Im Jahr 2017 haben Dr. med. Christian Obersteiner und sein Kollege Dr. med. Christian Schneider das Orthopädiezentrum Theresie in München eröffnet. Dieses ist auf Sportmedizin und -orthopädie spezialisiert. Um ihren Patienten eine umfassende Behandlung zu ermöglichen, setzen sie innerhalb der Praxisräumlichkeiten auf zahlreiche diagnostische Möglichkeiten wie beispielsweise das 2-D-Röntgen sowie das MRT. Im Mai 2020 wurden die bildgebenden Modalitäten um das SCS MedSeries® H22 DVT erweitert.
Erfolgreiche Ausdehnung des Diagnostikspektrums
Bei den zahlreichen Sportverletzungen, mit denen die Ärzte sich täglich beschäftigen, ist es wichtig, zügig eine umfassende Diagnose zu stellen. Vorher geschah dies ausschließlich durch die konventionelle Bildgebung. Nun können sie auch mit einer multiplanbaren Bildgebung arbeiten: „Jetzt haben wir auch innerhalb unserer Praxis die Möglichkeit, knöcherne Pathologien darzustellen“. Zuvor gab es immer wieder Fälle in der Praxis, bei denen die Patienten bei unklaren Befunden zum CT überwiesen wurden. „Mit dem DVT können wir 3-D-Aufnahmen selbstständig direkt in unserer Praxis durchführen.“
Auch die Option der Belastungsaufnahmen führt zu einer Erweiterung ihrer diagnostischen Möglichkeiten, da diese eine enorm verbesserte Darstellung von Gelenkwinkeln, Positionen und Bandstrukturen begünstigen.
MRT und DVT als komplementäre Bildgebung
Die dreidimensionale Bildgebung hat sich bereits vollständig in den Praxisalltag etabliert und ergänzt das konventionelle Röntgenbild im hohen Maß. In Bezug auf die diagnostische Sicherheit überzeugen die Belastungsaufnahmen vor allem hinsichtlich der besseren räumlichen Zuordnung von knöchernen Pathologien. Beispielhaft dafür: „Vor kurzem kam ein 16-jähriger Sportler zu uns in die Praxis, der über ein geschwollenes Sprunggelenk und Belastungsschmerzen klagte. Zunächst haben wir eine Aufnahme mit dem MRT erstellt und so abgeklärt, wo die Ursache liegt“. Die gefundene Fraktur konnte allerdings mit einer MRT Bildgebung allein nicht vollständig diagnostiziert werden.
Deshalb griff das Ärzteteam auf das SCS DVT zurück: „In der Aufnahme konnte man dann ganz deutlich erkennen, dass es sich um eine lokale Durchblutungsstörung handelt, bei der Teile des Knochens absterben.“ Demnach war nicht der ganze Knochen betroffen, sondern nur einzelne Bereiche, die dreidimensional präziser dargestellt werden konnten. Kurze Zeit später wurde der junge Mann operiert, wonach postoperativ ebenfalls noch dreidimensionale Aufnahmen erstellt wurden: „Die Operation konnte somit individuell an den Patienten angepasst werden, sodass in dieser ausschließlich bestimmte Knochenanteile angegangen wurden.“
Absolute Patientenzufriedenheit
Nicht nur für die diagnostische Sicherheit ist die 3-D-Bildgebung in der Praxis unverzichtbar, sondern auch in Bezug auf die Zufriedenheit der behandelten Patienten. Auch für diese sind die Aufnahmen sehr beeindruckend und anschaulich: „Mit entsprechender Erklärung des Sachverhalts können auch unsere Patienten verstehen, wo sich beispielsweise die Fraktur befindet und wo genau die knöcherne Pathologie im Knochen zu sehen ist“. Ebenfalls in Bezug auf die Strahlenhygiene lässt sich ein besonders großer Vorteil für diese finden: „Bei den strahlungsärmeren Aufnahmen habe ich nicht nur eine niedrige Strahlenbelastung für den Patienten – die Aufnahmen haben auch eine höhere Auflösung als die des 2-D-Röntgens oder des MRTs und Frakturen können demnach besser analysiert und beurteilt werden“. Für die Patienten werden eine umfassende Diagnostik und eine schnelle Therapieeinleitung sichergestellt.
Worte an die Kollegen der O&U
Abschließend möchte Dr. med. Christian Obersteiner auch seine Kollegen dazu animieren, sich mit der eigenständigen SCS Bildgebung auseinanderzusetzen: „Jedem interessierten Kollegen biete ich gerne an, dass wir uns gemeinsam Fälle anschauen und die dazugehörigen Aufnahmen besprechen.“ Der Mediziner ist überzeugt, dass die 3-D-Schnittbildgebung mit ihrer schnellen Verfügbarkeit sowie der Möglichkeit von Belastungsaufnahmen in einer modernen, orthopädischen Praxis schon jetzt einen großen Stellenwert hat. Für ihn ist das DVT in seinem Praxisalltag unverzichtbar geworden: „Das dreidimensionale Bildgebungssystem wird in Zukunft die Röntgendiagnostik ersetzen und hat uns in der gesamten sportmedizinischen und -orthopädischen Diagnostik ein großes Stück weitergebracht.“
Fallvorstellung: Osteochondrosis Dissecans Talus
Ausgangssituation
Patient, 16 Jahre, sportlicher American Footballspieler ohne Beschwerden oder sonstige Vorerkrankungen stellt sich Anfang März 2021 in der Praxis vor. Zunehmende Belastungsschmerzen am linken Sprunggelenk seit Anfang des Jahres. Zunächst lagen die Beschwerden bei einigen Malen wöchentlich sowie nach etwa zehnminütiger sportlicher Betätigung. Im weiteren Verlauf traten die Schmerzen mehrmals täglich, langanhaltend und intensiver auf. Der Patient war in seinem Alltag sehr eingeschränkt, konnte seinem Sport nicht mehr nachgehen und zeigte ein hinkendes Gangbild.
Befund
Die Erstuntersuchung zeigte links einen leichten Rückfußvalgus mit einer leichten Absenkung des Fußlängsgewölbes. Weiter gab es diffuse Schmerzen im gesamten ventralen Gelenkspalt ohne weitere größere Aufzeigbarkeiten, weder medial noch lateral. Die Beweglichkeit war mit Flexion/Extension 35°-0-15° etwas eingeschränkt und der Zehnspitzenstand linksseitig war nicht möglich.
Diagnostik
Bei den vorangegangenen Aufnahmen, wie dem Ultraschall, war ein Osteophyt an der Tibia- Vorderkante am Sprunggelenk zu sehen. Weiter gab es einen mäßigen Erguss im Gelenk selbst. Es folgte eine Kernspinn-Aufnahme. Ersichtlich war ein mittelmäßiger Erguss und ein Weichteilödem am ventralen Gelenksanteil und ein lokales Knochenmarksödem am medialen Talus. Es ergab sich der Verdacht auf ein Ödemherd bei noch intakter Knorpeloberfläche.
Dieser Verdacht war die rechtfertigende Indikation, um eine Aufnahme mit dem DVT zu veranlassen, welche schließlich eine Osteochondrosis Dissecans an der medialen dorsalen Talusschulter, einen Tibiavorderkanten- sowie ein Talus-Osteophyt zeigte.
Auf Grundlage der Bildgebung erfolgte nach einigen Tagen die Arthroskopie des linken Sprunggelenks mit dem Abtragen des Talus- sowie des Tibiavorderkanten- Osteophyt und der Überprüfung des Knorpels von intraartikulär, welcher sich als intakt erwies.
Bei dem Eingriff wurde zudem eine retrograde Anbohrung mit einer retrograden Spongiosaplastik unter Bildwandlerkontrolle durchgeführt.
Postoperativ wurde dann eine weitere DVT Aufnahme veranlasst, um die Bohrkanallage und die retrograde Spongiosaplastik zu überprüfen. Dort zeigte sich, dass der Bohrkanal korrekt gesetzt, der Osteochondrosis Dissecans Herd korrekt angebohrt und die retrograde Spongiosaplastik bis knapp unterhalb der Sklerosezone eingebracht wurde. Zudem war zu erkennen, dass das Knochenfenster bei der Spingiosia-Entnahme an der distalen Tibia gut angelegt und die beiden Osteophyten an der Tibia-Vorderkante und am Talus in der Arthroskopie mit abgetragen wurden.
Zur Entlastung des Sprunggelenks nutzte der Patient im Anschluss sechs Wochen lang Gehstützen, bekam eine entsprechende Thromboseprophylaxe sowie Physiotherapie. Der Patient verfügt wieder über eine gute Beweglichkeit sowie einen schmerzfreien Gang ohne Gehstützen.
in einer aktuellen Umfrage interessieren wir uns konkret für Ihre individuelle Nutzung und Erfahrungen zurFlächendesinfektion.
Die Bearbeitung der Umfrage dauert etwa5 Minutenund es werden keine personenbezogenen Daten abgefragt. Die von Ihnen gegebenen Antworten werden streng anonym und nicht rückverfolgbar evaluiert.
Wir danken Ihnen für die Teilnahme an dieser Studie.
Sehnenverletzungen im Bereich der Hand und des Unterarms sind häufig. Zwar werden sie meist richtig erkannt, jedoch häufig in ihrem Ausmaß unterschätzt. In diesem Übersichtsartikel werden vor allem neue Aspekte und mögliche Schwierigkeiten bei der operativen Versorgung und Nachbehandlung von Beugesehnenverletzungen thematisiert.
Präoperative Untersuchungen
Eine sorgfältige Anamnese und eingehende präoperative klinische Untersuchung sind unerlässlich. Der Mechanismus des Traumas gibt wichtige Informationen zur Einschätzung der Verletzung. Bei stumpfem Trauma kommt es eher zu Sehnenausrissen und Quetschverletzungen, spitze Verletzungen verursachen eher eine glatte Durchtrennung von Gefäßen, Nerven und/oder Sehnen. In der präoperativen Untersuchung der Hand müssen Sensibilität, Motorik und Durchblutung überprüft werden. Ergänzend sollten Röntgenaufnahmen zum Ausschluss einer knöchernen Beteiligung oder Inkorporation eines Fremdkörpers durchgeführt werden. Zur Untersuchung der Beugesehnen erfolgt die isolierte Prüfung der Sehnen des M. flexor digitorum superficialis (FDS), M. flexor digitorum profundus (FDP) und M. flexor pollicis longus. Die FDP-Sehne ist leicht zu testen. Hierzu wird das Mittelglied fixiert und der Patient aufgefordert, das Endgelenk zu beugen. Die FDS-Sehne wird isoliert untersucht, indem die anderen Finger durch den Untersucher in Streckung gehalten werden und der Patient angehalten wird, den betroffenen Finger zu beugen. Die Untersuchung der Beugesehnen ist eine rein klinische Untersuchung. Bei Verdacht auf eine Beugesehnenverletzung besteht die Indikation zur operativen Exploration. Weitere apparative Untersuchungen sind in der Regel nicht notwendig. In speziellen Fällen, wie z. B. bei älteren Sehnenverletzungen, ist die klinische Untersuchung manchmal nicht eindeutig. Hier kann eine Ultraschall- oder MRT-Diagnostik sinnvoll sein.
Zoneneinteilung von Beugesehnenverletzungen Verletzungen in Zone 2 stellen eine besondere Herausforderung dar.
Einteilung von Beugesehnenverletzungen
Beugesehnenverletzungen werden anhand ihrer Lokalisation in Zonen (Abb. 1) eingeteilt. Je nach Zone können unterschiedliche Schwierigkeiten in der Versorgung auftreten. Läsionen in Zone 1 entsprechen ansatznahen Verletzungen der tiefen Fingerbeugesehne. Wenn der distale Sehnenstumpf weniger als 1 cm lang ist, ist in der Regel eine primäre knöcherne Refixation (mittels Knochenanker oder transossärer Naht) nötig. Wenn mehr als 1 cm Sehnenstumpf zur Verfügung steht, kann eine direkte Sehnennaht erfolgen. Sollte es zu einer Verkürzung der Beugesehne um mehr als 1 cm kommen, kann dies zu dem sogenannten „Quadriga“-Phänomen führen: anatomisch teilen sich die tiefen Fingerbeugesehnen einen gemeinsamen Muskelbauch und bilden somit eine funktionelle Einheit. Eine verminderte Beweglichkeit in einem Finger führt somit zu einer verminderten Flexion in den anderen Fingern. Die Behandlung von Beugesehnenverletzungen in Zone 2 stellt eine Herausforderung dar. Die Schwierigkeit besteht in der engen räumlichen Nähe der oberflächlichen und tiefen Beugesehnen sowie deren Sehnenscheiden. 1948 wurde von Sterling Bunnell für diese Zone daher der Begriff Niemandsland („no man’s land“) geprägt, da bis in die 1960er-Jahre Beugesehnenverletzungen in diesem Bereich unweigerlich mit katastrophalen funktionellen Ergebnissen verbunden waren. Durch die Weiterentwicklung von Operationstechniken und Nachbehandlungsmöglichkeiten kann heute eine direkte Naht durchgeführt werden. Diese erfordert jedoch eine besondere chirurgische Expertise. So kann es z. B. aufgrund der besonderen anatomischen Situation sinnvoll sein, auf die Naht einer der beiden Beugesehnen zu verzichten, um Verklebungen zu vermeiden. Verletzungen der Zonen 3–5 sind in der Regel unproblematisch und können mit einer direkten Naht und gegebenenfalls mit einer einfachen Ruhigstellung behandelt werden.
Das Zeitfenster für die operative Versorgung
Eine wissenschaftlich belegte Empfehlung zum optimalen Zeitpunkt der operativen Versorgung liegt aufgrund fehlender Daten nicht vor. Die Arbeitsgruppe von Stone und Davidson konnte zeigen, dass zumindest in Hinsicht auf die postoperative Infektionsrate keine Nachteile durch eine Versorgung innerhalb der ersten Woche entstehen. Auch ein funktioneller Nachteil konnte nicht nachgewiesen werden. In der Praxis ist eine sofortige Versorgung der Beugesehnenverletzung somit nicht zwingend erforderlich, solange Sensibilität und Durchblutung des Fingers nicht beeinträchtigt sind. Liegt eine isolierte Beugesehnenverletzung vor, sollte eine operative Versorgung üblicherweise innerhalb einiger Tage angestrebt werden. Die direkte Sehnennaht ist 3–4 Wochen nach der Verletzung erschwert durch eine zunehmende Degeneration und Retraktion der Sehnenenden sowie Narben- und Adhäsionsbildung. Sie geht mit gehäuft schlechten Ergebnissen einher und sollte nach Möglichkeit vermieden werden. In diesem Fall kann eine sekundäre Sehnenrekonstruktion erforderlich sein.
Beugesehnennähte in WALANT-Technik: Abblassen der Finger nach Injektion mit Articain 1% mit Adrenalinzusatz von 1:200.000 Trotz Verzicht auf eine Blutsperre wird im Operationsgebiet eine gute Übersicht erreicht. Die bis zum A1-Ringband retrahierten Sehnen wurden über eine zusätzliche proximale Inzision dargestellt und nach distal mobilisiert.
Die operative Versorgung
Die adäquate Versorgung einer Beugesehnenverletzung wird unter kontrollierten Bedingungen im Operationssaal durchgeführt. Da es sich vornehmlich um Stich- und Schnittverletzungen handelt, sind Begleitverletzungen häufig. Betreffen diese Gefäße und Nerven, sind weitere Ressourcen, wie Mikroskop, mikrochirurgische Instrumente, Nahtmaterial und mikrochirurgisch geschultes Personal erforderlich. Ist eine adäquate Versorgung des Patienten in der Aufnahmeklinik nicht gewährleistet, sollte er in eine spezialisierte Einrichtung überwiesen werden. Für den Erfolg der Operation ist auch eine Nachbehandlung durch spezialisierte Handtherapeuten essenziell.
Anästhesie
Klassischerweise erfolgt die Operation in Plexusanästhesie. Zunehmend werden Operationen an Sehnen seit mehreren Jahren aber auch in der sogenannten WALANT-Technik operiert. Bei der WALANT-(Wide Awake Local Anesthesia, No Tourniquet) oder wide-awake-Anästhesie wird ein Lokalanästhetikum mit Zusatz von Adrenalin injiziert. Die durch das Adrenalin hervorgerufene Vasokonstriktion führt zu einer Blutarmut im Operationsgebiet, sodass die zusätzliche Anlage einer Blutsperre nicht notwendig ist. Die Anwendung von Lokalanästhetika mit Adrenalinzusatz an den Akren wurde in der Vergangenheit kritisch gesehen. Bei Aufarbeitung der tatsächlich dokumentierten Fälle konnten Nekrosen der Finger jedoch nicht direkt auf den Adrenalinzusatz zurückgeführt werden. Eine Literaturrecherche von Publikationen zwischen 1980 und 2000 ergab für die Anwendung von Lidocain mit Adrenalinzusatz keinen einzigen dokumentierten Fall einer Fingernekrose. Im angloamerikanischen Raum wird die WALANT-Technik in der elektiven Handchirurgie sowie in der Traumachirurgie seit mehreren Jahren angewendet, sodass die sichere Anwendbarkeit von Adrenalin an den Fingern mittlerweile durch eine große multizentrische Studie bestätigt werden konnte. Die Vasokonstriktion kann zu einem Abblassen der Finger führen. In der Regel normalisiert sich die Durchblutung innerhalb von 6 Stunden, ohne eine kritische Ischämie des Fingers zu erreichen (Abb. 2). In der Praxis wird empfohlen, bei Anwendung der WALANT-Technik, das Antidot Phentolamin, einen RezeptorenAntagonisten, vorrätig zu halten. Der besondere Vorteil der WALANT-Anästhesie in der Handchirurgie besteht darin, dass die Stabilität und Gleitfähigkeit von Sehnen bereits intraoperativ überprüft werden kann, da der Patient während der Operation die Finger aktiv bewegen kann.
Operative Technik
Der operative Zugang muss abhängig von der vorbestehenden Wunde gewählt werden. Senkrecht zu Beugefurchen verlaufende Narben sind zu vermeiden. Zeigt sich die Beugesehnenscheide verletzt, muss diese weiter eröffnet werden, um die Beugesehne auf Verletzungen zu überprüfen. Während der Exploration müssen zusätzlich Gefäßnervenbündel dargestellt und deren Kontinuität überprüft werden. Die Beugesehnen werden von fünf Ringbändern fixiert (A1–A5). Insbesondere die Ringbänder A2 und A4 haben eine Bedeutung für die mechanische Führung der Sehnen am Knochen. Sind die Ringbänder A2 und A4 zerstört oder insuffizient, können die Beugesehnen den vorgesehenen Verlauf ändern. Sie heben sich dabei beugeseitig beim Anspannen der Sehnen ab (Bogensehneneffekt oder „bowstringing“). In der Vergangenheit war man der Ansicht, dass insbesondere die Ringbänder A2 und A4 unter allen Umständen erhalten werden sollten. Die Behandlung der Sehnenscheide hat sich jedoch in den letzten Jahren verändert. Aktuelle Studien zeigen, dass eine sehr gute Funktion des Fingers erhalten bleibt, selbst wenn diese oder mehrere Ringbänder teildurchtrennt wurden. Aktuell wird daher empfohlen, Ringbänder soweit als möglich zu erhalten, jedoch ist eine Teileröffnung bei entsprechend intakten umgebenden Ringbändern durchaus möglich und auch nötig, um ein freies Gleiten der Sehne zu ermöglichen. Können Ringbänder nicht ausreichend erhalten werden, empfiehlt sich eine sekundäre Ringbandrekonstruktion nach Ende der Sehnenheilung und abgeschlossener Bewegungstherapie. Die Sehnenexkursion kann intraoperativ mit konventionellen Anästhesieverfahren ausschließlich passiv getestet werden.Die WALANT-Technik erlaubt zusätzlich eine aktive Testung sowohl der Gleitfähigkeit der Sehne als auch der Stabilität des verbleibenden Ringbandsystems. Häufig retrahieren die Sehnenenden. Es gibt verschiedene Techniken, die Sehnen wieder in die Wunde zu mobilisieren. Die Sehne sollte vorsichtig behandelt und nicht gequetscht werden. Es kann ein einmaliger Versuch durchgeführt werden, die Sehne mit einer stumpfen Klemme aus der Sehnenscheide zu mobilisieren. Ist eine Mobilisation nicht möglich, empfiehlt es sich, einen weiteren Zugang proximal der Verletzung zu schaffen und den Sehnenstumpf von proximal nach distal vorzuschieben. Die Blutversorgung der oberflächlichen und tiefen Beugesehnen wird u. a. über die Vincula tendinum longa und brevia gewährleistet. Diese werden idealerweise bei der Sehnennaht geschont.
Technikbeispiele der Beugesehnennaht
Die Sehnennaht
Vor über 100 Jahren beschrieb Kirchmayr eine Technik zur Beugesehnennaht, die in Variationen bis heute gängig ist. Es besteht eine große Auswahl an Nahttechniken (Abb. 3). Anzahl der Kernnähte, Fadenmaterial und Fadenstärke bestimmen die Stabilität einer Sehnennaht. Eine Erhöhung der Anzahl an Kernnähten (Stränge) erhöht die Stabilität der Sehnennaht, vermindert jedoch gleichzeitig die Gleitfähigkeit der Sehne durch das eingebrachte Fadenmaterial. Biomechanisch sind mindestens 4 Kernnähte notwendig, um frühzeitige, aktive Beugeübungen zu ermöglichen. Deshalb wird von vielen Autoren derzeit die 4-Strangnaht als Standard angesehen, obwohl ein klinischer Vorteil gegenüber der einfacheren 2-Strangnaht in Metaanalysen nicht gesichert ist. Zur Sehnennaht können unterschiedliche Nahtmaterialen eingesetzt werden. Da es durch geflochtene Fäden zu einer Traumatisierung des Sehnengewebes beim Durchzug des Fadenmaterials kommen kann, wird in der Regel monophiles Nahtmaterial empfohlen. Sowohl für resorbierbares als auch für nicht resorbierbares Nahtmaterial kann eine Vielzahl von Argumenten angebracht werden. In der Praxis hat sich jedoch bislang kein eindeutiger Vorteil für eines der beiden Konzepte gezeigt, sodass die Wahl des Nahtmaterials nach wie vor sehr unterschiedlich gehandhabt wird. Auch die Fadenstärke hat einen Einfluss auf die Stabilität der Sehnennaht. Je größer die Fadenstärke, desto mehr Stabilität wird erreicht. Wir verwenden für die Kernnähte in der Regel einen langsam resorbierbaren Faden der Stärke 3/0. Eine zusätzliche epitendinöse Ringnaht mit einem monofilen Faden der Stärke 6/0 galt bisher als Standard, da sie die Stabilität der Sehnennaht um bis zu 50% erhöht und die Lücken- sowie Wulstbildung im Nahtbereich durch eine Feinadaptation verringert. Dieses Konzept wird seit einigen Jahren kontrovers diskutiert. So wird von einigen Autoren eine leichte Wulstbildung sogar angestrebt und die Ringnaht eher negativ bezüglich der Gleitfähigkeit der Sehne angesehen.
Die Nachbehandlung
Eine stabile Sehnennaht ist wichtig für die Sehnenheilung. Aufgrund von Umbauvorgängen in der genähten Sehne ist nach 1–3 Wochen die Gefahr einer Nahtinsuffizienz am höchsten. Erst mit dem Beginn der Remodellierungsphase nach 4 Wochen erlangt die Sehne wieder Stabilität. Die Nachbehandlung von Sehnenverletzungen ist von höchster Wichtigkeit. Es ist deshalb für die Handchirurgen sehr wichtig, ein spezielles Nachbehandlungsnetzwerk zu schaffen. Zur Rehabilitation gibt es unterschiedliche Protokolle, die je nach Qualität der Sehnennaht und Einschätzung der Compliance des Patienten angewendet werden. Sie reichen von vollständiger Ruhigstellung über kontrolliert passive Übungsprogramme bis hin zu früh aktiven Rehabilitationsprotokollen:
Ruhigstellung
Die Behandlung mit Ruhigstellung im Gips nach Cifaldi, Collins und Schwarze wird heutzutage nur noch bei Kleinkindern angewandt. Die Ruhigstellungsdauer beträgt hier ca. 4 Wochen im Oberarmgips bzw. Faustverband.
Passive Nachbehandlung
Die passive Mobilisation nach Beugesehnenverletzungen wurde von Duran und Houser im Jahr 1975 beschrieben. Die Ruhigstellung erfolgt zunächst in einer Schiene in Entlastung der Beugesehnen. Aus der Schiene heraus wird in Begleitung eines Therapeuten mit der passiv durchgeführten Beugung und Streckung der Finger begonnen. Nach 4 Wochen wird die Flexion der Schiene vermindert und zusätzliche Halteübungen („place and hold“) durchgeführt.
Kontrolliert passive Nachbehandlung
Zu den bekanntesten Nachbehandlungsprotokollen gehört die kontrolliert passive Bewegungstherapie („early passive motion“ oder „controlled passive motion“) nach Kleinert. Grundlage der Behandlung ist die passive Flexion unter Zügelung durch Gummibänder und die freie aktive Extension unter Schienenprotektion. In Eigentherapie und zusätzlicher Anleitung eines Therapeuten erfolgen die stündliche Wiederholung der aktiven Extension sowie die zusätzliche Wiederholung von isoliert passiver Flexion in den Mittel- und Endgelenken.
Kontrolliert passive und aktive Nachbehandlung
Die dauerhafte Beugestellung durch das Zügelsystem kann zu Beugekontrakturen in den Mittelund Endgelenken führen. Chow et al. entwickelten das Kleinert-Regime im Jahre 1987 weiter und präsentierten das Chow-Washington-Regime („controlled passive and active motion“). Grundlage des Konzepts ist die Modifikation der Kleinert-Schiene. Aus einem durchgehenden Gummiband entstanden 2 Bänder mit unterschiedlichen Stärken: ein kräftiges Band für den Erhalt der Flexionsstellung der Finger und ein weniger starkes Gummiband während der aktiven Extension. Zusätzlich zur aktiven Extension des Mittel- und Endgelenks wird das Grundgelenk passiv in maximaler Beugung gehalten, um Kontrakturen zu verhindern.
Kontrolliert aktive Nachbehandlung
Im Jahr 1989 führten Small et al. eine kontrolliert aktive Bewegungstherapie („controlled active motion“) ohne Zügelführung ein. Dieses Konzept eignet sich für gut führbare und motivierte Patienten bei ausreichend stabiler Sehnennaht. Eine dorsal angelegte Schiene hält das Handgelenk in Flexionsstellung, die Grundgelenke in etwa 60°-Beugung und die Interphalangealgelenke in 0°-Stellung. Die Schiene lässt die freie, bis zur distalen Hohlhandbeugefurche reichende Flexion und Extension der Finger zu. Eine neuere Entwicklung stellt der Manchester Short Splint dar. Diese Schiene umfasst Mittelhand und Finger, die Grundgelenke werden bei 30°, das Handgelenk bei 45° Extension geblockt. Je nach Bedarf können die unterschiedlichen Behandlungskonzepte kombiniert werden. Eine Vollbelastung der Sehne wird erst nach 12 Wochen erreicht. Die Rupturrate wird nach primärer Beugesehnennaht auf 4–17% geschätzt.
Fazit
Sehnenverletzungen im Bereich der Hand und des Unterarms sind häufig. Eine detaillierte klinische Untersuchung ist essentiell. Bei Patienten mit Stich- oder Schnittverletzungen mit Verdacht auf eine Beugesehnenverletzung ist eine sofortige, notfallmäßige Versorgung bei intakter peripherer Durchblutung nicht zwingend notwendig, sollte aber zeitnah angestrebt werden. Die Zuweisung zu einem Handchirurgen ist sinnvoll, da Verletzungen meist richtig erkannt, jedoch häufig in ihrem Ausmaß unterschätzt werden. Häufig finden sich Begleitverletzungen der Nerven und Arterien. Der Erfolg der Beugesehnenchirurgie ist nicht nur abhängig von der Nahttechnik oder einer besonderen Nachbehandlung. Gute Ergebnisse sind von vielen Details während der gesamten Behandlungsdauer abhängig und können nur in enger, interdisziplinärer Zusammenarbeit erreicht werden. Videos und Fallbeispiele zur WALANT-Technik sowie Literaturquellen können bei den Autoren angefragt werden.
Die Deutsche Gesellschaft für Handchirurgie (DGH) freut sich Ihnen in diesem Infobrief des BVOU den Themenschwerpunkt „Handchirurgie“ vorzustellen. Der Fokus soll dabei nicht auf der Berufspolitik sondern auf der praktischen und inhaltlichen Handchirurgie liegen. Wir möchten Ihnen anhand verschiedener Themen demonstrieren, wie vielseitig die Handchirurgie ist. Sofern Sie noch in der Weiterbildung sind, wollen wir Ihr Interesse an einem Fachbereich wecken, in welchem hochpräzise, basierend auf anatomischen Kenntnissen, mit filigraner manueller Geschicklichkeit und hohem Respekt vor der Integrität des Weichgewebes operiert wird. Doch vor jeder Operation steht im Bereich der Hand, vielleicht noch mehr als in anderen Fachbereichen, die gut abgewogene Indikationsstellung.
Namhafte Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Handchirurgie stellen Ihnen in den folgenden Artikeln einen Querschnitt von Krankheitsbildern, Verletzungen und Behandlungsmöglichkeiten aus Ihren speziellen handchirurgischen Schwerpunkten vor.
Für Verletzungen der Beugesehnen der Finger, welche in einem Moment der Unachtsamkeit jedem von uns widerfahren können, schildert Kai Megerle aus München aktuelle Standards der Behandlung und Nachbehandlung. Simon Thelen aus Düsseldorf gibt Ihnen eine Übersicht über Fingerfrakturen und deren Behandlung mit dem vielleicht etwas überraschenden Fazit, dass auch für uns chirurgisch ausgebildete und geschulte Spezialisten manchmal weniger (operieren) mehr (Funktion) bedeuten kann und eine
handchirurgisch indizierte und durch spezialisierte Handtherapeuten durchgeführte konservative Therapie die beste Option darstellt.
Bei schwereren kindlichen Verletzungen steigen Anspannung, Mitgefühl und vielleicht auch Sorge vor möglichen Konsequenzen (Stichwort „Kadi-Verletzungen“), insbesondere
wenn eine Fraktur mit einer Nervenläsion einhergeht. Wir sind sehr dankbar, dass Wiebke Hülsemann aus Hamburg Ihre Expertise auf dem Gebiet der frakturassoziierten Nervenverletzungen der oberen Extremität bei Kindern mit uns teilt.
Nervenkompressionssyndrome sind demgegenüber deutlich geläufiger, aber sie gehen über Karpaltunnel- und Sulcus-ulnaris-Syndrom hinaus, wie die Gruppe um Leila
Harhaus aus der BG Klinik Ludwigshafen in ihrer schönen Übersicht deutlich macht. Ihre Take-home-message lautet: „Anatomy is the key.“ Vom Schlüssel zur Schlüsselloch-Chirurgie: Die Arthroskopie erfreut sich auch an der Hand zunehmender Verbreitung, bleibt aber eine technische Herausforderung aufgrund der räumlich recht beengten Situation im Bereich des Handgelenkes. Eva-Maria Baur aus Penzberg/Murnau schildert
uns die Möglichkeiten der Arthroskopie bei akuten Verletzungen des Handgelenks, die mittlerweile weit über die reine Diagnostik oder das Debridement bei Läsionen des TFCCKomplexes oder des SL-Bandes hinausgehen.
Den Bogen schließt schließlich Martin Lautenbach aus Berlin, der sich dem anspruchsvollen Thema der Rheumahandchirurgie annimmt. Auch wenn Deformitäten der Finger und des Handgelenkes dank der modernen medikamentösen Behandlung dieses großen Spektrums an Erkrankungen deutlich seltener werden, ist der vorgestellte, klare Algorithmus von umso höherem Wert.
Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre und freuen uns, darüber, dass Sie uns gemäß dem Motto des Patientenportals der DGH „Deine Hand verdient Experten“ Ihre Patienten mit nicht-alltäglichen Problemen an der Hand anvertrauen. Wir hoffen zusätzlich, dass wir mit diesen Übersichtsarbeiten Ihr Interesse an den vielfältigen Themen der Handchirurgie weiter geweckt haben und freuen uns über begeisterungsfähigen Nachwuchs!
In diesem Sinne, eine informative und spannende Lektüre!
Die Handgelenksarthroskopie ist ein inzwischen gut etabliertes und sinnvolles Verfahren für die Diagnostik und Therapie von Verletzungen sowie degenerativen Veränderungen des Handgelenks und der Handwurzel. Bei gutem Training, das u. a. in verschiedenen Kursen absolviert werden kann, ist es ein komplikationsarmes Verfahren.
Für verschiedene akute/subakute Verletzungen im Bereich des Handgelenks und der Handwurzel soll hier Stellung genommen werden. Ebenso soll auch eine Einschätzung bzgl. einer Notwendigkeit der arthroskopischen Diagnostik und Versorgung dieser Strukturen diskutiert werden. Als häufigstes Beispiel sei hier die distale Radiusfraktur genannt, welche die häufigste Fraktur überhaupt darstellt. Die Inzidenz liegt bei Patienten > 35 Jahre: 0,37% Frauen, 0,09% Männer. Bei Patienten > 50 Jahre liegt bei Frauen das Risiko eine Radiusfraktur zu erleiden bei 15%, bei Männern bei 2% (in Europa und den USA).1
Bereits 1921 wurden in Europa die ersten Versuche der Arthroskopie großer Gelenke durch den Schweizer Eugen Bircher beschrieben. In den 1970er Jahren wurde durch die Entwicklung der Winkeloptik ein weiterer wichtiger Meilenstein bei der Arthroskopie gesetzt. Mit der Möglichkeit der Produktion immer feinerer Optiken wurde die Arthroskopie ab Mitte der 1980er Jahre auch am Handgelenk möglich. Seit der Einführung der Handgelenksarthroskopie erschließen sich durch die rasanten Entwicklungen auf diesem Gebiet immer mehr Möglichkeiten – von einem zunächst im Wesentlichen diagnostischem Verfahren zu einem Verfahren mit heute sehr vielen Therapieoptionen; das immer wieder mit Neuerungen aufwartet.
Dies ist nicht zuletzt auch der technischen Entwicklung zu verdanken, die feinere Instrumente, besser Optiken und Videodarstellungen hervorgebracht hat. In erster Linie führt aber auch die wachsende Zahl der Anwender zur Entwicklung von neuen Methoden. Parallel dazu erfolgt ein Training der Kollegen in vielfach angebotenen Kursen weltweit; führend ist hier unter anderem die European Wrist Arthroscopy Society (EWAS, heute International IWAS).
Bei der diagnostischen Arthroskopie sollten für die vollständige Untersuchung eines Handgelenkes das Radiokarpal- sowie das Mediokarpalgelenk begutachtet werden. Ausnahme hiervon sind nur ganz spezielle Fragestellungen. Beispielsweise eine SL- oder LT-Bandläsion lässt sich von radiocarpal nicht ausreichend beurteilen, mit Ausnahme einer Komplettruptur, welche ein „drive through sign“ von radio- nach mediocarpal ermöglicht. Es gelten die Standardportale 3/4 und 4/5 oder 6R für das Radiocarpalgelenk sowie RMC (radiomediocarpal) und UMC (ulno-) für das Midcarpalgelenk.
Der dynamische Teil der Untersuchung besteht aus dem Trampolin-Test (Elastizität und Oberflächenspannung) und dem Hook-Test (Prüfung des fovealen Ansatzes) zur Beurteilung des triangulären fibrocartilaginären Complexes (TFCC) oder auch die Aufweitung des SL- und LT-Spaltes (scapholunär, lunotriquetral) von mediocarpal.
Hilfreich ist zusätzlich zur Foto-/Videodokumentation ein Einzeichnen der Läsionen in eine schematische Darstellung zur späteren Beurteilung (Abb. 1). Es wurden in den vergangenen Jahren auch immer wieder Klassifikationen zur Standardisierung der Einschätzung der Läsionen und Vergleichbarkeit der Ergebnisse der Techniken
ein- oder fortgeführt.
Hinreichend bekannt ist die Geissler-Klassifikation für die SL- Instabilität,2 eine neuere und etwas detailliertere Variante ist die EWAS-classification.3 Die Einteilung der TFCC-Läsionen nach Palmer sind ebenfalls bekannt.4
TFCC-Läsion
Bei traumatischen Läsionen kann im Falle von distalen Läsionen und partiellen Läsionen eine Weichteilfixierung des TFCC an die Kapsel in Insideout oder Outside-in-Technik durchgeführt werden. Hierfür eignen sich auch verschiedene industrielle
Nahthilfen.
Abb. 1 Distale Radiusfraktur mit Abriss TFCC. Nach arthroskopisch assistierter Reposition und Plattenosteosynthese und transossärer TFCC-Refixation
Auch die All-inside-Methode, mit der einen Reizung durch den Knoten des Nahtmaterials vermieden werden soll, wurde beschrieben.5 Zusätzlich besteht bei proximalen Läsionen
mit einer Instabilität des distalen Radio-UlnarGelenkes die Option der offenen oder arthroskopisch (assistierten) TFCC-Fixierung, ggf. mit einem Knochenanker oder mit einer transossären Fixierung durch die Ulna.6
SL-Band-Läsion
Zur Diagnostik der SL-Bandläsion (scapholunär) ist die Handgelenksarthroskopie weiterhin der Gold-Standard, um die dynamische Aufweitung des Spaltes, die Stufenbildung und die Stabilität zu beurteilen. Dies geschieht selbstverständlich unter zusätzlicher Einbeziehung von Standardröntgenaufnahmen, ggf. dynamischen Röntgenaufnahmen sowie eventuell auch MRT-Untersuchungen. Bei frischen knöchernen Verletzungen des Radius oder der Handwurzel ist heute eine CT-Untersuchung das Standardverfahren. Je nach Lage der intraartikulären Anteile der Radiusfraktur, liegt eine Vermutung auf eine zusätzliche SL-Bandläsion nahe. Jedoch auch eine frische Sacphoidfraktur schließt eine zusätzliche Bandläsion nicht aus.7 Der Anteil der zusätzlichen Bandläsionen ist wie folgt beschrieben. Bei akuten SL-Läsionen kommt im Anschluss ein Pinning mit K-Drähten und/oder bei größeren Instabilitäten zusätzlich eine arthroskopisch (assistierte) oder offene Reinsertion des Bandes oder Kapsulodese in Frage.
Distale Radiusfraktur
Bei der Versorgung der distalen intraartikulären Radiusfraktur kann die Arthroskopie sowohl diagnostisch, als auch therapeutisch eingesetzt werden. Sie eignet sich zur Evaluation zusätzlicher intraartikulärer Bandverletzungen sowie deren eventuell notwendige operative Versorgung oder auch zur Entscheidung über eine postoperative Ruhigstellung bei zusätzlichen ligamentären Verletzungen trotz stabiler Versorgung mit einer winkelstabilen Platte. Je nach Frakturtyp liegen in Summe bei bis zu 68%8 aller Radiusfrakturen zusätzliche intraartikuläre Bandverletzungen (SL, LT, TFCC) vor (Abb. 1). Die Handgelenksarthroskopie eignet sich aber auch zur Reposition und Ausschluss der intraartikulären Schraubenlage nach Radiusfrakturen. Hierzu ist ein Zugang sowohl von palmar, als auch von dorsal möglich.9 Eine aktuelle Publikation zur Indikation und Technik ist zuletzt von der Innsbrucker Universitätsklinik im 2/2020 erschienen.10 Auch bei frühen Korrekturen (nach postoperativer CT-Kontrolle) kann mit entsprechenden Hilfsmitteln wie Meißel oder Haken eine Reposition und entsprechend die Reosteosynthese durchgeführt werden.
Skaphoidfraktur und andere Handwurzelfrakturen
Die Arthroskopie bei Skaphoidfrakturen kann zum Ausschluss von zusätzlich vorliegenden SL-Bandläsionen oder anderen Weichteilverletzungen eingesetzt werden, die noch ein weiteres Pinning oder zumindest Ruhigstellung erfordern würden. Immerhin zeigen bis zu 75% der Skaphoidfrakturen eine (partielle) SL-Bandläsion.11 Zusätzlich ist die Arthroskopie zur Prüfung der regelrechten Implantatlage und Ausschluss einer Malrotation hilfreich. (Abb. 2)
Komplikationen
Jedes zusätzliche Verfahren birgt auch Komplikationen. Nach dem Grundsatz „primum non nocere“ sollte hier auch jedes zusätzliche Verfahren abgewägt werden: Vor- und Nachteil einer weiteren Versorgung oder übersehene zusätzliche Verletzung.
Eine systematische Befragung der EWASMitglieder hat ergeben, dass die Komplikationsrate sehr von der Erfahrung des Arthroskopeurs abhängt, das heißt, je größer die absolute Zahl der Handgelenksarthroskopien, aber auch der Arthroskopien pro Jahr, desto weniger Komplikationen treten auf. Typische Komplikationen sind unter anderem Knorpelläsionen und die mögliche Verletzung der Weichteilstrukturen (Sehne, Nerv, Gefäß).
Fazit
Die Handgelenksarthroskopie ist ein inzwischen etabliertes und gutes Verfahren für die Diagnostik und Therapie von Verletzungen und degenerativen Veränderungen von Handgelenk und Handwurzel. Bei gutem Training ist es ein komplikationsarmes Verfahren. Bei Versorgung einer frischen Verletzung in der Notfallsituation (im Dienst) ist es gut möglich die Arthroskopie bei entsprechendem Verdacht auf zusätzliche intraartikuläre Verletzungen auch im Anschluss in den folgenden Tagen durch den Geübten durchzuführen. Insbesondere im Fall der SL-Bandläsion ist es unverändert so, dass diese akut mit besseren Ergebnissen zu versorgen ist. Die TFCC-Läsion lässt sich etwas besser auch später versorgen. Aber eine akute/subakute Versorgung lässt immer eine bessere Heilung zu. Die noch ungeklärte Frage ist wann und in welchem Ausmaß die Notwendigkeit der Versorgung der zusätzlichen partiellen Verletzungen bei den Frakturen des distalen Radius oder der Handwurzel besteht. Aus meiner Sicht kann in jedem Fall in der postoperativen Nachbehandlung darauf Rücksicht genommen werden, beispielsweise in einer nachfolgenden adäquaten Ruhigstellung.
Die Deutsche Assoziation für Fuß und Sprunggelenk e.V. ist mit ca. 1800 aktiven Mitgliedern eine der größten Sektionen der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU). Sie widmet sich der Diagnostik und Therapie von angeborenen und erworbenen Erkrankungen und Verletzungen des Fußes und Sprunggelenks sowie deren Folgen.
Die Deutsche Assoziation für Fuß und Sprunggelenk e.V. wurde 1991 zunächst als Arbeitskreis Fußchirurgie in der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Traumatologie e.V. (DGOT) gegründet. 1993 wurde dann der Verein als „Deutsche Gesellschaft für Orthopädische Fußchirurgie e.V.“ gegründet, 1996 erfolgte die Umbenennung in den heute aktuellen Namen: Deutsche Assoziation für Fuß und Sprunggelenk e.V.
Ziele
Die D.A.F. beschäftigt sich mit der Diagnostik und Therapie von angeborenen und erworbenen Erkrankungen des Fußes und Sprunggelenks sowie mit Verletzungen und deren Folgen. Zielsetzung des Vereins ist es, Erfahrungen auszutauschen, den medizinischen Nachwuchs zu schulen, Tagungen und Kongresse auszurichten und wissenschaftliche Publikationen in der Zeitschrift „Fuß und Sprunggelenk“ zu veröffentlichen.
Kurse und Kongresse
Neben einer Jahrestagung veranstaltet die D.A.F. ca. 20 fußchirurgische Kurse pro Jahr, die Teil eines achtteiligen Kurssystems sind und zum Erwerb des Zertifikats Fußchirurgie führen. Darüber hinaus ist die D.A.F. mit zahlreichen Sitzungen an nationalen und internationalen Kongressen beteiligt.
Jahrestagung
Diese findet jährlich an wechselnden Orten in Deutschland statt und erstreckt sich über zwei Tage, in der Regel in Kooperation mit einem Gastland. In zeitlicher Nähe zur Jahrestagung finden Instruktionskurse spezielle Themengebiete betreffend statt (minimalinvasive Fußchirurgie, Arthroskopie, Sprunggelenk und Fuß, DRG Seminar etc.)
Kurssystem „Zertifikat Fußchirurgie“:
Das achtteilige Kurssystem der D.A.F. führt zum Erwerb des Zertifikats „Fußchirurgie“. Themenschwerpunkte der einzelnen Kurse sind: Anatomie, Vorfußchirurgie, Arthrodesen, Sehnenchirurgie, Rheumaorthopädie und Arthroskopie, Kinderfuß, Traumatologie von Fuß und Sprunggelenk, Diabetischer Fuß und Orthopädietechnische Versorgung.
Dabei handelt es sich jeweils um zweitägige Kurse mit Vorträgen und Präparationsübungen am humanen Leichenfuß.
Ergänzungskurse:
Neben den Kursen für den Erwerb des Zertifikats Fußchirurgie werden regelmäßig weitere Veranstaltungen zu speziellen Themengebieten organisiert:
Masterkurs – Präparationskurs für fortgeschrittene Fußchirurgen/-innen
Minimalinvasive Fußchirurgie
Plastische Defektdeckung im Bereich von Fuß und Sprunggelenk
„Roukie Kurs“ – Fußchirurgischer Kurs für Berufsanfänger/-innen mit Interesse für die Fußchirurgie
Nationale Kongresse
Die D.A.F. beteiligt sich an zahlreichen nationalen Kongressen durch Organisation und Gestaltung von Sitzungen mit fußchirurgischem Themenschwerpunkt (DKOU, NOUV,
SOUV, etc.).
Zeitschrift „Fuß und Sprunggelenk“:
Die Zeitschrift „Fuß und Sprunggelenk“ erscheint quartalsweise und widmet sich sämtlichen Themen der Behandlung von Verletzungen und Erkrankungen von Fuß und Sprunggelenk. Sie ist mit einer Auflage von über 1600 Exemplaren die größte deutschsprachige Zeitschrift in diesem Segment. Seit 2019 ist die Zeitschrift Fuß und Sprunggelenk auch offizielles Organ der Österreichischen Gesellschaft für Fuß und Sprunggelenk (ÖGF).
FussCert
Die D.A.F. hat ein System zur Zertifizierung fußchirurgischer Zentren initiiert und etabliert. Der Zertifizierungsprozess ist analog zu dem als EndoCert bekannten Verfahren, so dass hier Synergieeffekte genutzt werden. Die Pilotphase wurde im ersten Quartal 2017 beendet, so dass die Zertifizierung jetzt allgemein beantragt werden kann.
Versorgungsforschung
Die Versorgungsforschung ist ein „neuer Schwerpunkt“ der wissenschaftlichen Aktivitäten der D.A.F. Insbesondere „fußchirurgische Zentren der Maximalversorgung“ unterstützen die Versorgungsforschung im Bereich von Fuß und Sprunggelenk.
Leitlinien
Die D.A.F. ist an der Entwicklung von nationalen Leitlinien beteiligt, je nach Themenschwerpunkt federführend oder begleitend bei der Erstellung.
EFAS
Die D.A.F. ist Mitglied der European Federation of Foot and Ankle Societies (EFAS). Als größte Teilgesellschaft der EFAS trägt die D.A.F. wesentlich zur inhaltlichen Gestaltung der Tagungen und Kongresse bei. Die offizielle Zeitschrift der EFAS, Foot and Ankle Surgery, ist die weltweit zweitgrößte Zeitschrift im Bereich der Fuß- und Sprunggelenkchirurgie und hat aktuell einen ImpactFactor von 1,34.
OSG-Endoprothesenregister
Die D.A.F. betreibt ein nationales Register für OSG-Endoprothesen. Aktuell wird das Register um ein Modul zur Erfassung von OSG-Arthrodesen und supramalleolären
Umstellungsosteotomien erweitert.
Nachwuchsförderung
Neben dem Kurssystem bietet die D.A.F. Kurse für erfahrene Fußchirurgen/-innen (Masterkurse) sowie Kurse für Berufseinsteiger (Rookie-Kurse) an.
Reisestipendien
Jährlich wird ein ca. dreiwöchiges Reisestipendium für vier junge fußchirurgisch interessierte Kolleginnen und Kollegen angeboten. Alternierend werden fußchirurgische Zentren in den USA und in Europa besucht.
Dr. Jörn Dohle Präsident der Deutschen Assoziation für Fuß und Sprunggelenk
Als Metatarsalgie werden Schmerzen unter dem zentralen Vorfuß, insbesondere unter den Mittelfußköpfchen, 2–4 bezeichnet. Die Metatarsalgie ist damit durch die Kombination des Symptoms „Schmerz“ in einer typischen Lokalisation definiert. Verschiedene Krankheitsbilder können Ursache für eine Metatarsalgie sein.
Üblicherweise wird zwischen biomechanischer Metatarsalgie und struktureller Metatarsalgie unterschieden.
Strukturelle Metatarsalgie
Die Behandlung der strukturellen Metatarsalgie orientiert sich an der vorliegenden Grunderkrankung.
Rheumatische Grunderkrankung
Eine Synovitis des Kleinzehengrundgelenks ist eine häufige Erstmanifestation einer rheumatischen Grunderkrankung und sollte deshalb im weiteren Verlauf sorgfältig beobachtet werden. Je nach Verlaufsform und Progredienz ist eine frühzeitige Basismedikation in Erwägung zu ziehen.
Morbus Freiberg-Köhler
Die avaskuläre Knorpel-Knochen-Nekrose des Mittelfußköpfchens ist als Morbus Freiberg-Köhler bekannt. Sie betrifft üblicherweise den dorsalen apikalen Anteil des Mittelfußköpfchens, wogegen die plantaren Anteile in der Regel intakt bleiben. Die konservativen Behandlungsoptionen sind sehr begrenzt, weshalb im weiteren Verlauf meistens eine operative Korrektur erforderlich wird. Bei kleineren Defekten ist ein einfaches Debridement mit Mikrofrakturierung möglich, wogegen bei größeren Defekten eine keilförmige Exzision mit Transposition der intakten plantaren Knorpelareale in den funktionell wichtigen zentralen Sektor erforderlich ist.
Morton Neurom
Das Morton-Neurom stellt im Kontrast zu den beiden zuvor genannten Pathologien ein Problem des intermetatarsalen Zwischenraums dar. Jede Zehe wird von insgesamt vier Hautnerven versorgt. Zwei streckseitige und zwei plantare Nerven. Die plantaren Nerven sind Endäste des Nervus plantaris medialis und Nervus plantaris lateralis und kommunizieren vor ihrer Aufteilung in die Zehen. Der gemeinsame Nervenstrang kann unter dem Ligamentum transversum profundum komprimiert werden und dann durch eine reaktive Fibrose des Endoneuriums zu einer Verdickung führen, die als Morton-Neurom bekannt ist. Meist ist der plantare Nerv zwischen den Mittelfußköpfchen 3 und 4, seltener zwischen den Mittelfußköpfchen 2 und 3 betroffen. Die Diagnose einer Metatarsalgie, aufgrund eines Morton-Neuroms, kann durch Testinfiltration mit einem Lokalanaesthetikum mit anschließender Belastung des Fußes gesichert werden. Unter Umständen kann der verdickte Nerv per MRT dargestellt werden. Ein unauffälliges oder negatives MRT schließt die Diagnose eines Morton-Neuroms jedoch nicht mit Sicherheit aus.
Die konservative Behandlung eines Morton-Neuroms besteht in einer Entlastung des verdickten Nervs durch eine Einlage sowie lokale Kortikoidinjektionen zur Reduktion des Schwellungszustandes. Bei anhaltenden Beschwerden ist eine operative Exzision des Nervs über einen dorsalen oder plantaren Zugang möglich.
Biomechanische Metatarsalgie
Bei der biomechanischen Metatarsalgie steht die Störung der Biomechanik des Fußes im Mittelpunkt der Pathologie. Der Fuß hat im Rahmen der Phylogenese einen Funktionswandel vom Greiforgan zum „Stand- und Fortbewegungsorgan“ durchlaufen.
Der Funktionswandel hat ein Defizit der aktiven Stabilisatoren des Kleinzehengrundgelenks zur Folge, so dass die Stabilität vor allem auf den passiven Stabilisatoren, insbesondere der plantaren Gelenkkapsel beruht.
Pathologie der plantaren Platte
Die plantare Gelenkkapsel ist in der Abrollbewegung des Fußes besonders belastet. Es wird mittlerweile davon ausgegangen, dass es durch repetitive Mikrotraumatisierung der plantaren Gelenkkapsel des Kleinzehengrundgelenks, im fußchirurgischen Jargon auch „plantare Platte“ bezeichnet, zu einer progredienten Schädigung der plantaren Platte kommen kann.
Stadien der Schädigung der plantaren Platte
Die Schädigung stellt sich initial als eine Ausdünnung und Elongation dar, im mittleren Stadium kommt es zu einer queren Ruptur nahe der Anheftung an der Grundgliedbasis, bei fortgeschrittener Schädigung zu einer komplexen Ruptur mit Destruktion der plantaren Platte. Klinisch sind neben Schmerzen die Entwicklung einer Hammerzehe und eine zunehmende Instabilität des Zehengrundgelenks zu beobachten, die sich bis zur Luxation der Kleinzehe im Grundgelenk entwickeln kann.
Konservative Therapie: Einlagenversorgung
Die konservative Therapie besteht aus einer Entlastung der „plantaren Platte“ durch eine Modifikation des Schuhwerks in Kombination mit einer Einlagenversorgung.
Operative Therapie der biomechanischen Metatarsalgie: Anpassung des metatarsalen Alignments
Liegt eine fortgeschrittene Schädigung vor, ist in der Regel eine operative Rekonstruktion erforderlich. Eine operative Korrektur sollte
eine Stabilisierung des Kleinzehengrundgelenks
eine Korrektur des metatarsalen Alignments
eine Korrektur einer gleichzeitig vorhandenen Fehlstellung der Kleinzehe
eine Korrektur eventuell gleichzeitig vorhandener Fehlstellungen des ersten Vorfußstrahls mit einschließen.
Die Stabilisierung des Kleinzehengrundgelenks kann über eine PIP-Arthrodese, einen Beugesehnentransfer oder eine direkte operative Naht der plantaren Platte erfolgen. Eine Korrektur des metatarsalen Alignments kann über eine Weil-Osteotomie erfolgen.
Die von Lowell Weil inauguriert und nach ihm benannte Osteotomie des distalen Metatarsale erfolgt parallel zur Fußsohle. Die Verkürzung des Metatarsale erfolgt durch Verschieben des Mittelfußköpfchens nach proximal. Nach anfänglichem Enthusiasmus wird die Indikation zur WeilOsteotomie in fußchirurgischen Zentren mittlerweile restriktiv gestellt. Hinsichtlich der Korrektur des metatarsalen Alignments etablieren sich heute zunehmend minimalinvasive Verfahren, die nur selten mit den typischen Komplikationen der Weil-Osteotomie, i.e. einer schwebenden Zehe oder einer Gelenksteife, verbunden sind. Bei der DMMO (Distal Metatarsal Minimally invasive Osteotomie) erfolgt die Osteotomie über eine Stichinzision mit einer 2 mm Fräse. Auf eine Osteosynthese wird nach der Stellungskorrektur bei diesem Verfahren verzichtet. Dies bedeutet allerdings, dass die Korrekturstellung für ca. vier Wochen mit redressierenden Verbänden gesichert werden muss. Eine operative Rekonstruktion des Kleinzehengrundgelenks sollte immer mit einer Korrektur einer eventuell vorhandenen Fehlstellung der Zehe und einer Korrektur des ersten Vorfußstahls kombiniert werden. Kontrakte Deformitäten der Kleinzehe werden mit einer PIP-Arthrodese, flexible Fehlstellungen mit einem Beugesehnentransfer korrigiert. Beide Verfahren haben zusätzlich einen stabilisierenden Effekt auf das Kleinzehengrundgelenk.
Behandlung von luxierten Kleinzehengrundgelenken
Eine besondere Herausforderung stellt die Behandlung luxierter Kleinzehengrundgelenke dar. Eine dauerhafte Reposition und Rezentrierung ist nur bei gleichzeitiger Verkürzung des Metatarsale durch eine Weil-Osteotomie möglich. Dieses Konzept wird auch als „longitudinale Dekompression“ bezeichnet. Die Weil-Osteotomie erlaubt zwar eine Reposition des Gelenks, hat an sich aber keinen stabilisierenden Effekt, weshalb ergänzende Maßnahmen, wie z. B. ein Beugesehnentransfer, erforderlich sind. Alternativ ist eine Naht der plantaren Platte möglich, die über einen dorsalen oder plantaren Zugang erfolgen kann.
Fazit
Die Behandlung der Metatarsalgie orientiert sich an der zugrundeliegenden Pathologie. In der Regel kann durch eine klinische Untersuchung und Röntgenaufnahmen des Fußes in zwei Ebenen im Stand mit hinreichender Sicherheit auf die Ätiologie geschlossen werden. Die konservative Therapie besteht zunächst aus einer mechanischen Entlastung des Vorfußes durch eine Einlage und eine antiphlogistische Medikation. Bei anhaltenden Beschwerden sollte eine operative Korrektur unter Berücksichtigung der Biomechanik des Fußes und der aktuell vorliegenden strukturellen Schädigung in Erwägung gezogen werden.
Unter Kleinzehendeformitäten versteht man Hammer-, Krallen- und Malletzehen sowie den sog. Curly Toe. Häufigste Ursache dieser Deformitäten sind Dysbalancen der Sehnenkräfte, Fehlstellungen des ersten Strahles mit mechanischer Verdrängung der Kleinzehen mitunter aber auch unsachgerechtes Schuhwerk.
Meist berichten die Patienten über Schuhdruck und schmerzende Schwielen an den Zehen. Oft besteht eine Vergesellschaftung mit einem Hallux valgus oder Minusvariante des ersten Mittelfußknochens. Komplexe Fußdeformitäten wie der Hohlfuß/Ballenhohlfuß oder dem Knick-Plattfuß sind zu beachten, da sie Ursache für das Muskelungleichgewicht an den Kleinzehen darstellen. Beim Hohlfuß sollte stets eine neurologischen Untersuchung zu Identifizierung einer neurogenen Erkrankung wie z. B. der HMSN (hereditäre motosensorische Neuropathie) erfolgen.
Pathogenetisch überwiegen bei den Zehenfehlstellungen meist die Zehenstrecker gegenüber den schwächeren intrinsischen Muskeln, welche alleinig für die aktive Plantarflexion des Grundgliedes verantwortlich sind. Erschwerend kommt hinzu, dass aufgrund der Plantarisierung der Mittelfußköpfe auch die intrinsische Fußmuskulatur, Mm lumbricales und interossei, zu Zehenstreckern werden.
Definition von Zehendeformitäten
Wichtig ist zunächst die korrekte Diagnostik und Definition der jeweiligen Zehendeformität:
Hammerzehe: Beugefehlstellung im Mittelgelenk mit Kontakt der Zehenbeere zum Boden
Krallenzehe: Grundglied in Dorsalextension fixiert,
Mittel- und Endgelenk in Beugefehlstellung ohne Kontakt der Zehenbeere zum Boden
Malletzehe: auch als Endgelenkhammerzehe mit Beugefehlstellung im Endgelenk bezeichnet.
Curley Toe: In Varusfehlstellung stehende Zehe (meist 4. oder 5. Zehe) mit Rotationsfehlstellung und Beugefehlstellung im Mittelgelenk (oft bei Kindern)
Therapie von Zehendeformitäten
Konservative Therapie
Zunächst sollte immer eine konservative Therapie erfolgen und hierbei auch die Fußdeformität adressiert werden. Hierzu stehen neben individuell gefertigten orthopädischen Einlagen und Schuhzurichtungen die physiotherapeutische Behandlung zur Verfügung. Wichtig erscheint das Erlernen von Übungen, die täglich in Eigentherapie durchgeführt werden, vor allem die aktive und passive Plantarflexion des Grundgliedes. Des Weiteren kann man mit Tapeverbänden versuchen, mit Bandagen oder Orthesen die Fehlstellung zu verbessern oder ein Fortschreiten zu verhindern. Gelingt dies nicht, so sind operative Verfahren indiziert.
Operative Therapie
Operativ wird ein sogenanntes sequentielles Verfahren durchgeführt. Es wird geprüft, ob eine flexible oder fixierte Fehlstellung vorliegt. Bei flexiblen Fehlstellungen kann zunächst versucht werden, über Sehnenverlängerung der Strecksehnen das Muskelgleichgewicht wieder herzustellen, um die Fehlstellung in eine korrekte Stellung und Funktion zu überführen. Dies kann gut durch ein sog. Sehnenrelease im Bereich der Streckerhaube oder der langen bzw. kurzen Beugesehnen je nach Pathologie durchgeführt werden. Gerade beim diabetischen Fuß hat sich auch die Tenotomie der Beugesehnen durch Stichinzision sehr bewährt. Eine weitere Möglichkeit besteht bei flexiblen Deformitäten in einem Beugesehnentransfer durch Verlagerung der längsgespaltenen langen Beugesehne nach dorsal auf das Grundglied. Hierdurch erfolgt eine Umkehrung der Funktion mit Ausschaltung der Flexionswirkung auf Mittel- und Endglied. Bei fixierten Fehlstellungen und (Sub)-Luxationen hilft meist nur eine knöcherne Korrektur.
Bei fixierter Hammerzehenfehlstellung erfolgt neben der Ausschneidung des Clavus („Hühnerauge“) incl. dorsaler tangentialer Resektion der Kondylenprominenz in der minimalinvasiven Technik die achskorrigierende plantarbasige Korrekturkeilosteotomie der Grund- und ggf. auch die dorsalbasige Keilosteotomie der Mittelphalanx, das plantare Release des PIP-Gelenkes und eventuell das dorsale Release des MTP-Gelenkes und ggf. auch eine Tenotomie der langen Strecksehne.
Das Korrekturergebnis kann durch eine drei- bis vierwöchige temporäre K-Drahtfixierung oder bei guter Weichteilbalanzierung durch retinierende Verbände und Tapes gesichert werden. Alternativ ist die Durchführung einen PIP-Arthrodese möglich mit temporärer Drahtfixation oder mit einen PIP-Implantat.
Bei einer Krallenzehe wird aufgrund der Extensionsfehlstellung des Grundgliedes das Lösen von Kapsel- und Seitenbandkontrakturen des Grundgelenkes zusätzlich durchgeführt. Falls hierdurch keine orthograde Stellung erreicht werden kann, kommt zusätzlich ein den Mittelfußknochen retrokapital verkürzendes und elevierendes Verfahren wie z. B. die Weil-Osteotomie (in der Barouck Modifikation) zum Einsatz. Liegt eine Luxation im Grundgelenk vor ist die proximale Grundgliedteilresektion mit Strecksehnentransposition i.S.d. OP nach Stainsby ein wertvolles Verfahren, welches auch bei Revisionen Anwendung findet. Bei einer vor allem traumatischen Ruptur der plantaren Platte kann eine Naht/Rekonstruktion dieser Struktur indiziert sein.
Bei einer flexiblen Malletzehe kann durch ein Release der Beugesehnen und plantare Kapsulotomie im Endgelenk mit anschließender Redression die Korrektur erfolgen. Besteht eine kontrakte Fehlstellung so erfolgt meist eine DIP-Arthrodese.
Beim Curly Toe erfolgt meist eine Tenotomie der langen Beugesehne, ggf. auch eine Verlängerung der langen Strecksehne.
Post -OP Therapie
Wichtig ist die Nachbehandlung. Entscheidet man sich nicht für eine K-Drahtfixierung, so müssen die Zehen ausreichend lange mit redressierenden Verbänden gefolgt von Tapeverbänden, Silikonorthesen oder anderweitiger Orthesen nachbehandelt werden. Diese Nachbehandlungtherapie entspringt der minimal invasiven (MIS) Kleinzehenchirurgie, die augenblicklich sehr beliebt ist. Wichtig und entscheidend für das OP-Ergebnis ist die Nachbehandlung v.a. beim MIS-Vorgehen. Direkt postoperativ erfolgt eine SeriStrip-Retention und Retentionsverbände über sechs Wochen. Dies ist beim MIS Verfahren zwingend erforderlich. Es wird über gute Korrekturergebnisse berichtet.
Postoperativ kann in den meisten Fällen im Vorfußentlastungsschuh mit durchgängiger versteifter Sohle mit Abrollung eine schmerzadaptierte Vollbelastung durchgeführt werden. Ein Thromboembolieprophylaxe wird entsprechend der Richtlinien empfohlen. Die Patienten sollten über die Möglichkeit einer längerfristigen Schwellneigung der Kleinzehen nach OP aufgeklärt werden.
Bestehen komplexe Fußdeformitäten so sollte hier eine orthopädieschuhtechnische Versorgung mit Einlagen und ggf. orthopädische Zurichtungen am Konfektionsschuh nach der post-OP Phase eingeleitet werden. Fehlstellungen und Pathologien der Großzehe sind zu adressieren und ins Behandlungskonzept mit einzubeziehen.
Dr. Angela Simon, Malchin
Dr. Hartmut Stinus, Northeim
Literatur
Arnold H: Pathologische Deformitäten der Kleinzehen und deren Korrekturmöglichkeiten. OUP 2016; 12: 679–683 DOI 10.3238/oup.2016.0679–0683
Barouk LS: Die Metatarsaleosteotomie nach Weil zur Behandlung der Metatarsalgie.
Orthopäde 1996; 25: 338–433
Baumgartner, R, Möller, M, Stinus H.
Orthopädieschuhtechnik 3., überarbeitete und erweiterte Auflage
C. Maurer Verlag, 2018
Cook JJ, Johnson LJ, Cook EA. Anatomic Reconstruction Versus Traditional
Rebalancing in Lesser Metatarsophalangeal Joint Reconstruction. J Foot Ankle Surg.
2018 May–Jun;57(3):509-513. doi: 10.1053/j.jfas.2017.11.023
De Prado M, Ripoll PL, Golano P. Cirugía percutánea del pie: Técnicas quirúrgicas.
Barcelona: Masson SA; 2003.
De Prado M, Cuevas- Mons M, Golanó P, Vaquero J. Distal metatarsal minimal invasive
osteotomy (DMMO) for the treatment of metatarsalgia. Techniq Foot Ankle Surg.
2016;15(1):12–8.
Fuhrmann RA, Roth A: Kleinzehendeformitäten: Kondylenresektion an Grund- und
Mittelphalanx. in Wülker N, Stephens M, Crachiollo III Andrea, (Hrsg.) Operationsatlas
Fuß und Sprunggelenk, Stuttgart: Enke-Verlag, Stuttgart: 77–83
Hohmann G: Der Hallux valgus und die übrigen Zehenverkrümmungen.
Ergeb. Chir. Orthop. 1925; 18: 308–376
Hochlenert, D., Engels, G, Morbach Das diabetische Fußsyndrom – Über die Entität zur
Therapie , Springer 2014
Simon, A: Korrektur der Hammer- und Krallenzehenfehlstellungen. ambulant operieren,
Thieme 14. Jg. 1/2007,24-29
Thomas M, Jordan M. Minimally invasive correction of lesser toe deformities and
treatment of metatarsalgia.Oper Orthop Traumatol. 2018 Jun;30(3):171–183.
doi: 10.1007/s00064-018-0548-6. Epub 2018
H.Waizy, B. Speigner, M.Abbara-Czardybon, J. Dohle Das definitionsverständnis von
Kleinzehenpathologien ist uneinheitlich – Ergebnis der Umfrage zur Nomenklatur
von Kleinzehenpathologien, Fuß- und Sprunggelenk, 2016; 14 (3); 123–129
In Kenntnis der Tatsache, dass heute beinahe jeder 10. Deutsche an Diabetes mellitus leidet, sich Zeichen einer diabetischen Neuropathie bei etwa 50% aller Diabetiker nach 25-jähriger Manifestation der Grunderkrankung finden sowie bis zu 25 % aller Diabetiker ein Ulkus im Fußbereich entwickeln können – mit Prävalenz eines diabetischen Fußsyndroms nach fünfjähriger Erkrankungsdauer zwischen 7,6% (Diabetes mellitus Typ I ) und 8,5% (Diabetes mellitus Typ II) – findet sich der Patient auch in der orthopädisch-unfallchirurgischen Praxis. Zudem zählen typische orthopädische Krankheitsbilder wie Hallux valgus, Krallen- und Hammerzehen, Fußdeformitäten in Mittel- und Rückfußbereich, Kontrakturen des M. triceps surae und Einschränkungen der Gelenkmobilität, v.a. im Subtalargelenksbereich, zu den Risikofaktoren in der Ätiopathogenese des diabetischen Fußulkus (Tab. 1). Die lebenslange Inzidenz eines diabetischen Fußulkus liegt zwischen 19 und 34% mit einer jährlichen Inzidenz von 2%. Rezidive nach erfolgreich abgeheilten Ulkus sind mit 40 % pro Jahr zu erwarten, das Risiko steigt auf bis zu 65% binnen einer Frist von drei Jahren. Somit kommt der Prävention des diabetischen Fußulkus überragende Bedeutung zu, wie die wissenschaftlich basierten und 2019 aktualisierten acht Leitlinien der IWGDF (International Working Group on the Diabetic Foot) erkennen lassen.
Zählte früher der Charcotfuß (DNOAP) zu den raren Entitäten, so ist für diese prognostisch ernste Variante des diabetischen Fußsyndroms mit einer Prävalenz über der 1%-Marke zu rechnen. Klinisch bedeutsam wird dies, wenn man berücksichtigt, dass sich hinter mancher scheinbar traumatischen Genese, z. B. unter dem Bild einer OSG-Fraktur, eine DNOAP verbirgt. Zudem sehen wir zunehmend Patienten mit dem klinischen Vollbild eines Charcotfußes, ohne dass überhaupt ein manifester Diabetes mellitus vorliegt bzw. ohne dass wir die Genese der Neuropathie ätiologisch zuordnen können; diese „Charcoide“ machen etwa 10% aus.
Kommt es zum tiefen Infekt,sind Amputationen oft unausweichlich; das diabetische Fußsyndrom bedingt 50–60% aller nicht traumatischen Amputationen an der unteren Extremität, die Inzidenz der Amputationen beim Diabetiker liegt bei 6–8/1000/Jahr, wobei einerseits die Majoramputationen zahlenmäßig abnehmen, die Zahl der Minoramputationen jedoch steigt.
Der richtigen und der rechtzeitigen Diagnosestellung kommt somit wesentliche Bedeutung für den weiteren klinischen Verlauf zu. Eine verzögerte Diagnosestellung ist häufig mit einem deutlich höheren Komplikationsrisiko verknüpft. Darüber hinaus sind klar die Elemente der Prävention des diabetischen Fußsyndroms definiert (Tab. 2).
Diagnostik
Anamnese, Inspektion der Füße, die Inaugenscheinnahme des Schuhwerks, die klinische Prüfung des Gefäßstatus (Gehstrecke, Fußpulse, die Bestimmung des Knöchel-ArmIndex) und die klinische Untersuchung auf das Vorliegen einer diabetischen Neuropathie,sind wegweisend.
Die distale, symmetrische, sensomotorische Neuropathie ist die häufigste Form der diabetischen Neuropathie. Die Diagnostik ist keineswegs nur „ein Fall für den Neurologen“ oder nur mittels neurophysiologischer Diagnostik zu stellen: die Untersuchung mit der Stimmgabel nach Rydel-Seiffer, etwa am Außen- und Innenknöchel zur Beurteilung der Pallästhesie (Vibrationsempfinden), die Prüfung von Spitz-Stumpf-Diskriminierung und Temperatur (kalt-warm)- Empfinden bzw. das Berührempfinden mit dem Semmes-Weinstein-Monofilament 10 g, geben klare Hinweise auf das Vorliegen und den Schweregrad einer Neuropathie.
Selbst wenn es an sämtlichen vorgenannten diagnostischen Hilfsmitteln fehlt, kann die orientierende 1–2 Sekunden dauernde leichte Berührung der Zehen des Patienten und die entsprechende oder fehlende Rückmeldung des Patienten hierzu wesentliche Hinweise für eine Neuropathie ergeben. Dies ist allein schon deshalb bedeutsam, da sie bei über 90% der Ulzerationen am Fuß eine wesentliche Ursache oder Teilursache darstellt und es ohne Neuropathie keine schweren Verlaufsformen wie den Charcotfuß gibt. Ulkogene Risikokonstellationen wie plantare Hyperkeratosen, sind leichter zu therapieren als
das chronische Ulkus. Beim Fußulkus ist der Nachweis einer Verbindung der chronischen Wunde zum Knochen mit dem einfachen „probe to bone“-Test (Kontakt mit einer sterilen Sonde über das Ulkus bis zum Knochen) der Beleg für ein hohes Gefährdungspotenzial,bevor die klassischen klinischen Infektzeichen vorliegen.
Vermeintlich typische klinische Infektzeichen wie die Rötung, Schwellung, Schmerz und Überwärmung können auch Zeichen eines akuten Charcotfußes ohne bakteriellen Infekt sein. Die Differenzierung kann durchfünfminütige Elevation der betroffenen Extremität im Liegen gelingen: beim akuten Charcotfuß geht dann die Rötung und auch ein Teil der Schwellung deutlich zurück, beim Infekt nicht. Bei unauffälligem Röntgenbild in der Frühphase der Erkrankung kann hier die MRT-Bildgebung wegweisend sein, die in fortgeschrittenen Stadien im MRT nicht leicht vom tiefen Infekt zu unterscheiden ist.
Therapie
Neben dem Mantra einer Optimierung des Blutzuckerspiegels und der Co-Morbiditäten, kommt beim diabetischen Fußulkus der Entlastung der betroffenen Extremität – heute typischerweise durch einen nicht abnehmbaren kniehohen Walker mit modularer oder Diabetes adaptierter Einlage – eine wesentliche Bedeutung zu; der klassische „total contact cast“ ist aufwändig und bedarf einer Expertise in der Anwendung, die nicht flächendeckend gewährleistet ist. Abnehmbare und nur knöchelhohe Orthesen sind Patienten mit Kontraindikationen für den hohen und geschlossenen Walker vorbehalten. Voraussetzung für einen Heilerfolg des neuropathischen oder des neuropathisch-ischämischen Ulkus ist eine adäquate regionale Vaskularität, die Entfernung von nekrotischem oder infiziertem Gewebe und die stadiengerechte Infektionskontrolle unter supportiver Antibiotikatherapie oder beim tiefen Infekt mit Progress, Abszess, Gangrän oder gar Sepsiszeichen, auch ein chirurgisches Vorgehen nach den Prinzipien der septischen Chirurgie.
Die Rolle biologisch aktiver Verbandsmittel wird für den Heilverlauf eines plantaren diabetischen Ulkus überschätzt. Chirurgische Konzepte, insbesondere bei Versagen der konservativen Therapieprinzipien, haben ihre Berechtigung und können im Individualfall erhebliche Fortschritte im Heilungsfortgang eines chronischen plantaren Ulkus bedeuten, wenn z. B. die plantare Druckverteilung durch korrigierende Osteotomien, minimalinvasive Achillessehnenverlängerung, Eingriffe zur Verbesserung des Alignements der Zehen (z. B. perkutane Flexortenotomien) oder metatasophalangealen Arthroplastiken verbessert wird. Major-Amputationen sollten, wenn irgendwie möglich, vermieden werden.
Gelenkresektionen oder Metatarsalstrahl(teil-)resektionen können ggf. als „innere Amputation“ unter möglichst weitreichendem Erhalt der wertvollen Fußsohlenhaut erfolgen, wobei der operative Zugang über das Ulkus eine Option eines weichteilschonenden operativen Vorgehens darstellen kann.
Beim akuten Charcotfuß gilt es die Diagnose so frühzeitig zu stellen, dass durch die ebenfalls frühe Versorgung mit einem kniehohen Walker oder total contact cast die phasenhaft verlaufende Destruktion der Fußtektonik vermieden werden kann. Mit Rückgang der erhöhten lokalen Hauttemperatur und Übergang in ein chronisches Stadium nach Wochen oder Monaten, ist anhand der Kriterien von Instabilität, Fehlstellung und Weichteilkompromittierung zu entscheiden, ob chirurgische Maßnahmen, die von der Exostektomie bis zur Korrekturarthrodese ein weites Feld von Maßnahmen umfassen, die einen langfristigen Extremitätenerhalt unterstützen. Der Befall des Rückfußes ist regelhaft mit einem hohen Grad an Fehlstellung oder Instabilität verbunden und bedarf am häufigsten einer chirurgischen Stabilisation (vgl. Abb. 1 und 2). Die Pathophysiologie der Grunderkrankung macht ein überproportionales Maß an Stabilität erforderlich. Die Heilungszeiten bis zur Konsolidierung sind in der Regel doppelt so lange anzusetzen wie beim Nicht-Diabetiker, wobei auch die Ausbildung einer straffen Pseudarthrose funktionell akzeptable Resultate mit langfristig stabiler plantigrader Fußposition und Extremitätenerhalt gewährleisten kann.
Die regelhafte Kontrolle des Charcotfußes hinsichtlich sich anbahnender Weichteilläsionen oder Überwärmung als Zeichen eines neuen Schubs, ist wesentlicher Teil der Präventionsstrategie, da bei jedem fünften Patienten neue Manifestationen einer DNOAP am ipsi- oder kontralateralen Fuß auftreten.
Dem praktisch tätigen Orthopäden kommt somit durchaus eine relevante Rolle in der Detektion und der Behandlungswahl des diabetischen Fußes, aber eben auch der Prävention, idealerweise in einem interdisziplinären und interprofessionellen Expertenteam zu.
Univ.-Prof. Dr.Thomas Mittlmeier,
Universitätsmedizin Rostock,
Chirurgische Klink und Poliklinik,
Abt. für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie
Neben einer häufig traumatisch bedingten, strukturellen Schulterinstabilität können auch pathologische Muskelaktivierungsmuster in einer atraumatischen funktionellen Schulterinstabilität (Polar Typ III) resultieren.1 Basierend auf dem Pathomechanismus, der Richtung der Instabilität und der Kontrollierbarkeit wurden kürzlich verschiedene Gruppen dieser Pathologie identifiziert, wobei die unkontrollierbare positionsabhängige funktionelle posteriore Schulterinstabilität (NCP-FPSI) als häufigster Subtyp erfasst wurde.2
Klinische und elektromyografische Studien verweisen auf eine zugrundeliegende muskuläre Dysbalance der Rotatorenmanschette und der periskapulären Muskulatur im Sinne einer Hyperaktivität der Innenrotatoren (z. B. M. pect. major, M. lat. dorsi) und einer Hypoaktivität der Außenrotatoren (z. B. M. infraspinatus), die während einer bestimmten Phase der Armbewegung zu schwerwiegenden Instabilitätsbeschwerden führen, ohne hierbei ein strukturelles Korrelat aufzuweisen.3, 4 (Abb. 1) Die geschätzte Prävalenz dieser eher seltenen Pathologie wurde mit 0,5%–2,6% innerhalb eines jungen und sportlich aktiven Kollektivs beziffert, wobei initiale Symptome bereits im Jugendalter auftreten können.5 Betroffene Patienten berichten neben einem permanenten Instabilitätsgefühl, chronischen Schmerzen und funktionellen Einschränkungen auch über eine Stigmatisierung aufgrund der auffälligen Subluxationen oder Dislokationen.6 Sowohl eine gezielte Physiotherapie inklusive Training zur Reaktivierung der Muskulatur werden als derzeitige Behandlungsoption der Wahl empfohlen, zeigen aber in mehreren Fällen keinen ausreichenden Erfolg.4, 7 Nach einigen erfolglosen konservativen Therapieversuchen unterziehen sich manche Patienten mit NCP-FPSI einer chirurgischen Intervention, die aufgrund der postoperativ weiterhin vorhandenen funktionellen Beschwerden in einer Schmerzzunahme und einer Abnahme der Schulterfunktion resultieren kann.4, 7–11 In Anbetracht der Ineffektivität gegenwärtiger Behandlungsoptionen wurde daher ein rein symptomatisches Vorgehen („skilfull neglect“) aufgrund einer potentiellen Regression der Beschwerden nach mehreren Jahren empfohlen, welches in Anbetracht der meist jungen und sportlich aktiven Patienten allerdings nicht zielführend erscheint.9, 10
Basierend auf der Anwendung von gezielter elektrischer Muskelstimulation, welche bereits
bei Schlaganfallpatienten erfolgreich gegen Schulterinstabilität eingesetzt wurde,12, 13 ist das sogenannte Shoulder Pacemaker-Therapiekonzept entwickelt worden. Es handelt sich hierbei um eine Kombination aus konzentrischen, exzentrischen und funktionellen Bewegungsübungen unter Anwendung von automatisierter und gezielter elektrischer Muskelstimulation (EMS) der hypoaktiven Muskulatur. (Abb. 2)
Das Shoulder Pacemaker Konzept wurde bei Patienten mit NCP-FPSI und zuvor gescheiterten Therapieversuchen angewendet und 2 Jahre nachbeobachtet.6 Aktuell wird dieser Behandlungsansatz in einer multizentrischen klinischen Studie prospektiv evaluiert und ist für weitere Studienteilnehmer an den Standorten Berlin, Düsseldorf, Hannover, Karlsruhe, München und Zürich verfügbar (Kontaktaufnahme gerne per Email an den
korrespondierenden Autor möglich).
Methodik
Innerhalb eines Jahres wurden insgesamt 24 Fälle mit NCP-FPSI rekrutiert. Einschlusskriterium war eine mindestens 3-monatige fehlgeschlagene konventionelle Physiotherapie, um eine Negativselektion der Studienkohorte zu erreichen. Zuvor erfolglose chirurgische Interventionen zählten nicht als
Abb. 1 Eine unkontrollierbare positionsabhängige funktionelle posteriore Schulterinstabilität kann während einem bestimmten Punkt der Armbewegung als Subluxation oder Dislokation beobachtet werden. Links ist das klinische Bild, rechts die entsprechende fluoroskopische Aufnahme dargestellt. Abb. 2 Das Shoulder Pacemaker Therapiekonzept zur Behandlung der funktionellen posterioren Schulterinstabilität.
Abb. 3 Longitudinale Erhebung der Schulterfunktionsscore SSV, WOSI und Rowe über einen Zeitraum von zwei Jahren.
Ausschlusskriterium. Vor Studieneinschluss wurde der Instabilitätsmechanismus anhand klinischer Untersuchung, aktueller MRT- Aufnahmen und einmaliger dynamischer fluoroskopischer Bildwandleranalyse verifiziert. Es wurden keine ausreichenden strukturellen Defekte beobachtet, welche die massive positionsabhängige Instabilität erklären könnten. Bei einem bilateralen Auftreten wurde nur die instabilere Seite analysiert, um die Strahlenbelastung unter Anwendung eines Röntgenschutzes minimal zu halten. Das EMSbasierende Behandlungsprotokoll umfasste drei aufeinanderfolgende Intensitätslevel mit konsekutiver Steigerung der Stimulationsintensität und Übungskomplexität über eine Dauer von 3 bis 6 Wochen mit 3 Stunden Training pro Woche. Hierbei wurde ein tragbares EMS-Gerät mit einer Frequenz von 35Hz verwendet, um eine tonische Kontraktion der Außenrotatoren und der Skapularetraktoren zu erreichen. 3 von 24 Fällen wurden aufgrund mangelhafter Compliance aus der Studie ausgeschlossen. Die longitudinale Evaluation der Schulterfunktion umfasste die Erhebung der Zufriedenheit mit der Behandlung, den Western Ontario Shoulder Instability Index (WOSI), den Rowe Score und den Subjective Shoulder Value (SSV) 0 Wochen, 2 Wochen, 4 Wochen, 3 Monate, 6 Monate, 12 Monate und 24 Monate nach Interventionsende.6
Ergebnisse
Nach Therapieabschluss konnten alle eingeschlossenen Fälle eine klinisch instabilitätsfreie Armbewegung ohne Anzeichen einer Subluxation oder Dislokation durchführen. Die Teilnehmer waren mit dem Therapiekonzept sehr zufrieden (81%) oder zufrieden (19 %) und würden es zu 100 % weiterempfehlen. Entsprechend wurde eine signifikante Verbesserung der erhobenen Scores beobachtet, sodass schulterbelastende berufliche und sportliche Tätigkeiten fortgeführt werden konnten. Ein anhaltender Therapieeffekt wurde zudem selbst 2 Jahre nach Therapieende noch festgestellt (p<0.001). (Abb. 3) Ein besserer Behandlungseffekt wurde bei jungen (p=0.005), schlanken (p=0.019) und sportlich aktiven (p=0.003) Patienten erzielt, die einen höheren WOSI-Basiswert (p=0.04) und ein einseitiges Auftreten der Pathologie (p=0.046) vorwiesen. Eine erhöhte glenoidale Retroversion (p=0.004), eine posterior scapulohumerale Dezentrierung (p=0.021) und eine dysplastische knöcherne Glenoidform (p=0.044) waren mit einer schlechteren Permanenz des Behandlungseffekts nach einem Jahr verbunden. Dieser Trend konnte jedoch für die zweijährige Nachbeobachtung nicht bestätigt werden.
Die Gesamtrezidivrate während der zweijährigen Nachbeobachtung war gering: Ein Fall erlitt einen traumatischen Unfall und berichtete über eine anschließende rezidivierende Instabilität 2 Wochen nach der letzten Therapieeinheit. Ein Fall wurde mit einem Wiederauftreten der Instabilität bei der 6-monatigen Nachuntersuchung beobachtet. In einem weiteren Fällen kam es zu einem Wiederauftreten der Beschwerden nach 24 Monaten, wobei eine erneute Behandlung nach Studienabschluss erfolgte und zu einer raschen Beschwerdebesserung führte. Trotz der effektiven Behandlung der nicht kontrollierbaren Komponente durch das Shoulder Pacemaker Therapiekonzept waren die meisten Teilnehmer weiterhin in der Lage, eine willentliche, kontrollierte Subluxation ihrer Schulter durchzuführen. Es wurden keine Komplikationen außer gelegentlichen Muskelschmerzen beobachtet.6
Schlussfolgerung
Insgesamt stellt das Shoulder Pacemaker Therapiekonzept eine innovative und effiziente Behandlungsoption für Patienten mit NCP-FPSI dar. Auch Patienten mit zuvor fehlgeschlagener konventioneller Physiotherapie erreichten eine rasche Beschwerdebesserung und zeigten einen anhaltenden Effekt über einen Zeitraum von 2 Jahren. Junge und sportliche Patienten mit geringerem Gewicht und einseitiger Pathologie profitierten am meisten von der Behandlung. Strukturelle Auffälligkeiten des hinteren Glenoids können die Langlebigkeit des Behandlungseffekts beeinträchtigen. Im Falle eines Wiederauftretens der nichtkontrollierbaren Instabilitätskomponente ist eine Wiederholung der nicht-invasiven Behandlung möglich. Im Rahmen einer multizentrischen randomisierten, klinischen Studie wird dieses Konzept derzeit prospektiv evaluiert, wobei weitere Studienteilnehmer gesucht werden (E-Mail an den korrespondierenden Autor).
Literatur
Lewis, A., T. Kitamura, and J.I.L. Bayley, (ii) The classification of shoulder instability: new light through old windows! Current Orthopaedics, 2004. 18(2): p. 97–108.
Moroder, P., et al., Characteristics of functional shoulder instability. J Shoulder Elbow Surg, 2020. 29(1): p. 68–78.
Jaggi, A., et al., Muscle activation patterns in patients with recurrent shoulder instability. Int J Shoulder Surg, 2012. 6(4): p. 101–7.
Takwale, V.J., P. Calvert, and H. Rattue, Involuntary positional instability of the shoulder in adolescents and young adults. Is there any benefit from treatment? J Bone Joint Surg Br, 2000. 82(5): p. 719–23.
Danzinger, V., E. Schulz, and P. Moroder, Epidemiology of functional shoulder instability: an online survey. BMC Musculoskeletal Disorders, 2019. 20(1): p. 281.
Moroder, P., et al., The Shoulder Pacemaker treatment concept for posterior positional functional shoulder instability: prospective clinical trial. Am J Sports Med, 2020. (accepted)
Jaggi, A. and S. Lambert, Rehabilitation for shoulder instability. Br J Sports Med, 2010. 44(5): p. 333–40.
Hawkins, R.J., G. Koppert, and G. Johnston, Recurrent posterior instability (subluxation) of the shoulder. J Bone Joint Surg Am, 1984. 66(2): p. 169–74.
Huber, H. and C. Gerber, Voluntary subluxation of the shoulder in children. A long-term follow-up study of 36 shoulders. J Bone Joint Surg Br, 1994. 76(1): p. 118–22.
Kuroda, S., et al., The natural course of atraumatic shoulder instability. J Shoulder Elbow Surg, 2001. 10(2): p. 100–4.
Moroder, P., et al., Use of shoulder pacemaker for treatment of functional shoulder instability: Proof of concept. Obere Extrem, 2017. 12(2): p. 103–108.
Chuang, L.L., et al., Effect of EMGtriggered neuromuscular electrical stimulation with bilateral arm training on hemiplegic shoulder pain and arm function after stroke: a randomized controlled trial. J Neuroeng Rehabil, 2017. 14(1): p. 122.
Jeon, S., et al., The effects of electromyography-triggered electrical stimulation on shoulder subluxation, muscle activation, pain, and function in persons with stroke: A pilot study. NeuroRehabilitation, 2017. 40(1): p. 69–75. L