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COVID-19 und/oder Postcovidsyndrom – Arbeitsunfall oder Berufskrankheit?

Grundsätzlich kann eine COVID-19-Erkrankung einen Versicherungsfall der gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV). darstellen. Letzterer wurden in diesem Zusammenhang seit Beginn der Pandemie bis zum 31.08.2021
160.931 Verdachtsanzeigen auf Berufskrankheit angezeigt. Davon wurden 103.244 Fälle anerkannt (darunter 51 Todesfälle). Bezüglich Arbeitsunfälle kam es demgegenüber zu 30.200 Meldungen, von denen mit 9.315 Fällen weniger als ein Drittel anerkannt wurden (darunter 33 Todesfälle).(siehe Quelle 1)

Was macht nun den Unterschied, ob ein Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit vorliegt (im Detail nachzulesen unter)? (siehe Quelle 2,3)

COVID-19 wird unter Nummer 3101 in der Berufskrankheitenliste aufgeführt. Ihr Anwendungsbereich beschränkt sich auf Personen, die im Gesundheitsdienst, in der
Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium arbeiten und sich dort im Rahmen ihrer Tätigkeit mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infizieren UND deshalb an COVID-19 erkranken. Gleiches kann für einen Personenkreis gelten, der im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit der Infektionsgefahr in vergleichbarem Maße ausgesetzt war:

  • Arztpraxen, Krankenhäuser, Apotheken, Physiotherapieeinrichtungen, Krankentransporte, Rettungsdienste oder Pflegedienstleistungen gehören beispielsweise dem Gesundheitsdienst an.
  • Einrichtungen der Kinder-, Jugend-, Familien- und Altenhilfe sowie zur Hilfe für behinderte oder psychisch erkrankte Menschen oder Menschen in besonderen sozialen Situationen (z. B. Suchthilfe oder Hilfe
  • Bei den Laboratorien kommen neben den wissenschaftlichen und medizinischen Laboratorien auch Einrichtungen infrage, die besonderen Infektionsgefahren ausgesetzt sind und in denen Beschäftigte mit Kranken in Berührung kommen können oder mit
    Stoffen umgehen, die kranken Menschen zu Untersuchungszwecken entnommen wurden.
  • Beim Personenkreis, der nicht zu den drei erstgenannten Punkten gehört, kommt es für die Anerkennung als Berufskrankheit darauf an, ob eine vergleichbare Infektionsgefahr vorgelegen hat und welcher Art die Kontakte mit infizierten Personen war. Letztere setzen
    einen unmittelbaren Körperkontakt (z. B. Ausüben des Friseurhandwerks) oder gesichtsnahe Tätigkeiten (z. B. kosmetische Behandlung) voraus.
  • Für andere Berufsgruppen, wie beispielsweise KassiererInnen oder Beschäftigte im Nah- und Fernverkehr, liegen aktuell keine wissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse vor, dass jene einem vergleichbar erhöhtem Infektionsrisiko ausgesetzt sind.

Um als Berufskrankheit unter der Nummer 3101 anerkannt zu werden, müssen neben dem gesicherten Nachweis einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 zusätzlich zumindest klinische Symptome, wie beispielsweise Fieber, Husten, Müdigkeit, Konzentrationsstörungen, Geschmackstörungen, Schlafstörungen u.a. auftreten.
Sollten erst zu einem späteren Zeitpunkt Gesundheitsschäden, die als Folge der Infektion anerkannt sind, auftreten, so kann eine Berufskrankheit ab diesem Zeitpunkt anerkannt werden. Falls sie Betroffene oder Bertoffener sein sollten, empfiehlt es sich, alle Unterlagen über ihren Erkrankungsverlauf zu sammeln und insbesondere, falls bekannt, die Kontaktdaten der vermeintlichen Infektionsquelle (Indexperson) festzuhalten.

An dieser Stelle sei auf das gemeinsame Merkblatt „COVID-19 als Berufskrankheit – Informationen für Beschäftigte im Gesundheitswesen“ von DGUV und der Deutschen Vereinigung für Intensivmedizin (DIVI) hingewiesen, welches unter dem Link https://publikationen.dguv.de/widgets/pdf/download/article/3854 heruntergeladen werden kann.

COVID-19 als Arbeitsunfall

Die Erkrankung an COVID-19 kann, ohne die Voraussetzungen zur Anerkennung als Berufskrankheit zu erfüllen, unter bestimmten Bedingungen als Arbeitsunfall
anerkannt werden, wenn die Infektion mit dem CoronaVirus SARS-CoV-2 infolge einer versicherten Tätigkeit (Beschäftigung, (Hoch-) Schulbesuch, Ausübung bestimmter Ehrenämter, Hilfeleistung bei Unglücksfällen o.a.) erfolgt:

Nachweislich muss in diesem Rahmen ein intensiver Kontakt mit einer infektiösen Person (“Indexperson”) stattgefunden haben und spätestens innerhalb von zwei Wochen nach dem Kontakt die Erkrankung eingetreten bzw. der Nachweis der Ansteckung erfolgt sein.

Zur Beurteilung der Intensität des Kontaktes werden, basierend auf der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel in der Fassung vom 7. Mai 2021 und der Einschätzung des
Robert-Koch-Institut vom 31. März 2021, insbesondere die Dauer und örtliche Nähe des Kontaktes herangezogen:

  • Bei einem länger als 10 Minuten dauernden Kontakt mit einer Indexperson im näheren Umfeld kann es ohne das Tragen eines Mund-Nase-Schutzes oder einer FFP2-Maske der Beteiligten zu einer Ansteckung kommen. In bestimmten Gesprächssituationen sind
    auch eine kürzere Zeitspanne denkbar. Selbst beim Tragen eines Mund-Nase-Schutzes oder einer FFP2-Maske kann es nach mehr als zehn Minuten bei hohen Raumkonzentrationen infektiöser Aerosole zu einer Ansteckung kommen.
  • Sollte es nachweislich bei der versicherten Tätigkeit im unmittelbaren Tätigkeitsumfeld (z. B. innerhalb eines Betriebs oder einer Schule) der betroffenen Person eine größere Anzahl von infektiösen Personen unter Infektion begünstigenden Bedingungen gegeben haben, so kann es im Einzelfall auch ohne nachweisbaren intensiven Kontakt zu einer Indexperson zur Anerkennung als Arbeitsunfall kommen. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Hinzuziehung von Einflussparametern, wie beispielsweise die Anzahl der nachweislich infektiösen Personen im engeren Tätigkeitsumfeld, die Anzahl der üblichen  Personenkontakte, eine geringe Infektionszahl außerhalb des versicherten
    Umfeldes sowie räumliche Gegebenheiten wie Belüftungssituation und Temperatur.
  • Sollte es auf dem Weg zur Arbeit oder von der Arbeit nach Hause zu einer Infektion mit Folge einer COVID19-Erkrankung gekommen sein, so ist es mitunter schwierig einen Kontakt mit einer infektiösen Indexperson nachweisen zu können. Dennoch kann unter
    den oben aufgeführten Bedingungen ein Arbeitsunfall vorliegen. Dabei ist vor allem an vom Unternehmen organisierte Gruppenbeförderungen oder Fahrgemeinschaften von Versicherten zu denken.
  • Auch wenn grundsätzlich der Aufenthalt in Kantinen als eigenwirtschaftlich und mithin als nicht versichert anzusehen ist, kann es in Ausnahmefällen sein, dass eine dort aufgetretene Infektion als Arbeitsunfall anerkannt wird. Sollte die Essenseinnahme in einer Kantine aus betrieblichen Gründen zwingend erforderlich oder unvermeidlich sein und befördern die Gegebenheiten (z. B. Raumgröße und -höhe, Lüftung, Abstandsmöglichkeiten) eine Infektion mit SARSCoV-2, kann ausnahmsweise Versicherungsschutz bestehen.
  • Für die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften gilt Ähnliches. Allerdings ist eine Anerkennung als Arbeitsunfall nur dann denkbar, wenn diese Art der Unterbringung Teil des unternehmerischen, wirtschaftlichen Konzeptes ist und sich daraus eine besondere
    Infektionsgefahr ergibt. Die Infektionsgefahr muss dabei über das übliche Maß hinausgehen und durch die Eigenheiten der Unterkunft (z. B. Mehrbettzimmer,
    Gemeinschaftswaschräume und -küchen, Lüftungsverhältnisse) begünstigt werden.
  • CAVE: Die Anerkennung als Arbeitsunfall ist mit hohen Anforderungen an die Kausalitätskette verbunden. So ist bei der Prüfung der Voraussetzungen eines Arbeitsunfalls stets zu berücksichtigen, ob im maßgeblichen Zeitpunkt Kontakt zu anderen Indexpersonen in nicht versicherten Lebensbereichen, wie beispielsweise Familie, Freizeit oder Urlaub, bestanden haben könnte.

Bei der Überprüfung der zur Anerkennung als Arbeitsunfall notwendigen Voraussetzungen ist in jedem Einzelfall eine Abwägung unter Berücksichtigung aller Aspekte, die für oder gegen eine Verursachung der COVID-19-Erkrankung durch die versicherte Tätigkeit  sprechen, obligatorisch. Nur die Infektion, die infolge der versicherten Tätigkeit eingetreten ist, erfüllt die gesetzlichen Voraussetzungen eines Arbeitsunfalles. (siehe Quelle 2)

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Literatur
1
https://www.dguv.de/medien/inhalt/mediencenter/hintergrund/
covid/dguv_zahlen_covid.pdf
2
https://www.dguv.de/de/mediencenter/hintergrund/corona_
arbeitsunfall/index.jsp
3
https://publikationen.dguv.de/widgets/pdf/download/
article/3854

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PD Dr. med. habil. Axel Sckell
Klinik für Unfall-, Hand- und
Wiederherstellungschirurgie
Universitätsmedizin Rostock
Schillingallee 35
18057 Rostock
axel.sckell@med.uni-rostock.de

 

Dr. Gerd Rauch
Ärztlicher Leiter MVZ OCP Kassel
gGmbH Lichtenau
Leipziger Straße 164
34123 Kassel
gerdrauch@t-online.de
Fachgesellschaft Interdisziplinäre Medizinische Begutachtung

 

Dr. Stefan Middeldorf
Chefarzt der Orthopädischen Klinik
Schön Klinik Bad Staffelstein02
Am Kurpark 11
96231 Bad Staffelstein
SMiddeldorf@schoen-klinik.de
Fachgesellschaft Interdisziplinäre Medizinische Begutachtung

2. Auflage Broschüre Pandemieplanung in der Arztpraxis

Berlin  – Das Kompetenzzentrum Hygiene und Medizinprodukte der KV‘en und der KBV (CoC) hat seine Broschüre „Pandemieplanung in der Arztpraxis. Eine Anleitung zum Umgang mit Corona“ aktualisiert.

Die Broschüre – deren erste Auflage bereits im Oktober 2020 veröffentlicht wurde – beschreibt, was zur Festlegung von geeigneten Hygienemaßnahmen und einer strukturierten Pandemieplanung in der Arztpraxis wichtig sind. Diverse Checklisten und Mustervorlagen lassen sich schnell übernehmen und an die eigene Praxis anpassen. Abgerundet werde diese durch verschiedene Hinweise, die Hintergrundinformationen liefern. Die Broschüre ist sowohl ausgedruckt vor Ort als auch in digitaler Form nutzbar.

Seit der Veröffentlichung der ersten Version haben sich zum Teil wesentliche Änderungen im Pandemie-Geschehen ergeben. So wurde der Inhalt unter anderem um die Themen „Schnell- und Selbsttests“ und „Impfung“ ergänzt. Auf Hinweise zum ressourcenschonenden Einsatz aufgrund der einstigen Mangelsituation musste dagegen nicht mehr hingewiesen werden.

Um Arztpraxen in der einrichtungsinternen Organisation mit dem Corona-Virus zu unterstützen, steht die überarbeitete Broschüre allen Interessierten sowohl unten, auf der Homepage des CoC (www.hygiene-medizinprodukte.de) und auch auf den Internetseiten der Kassenärztlichen Vereinigungen zum Download zur Verfügung.

Quelle:

Kompetenzzentrum Hygiene und Medizinprodukte der KV´en und der KBV

 

 

Künstliches Koma, Intubation: „Ohne die richtige Behandlung wäre ich gestorben.“

Berlin/München – BVOU-Mitglied Dr. Stephan Hoeltz (ärztlicher Leiter Orthopädisches Versorgungszentrum München-Ost) war Mitte März an Covid-19 erkrankt. Von dem schweren Verlauf der Infektion berichtet er im Interview.

Dr. Hoeltz, können Sie nachvollziehen, wo Sie sich infiziert haben?
Dr. Stephan Hoeltz: Ich war im März Skifahren in Tirol. In diesen Tagen wurde bereits das nahegelegene Ischgl aufgrund der Pandemie geräumt. Zwei Tage später waren wir in St. Anton an der Reihe und wir mussten den Aufenthalt dort beenden – aus heutiger Sicht viel zu spät. Ich denke, dass ich mich dort angesteckt habe. Obwohl ich dazu sagen muss, dass ich zu diesem Zeitpunkt bereits volle Hütten und Après-Ski gemieden habe.

Wie haben Sie von Ihrer Infektion erfahren? Wann machten sich die ersten Symptome bemerkbar?
Dr. Hoeltz: Da ich aus einem Risikogebiet zurückgekehrt war, wollte ich mich vorsorglich, besonders auch hinsichtlich meiner Verantwortung als Mediziner, testen. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich bereits leichtes Halskratzen, Schnupfen usw. Weil sämtliche Corona-Teststellen am Wochenende geschlossen hatten, ging ich am Montag zu einem HNO-Arzt. Das Test-Ergebnis, das mir drei Tage später mitgeteilt wurde, fiel zunächst negativ aus.

Wie beschreiben Sie den weiteren Krankheitsverlauf?
Dr. Hoeltz: Zunächst habe ich normal weiter gemacht: Arbeit, Einkauf und so weiter. Nach schon zwei Tagen bemerkte ich, dass ich mich extrem angeschlagen fühlte. Mitte der Woche, ging es mir gesundheitlich rapide schlechter: Knapp 40 Grad Körpertemperatur, Kopfschmerzen, Husten, Schüttelfrost. Dazu setzte mein Geruchs- oder Geschmackssinn zu diesem Zeitpunkt und bis zum heutigen Tage aus. Ende der Woche hielt ich es nicht mehr aus und bin erneut zum HNO-Arzt gegangen, der eine Röntgenaufnahme meiner Lunge machte und eine beginnen Pneumonie feststellte.

Welche Behandlung wurde eingeleitet?
Dr. Hoeltz: Mir wurden Antibiotika verschrieben, da man weiterhin von einer bakteriellen Infektion ausging. Ein Kollege brachte mir zudem eine mobile Sauerstoff-Flasche nach Hause. Da nichts half und mir das Atmen immer schwerer fiel, wies ich mich am Sonntag selbstständig ins LMU-Klinikum Großhadern ein. Hier wurde ein CT meiner Lunge angefertigt und nach Abstrich schließlich eine Covid-19-Infektion festgestellt. Da sich mein Zustand stündlich verschlechterte, wurde ich noch am selben Abend intubiert und künstlich beatmet. Zurückblickend befand ich mich zu diesem Zeitpunkt in akuter Lebensgefahr und wäre – ohne die richtige Behandlung – gestorben. Das ich lebe, ist dem hohen Standard unserer Intensivmedizin und der Professionalität des Klinikpersonals zu verdanken.

Ich wurde für zwei Tage ins künstliche Koma gesetzt. Keine Erinnerungen, keine Wahrnehmung, nichts. Als ich am Mittwoch aufwachte, wurde ich zwar weiterhin intubiert. Besonders mit der Verdauung hatte ich ziemlich zu kämpfen: Darm geschwollen, Abführmittel, starke Schmerzen. Meine Werte hatten sich aber insgesamt deutlich verbessert. Nach ein paar Tagen wurde ich wieder entlassen. Heute geht es mir wieder den Umständen entsprechend gut, aber ich schone mich weiterhin sehr und befinde mich noch bis 20. April in Quarantäne.

Wie hat mich sich insgesamt auf der Intensivstation um Sie gekümmert?  Wie schätzen Sie Arbeit des Klinikpersonals ein?
Dr. Hoeltz: Die Menschen dort geben in solch einer Ausnahmesituation wirklich ihr bestes. Klar, bei so einem Patientenaufkommen und einer nie dagewesenen Extremsituation ist die Anspannung des Personals zu spüren. Das ist durchaus verständlich, denn es ist zu befürchten, dass sich beim Klinikpersonal viele anstecken.

Zurückblickend: Was haben Sie richtig gemacht? Was falsch?
Dr. Hoeltz: Ich muss leider sagen, ich habe vieles falsch gemacht. Ich habe die Gefahr geringer eingeschätzt. Beispielsweise hätte ich mir den Skiurlaub in diesem Jahr verkneifen sollen. Da ich aber keine Vorerkrankung habe und mit Ende 50 noch nicht zur Risikogruppe gehöre, habe ich mir keine Gedanken über eine mögliche Infektion gemacht. Durch den negativen Test habe ich mich zunächst in die Irre führen lassen. Richtig jedoch war, dass ich trotz des ersten Testergebnisses mich nicht entspannt zurückgelehnt und die Krankheit auskuriert habe, sondern auf mein Bauchgefühl gehört habe.

Sie sind Leiter eines orthopädischen Versorgungszentrums. Wann gehen Sie wieder arbeiten? Welche Schutzmaßnahmen werden in Ihrer Praxis getroffen?
Dr. Hoeltz: Geplant ist, dass ich Anfang Mai wieder in die Praxis gehe. Zwar haben wir momentan sehr wenig Patienten, meine Kollegen halten jedoch die Stellung und haben die Räumlichkeiten an die Ausnahmesituation der Pandemie angepasst: Plexiglaswände, weitere Desinfektionsspender, Abstandsmarkierungen, Mundschutz und Handschuhe für das gesamte Personal.

Herr Dr. Hoeltz, vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Janosch Kuno, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

 

„Gesundheitswesen stützen, damit es noch besser schützen kann“

Berlin – Um das Gesundheitswesen und die Pflege bei der Bewältigung der Corona-Epidemie zu unterstützen, hat das Kabinett heute zwei von Bundesgesundheitsminister Spahn vorgelegte Formulierungshilfen für Gesetzentwürfe beschlossen. Mit dem „COVID19-Krankenhausentlastungsgesetz“ werden die wirtschaftlichen Folgen für Krankenhäuser und Vertragsärzte aufgefangen. Mit dem “Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite” wird die Reaktionsfähigkeit auf Epidemien verbessert.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn: „Ärzte, Pflegekräfte – alle, die im Gesundheitswesen arbeiten, brauchen gerade jetzt unsere volle Unterstützung. Deswegen kompensieren wir Einnahmeausfälle, bauen Bürokratie ab und setzen Sanktionen aus. Und wir sorgen dafür, dass wir schneller in epidemischen Lagen reagieren können. Wir bündeln Kompetenzen, so dass wir künftig in einer Lage wie dieser binnen Stunden für Ärzte, Pflegekräfte, Apotheker und alle anderen, die weit über das normale Maß anpacken, Bürokratie wegnehmen, Regeln anpassen, Vergütungen erhöhen.“

Formulierungshilfe für einen „Gesetzentwurf zum Ausgleich COVID-19 bedingter finanzieller Belastungen der Krankenhäuser und weiterer Gesundheitseinrichtungen“ (COVID-19-Krankenhausentlastungsgesetz)

Die Bundesregierung unterstützt Krankenhäuser, Vertragsärzte und Pflege, um die Auswirkungen der Corona-Epidemie schultern zu können. Krankenhäuser werden unterstützt, um die Versorgungskapazitäten für eine wachsende Anzahl von Patienten mit einer Coronavirus-Infektion bereitzustellen. Ebenfalls abgefedert werden Honorareinbußen der niedergelassenen Ärzte. Auch Pflegeeinrichtungen sollen befristet von Bürokratie entlastet und ebenfalls finanziell unterstützt werden.

  • Krankenhäuser erhalten einen finanziellen Ausgleich für verschobene planbare Operationen und Behandlungen, um Kapazitäten für die Behandlung von Patienten mit einer Coranavirus-Infektion frei zu halten. Für jedes Bett, das dadurch im Zeitraum vom 16. März bis zum 30. September 2020 nicht belegt wird, erhalten die Krankenhäuser eine Pauschale in Höhe von 560 Euro pro Tag. Der Ausgleich wird aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds, der aus dem Bundeshaushalt refinanziert wird, bezahlt.
  • Krankenhäuser erhalten einen Bonus in Höhe von 50.000 Euro für jedes Intensivbett, das sie zusätzlich schaffen. Die Kosten dafür werden von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Darüber hinaus sollen die Länder kurzfristig weitere erforderliche Investitionskosten finanzieren.
  • Für Mehrkosten, insbesondere bei persönlichen Schutzausrüstungen, erhalten Krankenhäuser vom 1. April bis zum 30. Juni 2020 einen Zuschlag je Patient in Höhe von 50 Euro, der bei Bedarf verlängert und erhöht werden kann.
  • Der so genannte “vorläufige Pflegeentgeltwert” wird auf 185 Euro erhöht. Das verbessert die Liquidität der Krankenhäuser und wird auch zu erheblichen Zusatzeinnahmen für die Kliniken führen.
  • Die Rechnungsprüfung durch den Medizinischen Dienst wird zur Entlastung der Krankenhäuser umfassend erleichtert, der so genannte “Fixkostendegressionsabschlag” für das Jahr 2020 ausgesetzt und deutlich mehr Flexibilität bei den Erlösausgleichen eingeräumt.
  • Die Liquidität der Krankenhäuser wird durch eine auf fünf Tage verkürzte Zahlungsfrist in diesem Jahr zusätzlich gestärkt.
  • Unter bestimmten Voraussetzungen können zur Entlastung der Krankenhäuser auch Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen Krankenhausleistungen erbringen.
  • Niedergelassene Ärzte sowie Psychotherapeuten werden bei einer zu hohen Umsatzminderung aufgrund einer geringeren Inanspruchnahme durch Patienten mit Ausgleichszahlungen sowie mit zeitnahen Anpassungen der Honorarverteilung geschützt.
  • Die Kassenärztlichen Vereinigungen erhalten die zusätzlichen Kosten für die Finanzierung außerordentlicher Maßnahmen, die während des Bestehens der epidemischen Notlage erforderlich sind (wie zum Beispiel die Einrichtung von „Fieberambulanzen“), von den Krankenkassen erstattet.
  • Die Ausgleichzahlungen für die Freihaltung von Bettenkapazitäten durch die Verschiebung planbarer Operationen, Eingriffe und Aufnahmen in Krankenhäusern bedeuten Mehrausgaben für den Bundeshalt in Höhe von voraussichtlich rund 2,8 Mrd. Euro in 2020. Für die GKV entstehen durch das Hilfspaket im Krankenhausbereich in diesem Jahr geschätzte Mehrausgaben in Höhe von rund 5,9 Mrd. Euro, von denen 1,5 Mrd. Euro direkt aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds finanziert werden. Die Mehrausgaben im Bereich der vertragsärztlichen Versorgung sind nicht quantifizierbar.
  • Die ambulante und stationäre Pflege wird durch das befristete Aussetzen von Qualitätsprüfungen, Änderungen bei der Durchführung von Begutachtungen und den Verzicht auf die – nach geltendem Recht obligatorischen – Beratungsbesuche bei Pflegebedürftigen entlastet.
  • Pflegeeinrichtungen wird durch eine Regelung die Sicherheit gegeben, durch die Pandemie bedingte finanzielle Mehrausgaben oder Mindereinnahmen über die Pflegeversicherung erstattet zu bekommen.
  • Für die Aufrechterhaltung der Versorgung kann insbesondere von den gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben und Rahmenbedingungen zur Personalausstattung abgewichen werden. Pflegekassen wird zudem ein weiterer Gestaltungsspielraum zur Vermeidung von pflegerischen Versorgungslücken in der häuslichen Versorgung eingeräumt.
  • Junge Menschen in Ausbildung, die sich in der aktuellen Krise engagieren und einen wertvollen Beitrag zur Entlastung des Gesundheitssystems leisten, werden keine Nachteile beim Bezug von BAföG nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz erleiden.

Formulierungshilfe für einen „Gesetzentwurf zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“

Um auf eine Epidemie effektiv reagieren zu können, müssen schnell Entscheidungen getroffen werden. Dazu soll der Bund in einer „epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ für einen befristeten Zeitraum zusätzliche Kompetenzen erhalten. Eine „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ wird so definiert, dass entweder die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine Pandemie ausruft und die Einschleppung einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit droht oder eine bundesländerübergreifende Ausbreitung einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit droht.

In diesem Fall ist es möglich, dass die Bundesregierung eine solche Lage erklärt. Der Deutsche Bundestag oder der Bundesrat erhalten das Recht, die Aufhebung dieser Feststellung zu verlangen.

Das Bundesministerium für Gesundheit wird u. a. ermächtigt, durch Allgemeinverfügung oder durch Rechtsverordnung Vorkehrungen zum Schutz der Bevölkerung zu treffen und die Gesundheitsversorgung sicher zu stellen, etwa durch:

  • Vorschriften für den grenzüberschreitenden Reiseverkehr, etwa wenn im Bahn- und Busverkehr Meldepflichten eingeführt werden,
  • Melde- und Untersuchungspflichten,
  • Regelungen, die im Normalfall durch die Selbstverwaltungspartner getroffen werden,
  • Maßnahmen zur Sicherstellung der Grundversorgung mit Arzneimitteln, Schutzausrüstung und Labordiagnostik,
  • Flexibilisierung von Vorschriften in medizinischen und pflegerischen Einrichtungen,

Ferner enthält der Gesetzentwurf Ausnahmen vom Baurecht, um etwa kurzfristig medizinische Einrichtungen errichten zu können.

Zudem wird eine Entschädigungsregelung für Eltern geschaffen, deren Kindern der Besuch einer Betreuungseinrichtung durch entsprechende behördliche Schließungen nicht mehr möglich ist. Sie erhalten bis zu sechs Wochen 67% ihres Verdienstausfalls (maximal 2016 Euro).
Das „COVID19-Krankenhausentlasungsgesetz“ bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates. Das „Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ bedarf der Zustimmung des Bundesrates.

Beide Gesetzentwürfe sollen diese Woche abschließend vom Deutschen Bundestag sowie vom Bundesrat beschlossen werden.

Sie treten im Wesentlichen am Tag nach der Verkündung in Kraft.

Weitere Informationen und Quelle: www.bundesgesundheitsministerium.de