Regenerative Therapien erleben einen nachhaltigen Aufschwung im wachsenden Bewusstsein der Orthopädie und Unfallchirurgie, aber nicht nur in diesen Fächern. Am Beispiel der Handchirurgie möchte ich im folgenden Artikel darstellen, wie energie-basierte Therapien wie die extrakorporale Stoßwellentherapie (ESWT), die schnell-oszillierende Magnetfeldtherapie als extrakorporale Magnetotransduktion (EMTT) und die Low Level Lasertherapie (LLLT) zur Photobiomodulation zielführend und präzise an der Hand eingesetzt werden können.
Konzept des regenerativen Uhrwerks
Energie-basierte Therapien verwenden akustische Wellen im Falle der Stoßwellentherapie, oszillierende Magnetfelder bei der pulsierenden Magnetfeldtherapie (PEMF) und EMTT als auch Licht im Falle der Low Level Lasertherapie (LLLT), um eine biologische Antwort zu erzielen. Ludger Gerdesmeyer aus Kiel spricht in diesem Zusammenhang vom „soft tissue engineering“.
Um für den Patienten optimierte Behandlungsergebnisse zu erzielen ist es entscheidend, präzise und koordiniert in bestimmten Abfolgen die energie-basierten Therapien anzuwenden. Anlässlich des letztjährigen D.A.F. Fusschirurgiekongresses in Wien 2024 stellte ich erstmalig das Konzept des regenerativen Uhrwerks vor.1 Ein mechanisches Uhrwerk, das auch als Kaliber bezeichnet wird, umfasst als Haupträderwerk das Gehwerk bestehend aus dem Federwerk, dem Zeigerwerk, einer Hemmung und einem Schwingsystem mittels Unruh, Pendel oder Drehpendel. Ein oder mehrere Zusatzräderwerke mit Schlag-, Spiel- und Weckerwerk können das Gehwerk ergänzen. Ein Uhrwerk zeichnet sich durch eine koordinierte und präzise Aktion der Teilkomponenten des Uhrwerks aus, die aufeinander abgestimmt und ineinandergreifend agieren. Auch die energie-basierten Therapien sollten auf den Patienten individuell eingestellt und angepasst werden, beispielsweise in Abhängigkeit der Schmerzhaftigkeit bei der Stoßwellentherapie. Die deutschsprachige Stoßwellenfachgesellschaft DIGEST wie auch die internationale Stoßwellenfachgesellschaft ISMST empfehlen, dass Schmerzen während der Behandlung idealerweise unter VAS 3/10 bis maximal VAS 5/10 entstehen dürfen, ansonsten sollte über die Anpassung der Energieflussdichten im Falle der fokussierten ESWT und der Drücke und der Applikatoren im Falle der radialen Druckwellentherapie die Schmerzhaftigkeit während der Behandlung reduziert werden. Für die EMTT wie auch die LLLT sind an der Hand für gewöhnlich jedoch in den empfohlenen Energiebereichen keine Schmerzen zu erwarten.
Extrakorporale Stoßwellentherapie (ESWT)
In der Stoßwellenmedizin differenzieren wir radiale Druckwellen von fokussierten Stoßwellen. Fokussierte Stoßwellen können über drei unterschiedliche Generatortechniken erzeugt werden: elektrohydraulisch, elektromagnetisch und piezoelektrisch. Über Mechanorezeptoren wie die PIEZO-Rezeptoren, die Nobelpreisprämiert sind, wird über Mechanotransduktion die akustische Welle in eine Proteinantwort übersetzt, wo ein Momentumtransfer stattfindet. Mannigfaltige Effekte auf unterschiedliche Gewebetypen sind beschrieben, u. a. eine Stammzellaktivierung, eine Modulation der Inflammation, eine Exosomenstimulation bis hin zur Transdifferenzierung von Zellen.

Oszillierende Magnetfeldtherapie mit PEMF/EMTT
Die oszillierende pulsierende Magnetfeldtherapie (PEMF) und die extrakorporale Magnetotransduktionstherapie (EMTT) basieren auf unterschiedlich schnell und unterschiedlich stark oszillierenden Magnetfeldern, ganz im Gegensatz zu den statischenMagnetfeldern, die mehr im Bereich der Esoterik angesiedelt sind. Diese oszillierenden Magnetfelder erzeugen elektrische Felder und vice versa nach Maxwell. Aktuelle Forschungsergebnisse belegen die Bedeutung der zellulären Membranpotentiale, die Ionenstrombewegungen bedingen. Es wird bereits von einer „bioelektrischen Revolution“ gesprochen, wo der bioelektrische Code ähnlich dem genetischen Code schrittweise dechiffiert wird. Das Elektrom ist dabei die Summe aller elektrischen Aspekte eines Organismus. Eine EMTT mit 80 mT kann den vaskulären Wachstumsfaktor VEGF signifikant erhöhen.7
Low Level Laser Therapie (LLLT)
Die Low Level Lasertherapie (LLLT) ist eine optische Therapie, die bei Sehnen für gewöhnlich mit Wellenlängen von 808–904 nm angewendet wird und über Photobiomodulation positive Effekte in der erkrankten Sehne erzielen kann. Auch auf Nervengewebe sind positive Effekte der LLLT beschrieben wie beispielsweise beim Karpaltunnelsyndrom in einer rezenten Metaanalyse von 2025.2 Die Photobiomodulation kann analgetische, vaskuläre, antiinflammatorische wie auch schwellungsreduzierende Eigenschaften entfalten.
Knochenheilungsstörungen der Hand
Knochenheilungsstörungen wie das belastungsinduzierte Stressödem bis hin zur Osteonekrose des Lunatums oder die Pseudarthrose des Kahnbeins der Handwurzel stellen im klinischen Alltag zumeist eine therapeutische Herausforderung dar. Kahnbeinfrakturen können in Abhängigkeit von der Frakturlinie den rekurrenten Ast der A. radialis involvieren und mithin eine Durchblutungsstörung des proximal gelegenen Knochenfragmentes auslösen. Dabei gilt: je proximaler die Frakturlinie im Kahnbein desto wahrscheinlicher bildet sich eine Knochenheilungsstörung aus.
Auch der fortgesetzte Nikotinkonsum von den zumeist jungen Herren, die von einer Kahnbeinpseudarthrose betroffen sind, ist dabei ein weiterer prognostisch ungünstiger Faktor, der durch Nikotinkarenz minimiert werden kann.3 Für Knochenheilungsstörungen liegen seit nunmehr 30 Jahren positive Ergebnisse der fokussierten hochenergetischen (> 0,25 mJ/mm2 Energieflussdichte mit 2 000–4 000 Impulsen) Stoßwellentherapie vor beginnend mit der italienischen Arbeitsgruppe vom Sergio Russo, die von 1994–2000 153 Patienten mit Kahnbeinpseudarthrosen im Mittel 29 Monate nach der Initialverletzung behandelt haben. Verwendung fand ein Storz Modulith System als elektromagnetische fokussierte ESWT mit 0,5 mJ/mm2 Energieflussdichte 2 000 Impulse von palmar und 2 000 Impulse von dorsal mit 4 Sitzungen im Abstand von 48 h plus Cast.4
In Kombination mit einer Operation führte eine einmalige intraoperative fokussierte elektrohydraulische Stoßwellentherapie zu verbesserten Heilungsraten eines nicht-vaskularisierten Knochenspans am Kahnbein von 61 % auf 77 %.5 Die Ergänzung EMTT kann die zuvor beschriebenen positiven Effekte der fokussierten ESWT bei Knochenheilungsstörungen der Hand noch weiter verbessern. So sind positive Fallberichte für zweifach voroperierte Kahnbeinpseudarthrosen (3× fokussierte elektromagnetische ESWT 0,35 mJ/mm2, 4 000 Impulse plus EMTT Storz Magntolith, 6 000 Impulse, 8/8 Hz) bekannt.

Bei der Lunatummalazie aka. Morbus Kienboek als Osteonekrose des Mondbeins in der proximalen Handwurzelreihe liegen Erfahrungen aus Italien vor. Cristina D’Agostino6 aus Mailand zeigte mit Ihrer Arbeitsgruppe bereits 2011 22 Patienten mit Lunatummalazie, die mit hochnergetischer elektromagnetischer ESWT (3 Sitzungen) erfolgreich behandelt wurden.
Rhizarthrose
Eine randomisiert-kontrollierte Studie7 aus dem Februar 2018 prüfte bei 58 Patienten mit langjähriger hochschmerzhafter (8 Jahre Beschwerdedauer, VAS 8/10) Daumensattelgelenksarthrose (Rhizarthrose) die fokussierte ESWT (3× 0,09 mJ/mm2, 4 Hz, 2 400 Impulse) im Vergleich zur dreimaligen intraartikulären Hyaluronsäureinjektion. In beiden Gruppen zeigte sich eine Verbesserung des Schmerzes bei Rhizarthrose und eine verbesserte Funktion im Nachuntersuchungszeitraum bis sechs Monate mit besseren Ergebnissen in der ESWT-Gruppe.

Sehnenerkrankungen der Hand
An der Hand spielen Sehnenerkrankungen sowohl auf der Beugeseite als schnellender Finger bzw. A1-Ringbandstenose wie auch streckseitig z. B. im ersten Strecksehnenfach als De Quervain Tendinopathie eine grosse klinische Rolle. Für Sehnenerkrankungen sind sowohl die ESWT wie auch die PEMF/EMTT positiv, aber auch die Low Level Lasertherapie (LLLT) kann gerade bei den öberflächlich gelegenen Fingersehnen aufgrund der Eindringtiefe mit 808–904 nm Wellenlänge positive vor allem antiinflammatorische Effekte erzielen.
An den Handsehnen kann die ESWT wie an den übrigen Körpersehnen auch therapeutisch wirksam sein. Nikos Malliaropoulos veröffentlichte 2016 eine Kohortenstudie mit 44 Patienten mit A1-Ringbandstenose8 zum Einfluss der radialen ESWT (2 000 Impulse, 5–6Hz, 1–3 bar je nach Schmerz). Dabei war die durchschnittliche Behandlungssequenz 6±1,3 radiale Druckwellenbehandlungen mit im Mittel 1,4±0,3 bar Behandlungsdruck und 5±0,4 Hz bei 2 000 Impulsen. Nikos konnte auch eine Beziehung herstellen zwischen der Beschwerdedauer bei A1-Ringbandstenose und der Anzahl der notwendigen radialen Therapiesitzungen: Je länger die Beschwerdedauer vorab (< 3 Monate, 3–6 Monate, 6–12 Monate, > 12 Monate), desto mehr radiale ESWT Sitzungen waren nötig (von 4,8
Sitzungen bei < 3 Monaten bis 7,5 Sitzungen bei > 12 Monaten Beschwerdedauer).
Eine randomisiert-kontrollierte Studie9 verglich 2016 bei A1- Ringbandstenosen der Hand die radiale ESWT (2,1 bar, 1 000 Impulse, n = 40) mit der peritendinösen Kortikosteroidinjektion. Zu den Nachuntersuchungszeitpunkten nach 1, 3 und 6 Monaten zeigten beide Gruppen signifikante Verbesserungen des Schmerzens und des Quick-DASH als Funktionsscore ohne, dass sich die Gruppen in der Effektivität unterschieden. Ich selbst kombiniere wie zuvor beschrieben alle biophysikalischen energie-basierten Therapien und wende in schwerwiegenden Fällen eskalierend die ultraschall-gestützte peritendinöse Hydrodissektion bei A1-Ringbandstenosen erfolgreich an zur Abwendung einer offen chirurgischen A1-Ringbandspaltung.
Karpaltunnelsyndrom der Hand
Bei der Kompression des Nervus medianus liegen für alle zuvor genannten biophysikalischen Therapieformen z.T. mehrere randomisiert-kontrollierte Studien und Metaanalysen vor.10, 11, 12, 13
Sowohl die ESWT als auch die LLLT konnte in einer randomisiert-kontrollierten Studie von 2024 eine signifikante Reduktion des erweiterten Nervenquerdurchmessers als auch eine klinisch relevante Reduktion der Schmerzen zeigen.14 Im Vergleich zu Kinesiotape war die LLLT überlegen.15 Für die pulsierende Magnetfeldtherapie (PEMF) liegen ebenfalls bereits randomisiert-kontrollierte Daten vor.16 Bei ägyptischen Frauen war die PEMF gepulsten Ultraschalltherapie beim Karpaltunnelsyndrom überlegen im randomisierten Design.17
Schlussfolgerung
Die biophysikalischen energie-basierten Therapie ESWT, LLLT, PEMF&EMTT können nicht-invasiv und schonend körpereigene Heilprozesse nachhaltig verbessern und beschleunigen und bieten daher – nicht nur an der Hand – hochinteressante und klinischrelevante Behandlungsalternativen bzw. -ergänzungen an zum Wohle unserer Patienten.
Literatur auf Anfrage bei der Redaktion.
