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BARMER-Umfrage zur Zweitmeinung

Berlin – Millionen Patientinnen und Patienten in Deutschland zweifeln an der Notwendigkeit von planbaren medizinischen Eingriffen. Das belegt eine repräsentative BARMER-Erhebung, für die im März bundesweit 1.000 Männer und Frauen ab 18 Jahren befragt wurden. Demnach ist mehr als jeder Zweite (56 Prozent) unsicher, ob die Operation tatsächlich notwendig ist. Aber nur 57 Prozent der Befragten mit einem planbaren medizinischen Eingriff veranlassen ihre Zweifel, sich eine Zweitmeinung einzuholen. Dabei zeige die Umfrage, dass die Meinung anderer Ärztinnen oder Ärzte in nicht wenigen Fällen ganz anders ausfalle. Zwar gäben 72 Prozent der Befragten an, die Diagnose bestätigt bekommen zu haben, 21 Prozent bekämen die Therapieempfehlung bestätigt. Damit wurden diese Antwortalternativen am häufigsten gewählt. Acht Prozent erhielten jedoch eine andere Diagnose, 17 Prozent eine andere Therapieempfehlung. „Wir haben ein Informationsdefizit in Deutschland, was Operationen angeht. Wissens- und Informationslücken dürfen nicht dazu beitragen, dass unnötige Eingriffe vorgenommen werden“, sagt Prof. Dr. Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der BARMER. Er forderte die Patientinnen und Patienten auf, konsequent vom Recht auf Zweitmeinung Gebrauch zu machen. Wer zwei Meinungen höre, folge laut Umfrage zu mehr als der Hälfte der Alternativauffassung (56 Prozent).

Alter, Bildung und Einkommen beeinflussen Interesse

Die zusammen mit dem Marktforschungsunternehmen respondi durchgeführte Online-Umfrage zeige, dass die Faktoren Alter, Bildung und Einkommen die Offenheit gegenüber Zweitmeinungen beeinflussen. Je höher Einkommen und Bildung, desto öfter würden weitere Meinungen erfragt. Der Effekt zeige sich auch bei einzelnen Altersgruppen, wobei die 40- bis 49-Jährigen als besonders kritisch auffielen. „Mit dem sozialen Status und der Lebenserfahrung steigt die Bereitschaft, ärztliche Empfehlungen zu hinterfragen. Zweitmeinungen sind jedoch für Patientinnen und Patienten jeden Alters interessant, die vor einem planbaren Eingriff stehen“, so Straub.

Ergebnisse der Umfrage im Detail

Sozioökonomische Einflussfaktoren

Zwei Drittel der Befragten (65 Prozent) bejahten, dass sie vor einem planbaren medizinischen Eingriff Wert auf eine Zweitmeinung legen würden. Bei Frauen ist die Bereitschaft dazu mit 69 Prozent deutlicher ausgeprägt als bei Männern, von denen dies nur 61 Prozent wichtig finden. Den Einfluss der sozioökonomischen Faktoren Alter, Bildung und Einkommen zeigt die Grafik. Offenbar besteht ein Zusammenhang zwischen der Höhe des Einkommens und des Bildungsstandes mit der Bereitschaft zum Einholen einer Zweitmeinung. Tendenziell wächst auch mit dem Lebensalter die Bereitschaft, medizinische Diagnosen und darauf basierende Therapieoptionen zu hinterfragen.

Wenn Zweifel fehlen

Von den Befragten, die keine Zweitmeinung eingeholt haben, nennen 67 Prozent als Grund für den Verzicht, dass sie die Notwendigkeit des Eingriffs nicht bezweifelten. Mehr als jeder Zweite (55 Prozent) fühlte sich vom Arzt ausreichend aufgeklärt.

Zwei zusätzliche Meinungen am häufigsten

Die Mehrheit derer, die Zweifel an einer anstehenden Therapie hat, wünscht sich der Umfrage nach sogar mehr als nur eine weitere Meinung. So holt mehr als die Hälfte zwei weitere Einschätzungen ein (56 Prozent). Während vier von zehn Befragten (38 Prozent) mit einer zusätzlichen Meinung auskommen, holen sechs Prozent drei und mehr zusätzliche Voten ein. Dabei scheint die Wahl mit der Zahl zusätzlicher Einschätzungen schwieriger zu werden. Von den Patientinnen und Patienten, die sich auf zwei Meinungen stützen, folgen 56 Prozent der zweiten Empfehlung. Haben die Befragten drei oder mehr Experten gehört, fällt ihre Wahl zu etwa gleichen Teilen auf die erste, zweite und dritte Meinung. 

Entscheidung folgt Nutzen-Risiko-Abwägung

Leitkriterium für die letztendliche Entscheidung der Patientinnen und Patienten ist dann eine Abwägung zwischen möglichen Risiken und dem zu erwartenden persönlichen Nutzen des Eingriffs (58 Prozent). Der Ruf der Klinik, in dem der Eingriff stattfinden sollte, war für ein Drittel der Befragten entscheidend.

Facharztgruppen und Eingriffsarten

Am häufigsten holten die Befragten Zweitmeinungen ein, wenn es um planbare Eingriffe im Bereich der Orthopädie und Unfallchirurgie (27 Prozent) und der allgemeinen Chirurgie (24 Prozent), der Gynäkologie (zehn Prozent) sowie der Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde (acht Prozent) ging. Am häufigsten ging es bei Zweitmeinungen um Eingriffe am Bewegungsapparat (19 Prozent), dem Verdauungstrakt und den Geschlechtsorganen (jeweils neun Prozent).

Hintergrundinformationen zum Thema

Rechtsgrundlage: Der Gesetzgeber hat mit dem Versorgungstärkungsgesetz zum 23. Juli 2015 mit § 27b SGB V den Anspruch auf eine unabhängige ärztliche Zweitmeinung eingeführt. Der Anspruch richtet sich insbesondere auf solche Indikationen, bei denen mit Blick auf die zahlenmäßige Entwicklung die Gefahr einer Indikationsausweitung nicht auszuschließen ist.

Richtlinie: Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) wurde damit beauftragt, eine Richtlinie über die Konkretisierung des Anspruchs auf eine unabhängige ärztliche Zweitmeinung zu beschließen. Die Richtlinie zum Zweitmeinungsverfahren (Zm-RL) ist im Dezember 2018 in Kraft getreten. Die Zm-RL legt den Leistungsumfang, die Aufgaben der indikationsstellenden Ärzte sowie die Anforderungen und Aufgaben der Ärzte fest, die eine Zweitmeinung abgeben. Außerdem bestimmt sie die Eingriffe, bei denen ein Anspruch auf Einholung einer Zweitmeinung besteht, sowie die eingriffsspezifischen Anforderungen. Bislang gibt es auf Basis der Zm-RL Anspruch auf Zweitmeinungen zu Mandeloperationen (Tonsillotomien und Tonsillektomien) und Gebärmutterentfernungen (Hysterektomien).

Quelle: BARMER

Schwanger operieren? – BMF berücksichtigt DGOU-Initiative

Berlin, 05. April 2016: Die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) sieht die Forderungen aus ihrer Initiative „Operieren in der Schwangerschaft“ (OPidS) im Gesetzesentwurf zur Neuregelung des Mutterschutzrechtes weitestgehend berücksichtigt. Mit der geplanten Reform geht eine Ära zu Ende: Chirurginnen soll zukünftig besser ermöglicht werden, in angemessener Weise auch mit Baby im Bauch ihrer gewohnten operativen Tätigkeit nachzugehen. Bislang war es ihnen verboten, schwanger den Operationssaal zu betreten. Zum vorliegenden Referentenentwurf haben OPidS-Gründerinnen Dr. Maya Niethard und Dr. Stefanie Donner in der heutigen Anhörung im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) Stellung bezogen: „Wir unterstützen die Gesetzesnovelle. Sie trägt dem Wunsch vieler Frauen Rechnung, ihre bisherige Erwerbstätigkeit fortzuführen. Nun hoffen wir auf rasche Umsetzung“, sagt Niethard.

Mit dem Gesetzesentwurf will das BMFSFJ die Mutterschutzregelungen zeitgemäßer und verständlicher fassen und Rechtsunsicherheiten beseitigen. „Die unzeitgemäße Auslegung des Mutterschutzgesetzes von 1952 bremst Chirurginnen nach Bekanntgabe der Schwangerschaft in ihrer beruflichen Entwicklung aus“, sagt Donner.

Die erzwungene Pause führt zu einer längeren Weiterbildungszeit und somit zu einem späteren Erwerb des Facharzttitels. Das OP-Verbot entspricht oftmals nicht dem Wunsch vieler Betroffener – zumal sich die Arbeitsbedingungen im OP durch die Fortschritte in der Medizin stark verändert haben. Daher setzt sich die DGOU mit der Initiative OPidS dafür ein, dass werdende Mütter selbst entscheiden können, ob sie das Skalpell weiter in der Hand behalten wollen.

Das im Jahr 2015 veröffentlichte Positionspapier „Operieren in der Schwangerschaft“ der DGOU schafft dafür die Voraussetzungen: Es bündelt Informationen und Handlungsempfehlungen zu den Aspekten Recht, Röntgen, Strahlenschutz, Infektionsrisiko und Narkose. Das Positionspapier gibt zudem eine Anleitung zur Erstellung einer individuellen Gefährdungsbeurteilung und die Umgestaltung des Arbeitsplatzes.

Mit dieser Expertise hat die DGOU nicht nur junge Medizinerinnen beraten, sondern auch das BMFSFJ. „Der neue Gesetzesentwurf betont nun die Arbeitgeberpflichten zur Beurteilung und Gestaltung der Arbeitsbedingungen für schwangere und stillende Frauen. Damit sehen wir das Mitbestimmungsrecht der Schwangeren gestärkt, selbst entscheiden zu können, ob sie ihre operative Tätigkeit fortsetzen möchte“, so Niethard.

„Bisher bereits bestehende Rechte werden nun stärker betont“, sagt Donner. Denn obwohl das Mutterschutzgesetz (MuSchG) den Umgang mit schneidenden und stechenden Instrumenten und somit einen Einsatz im Operationssaal für Schwangere nicht explizit ausschließt, erhalten die Betroffenen bislang ein striktes OP-Verbot.

„Grund ist die bisherige Rechtsunsicherheit für Arbeitgeber“, erklärt Donner. Daher werde das MuSchG sehr streng ausgelegt. Das führe dazu, dass viele Kliniken den Schwangeren ein generelles Beschäftigungsverbot aussprechen –  ohne dass sie individuell geprüft haben, ob sie den Arbeitsplatz so umgestalten können, dass die Schwangere unter bestmöglichen Schutzmaßnahmen weiter operativ tätig sein kann.

Weitere Informationen:
www.dgou.de
www.opids.de

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