Archiv für den Monat: August 2019

DKOU 2019: Wie stellen wir in O und U das Patientenwohl sicher?

Berlin – Orthopädie und Unfallchirurgie befinden sich im raschen Wandel: Durch Digitalisierung, Datenschutz und rasanten wissenschaftlichen Fortschritt weiten sich Arbeitsfeld und Anforderungen in Klinik und Praxis nahezu täglich aus. Gleichzeitig haben Ärztinnen und Ärzte mit zunehmendem ökonomischen Druck, politischer Fehlsteuerung und teils eklatantem Personalmangel zu kämpfen. Um in diesem Spannungsfeld nicht nur als Erfüllungsgehilfen in der „Wertschöpfungskette Medizin“ zu agieren, sondern eine verantwortungsvolle Patientenversorgung auch zukünftig sicherstellen zu können, ist mehr denn je eine solide Balance zwischen Wissen und Werten gefragt. Unter dem Motto „Wissen braucht Werte“ diskutieren Expertinnen und Experten auf dem Deutschen Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU) aktuelle gesundheitspolitische und medizinische Fragen. Auf der Agenda stehen auch die neuen Risiken von E-Scooter, E-Bike und Co., die Reform der Notfallversorgung, das Implantatregister Deutschland, Digitalisierung und Anforderungen an eine sektorenübergreifende Patientenversorgung. Ebenso Thema sind neue Probleme bei der Patientenversorgung und der Erforschung von schweren Verletzungen (TraumaRegister DGU®) durch den Datenschutz. Der DKOU findet vom 22. bis 25. Oktober 2019 in Berlin statt.

Kongresspräsidenten des DKOU 2019 und Gastgeber auf dem Messegelände Süd in Berlin sind Professor Dr. med. Paul Grützner aus Ludwigshafen, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) sowie der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU), Dr. med. Thomas Möller, Kongresspräsident des Berufsverbandes für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU) aus Speyer, und Professor Dr. med. Carsten Perka aus Berlin, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädischer Chirurgie (DGOOC) und stellvertretender Präsident der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU). Der DKOU ist der größte Kongress Europas in diesem Fachbereich. Vertreter aus 60 Nationen kommen jährlich in Berlin zusammen, um sich über aktuelle Entwicklungen und neueste Erkenntnisse in Orthopädie und Unfallchirurgie zu informieren. Die etwa 11 000 erwarteten Kongressteilnehmer können sich in rund 1 800 Präsentationen über die neuesten Erkenntnisse zu Erkrankungen und Verletzungen des Bewegungs- und Halteapparates informieren. „Wir möchten diese große Plattform intensiv dazu nutzen, um durch Systemänderungen resultierende Schwachstellen in unseren Fächern zu identifizieren und zu diskutieren, wie wir eine qualitativ hochwertige medizinische Betreuung auch in Zukunft gewährleisten können“, erklärt Möller. „Hierzu holen wir auch die Expertise unserer Kolleginnen und Kollegen aus dem Ausland, insbesondere in diesem Jahr aus den Gastländern Italien und Kanada.“

Neben politischen und ökonomischen Entscheidungen ist die Digitalisierung ein möglicher Lösungsansatz, um wieder mehr Zeit für Patienten zur Verfügung zu haben und die Versorgung weiter zu optimieren. Auf dem Kongress stellen Experten unter anderem vor, wie eine digitale Dokumentation und Organisationsunterstützung die Abläufe im Klinik- und Praxisalltag optimieren kann – etwa durch Apps, Telemedizin, virtuelle Weiterbildung sowie eine sektorenübergreifend vernetzte digitale Patientenakte. „Mittlerweile gibt es etliche digitale Lösungen, die die Arbeit von Ärzten erleichtern und beschleunigen können“, so Perka. „In Ländern wie Schweden werden sie bereits seit Jahren selbstverständlich angewendet. Doch Deutschland hängt hier weit zurück. Hierzulande müssen wir noch etliche bürokratische und juristische Hürden überwinden, um von den neuen Möglichkeiten profitieren zu können.“ In diesem Zusammenhang diskutieren Orthopäden und Unfallchirurgen auch die Auswirkungen von neuen Datenschutzregularien auf die Fortführung des nun 25 Jahre bestehenden TraumaRegisters DGU®) und die ab 2021 geplante Implementierung des Implantatregisters Deutschland (IRG).

Ein weiterer Themenschwerpunkt ist die Elektromobilität: „Wir sehen und schätzen natürlich die Chancen dieser neuen Fortbewegungsmöglichkeiten“, erklärt Grützner. „Doch sie bergen auch neue Gefahren.“ So würden nahezu täglich schwere Unfälle mit E-Scootern und E-Bikes registriert. Ärzte berichten auf dem Kongress über neue Verletzungsmuster. Gleichzeitig diskutieren sie Möglichkeiten der Unfallprävention – von einer proaktiven Mitarbeit bei der Planung der Verkehrsführung bis hin zu individuellen Schutzmaßnahmen. So wird auf dem Kongress beispielsweise ein neuartiger Airbag-Helm aus Schweden präsentiert. „Auf Grundlage neuer Helmtests diskutieren wir dann auch die Frage, wie wir künftig Schädel und Halswirbelsäule schützen werden“, so Grützner.

Darüber hinaus informieren Experten über aktuelle Erkenntnisse in der Diagnostik und bei bildgebenden Verfahren, Arthrose, Erkrankungen und Verletzungen der Wirbelsäule, Schmerz, Endoprothetik, Gelenkverletzungen, Komplikationen und Komorbiditäten, Alterstraumatologie und -orthopädie sowie Traumamanagement. „Es ist uns ein Anliegen, dass sich alle Kolleginnen und Kollegen mit ihren jeweiligen Arbeitsgebieten in den Angeboten wiederfinden“, so Möller zur Programmgestaltung des DKOU 2019.

Der DKOU 2019 findet vom 22. bis 25. Oktober 2019 auf dem Messegelände Süd in Berlin statt. Die Anmeldung ist im Internet unter http://dkou.org/eintrittsgebuehren/ möglich.

Kongresspräsidenten DKOU 2019:

Professor Dr. med. Paul Grützner, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) sowie der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU), Ärztlicher Direktor der BG Klinik Ludwigshafen und Direktor der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie

Dr. med. Thomas Möller, Kongresspräsident des Berufsverbandes für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU), niedergelassener Orthopäde und Unfallchirurg am Zentrum für Orthopädie und Unfallchirurgie in Speyer

Professor Dr. med. Carsten Perka, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädischer Chirurgie (DGOOC), Ärztlicher Direktor des Centrums für Muskuloskeletale Chirurgie an der Charité Berlin

Kongress-Schwerpunktthemen:

Diagnostik und bildgebende Verfahren, Wirbelsäule und Schmerz, Arthrose, Integrierte Versorgung und Innovationen, Endoprothetik, Gelenkverletzungen, Alterstraumatologie, -orthopädie, Traumamanagement, Komplikationen und Komorbiditäten

Quelle: Pressestelle DKOU

Telematikinfrastruktur

TI-Konnektorpauschale wird in diesem Jahr nicht mehr abgesenkt

Berlin – Damit erhalten Ärzte und Psychotherapeuten weiterhin 1.547 Euro für den Konnektor erstattet. Erst ab 1. Januar 2020 erfolgt eine Absenkung auf 1.014 Euro. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) konnte ferner erreichen, dass der Erstattungsbetrag für stationäre Kartenterminals ab 1. Oktober 2019 angehoben wird. Die Krankenkassen zahlen zukünftig 535 Euro für ein Gerät, 100 Euro mehr als bisher.

Kriedel: Damit haben Praxen die nötige Sicherheit

„Damit haben alle Praxen, die die nötige Technik bestellt haben, die Sicherheit, dass sie die bisher gültigen Pauschalen erhalten“, sagte KBV-Vorstandsmitglied Dr. Thomas Kriedel. Er gehe zudem davon aus, dass bis Jahresende alle Praxen an die Telematikinfrastruktur (TI) angeschlossen sind.

Schiedsamt abgewendet

In den Verhandlungen zur TI-Finanzierungsvereinbarung hatte der GKV-Spitzenverband eine Absenkung der Erstausstattungspauschale rückwirkend zum 1. Juli verlangt und zur Durchsetzung seiner Forderung das Schiedsamt angerufen. „Dies konnten wir verhindern“, betonte Kriedel und fügte hinzu: „Wir sind froh, dass doch noch eine Einigung möglich war.“

Das Schiedsamt sollte ursprünglich am morgigen Freitag tagen, um eine Lösung herbeizuführen. Die Vertragspartner werden ihre Anträge nun zurückziehen und die Finanzierungsvereinbarung zur TI auf Basis der vereinbarten Eckpunkte anpassen.

Mit dem jetzt gefassten Beschluss beträgt die Erstausstattungspauschale, die die notwendigen Kosten für einen Konnektor und ein Kartenterminal decken soll, bis zum Jahresende weiterhin 1.982 Euro, ab 1. Januar 1.549 Euro. Für Praxen, die Anspruch auf zwei oder drei Kartenterminals haben, erhöht sich diese Pauschale dann pro Gerät um 535 Euro. Entscheidend für die Höhe der Pauschale ist weiterhin der Installationstermin.

Weitere Anpassungen für eMP und NFDM

Außerdem gibt es Neuerungen bei der Finanzierung von Praxen, die sich für den elektronischen Medikationsplan (eMP) und das Notfalldatenmanagement (NFDM) rüsten. Für beide Anwendungen benötigen Praxen weitere Kartenterminals.

Für die Anschaffung dieser weiteren Terminals erhalten Ärzte bereits ab Oktober 535 Euro (statt 435 Euro) pro Gerät. Anspruch darauf haben Ärzte, die ihre Praxis-IT auf den eMP und/oder das NFDM umstellen. Dabei ist die Anzahl der Terminals von der Zahl der Betriebsstättenfälle abhängig.

Für den Aufwand der Praxen bei der Einführung des eMP und NFDM gibt es eine neue Zusatzpauschale von 60 Euro. Diese kann abhängig von der Zahl der Betriebsstättenfälle je Gerät abgerechnet werden. Der Zuschlag ist zeitlich befristet: Er wird vom 1. Oktober 2019 bis zum 30. September 2020 gezahlt.

Damit Praxen mit dem eMP und dem NFDM arbeiten können, sind Updates von Konnektor und Praxisverwaltungssystem erforderlich. Die dafür bereits ausgehandelte Pauschale bleibt unverändert bei 530 Euro. Auch der Zuschlag zur Betriebskostenpauschale in Höhe von 4,50 Euro wird beibehalten.

Die Industrie plant nach eigenen Angaben, im vierten Quartal 2019 ein Konnektor-Update zur Verfügung zu stellen.

Quelle: KBV

Ist ein Verbrennungsschaden durch Elektrokauter vermeidbar?

Köln – Operativ bedingte Lagerungsschäden sind immer wieder Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen. Dabei bestehen im Arzthaftungsprozess prozessuale Besonderheiten, die schon im Vorfeld im ärztlichen Arbeitsalltag berücksichtigt werden können, um einer nachteiligen Beweisnot im Fall der Fälle zu entgehen.

1.In der Rechtsprechung haben sich in den vergangenen Jahren besondere Gruppen von Arzthaftungsfällen herausgebildet, die im gerichtlichen Verfahren Änderungen der Beweislastregelungen mit sich bringen.

In der deutschen Zivilprozessordnung gilt der Grundsatz, dass derjenige, der einen Anspruch gerichtlich geltend macht, auch den Beweis zu erbringen hat, dass die Anspruchsvoraussetzungen hierzu erfüllt sind. Daher ist es regelmäßig der Patient, der im Arzthaftungsprozess darlegen und beweisen muss, dass ein Behandlungsfehler vorliegt und dieser zu einem bestimmten Schaden geführt hat.

Die Rechtsprechung macht in Arzthaftungsprozessen von diesem Grundsatz aber Ausnahmen, bei denen sie Fallgruppen herausgearbeitet hat, in denen der Patient bestimmte Beweiserleichterungen erfährt:

Die bekannteste Konstellation ist der sog. „grobe Behandlungsfehler“, bei dessen Vorliegen der Arzt darzulegen und zu beweisen hat, dass der festgestellte grobe Behandlungsfehler gerade nicht die Ursache für das eingetretene Schadensbild ist.

Eine weitere Konstellation, in denen es zu einer Beweislastumkehr kommt, stellen die Fälle des sog. „vollbeherrschbaren Risikos“ dar. Dabei handelt es sich um Ereignisse, die ausschließlich aus der Risikosphäre des Arztes herrühren und von diesem vollständig beherrscht werden können. Dies betrifft zum Beispiel das Funktionieren medizinisch-technischer Geräte. Denn der Arzt bzw. das Krankenhaus kann (und muss) sicherstellen, dass technische Geräte stets in einwandfreiem Zustand sind.

Schäden, die infolge der Lagerung des Patienten während einer Operation auftreten, werden von den Gerichten ebenfalls hierunter gefasst. Denn der Arzt kann im Vorfeld Risikofaktoren der Lagerung einplanen und in aller Regel ausschalten (BGH Urt. v. 26.09.2017, AZ: VI ZR 529/16; mwN).

Mit dem Inkrafttreten des Patientenrechtegesetzes im Jahre 2013 hat der Gesetzgeber diese Grundsätze auch gesetzlich geregelt. So heißt es in § 630h Abs. 1 BGB:

Ein Fehler des Behandelnden wird vermutet, wenn sich ein allgemeines Behandlungsrisiko verwirklicht hat, das für den Behandelnden voll beherrschbar war und das zur Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit des Patienten geführt hat.

Hat der Patient also einen Schaden erlitten aufgrund eines Umstandes, der ausschließlich in der Risikosphäre des Arztes liegt, wird das Vorliegen eines Behandlungsfehlers vermutet. Dann ist es der Arzt, der darzulegen und zu beweisen hat, dass kein Behandlungsfehler vorliegt!

Für die Lagerungsschäden bedeutet dies konkret: Der Patient muss beweisen, dass er einen Schaden erlitten hat und dieser infolge der Lagerung entstanden ist. Der Arzt muss beweisen, dass die Lagerung korrekt gewesen ist. Gelingt dieser Beweis nicht, haftet der Arzt für den eingetretenen Schaden.

Kommen aber für den bei dem Patienten eingetretenen Schaden noch andere, alternative Ursachen in Betracht, kann sich der Arzt hierauf zu seinen Gunsten berufen. Erst wenn der Patient zweifelsfrei nachgewiesen hat, dass ausschließlich die Lagerung Ursache für den Schaden ist, hat der Arzt die korrekte Lagerung nachzuweisen (OLG Düsseldorf Urt. v. 20.09.2007, AZ: I 8 U 10/07).

2. Mit einem besonderen Fall musste sich im Jahr 2017 auch der Bundesgerichtshof (BGH) befassen (BGH Urt. v. 26.09.2017, AZ: VI ZR 529/16). In diesem Verfahren ging es um einen Patienten, der unter der Anwendung eines Elektrokauters erhebliche Verbrennungen erlitten hatte. Die ersten Instanzen hatten die Klage noch abgewiesen, da als Ursache auch nicht-vollbeherrschbare Umstände, nämlich eine für die Ärzte nicht zu kontrollierende Feuchtigkeitsansammlung unter der Abdeckung, in Betracht kam (vgl. OLG Hamm Urt. v. 04.11.2016, AZ: 26 U 67/13). Damit habe der Patient letztlich nicht bewiesen, dass die Schädigung ausschließlich auf die Lagerung zurückzuführen sei. Dieser Bewertung hat der BGH eine Absage erteilt. Denn es läge so oder so ein Fall des vollbeherrschbaren Risikos vor. Bei dem Einsatz des Elektrokauters habe man die Verletzungen ebenfalls durch entsprechende Maßnahmen sicher vermeiden können.

Der Arzt kann die Vermutung, dass die Lagerung fehlerhaft gewesen ist, mit den im Zivilprozess üblichen Beweismitteln entgegentreten. Hierbei bieten sich insbesondere das Sachverständigengutachten sowie die Aussagen von Zeugen, bspw. des OP-Personals, an. Eine besondere Bedeutung kommt auch den Krankenunterlagen zu, denn diese bieten oftmals den ersten Anhaltspunkt für das konkrete Geschehen im Operationssaal und können selbst als Beweismittel herangezogen werden. Ergibt sich die Art der Lagerung aus den allgemein anerkannten Standards, ist eine schriftliche Dokumentation meist unüblich, aber dennoch sinnvoll. Unbedingt erforderlich ist die Dokumentation der Lagerung aber immer dann, wenn verschiedene Arten der Lagerung in Betracht kommen oder aus bestimmten Gründen von einer üblichen Lagerung abgewichen werden muss bzw. wenn während der Operation Änderungen vorgenommen werden (BGH Urt. v. 24.01.1984, AZ: VI ZR 203/82). Eine kurze, schlagwortartige Beschreibung der Lagerung sollte daher stets schriftlich im OP-Bericht festgehalten werden.

3.Bestimmte, mit der notwendigen Lagerung einhergehende Risiken sollten zudem auch immer im Aufklärungsgespräch mit dem Patienten angesprochen werden. Die Inhalte des Gespräches sind dann auch schriftlich – zumindest in Stichpunkten oder unter Verwendung von Aufklärungsbögen – zu dokumentieren.

Für die eigene Rechtsposition nachteilige Vermutungen auszuräumen, ist im Prozess nicht immer einfach. Je umfassender und ausführlicher die zur Verfügung stehenden Beweismittel aber sind, umso besser ist die Beweislage. Was zählt, ist immer die Situation im jeweiligen Einzelfall. Kann der Arzt bei einem Lagerungsschaden beispielsweise nachweisen, dass bei dem Patienten eine im Vorhinein nicht erkennbare Anomalie vorlag, gelingt ihm die Entlastung von der Vermutung (BGH, Urt. v. 24.01.1995, AZ: VI ZR 60/94). Daher ist eine sorgfältige Dokumentation und Erfassung der Parameter von großer Bedeutung.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass bei dem Eintritt von operativ bedingten Lagerungsschäden regelmäßig ein ärztlicher Behandlungsfehler vermutet wird und der Arzt sich durch Beweisführung von dieser Vermutung entlasten muss. Daher ist eine Dokumentation der Lagerung, zumindest in kurzen Stichpunkten zwingend erforderlich. Dies gilt erst recht, wenn verschiedene Lagerungsmöglichkeiten in Frage kommen oder sonstige Patienten bezogene Besonderheiten bestehen.

Dr. Albrecht Wienke

Fachanwalt für Medizinrecht Wienke & Becker – Köln Sachsenring 6

50677 Köln

„Newsletter 6/2019 von Thieme Compliance. Erschienen bei Thieme Compliance GmbH, Am Weichselgarten 30a, 91058 Erlangen, www.thieme-compliance.de.“.

Buchbesprechung: 55 Fälle Osteologie

Heidelberg – Sie interessieren sich für Knochen(stoffwechsel)? Kennen das IBMPFD-Syndrom nicht? Und lesen lieber knappe, präzise Falldarstellungen anstelle langatmiger Lehrbuchkapitel? Dann sind Sie bei diesem Buch gut aufgehoben. Denn die Autoren dieses Vielmänner-/Frauenbuchs ist es gelungen, aus dem weiten Gebiet osteologischer Erkrankungen anhand von Einzelfalldarstellungen häufig anzutreffende bis exotische Krankheitsbilder kurz und prägnant darzustellen. Fundiert und kompakt erläutern die Autoren das Vorgehen von der Anamnese über die klinische Untersuchung bis hin zu Diagnosestellung, schildern adäquate Therapiestrategien und geben Hinweise auch zum weiteren Monitoring. Die einzelnen Fälle sind untergliedert in Einleitung, Anamnese, Klinik, Diagnostik (Labor und Bildgebung), Diagnose, Therapie und Verlauf, Ergebnis und weiteres Monitoring sowie eine kurzgefasste Synopsis und schließen mit einem jeweils aktuellen Literaturverzeichnis ab.

Sie umfassen angeborene, erworbene lokale und systemische Erkrankungen und bieten einen kurz und knapp gefassten, immer anschaulichen Einblick in die abgehandelten Krankheitsbilder. Die einzelnen Falldarstellungen lesen sich spannend (hätten Sie’s gewusst?). Es ist ein leicht zu lesender, wertvoller Helfer für osteologisch interessierte Ärzte unterschiedlichster Fachrichtungen wie z.B. Orthopäden/Unfallchirurgen, Internisten, Rheumatologen, Endokrinologen, Gynäkologen, Radiologen, Allgemein-Mediziner, Onkologen und Pädiater.

Eine empfehlenswerte Lektüre.

Prof. Dr. Bernd Fromm (Heidelberg)

Perspektive DVT: Höchste Strahlenhygiene in der 3-D-Diagnostik

Gießen – Die digitale Volumentomographie (DVT, im Englischen als Cone Beam CT bezeichnet) ist ein Schnittbildverfahren zur multiplanaren und dreidimensionalen Darstellung des aufgenommenen Volumens, das in der Orthopädie und Unfallchirurgie zunehmend an Bedeutung gewinnt. Nachdem das SCS MedSeries® H22 (Fa. SCS GmbH, Aschaffenburg) nach aktuellem Stand das einzige DVT ist, welches (im Rahmen seiner physikalischen Eigenschaften und der im Anwendungsgebiet essentiell wichtigen Möglichkeit zur Gewährleistung von Aufnahmen im be- und entlasteten Zustand durch Orthopäden oder Unfallchirurgen im Rahmen der Teilgebietsradiologie mit vorliegender DVT-Fachkunde) ohne Einschränkung eigenständig angewendet werden darf sowie bereits umfangreich angewendet wird, befasst sich dieser Artikel explizit mit diesem DVT. In diesem Beitrag werden die technischen Eigenschaften des SCS MedSeries® H22 (im Folgenden als H22 benannt) auf Basis publizierter wissenschaftlicher Studien sowie vorgenommener physikalischer Messungen beschrieben. Die aufgeführten Eigenschaften sind somit gerätespezifisch und nicht auf andere Systeme übertragbar.

Physikalische Eigenschaften des SCS MedSeries® H22

Die pulsierend strahlende Röntgenquelle sowie der mit 127 µm Pixelgröße hochauflösende Flachdetektor des H22 bewegen sich während der Aufnahme auf einer zirkulären Bahn um das zu untersuchende Körperteil und erzeugen wahlweise zwischen 300 und 600 Projektionsaufnahmen, welche mittels 3-D-Rekonstruktion in ein 3-D-Volumen umgewandelt werden. Das pyramidenförmige Nutzstrahlenbündel in Verbindung mit einem zweidimensionalen Bildrezeptor grenzt das H22 gegenüber einem klassischen (Mehrzeilen-)Computertomographen (im Folgenden als CT benannt) ab. Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal ist, dass Röntgenquelle und Detektor des H22 den Patienten nur einmal um 210° zur Aufnahme des gesamten Volumens umkreisen, während typischerweise mehrere Umdrehungen in einem Spiral-CT erfolgen müssen. Das H22 ist ein 3-D-Schnittbildverfahren für die Aufnahme von Hochkontrastobjekten, das eine Auflösung von bis zu 0,2 mm ermöglicht. Die Aufnahmezeit von ca. 20 Sekunden sowie die 3-D-Rekonstruktion der Bilddaten innerhalb von ca. 30 Sekunden gewährleisten die schnelle Verfügbarkeit der Diagnostik-Ergebnisse. Zu dem Indikationsspektrum des H22 gehören Aufnahmen wahlweise unter Ent- sowie Belastung, sodass im Unterschied zum CT mit dem H22 auch Aufnahmen im Stehen möglich sind. Beispielhafte Indikationen sind der Senk-Spreizfuß, Hallux valgus, Arthrosen und Frakturen der Extremitäten, OSG Impingement, osteochondrale Läsionen, Sprunggelenk- oder Knie-Distorsionen, Knie- sowie DSG-TEP-Planungen, postoperative Bohrkanalkontrolle zur Ellenbogen-Außenbandrekonstruktion und Handwurzelverletzungen.

Einhaltung des ALARA-Prinzips

Die Breite des Indikationsspektrums einer Diagnostik ergibt sich im Wesentlichen nach der in § 6 StrlSchG geforderten Risiko-Nutzen-Abwägung sowie der nach § 8 StrlSchG einhergehenden Verpflichtung zur maximal möglichen Reduktion der resultierenden Strahlenbelastung für den Patienten auf Basis des zum Indikationszeitpunkts verfügbaren Stand der Technik, analog dem ALARA-Prinzip im Strahlenschutz (as low as reasonably achievable). Die mit dem SCS MedSeries® H22 DVT** einhergehende hohe Strahlenhygiene wurde bereits in mehreren Studien, die anschließend näher beschrieben werden, untersucht.

Handgelenksdiagnostik – Strahlenexposition des SCS MedSeries® H22 um den Faktor 3,58 geringer im Vergleich zur CT-Bildgebung

Im Rahmen der wissenschaftlichen Arbeit von Juha Koivisto et al. [1] wurde die Strahlenbelastung des H22 im Rahmen der Handgelenk-Diagnostik untersucht und mit einem CT verglichen. Es wurde festgestellt, dass die Strahlenbelastung des CTs im Vergleich zu dem High-Resolution-Protokoll des H22 um den Faktor 3,58 höher ist. Das H22 erlaubt es zudem, bei Anwendung des Ultra-Low-Dose-Protokolls (statt dem High-Resolution-Protokoll) bei aktuellen Systemen die resultierende Strahlendosis um weitere ca. 50% zu reduzieren. Im Ergebnis liegt das Ultra-Low-Dose-Protokoll des H22 im Vergleich zu der resultierenden effektiven Strahlenbelastung des CT um den Faktor 7,17 geringer.

Kniediagnostik – Strahlenexposition des SCS MedSeries® H22 um den Faktor 2,17 geringer im Vergleich zur CT-Bildgebung

Eine weitere wissenschaftliche Arbeit hat sich mit der Strahlenbelastung im Rahmen der Knie-Diagnostik beschäftigt. Die Studie von Juha Koivisto et al. [2] ermittelte eine effektive Strahlendosis für 3 verschiedene klassische Computertomographen sowie für das H22. Die effektive Strahlendosis lag für alle angewendeten klassischen Computertomographen mindestens um den Faktor 2,17 und bis zu dem Faktor 3,81 im Vergleich zu der des H22 im High-Resolution-Protokoll höher. Die effektive Dosis des H22 kann im Ultra-Low-Dose-Protokoll aktueller H22-Systeme um weitere ca. 70% gemindert werden, sodass die resultierende Strahlenbelastung des CT in diesem Vergleich mindestens um den Faktor 7,18 und bis zu dem Faktor 12,63 höher liegt.

Sprunggelenkdiagnostik – Strahlenexposition des SCS MedSeries® H22 um den Faktor 3,57 geringer im Vergleich zur CT-Bildgebung

Die Studie von Juha Koivisto et al. [3] zur Betrachtung der effektiven Dosis im Bereich des Sprunggelenks zeigt den Vergleich des H22 mit einem klassischen Computertomographen. Im Ergebnis lag die effektive Strahlendosis für den Computertomographen im Vergleich zu dem H22 um den Faktor 3,57 höher. Die effektive Dosis des H22 kann im Ultra-Low-Dose-Protokoll aktueller H22 Systeme um weitere ca. 58% reduziert werden. Dies resultiert in einer um den Faktor 8,56 höheren Strahlenbelastung des CT im Vergleich zu der aktueller H22 Systeme mit angewendetem Ultra-Low-Dose-Protokoll.

Höhere diagnostische Empfindlichkeit bei niedrigerer Strahlendosis

Neben den Studien zur Ermittlung der effektiven Strahlendosis bei Standarduntersuchungen mittels H22 gibt es eine Studie zur Bildqualität bei Dosiswerten, die denen der konventionellen Projektionsradiographie entspricht. Bei dieser Studie von Neubauer et al. [4] wurden Handgelenke von Kadavern, welche mit Läsionen und Frakturen versehen waren, mit Projektionsradiographie und H22 mit gleicher Dosis aufgenommen und die Bildqualität anhand mehrerer Parameter verglichen. Hier konnte festgestellt werden, dass die resultierende, mathematisch ausgewertete, Empfindlichkeit zur Frakturfindung des H22 trotz geringerer Energiedosis signifikant höher einzuordnen war, als diese mit dem 2-D-Projektionsröntgen (53%) vorlag. Zudem lag die diagnostische Empfindlichkeit des H22 (81%) zur Frakturfindung bei geringerer Energiedosis auf ähnlichem Niveau, wie es für den klassischen Computertomographen (89%) ermittelt wurde.

Zusammenfassung – Effektive Strahlendosis des SCS MedSeries® H22 insgesamt um bis zu 92% geringer als CT

Zusammenfassend wird deutlich, dass die Diagnostik mit dem H22 in ihrer resultierenden effektiven Strahlendosis um mindestens 50%, teilweise um bis zu 92% geringer ausfällt, als diese mit einem klassischen Computertomographen einhergehen würde. Zudem konnte die hohe Strahlenhygiene des H22 auch unter paralleler Betrachtung der diagnostischen Empfindlichkeit gegenüber dem 2-D-Projektionsröntgen bestätigt werden, in dessen Rahmen für das H22 nicht nur eine geringere Energiedosis im Vergleich zu dem 2-D-Projektionsröntgen vorlag, sondern auch eine signifikant höhere diagnostische Empfindlichkeit.  

Effektive Strahlendosen im Vergleich


Indikation  
DVT
[%]

CT
[%]

High-Res DVT
[%]

ULDP*

Handgelenk 
1002914

Knie    
1004814

Sprunggelenk   
1003612

Literatur

[1] Koivisto, J., Van Eijnatten, M., Kiljunen, T., Shi, X. Q., & Wolff, J. (2017). Effective radiation dose in the wrist resulting from a radiographic device, two CBCT devices and one MSCT device: a comparative study. Radiation protection dosimetry, 179(1), 58-68.

[2] Koivisto, J., Kiljunen, T., Wolff, J., & Kortesniemi, M. (2013). Assessment of effective radiation dose of an extremity CBCT, MSCT and conventional X ray for knee area using MOSFET dosemeters. Radiation protection dosimetry, 157(4), 515-524.

[3] Koivisto, J., Kiljunen, T., Kadesjö, N., Shi, X. Q., & Wolff, J. (2015). Effective radiation dose of a MSCT, two CBCT and one conventional radiography device in the ankle region. Journal of foot and ankle research, 8(1), 8.

[4] Neubauer, J., Benndorf, M.,
Reidelbach, C., Krauß, T., Lampert, F., Zajonc, H., Kotter, E., Langer, M., Fiebich, M., Goerke, S. M. (2016). Comparison of diagnostic accuracy of radiation dose-equivalent radiography, multidetector computed tomography and cone beam computed tomography for fractures of adult cadaveric wrists. PloS one, 11(10), e0164859.

** CE Kennzeichen Planmed Verity

Autor: Prof. Dr. Martin Fiebich (Technische Hochschule Mittelhessen/Fachbereich LSE)H

Jameda ändert das Geschäftsmodell

Die andauernden juristischen Auseinandersetzungen über die Ungleichbehandlung von zahlenden und nicht-zahlenden Kunden auf dem Arztbewertungsportal jameda hinterlassen ihre Spuren. Die Betreiber haben nun eine Neuausrichtung ihrer Online-Plattform bekanntgegeben, die eine komplette Kehrtwende beim Geschäftsmodell einleiten könnte.

Um ein ärztliches Bewertungsportal zu betreiben, braucht man zwei Dinge: erstens eine vollständige Liste aller Ärzte und zweitens Patienten, die diese Ärzte bewerten. Beides hat jameda und beides wäre – wenn puristisch umgesetzt – auch vollkommen gesetzeskonform. Allein damit jedoch ließe sich ein solches Portal nicht finanzieren und Geld verdienen erst recht nicht. Wer also soll das bezahlen? jamedas Lösung hieß, den Heilberuflern gegen ein Entgelt sogenannte Premiumpakete anzubieten, mit denen diese – je nach Kategorie – ihre Präsenz auf der Plattform verbessern können. Die Geschäftsidee florierte – viele Heilberufler schienen dabei zu hoffen, der Betreiber würde sie als Kunden nebenher auch vor schlechten Bewertungen schützen. Und in der Tat gab es zwischenzeitlich Hinweise, dass diese Kalkulation aufgehen könnte.

Auf der anderen Seite wuchs der Unmut bei den Ärzten und Zahnärzten, die nicht bereit waren, Selbstmarketing über jameda zu betreiben und deshalb auch nicht in der Arztliste des Unternehmens geführt werden wollten. Nach etlichen erfolglosen Anläufen gelang es im Februar 2018 einer Kölner Hautärztin erstmalig, die Löschung ihrer Adressdaten höchstrichterlich durchzusetzen. Entscheidendes Argument war die Ungleichbehandlung zahlender und nicht-zahlender Kunden. Der Bundesgerichtshof stellte fest, dass jameda seine Rolle als „neutraler Informationsmittler“ verlassen hatte, was zu einem „Überwiegen der Grundrechtsposition der Klägerin“ führte. Obwohl die Karlsruher Richter in der Hauptsache „nur“ eine Werbeeinblendung eines zahlenden Kunden im Profil einer nichtzahlenden Ärztin moniert hatten und jameda diese Praxis umgehend einstellte, war danach klar, dass der im Urteil enthaltene Anspruch, jameda müsse sich als „neutraler“ Informationsmittler verhalten, um die vollständige Arztlistung aufrechterhalten zu dürfen, mit dem Verkauf von Premiumpaketen kaum noch zu vereinbaren ist.

Arztlistung aufrechterhalten zu dürfen, mit dem Verkauf von Premiumpaketen kaum noch zu vereinbaren ist. Wofür soll der Kunde dann zahlen, wenn er keine Vorteile gegenüber Nichtzahlern hat? Im März 2019 schließlich konnten sich zwei Zahnärzte und eine Heilpraktikerin vor den Landgerichten Bonn und Wuppertal mit ihrem Anspruch auf Löschung aus der jameda- Arztliste durchsetzen. Das letztlich entscheidende Argument zugunsten der Kläger: die mangelnde Neutralität des Portals.

jameda hat nun offenbar die Konsequenzen aus der sich verdichtenden Rechtsprechung gezogen und eine „Neuausrichtung“ verkündet. Die entsprechende Pressemitteilung titelt: „Vom Arztbewertungsportal zum
größten digitalen Mittler zwischen Arzt und Patient“. Der bisherige Claim „Deutschlands größte Arztempfehlung“ unter dem jameda-Logo werde ersetzt durch den Text „einfach zum passenden Arzt“. Patienten können nun im Suchfeld auf der Startseite nicht nur Namen oder Facharztgruppen, sondern auch Erkrankungen, Behandlungen oder Diagnosen eingeben und werden zu den entsprechenden Ärzten geführt. jameda versicherte auf Nachfrage der zm, dass bei dieser Suche zahlende und nicht-zahlende Ärzte gleich behandelt würden. Statt der Arztbewertung durch Patienten steht jetzt das Finden passender Ärzte im Fokus.

Mit der Neuausrichtung verbunden ist eine Hinwendung zu den Heilberuflern, mit denen man künftig partnerschaftlich zusammen – arbeiten wolle. Ihnen bietet jameda nun eine „Alles-Aus-Einer-Hand Lösung für optimierte Prozesse und erfolgreiche Patientengewinnung“ an. Darunter versteht die Firma das Paket aus neu gestalteter Arztsuche, Online-Terminvergabe und Videosprechstunde, wobei die Optionen Terminvergabe und Videosprechstunde mit mindestens 99 Euro pro Monat (ab Premiumpaket Gold pro mit jährlicher Zahlung) zu Buche schlagen.

Damit geht das Portal einen großen Schritt in Richtung Patientenmarketing für Heilberufler. Mittelfristig wird mit dieser Entwicklung die Möglichkeit geschaffen, die Plattform notfalls auch ohne Arztbewertungen durch Patienten weiterführen zu können – dann nämlich, wenn sich durch die Rechtsprechung ermuntert immer mehr Heilberufler für eine Löschung ihrer Daten aus der jameda-Arztliste entscheiden. Momentan profitiert jameda in der öffentlichen Wahrnehmung noch von einer mehr oder weniger vollständigen Auflistung von Ärzten und Zahnärzten in Deutschland. Doch das kann sich ändern, wenn die laufenden Verfahren eines Tages höchstrichterlich zum Abschluss gebracht werden und der Anspruch der Heilberufler auf Löschung ihrer Adressdaten aus der Plattform bestätigt wird.


Quelle: br (zm 109, Nr. 15-16, 16.8.2019, (1672))

Umfrage: Behandlung der primären Schultersteife

Die Schultersteife, auch bekannt als “frozen shoulder”, ist eine der häufigsten muskuloskeletalen Krankheitsbilder. Sie ist charakterisiert durch einen schmerzhaften Funktionsverlust der aktiven und passiven Beweglichkeit der betroffenen Schulter. Die Behandlung der Schultersteife richtet sich nach der klinischen Situation des Patienten und dem Stadium seiner Erkrankung: hier stehen diverse Therapieoptionen, von konservativen Behandlungansätzen bis hin zu chirurgischen Eingriffen, zur Verfügung. Im Fokus aller therapeutischen Strategien stehen Schmerzreduktion, Wiederherstellung der Beweglichkeit und Funktionalität, sowie Verkürzung der Symptomdauer. Eine universell akzeptierte Therapie der Schultersteife gibt es, trotz mehrerer Konsensusschriften nicht.

Gemeinsam mit dem BVOU untersuchen wir die verschiedenen Therapieoptionen in der Behandlung der primären Schultersteife. Wir freuen uns, daß Sie sich fünf Minuten für die Beantwortung dieses kurzen anonymisierten Fragebogens Zeit nehmen. 

Meniskusnaht-Implantat-Systeme: Weiterhin bezahlt in Bayern und BaWü

Stuttgart – Ein Sozialgericht in Stuttgart hatte die Verwendung von Fastfix Systemen zur Naht eines Außenmeniskuskorbhenkelrisses  als unwirtschaftlich erklärt. Die klagende Sportklinik war unterlegen. Einige Krankenkassen haben auf Grund dieses Urteils ambulanten Operateuren und Krankenhäusern die Kostenerstattung der Sachkosten verweigert.

Als BVOU haben wir uns schon im Februar mit der Thematik befasst und haben versucht eine Lösung zu finden. Eine Vielzahl von Gesprächen war notwendig, aber die Bemühungen haben sich gelohnt. In Baden-Württemberg konnte der BVOU durch entsprechende Intervention bei der KV und der AOK eine entsprechende Regelung auf den Weg bringen. Letztlich stimmten dann alle Kassen der leitliniengerechten Verwendung der Materialen zu.

Das macht bei der Vielzahl der Themen auch mal Freude, darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass manchenorts derartige transparente Lösungen bisher fehlen. Diese Regelung kann als Vorlage für Verhandlungen auf lokaler Ebene dienen.

In Bayern, anders als in den meisten anderen Bundesländern, werden die zu erstattenden Sachkosten durch Verhandlungen zwischen KV und Kassen geregelt. Hier besteht ein entsprechendes Forum zur Klärung solcher Dinge. Hier konnte durch die Intervention des Kollegen Dr. Weinhart eine frühzeitige Einigung auch bei diesem Punkt erzielt werden.

Eine transparente und nachvollziehbare Erstattung von Sachkosten ist für eine ehrliche und ordentliche Patientenversorgung unverzichtbar. Die Notwendigkeit eines entsprechenden Forums nach dem Muster der Bayerischen KV sollten die Landesvorsitzenden in allen KVen einfordern.

Dr. Johannes Flechtenmacher, Präsident BVOU

Urteil: Regressgefahr für arthroskopische Operateure

Wertheim – Mit einem erst kürzlich publizierten Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 13.9.2018 (S 2 KR 6472/15) ergeben sich potentielle Regressgefahren für arthroskopische Operateure, die Meniskus-Naht- Implantatsysteme verwenden.

Eine Klinik in Baden-Württemberg hatte bei einem 20-jährigen Patienten im Rahmen einer ambulanten Arthroskopie zur Therapie einer bis ins Hinterhorn reichenden Außenmeniskuskorbhenkelläsion drei Fast-Fix-360-Anker von Smith & Nephew verwendet. Die Klinik stellte der zuständigen Krankenkasse für die ambulante Operation einen Gesamtbetrag in Höhe von 1.748,59€ in Rechnung, hiervon entfielen insgesamt 720,84€ auf Sachkosten für die Ankersysteme. Die Krankenkasse beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) mit der Erstellung eines Gutachtens. Im Gutachten stellte dieser fest, dass zur Anwendung des Fast-Fix-Anker-Systems zur Meniskusrefixation keine Langzeitresultate aus validen Studien vorhanden seien, eine Überlegenheit gegenüber konventionellen Nahttechniken sei bisher nicht belegt. Es liege keine nachvollziehbare Indikation für den Einsatz des Ankersystems vor. Eine Kostenübernahme könne nicht empfohlen werden. Die Krankenkasse verrechnete daraufhin den Betrag in Höhe von 720,84€ mit anderen Forderungen der Klinik. Hiergegen klagte die Klinik beim SG Stuttgart.

Hierbei trug sie vor, die Verwendung des Ankersystems sei medizinisch indiziert gewesen. Die Vergütung der Sachkosten einer ambulanten OP richte sich nach § 9 AOP-Vertrag. Nach § 9 Abs. 5,6 AOP-Vertrag seien die Kosten in Höhe von 720,84€ zu übernehmen. Die Verwendung der im Körper verbleibenden Implantate sei orientiert am Wirtschaftlichkeitsgebot medizinisch notwendig gewesen, es bestünden auch valide wissenschaftliche Veröffentlichungen, die einen Beleg für die Überlegenheit des Ankersystems gegenüber einer herkömmlichen Naht lieferten. Zudem sei das Infektionsrisiko niedriger, die Mobilität schneller wieder hergestellt sowie das Operationsrisiko bei verkürzter OP-Zeit reduziert.

Im Verlauf des Verfahrens legte die Krankenkasse ein weiteres MDK-Gutachten vor, wonach aus vorliegenden Einzelberichten keine valide Risikoreduzierung bei der Verwendung des Ankersystems ableitbar sei. Die klagende Klinik legte eine Stellungnahme des Berufsverbandes für Arthroskopie e. V. (BVASK) vor. Dieser kam darin zu der Schlussfolgerung, dass ein Verzicht auf die Erstattung von Sachkosten bei Meniskusnahtsystemen eine moderne chirurgische Versorgung von Meniskusrissen unmöglich mache.

Das SG Stuttgart gab in seinem Urteil der Krankenkasse Recht. Zusammenfassend argumentiert die Urteilsbegründung, dass die Verwendung der Fast-Fix-Anker im vorliegenden Behandlungsfall nicht dem Wirtschaftlichkeitsgebot entspreche. Nach § 9 Abs. 6 AOP-Vertrag habe das Krankenhaus die gesondert berechnungsfähigen Materialien nach § 9 Abs. 5 AOP-Vertrag jedoch unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots und der medizinischen Notwendigkeit auszuwählen. Ein Krankenhaus sei gemäß § 115 b Abs. 2 S. 3 zur Einhaltung des Vertrags verpflichtet (BSG v. 23.3.2011, B 6 KA 11/10 R, Rz 51 ff.). Das Wirtschaftlichkeitsgebot habe zur Folge, dass bei der Auswahl zwischen zwei oder mehr in gleicher Weise
geeigneten, den gleichen Heilerfolg bietenden Maßnahmen diejenige auszuwählen sei, welche die geringsten Kosten verursache. Im vorliegenden Fall wäre nach Überzeugung der Kammer eine Operation mittels konventioneller Meniskusnaht jedenfalls mit gleichem Erfolg wie mittels der Fast-Fix-Methode in Betracht gekommen.

Eine generelle Überlegenheit des Ankersystems könne nicht festgestellt werden. Die vorgelegte Stellungnahme des BVASK entspreche der niedrigsten Evidenzklasse IV. Den angeführten Vorteilen der Methode stünden Nachteile wie “hohe Lernkurve, Knorpelschäden, welche bei Fehlplatzierung eines Ankers und anschließender Entfernung entstehen können sowie das Risiko von Schmerzen oder einer ineffektiven Refixation bei zu kurzer oder zu langer Pfeillänge oder wenn der Anker nicht tief genug in die Meniskusoberfläche eingebracht ist” gegenüber.

Das Urteil des SG Stuttgart steht im deutlichen Widerspruch zu einer früheren Entscheidung des SG Kiel vom 10.2.2015 (S 2 Ka 8/14). Hier hatte die Krankenkasse auf Basis eines MDK-Gutachtens die medizinische Notwendigkeit von Fast-Fix-Ankernahtsystemen bei einer arthroskopischen Innenmeniskusrefixation verneint, da eine Langzeitstudie fehle und eine medizinische Überlegenheit nicht belegt sei. Außerdem bezweifelte die Krankenkasse hier noch den generellen Anspruch auf Sachkostenerstattung. Das SG Kiel urteilte im Sinne des klagenden MVZ. Die Zulässigkeit der Geltendmachung von Sachkosten ergebe sich aus den Ziffern 7.3 und 7.4 der Allgemeinen Bestimmungen des EBM i. V. m. § 44 Abs. 5 des BMV-Ä und § 9 Abs. 5 AOP-Vertrag. Die Verwendung des Meniskusnahtsystems wurde als wirtschaftlich, ausreichend und zweckmäßig gemäß § 12 Abs. 1 SGB V angesehen, da sie den Erhalt des Meniskus sichere und die Ausrissfestigkeit gegenüber der herkömmlichen Nahtmethode nicht verschlechtere. Die Methode entspreche auch dem anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft, was sich aus einer klägerseitig vorgelegten gemeinsamen Stellungnahme von BVASK, BDC, AGA und DGOU entnehmen lasse. Die Verwendung des Ankersystems erspare dem Versicherten eine Gegeninzision in der Kniekehle mit Gefahr der Verletzung von Nerven, ermögliche eine ambulante OP, verkürze die Erholungs- und Nachbehandlungszeit. Die Gefahr des aktuellen Urteils aus Stuttgart liegt nun darin, dass Kostenträger in einzelnen KV-bereichen die Sachkostenerstattung für Meniskusnahtsysteme bei ambulanten Operationen verweigern können. Das Urteil ist weder für den BVOU, den BVASK, das Komitee Standespolitik der AGA, die DGOU noch die GOTS verständlich. Es steht im Widerspruch zur aktuellen S2 – Leitlinie “Meniskuserkrankungen” der AWMF1. Hierin heißt es “Es besteht bei der inside-out und outside-in Techniken das Risiko der Verletzung von neurovaskulären Strukturen [Anderson 20092, Jurist 19893]. Daher empfiehlt es sich im Hinterhorn- und Intermediärbereich die Nutzung von all-inside Nahttechniken mit speziell dafür entwickelten Nahtankersystemen.” Im Urteil des SG Stuttgart wurde offenkundig nicht erkannt, dass die Alternative zu der von der Klinik durchgeführten Operation eine offene Knieoperation wäre und die im Urteil aufgeführten Nachteile Meniskusrefixationsinstrumente der 2. Generation betreffen. In einem Kommentar hat sich damit auch PD Dr. Ralf Müller-Rath, 1. Vorsitzender des BVASK, in der Zeitschrift Arthroskopie auseinandergesetzt und kommt zum Schluss, dass das Gericht in der falschen Annahme geurteilt habe, es gäbe eine arthroskopische Alternative unter ausschließlicher Verwendung von Nähten, welche einem Meniskus-Naht-Implantatsystem gleichwertig und damit wirtschaftlicher sei.

Wie wird es weiter gehen? Das SG Stuttgart hat Berufung gegen das Urteil nicht zugelassen, da Zulassungsgründe nach § 144 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind. Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung musste durch die klagende Klinik nun erst beim zuständigen Landessozialgericht beantragt werden. Falls eine Berufung zugelassen wird, kann eine endgültige Entscheidung mehrere Jahre dauern. In dieser Zeit agieren ambulante Operateure bei der Verwendung von Meniskusnahtsystemen weiter in Rechtsunsicherheit und haben Regresse zu fürchten. Der vorliegende Fall zeigt, dass das schnelle Bestreiten des Klagewegs vor dem Sozialgericht ohne das forcierte Suchen nach einvernehmlichen Lösungen unter Einschaltung der Berufsverbände und der KV nicht immer der geschickteste Weg bei Fällen mit weitergehender Bedeutung ist. Die beteiligten Verbände haben das Thema jedoch gemeinsam weiter in Bearbeitung. Eine aktuelle wissenschaftliche Stellungnahme zum Stand der Technik der arthroskopischen Meniskushinterhornrekonstuktion (Stand 4/2019) wurde gemeinsam von Gesellschaft für Arthroskopie und Gelenkchirurgie (AGA), Deutscher Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU), Deutscher Kniegesellschaft (DKG) und Gesellschaft für Orthopädisch-Traumatologische Sportmedizin (GOTS)5 publiziert. Darin plädieren diese für die Forderung der Kostenerstattung moderner Meniskus-Naht-Implantatsysteme. Auch der BVOU schließt sich dieser Forderung an. Für den BOVU ist Vorstandsmitglied Dr. Helmut Weinhart an Gesprächen mit der KBV beteiligt. Bis zu endgültiger Rechtsprechung wird den BVOU-Landesverbänden empfohlen, auf Landesebene Konsenslösungen zu diesem Thema mit den jeweiligen KVen und regional relevanten Kostenträgern herbeizuführen. Eine handhabbare Kompromisslösung könnte eine Art “Positivliste” erstattungsfähiger Meniskusnahtsysteme mit wirtschaftlich akzeptablen, erstattungsfähigen Höchstpreisen sein. Dahingehende Gespräche laufen bereits in einigen KV-Bereichen.

Dr. Karsten Braun, LL. M. BVOU-Bezirksvorsitzender Heilbronn-Franken

Schließung von Kliniken als „Königsweg“?

Frankfurt am Main – In einer aktuellen Studie der Bertelsmann-Stiftung wird dafür plädiert, die Kliniklandschaft in Deutschland von dzt. 1364 Kliniken (Krankenhauspläne der Bundesländer) auf weniger als 600 zu senken. 666 Kliniken verfügten über 100 Betten oder weniger. Selbst lebensbedrohliche Erkrankungen wie Herzinfarkt oder Schlaganfälle könnten hier nicht immer und jederzeit suffizient behandelt werden.  Der Patient wird damit Spielball des Zufalls. Der Raum Köln-Leverkusen könne auf 24 der 38 Häuser verzichten. Ziel ist eine Konzentrierung von Fachkompetenz und Fallzahlen und damit eine vermeintliche Qualitätssteigerung. Man darf  mutmaßen, dass auch ökonomische Überlegungen eine wesentliche Rolle spielen. Die finanzielle Ausstattung vieler Kliniken ist prekär. Zudem sind die Klinik- und Bettenzahlen bezogen auf die Bevölkerungsanteile in Deutschland im europäischen Vergleich unbestritten hoch.

Applaus kommt von der Verbraucherzentrale Bundesverband. Eine stärkere Zentralisierung sei notwendig. Ausschlaggebend für eine qualitätsgesicherte Versorgung seien eine gute technische Ausstattung der Häuser und erfahrene Ärzte. Auch der Spitzenverband der Krankenkassen teilt inhaltlich viele Aspekte der Studie.

Kritik gegen den vorgeschlagenen Kahlschlag kommt von vielen Verbänden und Interessensgruppen. So verweist der Präsident der BÄK, Dr. Klaus Reinhardt, auf die Bedeutung der Daseinsvorsorge und Sicherung einer gut erreichbaren, wohnortnahen Gesundheitsinfrastruktur, wie die „Kommission gleichwertige Lebensverhältnisse“ der Bundesregierung gerade erst gefordert habe. Gerade im ländlichen Raum müsse die flächendeckende Versorgung der Patienten sichergestellt werden. Dr. Gerald Gaß, Präsident der DKG, meint: „Wer vorschlägt, von ca. 1600 Akutkrankenhäusern 1000 plattzumachen und die verbleibenden 600 zu Großkliniken auszubauen, propagiert die Zerstörung von sozialer Infrastruktur in  einem geradezu abenteuerlichem Ausmaß, ohne die medizinische Versorgung zu verbessern.“

Der ambulante Bereich wäre derzeit jedenfalls unfähig, die wegfallenden Klinikbetten bei „Vollambulantisierung“ zu kompensieren. Zudem wird gerade in kleineren Kliniken häufig auch temporär Pflege älterer Patienten betrieben. Stationäre Pflegeinrichtungen oder gar familiäre Strukturen wären in Deutschland bei Wegfall dieses „Puffers“ jedenfalls völlig überfordert. Die Strukturmaßnahmen müssten daher die gesamte Gesundheitslandschaft und das gesamte Gesundheitssystem in Deutschland umfassen. Kaum vorstellbar. Erst recht nicht im Föderalismus.

Woher stammen solche „Ideen“?

Ein Blick gen Norden zeigt: die Dänen haben sich für einen etatistischen Ansatz einer solchen Neuordnung ihrer Kliniklandschaft entschieden. Seit 2007 läuft das „Superspital“-Programm. Gebaut werden 16 neue Kliniken für 6,6 Mrd. Euro. Bis 2025 sollen von den ehemals 79 Krankenhäusern in 2007 nur noch 53 übrig bleiben – davon 21 mit Notfallstationen. Die Kliniklandschaft wird völlig neu geordnet. Die Wege werden für die Patienten weiter. Über die Standorte der – neuen – Kliniken entscheidet zentral eine fünfköpfige Expertenkommission. Die Regionen müssen sich fügen. Ziele sind u.a. die Konzentration komplexer Eingriffe zur Steigerung der Qualität durch Expertise, Senkung von Krankenhausinfektionen durch Einzelzimmer, kürzere Verweildauern. In Norddänemark gibt es bereits Videoschaltungen in die Ambulanzen mit deren Hilfe erste Ferndiagnosen gestellt werden und eine Triage vorgenommen wird. In Dänemark ist bereits seit zehn Jahren eine telefonische Voranmeldung zwingend – über Hausarzt oder Hotline. Ähnliches soll in Deutschland nun auch eingeführt werden. Ein erster Gesetzentwurf liegt dazu vor.

Das dänische Modell ist aber auch nicht ohne Kritik. In einer aktuellen Studie der Denkfabrik Health Consumer Powerhouse landet das Land im europäischen Vergleich „nur“ noch auf Rang 4. Notfallstationen seien schwieriger erreichbar. Die Schweiz hingegen kommt auf Platz 1. Aber auch in der Schweiz kommt man um eine stärkere Konzentration der Spitäler nicht herum. Kleinere Spitäler müssten vermehrt in Zentren für ambulante Behandlungen umgewandelt werden, zumal der klassische Hausarzt vielerorts verschwindet.

Unbestreitbar allerdings ist, dass es in Deutschland in den Ballungszentren ein Überangebot an Krankenhausbetten gibt. Eine sinnvolle, arbeitsteilige Aufgabenteilung unterbleibt in der Regel. Alle bieten möglichst Alles an – und konkurrieren zudem noch zunehmend mit ambulanten Einrichtungen und Tageskliniken. Größe ist – vermeintlich – Marktmacht und: wer baut, muss „am Netz“ gehalten werden. Dies führt zu einer Sucht, möglichst Maximalversorger mit Bauvorhaben zu sein. Oder zu Begriffsmonstern wie „Supra-Maximalversorger“. Bei allgemein begrenzten Mitteln werden die Kliniken baulich und bei der technischen Ausstattung allerdings „ausgebremst“. Anspruch und Wirklichkeit passen häufig nicht zueinander. Land und Träger kommen ihren investiven Verpflichtungen nicht nach – weil kein Geld vorhanden ist. Zudem werden die DRG’s – sofern „mengenanfällig“ – jährlich abgewertet. Das all dies zu Lasten der Qualität der Patientenversorgung gehen muss und zu „Windhundrennen“ führt, ist leicht nachvollziehbar. Die Frustrationstoleranz der Klinik-Angestellten ist vielerorts schon überschritten…. Top-Fachärzte*innen verlassen inzwischen auch Unikliniken und entscheiden sich für eine Selbstständigkeit in spezialisierten Privatkliniken oder in der Niederlassung, da eine Klinikkarriere in leitender Position zunehmend unattraktiv wird. Es entsteht ein Mangel an hoch-qualifiziertem Fachpersonal: in der Ärzteschaft wie in der Pflege.

Eine gezielte regionale Schließung einzelner Kliniken in konsentiert überversorgten Gebieten könnte hier hilfreich sein – bei der Allokation von finanziellen wie von Fachkräfte-Ressourcen. Hierzu müsste allerdings zunächst die Erkenntnis reifen und ein übergreifender politischer Wille vorhanden sein. Damit ist auch weiterhin nicht zu rechnen. Weitere Möglichkeiten wären die Konzentrierung von operativen Eingriffen auf spezialisierte Kliniken mit klar definierten Mindestmengen und Qualitätskontrollen. Hier könnten sich Politik und Kostenträger mit den spezialisierten chirurgischen Fachgesellschaften und Verbänden abstimmen, die wissen, wo die Expertise „sitzt“ – ohne Berührungsängste. Auch damit ist leider nicht zu rechnen.

Damit bleibt die Studie im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung in erster Linie ein allerdings  beachtenswerter Beitrag zur Füllung des Sommerlochs. Die Kliniken werden wohl weiter im „kollektiven Würgegriff“ bleiben.

Prof. Dr. Dr. Reinhard Hoffmann

Vizepräsident BVOU