Christian Merle: Neben einem stetig wachsenden Fachwissen und dem klaren Trend zur Subspezialisierung übernehmen in der Klinik tätige ärztliche Führungskräfte zunehmend Aufgaben, die organisatorische Prozesse, betriebswirtschaftliche und arbeitsrechtliche Aspekte, die Mitarbeiterführung sowie eine zielgerichtete interdisziplinäre Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit umfassen. Dies erfordert insbesondere in den chirurgischen Fächern eine hohe Belastbarkeit, Flexibilität und Organisationskompetenz. Hier bedarf es analog zur Vermittlung von Fachwissen innovativer Fort-/ und Weiterbildungsangebote sowie flexibler Arbeitsmodelle, um die berufliche Situation von Krankenhausärzten/-innen auch weiterhin für die besten Köpfe attraktiv zu sein.

Diese wachsenden Aufgaben an Krankenhausärzte in leitenden Positionen erfordern Handlungsbedarf: Sie unterstützen angehende Chefärzte und leitende Ärzte in O und U mit Vorträgen bei verschiedenen Fortbildungsangeboten. Welches Wissen möchten Sie an die Kolleginnen und Kollegen weitergeben?
PD Dr. Christian Merle: In der Frage der individuellen Karriereplanung, die alle Fach- und Oberärzte intensiv beschäftigt, sind genau die o.g. Themen wie Organisation, Kommunikation, Ökonomie und Arbeitsrecht zunehmend relevant. Diese Inhalte können nicht nur durch ärztliche Kollegen vermittelt werden. Es besteht ein Bedarf an Kursformaten, in denen auch Experten aus den Bereichen Klinikmanagement, Rechts- und Personalberatung zu Wort kommen und Kompetenzen und Erfahrungen aus der Praxis ihres Fachgebiets teilen. Vor diesem Hintergrund wurde der CLOU- Kurs (Chefarzt und Leitender Arzt in O&U) vom Nichtständigen Beirat der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) und dem Forum Mittelbau der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) in Kooperation mit der AUC – Akademie der Unfallchirurgie, der Akademie Deutscher Orthopäden (ADO), dem Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU) sowie dem Verband leitender Orthopäden und Unfallchirurgen (VLOU) entwickelt. Nach sehr positivem Feedback aus dem letzten Jahr wird der Kurs um die Perspektive Niederlassung erweitert und in diesem Jahr in Berlin am 13./14.09.2019 stattfinden.

Im CLOU+-Kursprogramm trägt Ihr Vortrag den Titel: Karrieresprungbrett Oberarzt?! Verraten Sie uns, was hinter diesem Titel steckt? Welcher Inhalt erwartet die Teilnehmer?
PD Dr. Christian Merle: Die Oberarzttätigkeit in O&U ist trotz oder gerade wegen der vielzitierten “Sandwichposition” definitiv ein Karrieresprungbrett und bietet durch eigenverantwortliches Arbeiten ein hohes Entwicklungspotential. Neben dem klassischen Chefarztmodell stellen zunehmend auch Sektionsleitungen und Beleg-/Kollegialsysteme eine attraktive Alternative dar. Gerade in unserem Fachbereich gibt es eine dynamische Entwicklung der Karriereoptionen mit vielfältigen Chancen sowohl im klinischen als auch niedergelassenen Setting, die es kritisch und unter Berücksichtigung der individuellen Interessen und Qualifikationen zu bewerten gilt.

Herr Dr. Merle, vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Janosch Kuno, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit BVOU

Telematikinfrastruktur, BVOU, Vorstand

Empfehlung zum Anschluss an die Telematikinfrastruktur (TI)

Berlin – Der BVOU-Gesamtvorstand hat sich auf seiner Januartagung am 26.01.2019 mit der Einführung der Telematik-Infrastruktur (TI) ausführlich befasst. Er kam nach kontroverser Diskussion und Bewertung der vorliegenden Informationen zu Risiken und Haftung damals mehrheitlich zur Ansicht, dass der Anschluss an die Telematik-Infrastruktur den BVOU-Mitgliedern zum damaligen Zeitpunkt nicht empfohlen werden sollte. Es wurde empfohlen, eher die gesetzlich vorgesehene Honorarkürzung bei nicht-fristgerechtem Anschluss in Kauf zu nehmen, als die mit dem Anschluss an die TI verbundenen und zum Jahresanfang 2019 noch nicht abschließend geklärten Risiken einzugehen.

Bereits in seinem damaligen Statement wies der Gesamtvorstand darauf hin, dass sich um eine rein subjektive Einschätzung handelt, für die keinerlei Haftung übernommen werden kann. Nach Änderung der Informations- und Rechtlage könne sich diese Meinung jederzeit ändern und jedes Mitglied sollte deshalb für sich selbst abwägen, welchen Weg es gehen möchte. Dieser Fall ist nun eingetreten, weshalb sich der Geschäftsführende Vorstand des BVOU zu einer Korrektur dieser Einschätzung und den daraus abgeleiteten Empfehlungen für seine Mitglieder entschlossen hat.

Haftungsausschluss bei ordnungsgemäßer TI-Anbindung

Ende Juni 2019 hat die Gematik auf Drängen der KBV festgestellt, dass Praxisinhaber nicht für Datenpannen einer korrekt an die Telematikinfrastruktur angeschlossenen Praxis-IT haftbar gemacht werden können. Weiterhin wurde von der Gematik nochmals bekräftigt, dass die TI kein Sicherheitsrisiko darstellt, wenn die zugelassenen Konnektoren vorschriftsgemäß aufgestellt und betrieben werden.

Ferner liegt nunmehr eine erste sozialgerichtliche Entscheidung vor, die zum einen Verstoß der Telematikinfrastruktur gegen Datenschutzrecht ablehnt sowie die Art und Höhe der Kostenerstattung bei der Anschlusspflicht als rechtmäßig sowie die Kostenbeteiligung der Vertragsärzte hieran als zumutbar und verfassungsgemäß einstuft (vgl. SG München, Beschluss v. 22.03.2019 – S 38 KA 52/19 ER).

Sichere Anschlussvarianten an die TI

Gematik und KBV haben Merkblätter veröffentlicht, die die empfohlenen Anschlussvarianten an die TI erklären und darstellen, wie die TI zur Erhöhung der Sicherheit der Praxis-IT führt.

Reihenbetrieb

Sicherste Variante: Reihenschaltung des TI-Konnektors ohne Anbindung der Praxis-IT ans “normale” Internet

Nach diesen Informationen ist die Installationsvariante „Reihenbetrieb“ als sicherste Installation einzuschätzen, da die gesamte Praxis durch den Konnektor und die ausschließliche Anbindung an die TI optimal geschützt wird. Über den Konnektor ist zusätzlich die Anbindung an das KV Safenet und weitere sichere Internetdienste möglich.

Diese Installation bietet ein Plus an Sicherheit im Vergleich zur Internetanbindung einer Praxis über einen normalen Router wie z.B. die FritzBox mit oder ohne zusätzlicher Firewall.

Einschränkend muss festgestellt werden, dass jede Praxis überprüfen sollte, ob mit dieser Installation alle zuvor genutzten Installationen (Fernwartung, Remote-Zugriffe u.ä.) weiter im gleichen Umfang nutzbar sind. Hier sollte ggf. der Praxis-EDV-Dienstleister nachbessern, um höchste Sicherheitsstandards zu gewährleisten.

Parallelbetrieb

Potentiell unsichere Variante: Parallelbetrieb erfordert zusätzliche Absicherung der IT-Infrastruktur in Verantwortung der Praxis (z.B. Firewall, Antivirus, eigener Mailserver etc.)

Auch im sogenannten „Parallelbetrieb“ ist die Praxis-EDV abgesichert, wenn sich die Praxis (wie bislang auch) selbst um Sicherheitsmaßnahmen wie Firewall und Virenschutz kümmert.

Werden diese Sicherheitsmaßnahmen durch die Praxis als Netzwerkbetreiber nicht ergriffen, ist die Praxis-EDV ebenso wie bereits vor dem Anschluss an die TI gefährdet und ggf. Hackerangriffen ausgesetzt. Die Praxis verstößt damit gegen die DSGVO, weil sie die erforderlichen Technisch-Organisatorischen Maßnahmen (TOM) zum Schutz von Patientendaten nicht ausreichend ergriffen hat. Dies hat jedoch nichts mit dem Anschluss an die TI zu tun und liegt wie vor der TI-Anbindung im Verantwortungs­bereich der Praxis selbst.

Netztrennung für gleichzeitige, sichere Nutzung des Internets

Netztrennung bei gleichzeitiger Internet-Nutzung: Hier ist die Praxis-EDV hinter dem Konnektor geschützt während Internet-Rechner in einem separaten Netzwerk arbeiten.

PCs oder Netzwerkteile, die an das Internet über einen normalen Router etc. angeschlossen sind, sollten physisch vollständig von der Praxis-EDV und der TI getrennt werden. Damit ist der Zugriff auf Patientendaten auch für den Fall eines erfolgreichen Hackerangriffs ausgeschlossen. Dieses Szenario kann beispielsweise durch die Installation eines zusätzlichen WLAN erreicht werden, das über einen separaten Router ans Internet angebunden ist. Über einen solchen Kanal sollten auch Digitalisierungsprojekte wie Videosprechstunde und Online-Terminvergabe in der Praxis installiert werden.

Stand-Alone- oder Kioskbetrieb der TI

Kioskbetrieb: Kartenterminal wir unabhängig von der Praxis-EDV genutzt

Bei dieser Anschlussvariante ist die TI vollständig von der bereits existierenden Praxis-EDV getrennt. Mit dieser Variante kann lediglich die Online-Prüfung der Versichertenstammdaten erfolgen.

Dadurch ändert sich das Sicherheitsniveau der bisherigen Praxis-Installation nicht, schneidet die Praxis aber von allen zukünftigen Anwendungen der TI ab, wie z.B. elektronische AU, eRezept, eArztbrief und elektronische Patientenakten.

Deshalb ist diese Installationsvariante lediglich als kurzfristige Übergangsvariante zu empfehlen, beispielsweise bis die gesamte Praxis-EDV mit den erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen für einen Parallelbetrieb ausgerüstet ist.

Digitalisierung kommt und basiert auf der TI

Der Referentenentwurf des „Digitale Versorgung Gesetz“ sieht eine Reihe von Digitalisierungs­projekten vor, die per Gesetz bis Ende 2021 eingeführt werden sollen. Zentral ist beispielsweise die Anbindung an eine von der Gematik und der KBV zu definierende zentrale elektronische Patientenakte sowie das Recht des Patienten, diese Akte in jeder Praxis befüllt zu bekommen.

Dafür ist eine gesonderte Vergütung ebenso vorgesehen wie weitere Sanktionen bei Nichtanbindung an die TI. Weitere digitale Anwendungen im Gesundheitssystem wie die elektronische AU, das eRezept und der eArztbrief, eine vom „normalen“ Internet abgekoppelte elektronische Post zwischen Ärzten, werden ausschließlich auf der Telematikinfrastruktur aufsetzen.

Die KBV schafft gerade die Grundlagen für eine sichere digitale E-Mail-Kommunikation zwischen Ärzten und Praxen, die auf der TI basiert und in die Praxis-EDV-Systeme integriert werden soll. So kann in Kombination mit den oben beschriebenen sicheren Anschlussvarienten an die TI sichergestellt werden, dass das Haupteinfallstor für Hackerangriffe auf Praxen und Kliniken verschlossen wird: E-Mails mit infizierten Anhängen, über die z.B. die sogenannten Kryptotrojaner in Praxisnetzwerke eingeschleust werden. Diese verschlüsseln dann die gesamten Praxis- und Patientendaten, was Grundlage für Erpressungen durch Cyberkriminelle und erhebliche Schäden ist.

Zusammenfassung:
Empfehlung zum Anschluss an die TI

Eine der Grundbefürchtungen des Gesamtvorstandes, dass Praxen für Datenschutzpannen der Telematikinfrastruktur haftbar sind, wurde vor wenigen Tagen von der Gematik und der KBV ausgeräumt. Gleichzeitig bietet die TI bei korrektem Anschluss und Betrieb ein deutliches Mehr an Sicherheit als viele aktuelle Installationsvarianten von Praxis-EDV-Systemen mit Anbindung ans Internet.

Des Weiteren drückt der Gesetzgeber aufs Tempo bei der Digitalisierung des Gesundheitssystems und schafft mit der TI, dem TSVG sowie dem im Referentenentwurf vorliegenden „Digitale Versorgung Gesetz“ den rechtlichen Rahmen für die Einführung klar definierter digitaler Anwendungsszenarien im deutschen Gesundheitssystem.

Diesen Anforderungen müssen sich die Vertragsärzte und auch die Mitglieder des BVOU stellen. Wer sich dem Anschluss an die Telematikinfrastruktur weiter verweigert, wird spätestens ab dem Jahr 2022 von vielen Entwicklungen und Kommunikationspfaden abgehängt und hat mit weiteren Sanktionen zu rechnen, als die aktuell angedrohten Honorarkürzungen.

Der geschäftsführende Vorstand des BVOU empfiehlt in Anbetracht dieser aktuellen Entwicklungen den BVOU-Mitgliedern nunmehr den Anschluss an die Telematikinfrastruktur. Die Einschätzung des BVOU-Gesamtvorstandes wird damit revidiert.

Sollten in der eigenen Praxis-IT-Infrastruktur umfangreichere Sicherheitsmaßnahmen nachzurüsten sein, kann vorübergehend die Installation der Kiosk- bzw. Stand-Alone-Variante der TI erwogen werden, um die gesetzten Fristen zur Anbindung an die TI einzuhalten. Mittelfristig sollte jedoch eine der empfohlenen Installationsvarianten eingeführt werden, um an allen zukünftigen digitalen Diensten teilnehmen zu können, die über die TI eingeführt werden sollen.

Geschäftsführender Vorstand des BVOU, 08.07.2019

Weiterführende Informationen

  1. Informationen von KBV und gematik zur Haftung bei Datenmängeln der TI:
    https://www.kbv.de/html/1150_41119.php
  2. Informationsblatt der Gematik zu Betriebsarten des Konnektors:
    https://fachportal.gematik.de/fileadmin/user_upload/fachportal/files/Service/Anschluss_medizinischer_Einrichtungen_an_die_Tele-matikinfrastruktur__DVO_/Informationsblatt_Betriebsarten-Konnektor_V1.0.0.pdf
  3. Praxisinformationen der KBV zu TI-Installationsvarianten:
    https://www.kbv.de/media/sp/PraxisInfo_TI_Installationsvarianten.pdf
  4. Zentrale Informatinsseite der KBV zur Telematikinfrastruktur: https://www.kbv.de/html/telematikinfrastruktur.php

Höchste Anforderungen an die Akupunktur-Dokumentation durch BSG-Urteil

Wertheim – Akupunktur bei chronischen Schmerzen der Lendenwirbelsäule oder der Kniegelenke durch Gonarthrose gehört zum kassenärztlichen Leistungsangebot vieler konservativ tätiger Orthopäden. Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 13.2.2019 (B 6 KA 56/17R) könnte vielen Akupunkteuren nun eine Honorarrückforderung drohen: Nach jahrelangem Weg durch die Instanzen hat das BSG in seinem Urteil höchste Anforderungen an die Dokumentation der Eingangsvoraussetzungen für Akupunktur als Krankenkassenleistung bestätigt, wie sie vielen Ärzten nicht bewusst sein dürften.

Danach reicht es nicht aus, dass die Voraussetzung einer 6-monatigen Beschwerdedauer anamnestisch oder durch Ankreuzen auf dem Eingangsdokumentationsbogen festgehalten wird. Der behandelnde Arzt muss den Patienten entweder in den beiden Quartalen unmittelbar vor der Akupunkturbehandlung in der eigenen Praxis wegen dieser Krankheit selbst behandelt haben oder alternativ eine Behandlung bei anderen Ärzten in den beiden Vorquartalen durch vorliegende Arztbriefe nachweisen können. Auch reicht eine frühere Behandlung derselben Krankheit vor diesem 6-Monatsintervall irgendwann in der Vergangenheit als Nachweis einer entsprechenden Beschwerdedauer nicht aus.

Die genauen Einzelheiten zum Urteil sind im separaten Text von BVOU-Justitiar Dr. Heberer dargestellt.

Der Fall in Kürze: BVOU-Mitglied Dr. B. (Name der Redaktion bekannt) hatte Patienten im Quartal II/2007 kassenärztlich mit Akupunktur behandelt. Die Voraussetzungen der Qualitätssicherungsvereinbarung Akupunktur seien bei seinen Patienten erfüllt gewesen, so der betroffene Kollege. Er dokumentierte die Beschwerdedauer in den Behandlungsunterlagen, wie dem üblichen Eingangsdokumentationsbogen für Akupunktur. “Ich habe in bestem Glauben gehandelt, dass diese Dokumentation ausreichend ist” schildert der Betroffene sein Vorgehen. “Ich bin als guter Akupunkteur in der Region bekannt, die Krankenkassen haben mir diese Patienten sogar geschickt!”

Doch der Arzt erlebte sein blaues Wunder: Auf Antrag einer großen Krankenkasse musste die zuständige KV im Jahr 2011 in 69 Behandlungsfällen eine Rückforderung der vergüteten Akupunkturleistungen nach GOP 30790 und 30791 in Höhe von 9.322€ im Rahmen einer Richtigstellung festsetzen, da in den beiden Vorquartalen bei den behandelten Patienten keine entsprechende ICD-Diagnose in den Quartalsabrechnungen kodiert und somit das geforderte mindestens sechsmonatige ärztlich dokumentierte Schmerzintervall nicht festgestellt werden konnte.

Seinem Widerspruch, dass dieses im Eingangsbogen nach EBM 30790 entsprechend dokumentiert sei, wurde nicht stattgegeben. In den vom BVOU als Musterprozess anwaltlich unterstützten Verfahren wiesen sowohl das SG München (S 39 KA 307/12) 2014 als auch das LSG München (L 12 KA 221/14) 2016 die Klage des Orthopäden ab und folgten der Ansicht von KV und Krankenkasse. Wie im Text von Dr. Heberer dargestellt hat sich nun auch das BSG in seiner Entscheidung 2019 den Vorinstanzen angeschlossen. Die entstehungsgeschichtliche Auslegung der Einführung der EBM Ziffern 30790 und 30791 lege nahe, dass Akupunktur als zusätzliche Behandlungsoption mit Ausnahmecharakter nicht schon zu Beginn einer Schmerzbehandlung zum Einsatz kommen solle.

Dr. Karsten Braun, Wertheim, Bezirksvorsitzender Heilbronn-Franken

Ärztetag: Wahlen, Weiterbildung, Wohlergehen von Ärzten

Münster – Der Deutsche Ärztetag (DÄT) ist immer wieder für Überraschungen gut. Das zeigte sich beim 122. Treffen des „Parlaments der Ärzte“ Ende Mai in Münster. Kurz zuvor hatte sich der 1. Vorsitzende des Marburger Bundes (MB), Rudolf Henke, noch Dr. Martina Wenker als Favoritin der Klinikärztegewerkschaft und als erste Frau an die Spitze der Bundesärztekammer (BÄK) gewünscht: „Meine Prognose ist, dass das auch geschehen wird.“ Doch die Delegierten entschieden anders: Sie wählten den Hausarzt, Vorsitzenden des Hartmannbunds und Vizepräsidenten der Ärztekammer Westfalen-Lippe, Dr. Klaus Reinhardt, zum neuen BÄK-Präsidenten.

Wunschtrio mit Klaus Reinhardt wird an die Spitze gewählt

Vorgänger Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery hatte nicht mehr kandidiert. Reinhardt hatte sich im Wahlkampf in einem Trio mit der Kinderchirurgin Dr. Heidrun Gitter (Präsidentin der Ärztekammer Bremen) und der HNO-Ärztin Dr. Ellen Lundershausen (Präsidentin der Landesärztekammer Thüringen) beworben – und konnte auch seine beiden Wunsch-Vizepräsidentinnen durchsetzen. Alle drei siegten allerdings knapp.

Montgomery: Kritik an TSVG und nicht-ärztlichen Gesundheitsberufen

Der DÄT hatte auch dieses Mal eine Vielzahl von Themen und Anträgen zu bewältigen. Schon bei der feierlichen Eröffnung am 28. Mai zeigte sich, was die Ärzteschaft derzeit umtreibt. Noch-Präsident Montgomery kritisierte unter anderem die 25-Wochenstunden-Regelung im Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) und die Fülle an Gesetzesentwürfen zu nicht-ärztlichen Gesundheitsberufen. Damit würden am Rande ärztlicher Tätigkeit neue Berufe kreiert und die Professionalität des Arztberufs ausgehöhlt. Bei der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) war am Tag zuvor bereits der Direktzugang zu Physiotherapeuten kritisch diskutiert worden. Auch das Thema Digitalisierung sprach Montgomery an: Sie könne viel Gutes bewirken, dürfe aber nicht zur Substitution ärztlicher Tätigkeit führen.

Spahn: Rund eine Milliarde Euro mehr an Honorar

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ging auf die Kritikpunkte Montgomerys in seiner Rede ein. Er ließ sich auch durch einen kurzzeitigen Licht- und Stromausfall nicht aus dem Konzept bringen. Im Hinblick auf die 25-Stunden-Regelung verwies er darauf, dass Terminprobleme für viele Menschen im Alltag relevant seien und nicht nur gefühlt. 90 Prozent der Ärzte sagten sogar, sie seien gar nicht betroffen, weil sie sowieso mehr arbeiteten. Außerdem stehe Entsprechendes nun einmal im Koalitionsvertrag. Er wolle aber auch darauf verweisen, dass es für zusätzliche Leistungen nun mehr Geld gebe, rund eine Milliarde Euro. In Bezug auf die Sorgen beim Thema nicht-ärztliche Gesundheitsberufe zeigte Spahn grundsätzlich zwar ein gewisses Verständnis, verwies aber auch auf den steigenden Versorgungsbedarf. Außerdem habe man Wünsche der Ärzteschaft aufgegriffen, zum Beispiel bei der geplanten Ausbildungsreform der Psychotherapeuten. Der Minister riet den Ärzten, das gute Miteinander mit den Gesundheitsberufen zu suchen und „konstruktiv bis in die Wortwahl“ zu sein.

Leitantrag: Stärkung der Freiberuflichkeit, Kooperation bei klaren Verantwortlichkeiten

Im Leitantrag des Ärztetags wird die Politik gleichwohl aufgefordert, Einschnitte in die Selbstverwaltung und damit freiheitliche ärztliche Berufsausübung zu unterlassen und die Stärkung der Freiberuflichkeit zur Richtschnur politischen Handelns zu machen. An anderer Stelle heißt es: „Die Ärzteschaft unterstützt und fördert die Zusammenarbeit zwischen den Gesundheitsberufen bei klaren Verantwortlichkeiten. Sie lehnt aber politische Bestrebungen ab, aus vornehmlich ökonomischen Gründen originäre ärztliche Tätigkeiten auf nicht-ärztliche Gesundheitsberufe zu verlagern.“

Überlastung bei vielen: Wenn die Arbeit Ärzte krank macht

Ein eigener Tagesordnungspunkt war dem Thema „Wenn die Arbeit Ärzte krank macht“ gewidmet. Drei namhafte Referenten trugen vor, worin gesundheitliche Belastungen für Ärzte bestehen, wie die beruflichen Rahmenbedingungen geändert und welche Präventionsmaßnahmen ergriffen werden müssen. Dabei wurde deutlich, dass Personalnot, Arbeitsverdichtung und Wettbewerbsdruck zu körperlicher und auch emotionaler Überlastung führen. Betroffen seien viele, hieß es in Münster: Unter Krankenhausärzten beklagten bei einer MB-Befragung drei Viertel eine berufliche Überlastung. In einer weiteren Befragung gab ein Fünftel der Krankenhausärzte an zu erwägen, ihre ärztliche Tätigkeit aufzugeben. Auch unter niedergelassenen Ärzten fühlen sich viele ausgebrannt, wie eine Befragung der KBV aus dem Jahr 2018 zeigt. Im Leitantrag zu diesem Tagesordnungspunkt wird in einer Vielzahl konkreter Punkte gefordert, gesundheitsgerechte Arbeitsbedingungen für Ärztinnen und Ärzte zu schaffen.

eLogbuch Weiterbildung: Start theoretisch ab 1. Juli 2019 möglich

Bereits auf dem zurückliegenden Ärztetag in Erfurt wurde eine Novellierung der (Muster-) Weiterbildungsordnung beschlossen. Eine wesentliche Neuerung sieht vor, den Kompetenzzuwachs während der ärztlichen Weiterbildung verpflichtend kontinuierlich in einem elektronischen Logbuch zu dokumentieren. In Erfurt hatten die Delegierten die BÄK aufgefordert, mit einem externen Auftragnehmer ein betriebsfähiges Produkt für die Umsetzung eines eLogbuchs zu entwickeln.

In Münster nahm der Ärztetag nun den Sachstandsbericht zustimmend zur Kenntnis und empfahl den Landesärztekammern, die Dokumentation im eLogbuch vorzusehen. Das neue System kann theoretisch ab 1. Juli 2019 an den Start gehen, falls die neue Weiterbildungsordnung in einer Kammer schon umgesetzt beziehungsweise von der jeweiligen Aufsichtsbehörde genehmigt ist. In den Diskussionen wurde allerdings klar, dass es sich um ein noch unfertiges Tool handelt, das sich in der Praxis erst beweisen muss. Mit Hilfe mehrerer Anträge formulierten die Delegierten weitere Bedingungen an den Einsatz: Das eLogbuch solle nutzerfreundlich, transparent und für den Wechsel zwischen Kammern kompatibel gestaltet werden. Die Möglichkeit zur anonymen Evaluation der Weiterbildung solle idealerweise damit kombiniert werden können.

Finanzen: KBV will Anteile am Deutschen Ärzteverlag verkaufen

Der Deutsche Ärztetag befasste sich darüber hinaus mit einer Vielzahl weiterer Themen, wie an der großen Anzahl der Anträge sichtbar wurde. Er diskutierte und verabschiedete zudem wie jedes Jahr die Haushalts- und Finanzplanung der BÄK. Offen angesprochen wurde unter anderem die Zukunft des Deutschen Ärzteverlags und damit des Deutschen Ärzteblatts. Demnach wird seit rund einem Jahr darüber verhandelt, ob die BÄK die Anteile der KBV am Verlag übernimmt. Derzeit halten beide je zur Hälfte Gesellschafteranteile. Der Verkaufswunsch der KBV wird mit Auflagen aus dem GKV-Selbstverwaltungsstärkungsgesetz begründet. Danach muss sich die KBV, verkürzt dargestellt, auf ihr Kerngeschäft konzentrieren und darf keine Beteiligungen wie die an einem Verlag mehr halten.

Autoren: Sabine Rieser/ Dr. Klaus Thierse (eLogbuch)