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Künstliches Koma, Intubation: „Ohne die richtige Behandlung wäre ich gestorben.“

Berlin/München – BVOU-Mitglied Dr. Stephan Hoeltz (ärztlicher Leiter Orthopädisches Versorgungszentrum München-Ost) war Mitte März an Covid-19 erkrankt. Von dem schweren Verlauf der Infektion berichtet er im Interview.

Dr. Hoeltz, können Sie nachvollziehen, wo Sie sich infiziert haben?
Dr. Stephan Hoeltz: Ich war im März Skifahren in Tirol. In diesen Tagen wurde bereits das nahegelegene Ischgl aufgrund der Pandemie geräumt. Zwei Tage später waren wir in St. Anton an der Reihe und wir mussten den Aufenthalt dort beenden – aus heutiger Sicht viel zu spät. Ich denke, dass ich mich dort angesteckt habe. Obwohl ich dazu sagen muss, dass ich zu diesem Zeitpunkt bereits volle Hütten und Après-Ski gemieden habe.

Wie haben Sie von Ihrer Infektion erfahren? Wann machten sich die ersten Symptome bemerkbar?
Dr. Hoeltz: Da ich aus einem Risikogebiet zurückgekehrt war, wollte ich mich vorsorglich, besonders auch hinsichtlich meiner Verantwortung als Mediziner, testen. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich bereits leichtes Halskratzen, Schnupfen usw. Weil sämtliche Corona-Teststellen am Wochenende geschlossen hatten, ging ich am Montag zu einem HNO-Arzt. Das Test-Ergebnis, das mir drei Tage später mitgeteilt wurde, fiel zunächst negativ aus.

Wie beschreiben Sie den weiteren Krankheitsverlauf?
Dr. Hoeltz: Zunächst habe ich normal weiter gemacht: Arbeit, Einkauf und so weiter. Nach schon zwei Tagen bemerkte ich, dass ich mich extrem angeschlagen fühlte. Mitte der Woche, ging es mir gesundheitlich rapide schlechter: Knapp 40 Grad Körpertemperatur, Kopfschmerzen, Husten, Schüttelfrost. Dazu setzte mein Geruchs- oder Geschmackssinn zu diesem Zeitpunkt und bis zum heutigen Tage aus. Ende der Woche hielt ich es nicht mehr aus und bin erneut zum HNO-Arzt gegangen, der eine Röntgenaufnahme meiner Lunge machte und eine beginnen Pneumonie feststellte.

Welche Behandlung wurde eingeleitet?
Dr. Hoeltz: Mir wurden Antibiotika verschrieben, da man weiterhin von einer bakteriellen Infektion ausging. Ein Kollege brachte mir zudem eine mobile Sauerstoff-Flasche nach Hause. Da nichts half und mir das Atmen immer schwerer fiel, wies ich mich am Sonntag selbstständig ins LMU-Klinikum Großhadern ein. Hier wurde ein CT meiner Lunge angefertigt und nach Abstrich schließlich eine Covid-19-Infektion festgestellt. Da sich mein Zustand stündlich verschlechterte, wurde ich noch am selben Abend intubiert und künstlich beatmet. Zurückblickend befand ich mich zu diesem Zeitpunkt in akuter Lebensgefahr und wäre – ohne die richtige Behandlung – gestorben. Das ich lebe, ist dem hohen Standard unserer Intensivmedizin und der Professionalität des Klinikpersonals zu verdanken.

Ich wurde für zwei Tage ins künstliche Koma gesetzt. Keine Erinnerungen, keine Wahrnehmung, nichts. Als ich am Mittwoch aufwachte, wurde ich zwar weiterhin intubiert. Besonders mit der Verdauung hatte ich ziemlich zu kämpfen: Darm geschwollen, Abführmittel, starke Schmerzen. Meine Werte hatten sich aber insgesamt deutlich verbessert. Nach ein paar Tagen wurde ich wieder entlassen. Heute geht es mir wieder den Umständen entsprechend gut, aber ich schone mich weiterhin sehr und befinde mich noch bis 20. April in Quarantäne.

Wie hat mich sich insgesamt auf der Intensivstation um Sie gekümmert?  Wie schätzen Sie Arbeit des Klinikpersonals ein?
Dr. Hoeltz: Die Menschen dort geben in solch einer Ausnahmesituation wirklich ihr bestes. Klar, bei so einem Patientenaufkommen und einer nie dagewesenen Extremsituation ist die Anspannung des Personals zu spüren. Das ist durchaus verständlich, denn es ist zu befürchten, dass sich beim Klinikpersonal viele anstecken.

Zurückblickend: Was haben Sie richtig gemacht? Was falsch?
Dr. Hoeltz: Ich muss leider sagen, ich habe vieles falsch gemacht. Ich habe die Gefahr geringer eingeschätzt. Beispielsweise hätte ich mir den Skiurlaub in diesem Jahr verkneifen sollen. Da ich aber keine Vorerkrankung habe und mit Ende 50 noch nicht zur Risikogruppe gehöre, habe ich mir keine Gedanken über eine mögliche Infektion gemacht. Durch den negativen Test habe ich mich zunächst in die Irre führen lassen. Richtig jedoch war, dass ich trotz des ersten Testergebnisses mich nicht entspannt zurückgelehnt und die Krankheit auskuriert habe, sondern auf mein Bauchgefühl gehört habe.

Sie sind Leiter eines orthopädischen Versorgungszentrums. Wann gehen Sie wieder arbeiten? Welche Schutzmaßnahmen werden in Ihrer Praxis getroffen?
Dr. Hoeltz: Geplant ist, dass ich Anfang Mai wieder in die Praxis gehe. Zwar haben wir momentan sehr wenig Patienten, meine Kollegen halten jedoch die Stellung und haben die Räumlichkeiten an die Ausnahmesituation der Pandemie angepasst: Plexiglaswände, weitere Desinfektionsspender, Abstandsmarkierungen, Mundschutz und Handschuhe für das gesamte Personal.

Herr Dr. Hoeltz, vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Janosch Kuno, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit

 

„Rückblickend war es ein aufregendes Jahr!“

Berlin/Potsdam –  Vor einem Jahr wählten die BVOU-Mitglieder am 11. November 2017 Dr. Ulrike Fischer zur ersten Landesvorsitzenden Brandenburgs. Die Potsdamer Fachärztin für Orthopädie löste damit Dr. Henning Leunert ab, der das Amt über 16 Jahre innehatte. Während der Brandenburg-Tagung am 10. und 11. November in Döllnsee-Schorfheide zog Dr. Fischer eine erste Bilanz und sprach mit dem BVOU über aktuelle berufspolitische und regionale Themen.

Frau Dr. Fischer, Sie sind seit genau einem Jahr im Amt. Wie fällt Ihr Rückblick aus? Was konnten Sie bewegen? Welche Themen spielten eine größere Rolle? Womit sind Sie zufrieden? Womit nicht?
Dr. Ulrike Fischer: Rückblickend auf das erste Jahr als Landesvorsitzende in Brandenburg kann ich  sagen: Es war ein aufregendes und auch anstrengendes Jahr. Zunächst habe ich mich in das Aufgabenfeld im Amt einarbeiten und damit vertraut machen müssen. Wir haben einen neuen Gesundheitsminister bekommen, wir haben mit einigen Schwierigkeiten und hohem politischem Druck begonnen: Beispielsweise die Telematikinfrastruktur (TI) in den Praxen zu installieren, das TSVG wird diskutiert.

Ich habe an drei Gesamtvorstandsitzungen teilgenommen: an der Januartagung in Berlin, im Mai auf dem VSOU in Baden-Baden und im September in Würzburg. Nach der Januartagung hat sich mein Arbeiten in der neuen Funktion weiter intensiviert und die Sicht auf die Arbeit im Berufsverband positiv verändert.

Ich habe für die Kollegen der Region in und um Potsdam zum Thema: „Fusion von Orthopädie und Chirurgie/Unfallchirurgie“ einen interessanten Stammtisch organisiert, schon seit April des Jahres kümmerte ich mich unter anderem um die Vorbereitung und Organisation der Jahrestagung in Templin. Auf dem DKOU konnte ich weitere Erfahrungen im Tätigkeitsfeld als Landesvorsitzende sammeln.

Um welche Themen wird es 2019 in Brandenburg besonders gehen?
Fischer: Es wird im neuen Jahr weiter um die Themen gehen, wie verläuft die Installation der TI in den Praxen, wie entwickelt sich die Umsetzung der Präsentation der Kollegen auf unserer Seite „Orthinform”. Wir haben auf der Jahrestagung in Brandenburg weitere Mitglieder gewinnen können, sich mit Bild- und Facheinträgen in Orthinform darzustellen. Um zukünftig eine noch breitere öffentlich Aufstellung des Berufsverbandes zur realisieren, ist die Gewinnung von neuen Mitglieder im Berufsverband ein weiteres Thema. Auch 2019 ist eine Jahrestagung für unsere Mitglieder avisiert. Es gilt, neue wissenschaftliche Errungenschaften, berufspolitische Themen und sowie innovative Behandlungsmöglichkeiten und moderne Patientenversorgung zu diskutieren.

Brandenburg ist ein herausforderndes Bundesland: Einerseits gut versorgt im Speckgürtel rund um Berlin, andererseits geprägt durch ländliche, strukturschwache Regionen. Wie nehmen Sie hier Herausforderungen in Bezug auf einen Ärztemangel wahr? Wie sieht es für O und U aus?
Fischer: Ärztemangel in Brandenburg ist ein Problem besonders in den ländlichen Regionen. Im Umland sind Facharzttermine sehr langfristig für die Patienten. Oder der Facharztbesuch ist mit weiter Fahrstrecke verbunden. In den Ballungsgebieten Potsdam, Frankfurt/Oder, Brandenburg an der Havel und auch Cottbus bestehen gute Versorgungsmöglichkeiten in O und U für unsere Bevölkerung.

Während in anderen Bundesländern das Fernbehandlungsverbot so wie vom Deutschen Ärztetag beschlossen gelockert wurde, hält Brandenburg weiterhin an der bisherigen Berufsordnung des Landes fest. Wie ist Ihre Meinung dazu?
Fischer:
 Genau aus dem Grund der weiten Wege in Brandenburg und auch der fehlenden Facharztniederlassungen in den Umland-Regionen würde ich die Lockerung des Fernbehandlungsverbotes begrüßen. So manches Bild einer Wunde oder auch Gelenkschwellung könnte per Bild- oder Videoübertragung von den Patienten in die Praxis gesendet werden, moderne Medien machen es möglich. Nach erfolgter persönlicher Konsultation könnte eine kurze Abklärung dieser Befunde und Behandlungsempfehlungen dann lange Wartezeiten und Anfahrtswege unseren Patienten ersparen.

Das Deutsche Ärzteblatt machte kürzlich darauf aufmerksam, dass Brandenburg bundesweit die höchste Pendlerquote hat. Welche Folgen sehen Sie in Bezug auf gesundheitliche Risiken, aber auch Chancen – beispielsweise Entlastung durch eine Versorgung in Berlin – für die Bevölkerung?
Fischer: Die Patienten-Pendlerquote von Brandenburg nach Berlin hat Gutes und auch Negatives. Berlin ist nun mal geografisch gesehen von Brandenburg umschlossen. Die Versorgung der Brandenburger Patienten durch Berliner Praxis ist für den Patienten selbst eine gute Variante, kürzere Wartezeiten, kürzere Wege, schnellere Therapie zu realisieren. Der Nachteil für die Kassenärzte in Brandenburg ist der Finanzausgleich der KVen, Das Honorar für diese Behandlungen wird an Berlin eins zu eins bezahlt, damit steht für die Finanzierung der Brandenburger Ärzte weniger in der eigenen KV zur Verfügung, es kommt zur weiteren Unterfinanzierung der Facharztleistungen in Brandenburg.

Frau Dr. Fischer, vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Janosch Kuno, Presse BVOU.

Die Landesvorsitzende Dr. Ulrike Fischer und ihr Vorgänger Dr. Henning Leunert während der Brandenburg-Tagung 2018 © BVOU