Archiv für den Monat: August 2016

Pharmaunternehmen legen erstmals Zahlungen an Ärzte offen

Berlin – 575 Millionen Euro – diese Summe haben 54 Pharmaunternehmen im letzten Jahr an Ärzte, Apotheker und medizinische Einrichtungen in Deutschland gezahlt. Im Rahmen des Transparenzkodex, der 2013 vom Verein „Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie e. V.“ (FSA) und dem Verband Forschender Arzneimittelhersteller (vfa) verabschiedet wurde, sind die detaillierten Zahlungen der Pharmafirmen sowie die Namen einzelner Ärzte, die Zuwendungen erhalten haben, nun erstmals offengelegt worden.

Das Ziel des Transparenzkodex sei, die Zusammenarbeit von Ärzten und Industrie für die Öffentlichkeit nachvollziehbar zu machen und deren Notwendigkeit besser zu erklären, so Birgit Fischer, Hauptgeschäftsführerin des vfa, in einem Statement anlässlich der Veröffentlichung der Zahlungen Ende Juni. Denn der Wissensaustausch zwischen Industrie und Fachkreisangehörigen sei essentiell, um wissenschaftlichen Fortschritt und die bestmögliche Behandlung der Patienten zu ermöglichen. Durch die Offenlegung der Zahlungen solle das Vertrauen der Patienten in Ärzte und Pharmaindustrie gestärkt und die Grundlage für eine sachliche Diskussion geschaffen werden, ergänzte der Geschäftsführer des FSA, Dr. Holger Diener.

Freiwillige Initiative für mehr Transparenz

Der Transparenzkodex ist eine freiwillige Initiative von FSA und vfa und verpflichtet alle Mitgliedsunternehmen dazu, sämtliche mittelbaren und unmittelbaren Geldleistungen und vermögenswerten Leistungen, die an Ärzte und andere Fachkreisangehörige sowie medizinische Einrichtungen und Organisationen gezahlt wurden, zu veröffentlichen. Dies betrifft die Bereiche Forschung und Entwicklung, Spenden und Zuwendungen sowie Sponsoring und andere finanzielle Förderungen. Außerdem müssen auch Einladungen zu Fortbildungsveranstaltungen und Dienstleistungs- sowie Beratungshonorare offengelegt werden.

Regelung nach europäischem und amerikanischem Vorbild

Grundlage des Transparenzkodex ist der im Jahr 2013 beschlossene Transparency Code der European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations (EFPIA), des europäischen Dachverbands der forschenden Pharmaunternehmen. Dem vorangegangen war eine beispielgebende Transparenzinitiative aus den USA: mit dem „Physician Payments Sunshine Act“, der die Transparenz bei der Zusammenarbeit zwischen Pharmaindustrie und Gesundheitsdienstleistern sicherstellen soll, hat die US-Regierung bereits 2010 die gesetzliche Grundlage geschaffen, um Pharmaunternehmen zur Veröffentlichung ihrer Zahlungen zu verpflichten.

Ende 2013 überführte der FSA den EFPIA Transparency Code in einen nationalen Kodex, der am 1. Januar 2014 in Kraft trat. Demnach besteht für die Mitgliedsunternehmen seit 2015 die Pflicht, sämtliche Leistungen an Fachkreisangehörige und Organisationen zu dokumentieren. Im Juni 2016 wurden diese Zahlungen nun erstmals bezogen auf das Jahr 2015 auf den Webseiten der Firmen veröffentlicht.

Ein Drittel der Ärzte stimmt Namensnennung zu

Grundsätzlich sollen dabei auch individuelle Daten unter namentlicher Nennung des Empfängers veröffentlicht werden. Aus datenschutzrechtlichen Gründen geschieht dies allerdings nur unter Einwilligung der Betroffenen. Knapp ein Drittel der 71.000 Ärzte und Fachkreisangehörigen, die im Jahr 2015 Zuwendungen von Pharmaunternehmen erhielten, haben sich für eine Veröffentlichung ihres Namens entschieden, wie „Spiegel Online“ Mitte Juli berichtete. Das Nachrichtenmagazin hat gemeinsam mit dem Recherchezentrum „Correctiv“ die von den Pharmaunternehmen veröffentlichten Daten ausgewertet und in einer Datenbank zusammengetragen.

Wer erhielt wieviel?

Demnach beliefen sich die Zahlungen, die einzelne Mediziner und Fachkreisangehörige für Fortbildungen, Beratungen und Dienstleistungen erhalten haben, auf insgesamt rund 119 Millionen Euro. Durchschnittlich etwa 1.600 Euro habe damit jeder einzelne Arzt erhalten, so „Spiegel Online“ – wobei die Spanne hier sehr groß sei: der am besten bezahlte Mediziner habe mehr als 200.000 Euro erhalten, der geringste Betrag, der von einem Arzt als Reisekosten abgerechnet wurde, belaufe sich auf 2,10 Euro. 90 Millionen Euro gingen an medizinische Einrichtungen, für Sponsoring, Spenden und Stiftungen. Den weitaus größten Betrag mit 366 Millionen Euro gaben die Unternehmen im Bereich Forschung und Entwicklung für Anwendungsbeobachtungen und medizinische Studien aus. An welchen Arzt und welche medizinische Einrichtung hier welcher Betrag gezahlt wurde, ist von den Firmen allerdings nicht weiter differenziert worden.

Der Spitzenreiter der Liste, der Neurologe Prof. Dr. med. Hans Christof Diener, betonte im Interview mit „Spiegel Online“, dass über 95 Prozent seiner Einnahmen in die Finanzierung von Forschungsstellen am Universitätsklinikum Essen geflossen seien. Zudem werde von Kritikern häufig ausgeblendet, dass jedem Honorar auch eine vertraglich geregelte Gegenleistung gegenüberstehe, so zum Beispiel Vorträge oder Beratungstätigkeiten. Einen Interessenkonflikt sieht Diener dabei nicht, da das gezahlte Geld nicht an ihm „hängen bleibe“. Er wird seine Zuwendungen auch im kommenden Jahr wieder offenlegen.

Anne Faulmann

Weitere Informationen:

Die Leserreaktionen zum „Spiegel Online“-Beitrag: Von „Respekt!“ bis „Hetze ist das“

Interview mit einem Orthopäden, der seine Pharma-Honorare offengelegt hat: „Es wirkt, als ob das alles Schmiergelder sind“

Umfassende Informationen zum Transparenzkodex

Beiträge von „Spiegel Online“ im Überblick:

Pharmalohn für Ärzte: Vielen Dank für die Millionen!

Transparenzkodex: Die wichtigsten Fragen und Antworten

200.000 Euro Pharma-Honorar: „Geld interessiert mich nicht“

Seltene OP: Freiburger Chirurgen retten Patient nach Zugunglück

Freiburg – Durch den Mund an die Wirbelsäule: Mit einer ungewöhnlichen Operation bewahrten Unfallchirurgen und Gesichtschirurgen des Universitätsklinikums Freiburg einen jungen Mann vor einer Querschnittslähmung. Der 18-Jährige war Ende Juni nachts an den Bahnschienen im Freiburger Stadtgebiet entlang gegangen und dabei von einem vorbeifahrenden Zug erfasst worden.

Erst am nächsten Morgen war der schwerverletzte Mann von einem Zugführer entdeckt und von einem Rettungswagen in das Notfallzentrum des Universitätsklinikums Freiburg gebracht worden. Dort stellten die Ärzte anhand eines Ganzkörper-Computertomogramms eine Reihe von Verletzungen fest: Leber, Niere und Milz waren teilweise gerissen, Rippen gebrochen, die Lunge gequetscht. Durch einen kleinen Riss in einem inneren Gesichtsknochen drang Luft ins Gehirn ein. Außerdem waren ein Lendenwirbel und ein Halswirbel gebrochen.

Zunächst war die niedrige Körpertemperatur des Patienten von 31 Grad Celsius das größte Problem. „Wäre es nachts etwas kälter gewesen, hätte er vermutlich nicht überlebt“, sagt PD Dr. Kilian Reising, Leitender Oberarzt der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie. Da eine so niedrige Körpertemperatur die Blutgerinnung beeinträchtigt, wäre eine Operation unter diesen Umständen lebensgefährlich gewesen. Darum hoben die Ärzte zunächst die Körpertemperatur langsam an.

Stabilisierung der Wirbelsäule dringend notwendig

Während sich in den folgenden Tagen zeigte, dass die inneren Verletzungen nicht operationsbedürftig waren, mussten die Wirbelbrüche unbedingt stabilisiert werden. Das Verbindungselement des zweiten Halswirbels, auf dem der erste Wirbel ruht, war abgebrochen und hatte sich verschoben. Üblicherweise werden bei einem solchen Bruch mehrere Wirbel und der Kopf vom Rücken aus miteinander verschraubt. „Das bringt die nötige Stabilität, aber der Patient kann nie wieder seinen Kopf vollständig drehen. Das wollten wir dem jungen Mann nicht antun und haben deshalb alternative Lösungen gesucht“, erklärt Reising.

Suche nach alternativen Methoden

Die Mediziner entschlossen sich zu einer anderen Vorgehensweise. Auf Höhe des Kehlkopfes öffneten sie von vorne den Hals, schoben Luft- und Speiseröhre auf die eine und die großen Halsgefäße auf die andere Seite. Dann fixierten sie mit einer etwa vier Zentimeter langen Schraube den abgebrochenen Teil des Wirbels. Doch wenige Tage später zeigte sich, dass die Schraube den Wirbel nicht dauerhaft stabilisierte. Die Mediziner suchten daher einen neuen Weg, weiterhin in der Hoffnung, die Beweglichkeit des jungen Patienten zu erhalten.

Über die Rachenhinterwand an die Wirbelsäule

Prof. Dr. Dr. Rainer Schmelzeisen, Ärztlicher Direktor der Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie des Universitätsklinikums, und Prof. Dr. Norbert Südkamp, Direktor der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, schlugen vor, durch den Mund hinter dem weichen Gaumen an die Wirbelsäule zu gelangen: eine Technik, die weltweit sehr selten durchgeführt wird. „Vorteil dieser Operation ist, dass man den vorderen Bereich der Halswirbelsäule und insbesondere die Wirbel unmittelbar unterhalb des Schädels direkt sieht. Über diesen Zugang ist eine anatomische Stabilisierung besonders gut möglich“, sagt Schmelzeisen. Der Kieferchirurg ist einer der wenigen weltweit, der eine solche Operation bereits zwei Mal durchgeführt hat.

Mit einem feinen Faden wurde zunächst der weiche Gaumen mit dem Zäpfchen nach vorne und zur Seite bewegt und damit der Blick auf die Rachenhinterwand freigelegt. Mit einem etwa sechs Zentimeter langen Schnitt durch Schleimhaut und Muskulatur des Rachens legte Schmelzeisen die bindegewebige Faszienschicht vor der Wirbelsäule frei. Nachdem er diese ebenfalls eingeschnitten hatte, erschien die knöcherne Fläche der Wirbel. Durch vorsichtige Präparation gelang es Schmelzeisen, lebenswichtige Gefäße, wie die beidseits seitlich verlaufende innere Hirnschlagader nicht zu verletzen.

Operation verlief erfolgreich

Mittels eines Endoskops hatten die Chirurgen einen guten Blick auf das Operationsgebiet: „Der gebrochene Wirbel ließ sich gut erkennen. Nachdem wir ihn freipräpariert hatten, konnten die Unfallchirurgen die Fixierung vornehmen“, erklärt Schmelzeisen. Mit fünf Schrauben wurde eine t-förmige Metallplatte, die eigentlich für die Stabilisierung von Brüchen der Speiche verwendet wird, an den Wirbel angebracht. Schließlich wurde die Rachenhinterwand wieder vernäht. Gut drei Wochen nach dem schweren Unfall habe der Patient das Krankenhaus mit einer sehr guten Gesundheitsprognose verlassen können, so das Klinikum. „Es ist ziemlich wahrscheinlich, dass der Patient wieder vollständig gesund wird“, sagt Reising.

Quelle: Universitätsklinikum Freiburg

Bild: sudok1/Fotolia

Praxissitzverlegung: BSG bestätigt Verbot

Berlin – Ein Praxissitz darf in der Regel nicht von einem schlecht versorgten Stadtteil oder Bezirk in einen mit formal sehr hoher Überversorgung verlegt werden.  Auf diese Entscheidung des Bundessozialgerichts (Az: B 6 KA 31/15 R) hat die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Berlin hingewiesen. Sie sieht damit ihre Rechtsauffassung bestätigt. Eine Psychotherapeutin hatte dagegen geklagt. Das Urteil hat aber auch für andere Fachgruppen Bedeutung.

Ein „Letter of Intent“ des Gemeinsamen Landesgremiums in Berlin empfiehlt seit dem Jahr 2013 ein solches Vorgehen. Mit dem GKV-Versorgungsstrukturgesetz hatte die schwarz-gelbe Koalition 2012 auf Drängen der Bundesländer die Möglichkeit geschaffen, Landesgremien einzurichten, in denen die Vertreter der Selbstverwaltung in erster Linie Empfehlungen zu sektorenübergreifenden Versorgungsfragen in den Regionen abgeben können, aber nicht müssen.

Kritik: schwierige Arbeit lieber besser bezahlen

In Berlin wurden nach Angaben der KV mittlerweile in mehr als 180 Fällen Vertragsarztsitze und Vertragspsychotherapeutensitze in schlechter versorgte Verwaltungsbezirke verlegt. Diese Steuerung war von Anfang an umstritten, nicht nur wegen juristischer Aspekte. Viele Fachleute sind der Auffassung, dass man Ärztinnen und Ärzte, die sich in Bezirken mit einer schwierigen Sozialstruktur niedergelassen haben, lieber besser honorieren und ihre Arbeit durch kommunale Zusatzangebote unterstützen solle, statt ihnen einen Umzug zu verbieten.

Der Vorstand der KV Berlin, Dr. med. Uwe Kraffel, hatte seinerzeit erläutert, der Zulassungsausschuss sei sowieso nach der Zulassungsverordnung für Ärzte verpflichtet zu prüfen, ob Erfordernisse der vertragsärztlichen Versorgung einer Praxisverlegung entgegenstehen. Bereits seit 2012 lasse er deshalb Umzüge in gut versorgte Bezirke nicht mehr zu. Den Umzug der klagenden Psychotherapeutin hatte der Zulassungsausschuss versagt mit dem Hinweis, der psychotherapeutische Versorgungsgrad betrage in Berlin-Neukölln nur 87,7 Prozent, in Tempelhof-Schöneberg aber 344 Prozent.

NAV: Berufsfreiheit wird massiv eingeschränkt

Der Vorsitzende der Landesgruppe Berlin/Brandenburg des NAV-Virchow-Bundes, Dipl.-Med. Mathias Coordt, kritisierte die Haltung der KV. Sie gehe „mit einer immer härteren Gangart gegen die eigenen Kollegen vor“, so Coordt. „Die KV-Spitze unterstützt einen fragwürdigen Kurs und nimmt dabei in Kauf, dass die Berufsfreiheit der niedergelassenen Ärzte massiv eingeschränkt wird.“

Das BSG-Urteil, nach dem eine Psychotherapeutin ihre Praxis trotz guter Verkehrsanbindungen nicht von Neukölln ins benachbarte Tempelhof-Schöneberg verlegen dürfe, zeige einmal mehr die grundsätzliche Problematik, so der NAV-Landesgruppenchef: „Die Stadtbezirke sind keine geeignete Abgrenzung für die Beurteilung der Versorgungslage.“ Er forderte die KV deshalb auf, eine Bedarfsplanung auf den Weg zu bringen, die die tatsächliche Versorgungssituation, den Versorgungsbedarf, die tatsächliche Inanspruchnahme und die zukünftige soziodemografische Entwicklung der Bevölkerung abbilde.

Sabine Rieser

Bild: Blackosaka/Fotolia

KV-Vorstand Metke: Kein neuer EBM – Präsenz für Notfallpatienten

Berlin, 5. August 2016 – „Wir wollen in Baden-Württemberg keinen neuen EBM. Wir haben doch kein Problem mit dem EBM, wir haben Probleme mit der Geißel der Budgetierung.“ Diese Meinung vertritt Dr. med. Norbert Metke, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Baden-Württemberg, im Interview mit BVOU.net, dem Online-Informationsangebot des Berufsverbands für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU).

Metke kündigt zudem an, die KV Baden-Württemberg wolle „ein breites Versorgungsangebot schaffen“, damit Patienten während der Sprechstundenzeiten nicht weiterhin in die Notaufnahme von Krankenhäusern gehen. Patienten sollten in Mitverantwortung genommen werden, fordert er: „Der beste Lösungsansatz wäre natürlich, dass der Patient einen Eigenanteil übernimmt, wenn er eigenmächtig ein Krankenhaus ansteuert, ohne ein stationärer Notfall zu sein.“

Zum Thema KV-Wahlen betont Metke: „Wenn man die Richtung der KV mitbestimmen will, dann sollte man wählen gehen.“ In einer Tour-de-Ländle habe der KV-Vorstand in Baden-Württemberg für die Wichtigkeit der Wahl geworben: „Wir haben aktuelle Probleme der Kolleginnen und Kollegen aufgegriffen und daraus abgeleitet, warum sie ein Interesse an den Aufgaben der KV haben sollten.“

Der BVOU informiert bereits seit Juni auf BVOU.net über die KV-Wahlen. Im Mittelpunkt stehen Interviews mit Kandidaten aus Orthopädie und Unfallchirurgie: Warum treten sie an? Was wollen sie erreichen? Was tun sie gegen berufspolitischen Frust? Ergänzt wird das Angebot durch Wahlaufrufe, Links zu den KV-Wahlinfos und Wahlergebnisse.

Das Interview mit Dr. med. Norbert Metke im Wortlaut

Mehr Informationen zu den KV-Wahlen und allen Interviews

Der BVO(U) – Geschichte des Berufsverbandes Orthopädie und Unfallchirurgie

Berlin – Anlässlich des 65. jährigen Jubiläums haben wir aus den Archiven und zahlreichen Artikeln und Protokollen begonnen, die Geschichte und Entwicklung des Verbandes aufzuzeichnen.

I. Gründung

II. Definition

III. Verbandstruktur und deren Entwicklung

IV. Satzungen und Geschäftsordnungen

V. Akademie Deutsher Orthopäden

VI. Fortbildungen und Kongresse

VII. O-Days, Orthopädentage, Januartagungen

VIII. Publikationen

IX. Gebührenordnungen

X. Projekte und Umfragen (Kampagnen)

XI. Versorgungsforschung

 

Stand: 18.10.2016

KV-Wahl: Gut machen, was man übernommen hat

Heilbronn – Die Zusammenarbeit liegt Dr. Frido Mütsch – die Praxis, in die er 1986 eintrat, war eine der ersten Gemeinschaftspraxen in Baden-Württemberg. Für die Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Vereinigung kandidiert er, um „ein wertvolles System zu erhalten“.

7 Fragen an Dr. Frido Mütsch

BVOU.net: Warum kandidieren Sie für die Vertreterversammlung (VV)?
Mütsch:
Seit vielen Jahren bin ich als Chirurg und Unfallchirurg in einer Gemeinschaftspraxis niedergelassen und auch berufspolitisch aktiv im ANC Baden-Württemberg. Ich bin dankbar für die Leistungen meiner Vorgänger in der Berufspolitik – und überzeugt vom Miteinander der Haus- und Fachärzte sowie von Kollektiv- und Selektivverträgen. Deshalb möchte ich meinen Beitrag dazu leisten, dieses wertvolle System zu erhalten und zukunftsfähig weiterzuentwickeln.

BVOU.net: Wofür steht Ihre Liste?
Mütsch: Die Facharztliste steht für die Vertretung der fachärztlichen Interessen in der KV Baden-Württemberg, in einem fairen Miteinander mit den Hausärzten und dem Medi-Verbund.

BVOU.net: Wofür wollen Sie sich engagieren, wenn Sie gewählt werden?
Mütsch: Für die berechtigten Interessen der Unfallchirurgen und Orthopäden als ambulante Operateure und Belegärzte.

BVOU.net: Welches Versorgungsthema wollen Sie dann vor allem vorantreiben?
Mütsch: Vernetzung der Praxen von Hausärzten und Fachärzten mit Krankenhäuser für ein bürokratiearmes und effizientes Miteinander.

BVOU.net: Und welches Honorarthema wollen Sie vorantreiben?
Mütsch: Vergütung der ambulanten Operationen und Begleitleistungen, belegärztliche Vergütungen.

BVOU.net: Wie wollen Sie es schaffen, Zeit für die Arbeit in der VV zu erübrigen?
Mütsch: Seit Mai habe ich eine Entlastungsassistentin.

BVOU.net: Wie motivieren Sie sich, wenn Sie einmal gar keine Lust auf Berufspolitik haben?
Mütsch: Durch Pflichtbewusstsein: Wenn man ein Amt übernommen hat, muss man es auch recht machen.

Das Interview führte Sabine Rieser. Der BVOU wird in den nächsten Wochen regelmäßig Interviews mit Orthopäden und Unfallchirurgen veröffentlichen, die für die KV-Wahlen kandidieren.

Weiterführende Informationen:

KV-Wahlen 2016: Alle wichtigen Informationen im Überblick

Weitere Interviews:

KV-Wahlen 2016: Die Kandidaten aus O und U im Gespräch

Bild: Dr.Frido Mütsch

Umfrage zur Prävention von Sportverletzungen gestartet

Frankfurt am Main/Köln – In wenigen Tagen beginnen die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro. Athleten aus aller Welt werden dort ihr Können in 28 verschiedenen Disziplinen messen und versuchen, für eine Medaille Höchstleistungen zu erzielen. Doch besonders im Hochleistungssport besteht stets auch das Risiko, sich zu verletzen. Um Sportverletzungen künftig besser vorbeugen zu können, haben der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) und die Kliniken Köln eine gemeinsame Studie gestartet, die dabei helfen soll, gezielte Präventionsprogramme zu entwickeln.

Leiter und Initiator der Studie ist der ehemalige Judoka und heutige Assistenzarzt der Klinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Sporttraumatologie im Krankenhaus Merheim der Kliniken Köln, Christophe Lambert. Verletzungen waren für ihn während seiner Zeit als Leistungssportler keine Seltenheit. „Während meiner Karriere als Judoka hatte ich insgesamt sechs Operationen. Dennoch konnte ich dank guter medizinischer Versorgung internationale Erfolge erringen und an den Olympischen Spielen in London teilnehmen“, sagt er.

„Grundvoraussetzung für eine sportliche Karriere ist die Gesundheit. Leider gefährden Verletzungen die langfristige Leistungsentwicklung“, erklärt Dr. Michael Vesper, Vorstandsvorsitzender des DOSB und Chef de Mission der Deutschen Olympiamannschaft.

Mit Hilfe einer Online-Umfrage wollen der DOSB und die Kliniken Köln deshalb zunächst die Risikofaktoren und typischen Verletzungen innerhalb verschiedener Sportarten erfassen. Im Fokus stehen dabei die olympischen Sommersportarten. Die Ergebnisse der Umfrage sollen dann an der Trainerakademie Köln des DOSB ausgewertet und zur Entwicklung sportartenspezifischer Präventionsprogramme genutzt werden.

„Bevor wir die Präventionsprogramme gezielt für jede Sportart entwickeln können, benötigen wir zuerst eine große Menge an Daten als Basis. Aus diesem Grund ist jeder Teilnehmer wichtig“, erklärt Christophe Lambert. Er und Vesper laden jeden Sportler dazu ein, an der zehnminütigen Umfrage teilzunehmen. Sowohl Breitensportler als auch Leistungssportler unterschiedlichen Alters können sich an der Studie beteiligen.

Anne Faulmann/DOSB

Weitere Informationen zur Studie finden Sie hier.

Um an der Umfrage teilzunehmen, klicken Sie hier.

Bild:
Christophe Lambert im Abschlusstrainingslager der Judo-Nationalmannschaft für die Olympischen Spiele 2012 in London, Bundesleistungszentrum Kienbaum bei Berlin (Quelle: Wolfgang Ernst, Wikimedia Commons)

Interview KV-Vorstand Dr. Metke: „Das alles machen wir für Euch“

Stuttgart – Die Kollegen aus O + U sind eine „sehr starke, qualifizierte und einflussreiche Gruppe“ in den Gremien der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Baden-Württemberg, sagt deren Vorstandsvorsitzender Dr. Norbert Metke. Metke ist Facharzt für Orthopädie, Unfallchirurgie und Rehabilitationswesen. Der KV-Vorstand über seine Tour-de-Ländle als Werbung für die laufende KV-Wahl, warum ein neuer Einheitlicher Bewertungsmaßstab (EBM) derzeit unnötig ist und weshalb ein kollegiales Gespräch mit den Krankenhäusern über Notfallpatienten überfällig ist.


BVOU.net: Herr Dr. Metke, was tut die KV Baden-Württemberg dafür, dass die Beteiligung an der nächsten KV-Wahl möglichst hoch ausfällt?

Norbert Metke: Wir versuchen die Kolleginnen und Kollegen unter anderem damit von der Wichtigkeit der KV-Wahl zu überzeugen, dass wir eine umfangreiche Tour-de-Ländle als KV Baden-Württemberg veranstaltet haben. Wir waren dafür in 16 Bezirken und haben uns als Vorstand vorgestellt. Aus diesem Anlass haben wir auch aktuelle Probleme der Kolleginnen und Kollegen aufgegriffen und daraus abgeleitet, warum sie ein Interesse an den Aufgaben der KV haben sollten: Wir sind zuständig fürs Honorar und die Honorarverteilung, für Wirtschaftlichkeitsprüfungen, Qualitätssicherungen und anderes.
Unsere Botschaft ist: Das alles machen wir für Euch. Manche sagen auch: gegen Euch. Auf jeden Fall gilt: Wenn man die Richtung der KV mitbestimmen will, dann sollte man wählen gehen – denn das KV-Wahlergebnis bestimmt die Richtung der KV.

BVOU.net: Ähneln sich die Fragen – oder interessieren die Ärzte bei Ihrer Tour-de-Ländle immer unterschiedliche Themen?
Metke:  Sie ähneln sich. Zuletzt betrafen viele Fragen die Überschreitung des individuellen Heilmittelbudgets. Da hatten wir ein Problem und mussten viele Ärzte warnen. Ansonsten diskutieren wir immer dieselben Themen: GOÄ-Reform, EBM-Reform, Honorar allgemein – und in Baden-Württemberg derzeit auch richtgrößenablösende Regelungen. Ganz wichtig ist vielen auch das  Anti-Korruptionsgesetz mit seinen Auswirkungen.

BVOU.net: Kommen zu den Terminen eher KV-kritische Ärztinnen und Ärzte?
Metke: Das würde ich nicht sagen. Der KV-Vorstand hat den Eindruck, dass die Kolleginnen und Kollegen derzeit relativ zufrieden sind. Die strittigen Themen, die am Anfang meiner Amtszeit diskutiert wurden, nämlich Honorarverfall, Existenznöte, chaotische Zustände im Bereitschaftsdienst, zu wenig Repräsentation durch die KV – an denen haben wir gearbeitet. Die werden aktiv nicht mehr angesprochen.

Das Anti-Korruptionsgesetz hat zu tiefer Verunsicherung beigetragen

BVOU.net: Und was treibt die Ärzte noch um?
Metke:  Im Moment ist es das Anti-Korruptionsgesetz. Viele sehen sich unter Generalverdacht gestellt und haben Angst, dass auch sogenannte normale Handlungen schon unter Korruptionsverdacht stehen. Das Gesetz hat zu einer tiefen Verunsicherung der Ärzteschaft beigetragen. Das müssen wir jetzt erst einmal bewältigen.

BVOU.net: Wie gehen Sie damit um?
Metke:
  Wir haben eine erste Information auf unserer Homepage eingestellt und werden im Verlauf des Sommers zusammen mit der Landesärztekammer Baden-Württemberg und Staatsanwälten eine Informationsbroschüre herausgeben zu dem, was erlaubt ist und was nicht.

BVOU.net: Wie läuft die Wahl bisher?
Metke:  Wir mussten ja die Wahlfrist verlängern, weil wir einen Teil der Unterlagen neu drucken mussten. Wie die Wahlbeteiligung sich nun entwickeln wird, erfährt der KV-Vorstand aber grundsätzlich nicht.

BVOU.net: Wie hoch war die Wahlbeteiligung bei Ihnen denn das letzte Mal?
Metke:
  Wir lagen bei rund 50 Prozent, was nicht schlecht ist. Damals war aber das Honorardesaster in Folge des damals neuen EBM ein heftig diskutiertes Thema, und schon deshalb war die Mobilisierung hoch.

BVOU.net: Wer ist besonders schwer zum Wählen zu bewegen?
Metke:
Es gibt Kolleginnen und Kollegen, die meinen: Meine eine Stimme bewegt doch nichts. Das ist aber falsch, denn indem ich wähle, kann ich am Ende schon Richtungen in der KV beeinflussen. Ich kann einerseits nachvollziehen, dass sich mancher Arzt von den Gesamtbürokratismen des Systems so erschlagen fühlt, dass er findet: Jetzt nicht noch etwas ausfüllen. Da muss man Richtgrößen kennen, an den Rote-Hand-Brief denken, das Honorar könnte noch besser sein – manch einer hat erst einmal keine Lust, sich auch noch mit berufspolitischen Themen zu befassen und sich mit den KV-Wahlen auseinanderzusetzen.

Wir haben eine im positiven Sinn politisierte Ärzteschaft

Andererseits haben wir eine im positiven Sinn politisierte Ärzteschaft bei uns in Baden-Württemberg, also sehr aktive Berufsverbände und Berufsorganisationen, ob Hausarztverband, Facharztverbände, Medi oder andere. Sie alle mobilisieren ihre Mitglieder. Aber auch deren Appelle erreichen eben nicht jeden. Hinzu kommt, dass ein Teil unserer Mitglieder ja schon am Ende seines Berufslebens steht und vielleicht denkt: Na, die letzten paar Jahre wird schon noch alles funktionieren.

BVOU.net: BVOU-Präsident Flechtenmacher wird nicht müde zu betonen, dass man sich zur Wahl stellen oder wenigstens wählen gehen sollte, damit das eigene Fach tatsächlich in den KV-Gremien repräsentiert wird. Wie bewerten Sie das?
Metke:
  Vertreter von O + U sind zahlenmäßig sehr gut in den verschiedenen Gremien der KV repräsentiert. Ich empfinde diese Kollegen als sehr starke, qualifizierte und einflussreiche Gruppe.

BVOU.net: Was bringt es dem KV-Vorstand, wenn viele Facharztgruppen in den KV-Gremien vertreten sind?
Metke:  Man ist sicher in seinen Entscheidungen. Und da wir eine sehr enge Gremienrückkoppelung haben, gerade mit den Fachausschüssen, garantiert die Rückkoppelung mit möglichst vielen Facharztgruppen, dass man als KV-Vorstand Entscheidungen trifft, die akzeptiert werden – sowohl von der Vertreterversammlung wie von der gesamten niedergelassenen Ärzteschaft.

Wir haben kein Problem mit dem EBM, sondern mit der Geißel der Budgetierung

BVOU.net: Welche Themen werden Ihrer Meinung nach in der nächsten Legislaturperiode besonders wichtig werden?
Metke: Da müssen Sie trennen zwischen Bundes- und Landesthemen. Was die Bundesthemen anbelangt, so ist unser großes Anliegen: Wir wollen in Baden-Württemberg keinen neuen EBM. Wir haben doch kein Problem mit dem EBM, wir haben Probleme mit der Geißel der Budgetierung. Einen neuen EBM einzuführen, ohne dass mehr Geld zur Verfügung gestellt wird, ist unnötig.
Ein neuer EBM bedeutet immer einen riesigen Aufwand innerhalb der Praxis. Sie müssen selbst umdenken, Sie müssen die Helferinnen informieren, Sie brauchen neue Software, die viel Geld kostet, und Sie bekommen erhebliche Kalkulationsunsicherheiten in der Praxis. EBM-Reformen bei Budgetneutralität führen immer zu Umverteilungen zwischen und innerhalb der Fachgruppen. Und das brauchen wir nicht. Ich meine, dass man sich auf Basis eines breiten Konsenses erst einmal der Budgetierungsfrage annehmen muss. Wenn dieses Problem gelöst ist, braucht man sicher auch einen neuen EBM – aber in dieser Reihenfolge, nicht in einer anderen.

BVOU.net: Und was sind für Sie KV-spezifische Themen für die nächste Legislaturperiode?
Metke:
Dazu zählt für mich die Richtgrößenablösung. Die planen wir, zunächst für den Bereich der Arzneimittel. Wir wollen da die Praxisindividualität berücksichtigten, also quasi rund 20.000 individuelle Praxis-Richtgrößen errechnen. Dahinter steckt die Überlegung, dass man so die Patientenmorbidität und Versorgungschwerpunkte einer Praxis angemessen abbilden will und diese nicht durch hohe Regresse bestrafen. Da sind wir in den Verhandlungen mit den Krankenkassen auch sehr weit. Ob wir die Heilmittel-Richtgrößen zusätzlich angehen, ist in der Diskussion.
Außerdem wollen wir neue Prüfvereinbarungen vorsehen, die Amnestiezeiträume vorsehen. Das muss man sich in etwa vorstellen wie das Flensburger Modell für Autofahrer. Ein weiteres Aufgabenfeld ist zweifelsohne, dass die Bürger sich zunehmend über Beratungsportale im Internet informieren, die niedergelassene Ärzteschaft aber derzeit in diesen Beratungsportalen nicht sichtbar ist.
Wir wollen uns zudem der Situation annehmen, dass immer mehr Patienten während der Praxisöffnungszeiten in Klinikambulanzen gehen. Im Krankenhausstrukturgesetz ist ja vorgesehen, dass die Krankenhausvergütung für ambulante Leistungen angehoben werden soll zulasten der budgetierten Gesamtvergütung. Wir wollen deshalb ein breiteres Versorgungsangebot schaffen, damit Patienten während der Sprechstundenzeiten nicht weiterhin in die Notaufnahme gehen, sondern in die präsente ambulante Praxis. Und wir wollen fordern, dass Patienten in Mitverantwortung genommen werden für die von ihnen veranlassten Leistungen.

BVOU.net: Sie haben doch in Baden-Württemberg Bereitschaftsdienstpraxen an Krankenhäusern eingeführt, in denen Patienten, die keine stationären Notfälle sind, von Niedergelassenen versorgt werden.
Metke:
Ja, wir haben das in Deutschland größte System für solche Praxen während der sprechstundenfreien Zeiten. Wir betreiben 120 Notfalldienstpraxen, von denen ca. 100 Eigenbetriebe der KV sind.
Im Referentenentwurf des Krankenhausstrukturgesetzes war vorgesehen, dass die KVen auch während der Sprechstundenzeiten verpflichtet werden, sogenannte Portalpraxen an Krankenhäusern zu unterhalten. Das wären in Baden-Württemberg mehr als 250 gewesen, weil wir so viele Krankenhäuser haben. Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens ist diese Verpflichtung aber verworfen worden. Das Gebot der Portalpraxen gilt nur noch für die Abendstunden und fürs Wochenende.

Vollabklärung eines Notfalls in der Klinik ist nicht in jedem Fall nötig

BVOU.net: Wie wollen Sie Patienten von den Rettungsstellen der Krankenhäuser fernhalten?
Metke:
Der beste Lösungsansatz wäre natürlich, dass der Patient einen Eigenanteil übernimmt, wenn er eigenmächtig ein Krankenhaus ansteuert, ohne ein stationärer Notfall zu sein. Wir stellen ja schließlich die ambulante Grundversorgung sicher, nicht zuletzt durch die 120 Notfallpraxen zu den sprechstundenfreien Zeiten. Und für die Sprechstundenzeiten sind wir gerade dabei, ein Konzept zu entwickeln, damit die Versorgung auf jeden Fall garantiert ist. Mit den Krankenhäusern muss man dann eben ein kollegiales Gespräch führen, dass eine Vollabklärung eines Notfalls in der Klinik nicht in jedem Fall notwendig ist, wenn man diese auch in den niedergelassenen Praxen vornehmen kann.

BVOU.net: Wird das kollegiale Gespräch gelingen?
Metke: Wir haben einen extrem steinigen, aber auch einen extrem erfolgreichen Weg bei der Etablierung der Notfalldienstpraxen hinter uns. Deshalb gehen wir davon aus, dass wir auch einen Konsens für die Problematik der Notfallversorgung am Tag finden werden. Den niedergelassenen Ärzten muss man darlegen: Wenn wir nichts machen, zahlen wir es. Im Schwäbischen verdient man aber lieber etwas, als etwas auszugeben.

(Das Interview führte Sabine Rieser)

Alle Informationen zu den KV-Wahlen im Überblick

Leserkommentare


Dr. med. Wolfgang Stutz, Offenburg:

Wenn die Kollegen aus O + U tatsächlich so eine „sehr starke, qualifizierte und einflussreiche Gruppe“ in den Gremien der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Baden-Württemberg wären wie Herr Metke behauptet, hätten wir nicht weiterhin einen so lächerlich niedrigen Fallwert der Fachgruppe.

Darüber bin ich nicht halb so amused wie Herr Metke immer von seinem Standardkonterfei grinst.

Was immer die Truppe aus O + U in der KV angeblich alles für uns macht, es verbessert unsere wirtschaftliche Situation nicht.

Daher fühle ich mich durch diesen Beitrag verhöhnt! Und mit dieser Meinung stehe ich nicht alleine da.

Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Stutz

Interview: „Dieses Verfahren ist bisher weltweit einmalig“

Kassel – Bei einem Komplettverlust der Patella aufgrund einer Infektion oder eines schweren Traumas gab es bisher nicht viele Möglichkeiten, dem Patienten zu einer neuen Kniescheibe und erneut zum schmerzfreien Gehen zu verhelfen. Dank einer weltweit bisher einmaligen Kombination aufwendigster plastisch-mikrochirurgischer Verfahren und orthopädischer Gelenkendoprothetik hat ein Chirurgenteam einer 51-jährigen Patientin nun genau dies ermöglicht. Die neue Methode zur kompletten Rekonstruktion der Patella aus körpereigenem, durchblutetem Knochenmaterial wurde gemeinsam von dem Plastischen Chirurgen Prof. Dr. Goetz A. Giessler aus Kassel und dem Orthopäden Prof. Dr. Christian Hendrich aus Werneck entwickelt. BVOU.net sprach mit Giessler über das neue, maßgeschneiderte Verfahren, die Vorteile für den Patienten und Herausforderungen für den Operateur.

BVOU.net: Prof. Dr. Giessler, welche Folgen kann der komplette Verlust der Patella für den Patienten haben und welche Möglichkeiten des Patellaersatzes stehen Chirurgen bisher zur Verfügung?
Prof. Dr. Goetz A. Giessler: Es gibt durchaus Patienten, die auch ohne Kniescheibe zurechtkommen, aber die meisten haben doch erhebliche Probleme damit. Oft sind ein erheblicher Kraftverlust, Instabilität und vor allem Schmerzen die Folge. Die erste Möglichkeit des Patellaersatzes ist die Transplantation eines nicht vaskularisierten, körpereigenen Knochenblocks. Dieser wird unter dem Ligament eingesetzt – also dort, wo die Patella normalerweise sitzt. Darauf wird dann ein Gleitflächenersatz zementiert. Das Problem dabei ist, dass dieser Knochenblock nicht durchblutet wird. Dies kann dazu führen, dass er durch den entstehenden Druck resorbiert wird, dass er sich infiziert oder bricht, also einfach mechanisch versagt. Die zweite Möglichkeit wäre, einen fremden Knochenblock, also ein Allotransplantat von einem verstorbenen Spender zu verwenden. Doch hier ist das Risiko von Infektionen und der Resorption des Transplantats noch größer.

Wie sind Sie und Ihr Kollege, Prof. Dr. Hendrich, bei der Rekonstruktion der Patella vorgegangen, und welche Vorteile hat das neue Verfahren?
Prof. Dr. Goetz A. Giessler: Grundsätzlich ist es so, dass es bei einer Arthrose der Patellarückfläche die Möglichkeit gibt, einen prothetischen Ersatz vorzunehmen. In den meisten Fällen ist dafür noch ein gewisser Knochenrest vorhanden, auf den der entsprechende Titansockel und darauf der Gleitflächenersatz aus Teflon gesetzt werden kann. Wenn allerdings überhaupt kein Knochen mehr vorhanden ist, wie im Falle unserer Patientin, kann man den Sockel aus Titan nicht einfach mit dem Band verbinden. Es ist irgendeine Art Knochensockel notwendig, damit die Prothese einheilen kann. Aufgrund der bereits genannten Nachteile von nicht vaskularisierten Transplantaten wollten wir bei unserer Patientin einen durchbluteten Knochen verwenden. Ein vitaler, durchbluteter Knochen ist immer dynamisch, das heißt, er passt sich der Belastung an. Außerdem heilt er viel schneller ein und ist infektresistenter.

Auf Basis einer Computertomographie der gesunden Patella, die wir virtuell gespiegelt haben, wurde ein 3-D-gedrucktes Modell aus Kunststoff angefertigt. So hatten wir eine gute Vorstellung von der Dimension, die das Knochentransplantat haben musste. Es musste ausreichend groß und stabil sein. Da die Kniescheibe relativ weit weg ist von den meisten nutzbaren Empfängergefäßen, brauchten wir außerdem einen möglichst langen Gefäßstiel. Aufgrund der Form der Patella haben wir uns für die Schulterblattspitze entschieden, die einen sehr langen Gefäßstiel hat, der üblicherweise für Gesichtsrekonstruktionen oder für Rekonstruktionen an der oberen Extremität verwendet wird.

Außerdem war es uns wichtig, eine Situation zu schaffen, in der wir zu jedem Zeitpunkt auch wieder zurück konnten, falls etwas nicht funktioniert oder es zu Komplikationen kommt. Deswegen haben wir nicht in einem Schritt transplantiert, sondern ein abgestuftes Verfahren angewendet. Zunächst haben wir den Implantatsockel in die Schulterblattspitze eingesetzt und diesen einheilen lassen. Daraufhin hat die Patientin dann eine Kniegelenksprothese eingesetzt bekommen – erst einmal ohne Gleitflächenersatz der Patella. Anschließend hat sie eine Rehabilitationstherapie erhalten, bis sie die optimale Beweglichkeit im Kniegelenk wiedererlangt hatte. In der Zwischenzeit hatte sich der Titansockel mit dem Schulterblattknochen perfekt verbunden. Nun konnten wir die Patientin erneut operieren: Wir haben ihr das Knochentransplantat samt Titansockel und Gefäßstiel an der Schulter entnommen und darauf die Teflongleitfläche zementiert. Dann haben wir dieses gesamte Modulsystem unter die Strecksehne genäht und haben mikrochirurgisch die Gefäße angeschlossen. Nach einer Ruhigstellung von sechs Wochen konnte die Patientin erneut mit der Physio- und Rehabilitationstherapie beginnen. Inzwischen läuft sie beschwerdefrei und ist wieder in ihrem alten Beruf integriert und sehr glücklich mit dem Ergebnis. Inklusive der Reha hat die gesamte Behandlung insgesamt etwa sieben Monate gedauert.

Das Besondere an unserer Vorgehensweise ist, dass wir aus drei verschiedenen Modulen – der Schulterblattspitze samt Gefäßstiel, dem Prothesensockel aus Titan und der Teflongleitfläche – ein präfabriziertes Hybridtransplantat entwickelt haben. Dieses Verfahren ist in der Orthopädie bisher weltweit einmalig und bringt für den Patienten ein individualisiertes, optimales Ergebnis.

Welche Herausforderungen birgt die neue Methode für den Operateur?
Prof. Dr. Goetz A. Giessler: Einerseits erfordert das Verfahren eine hohe fachliche Expertise in den verschiedenen Disziplinen. Aus plastisch-chirurgischer Sicht sollte man Experte in der Mikrochirurgie sein und sehr gut mit den gefäßgestielten Knochentransplantationen vertraut sein. Auf orthopädischer Seite ist die Expertise im Bereich der Prothetik besonders wichtig, um zwischen den verschiedenen Prothesentypen die beste für den Patienten auswählen zu können. Zudem ist in der ortho-plastischen Chirurgie eine gewisse Kenntnis der benachbarten Fachdisziplinen von Bedeutung, wenn man für den Patienten alle Register ziehen möchte. Man sollte die Methoden des anderen Fachs kennen, wenn nicht gar beherrschen und mit deren Vor- und Nachteilen vertraut sein. Auf der anderen Seite ist vor allem eine gute Kommunikation zwischen den Disziplinen notwendig. Alles muss klar besprochen und ein entsprechender Behandlungsplan aufgestellt werden.

Sind bereits weitere Eingriffe mit dem neuen Verfahren geplant? Für welche Patienten kommt es in Frage?
Prof. Dr. Goetz A. Giessler: Grundsätzlich ist das Verfahren für jeden Patienten ohne Patella geeignet, der eine Kniegelenksprothese möchte oder braucht. Voraussetzung dafür ist, dass er Nichtraucher ist und dass er ein gesundes Schulterblatt ohne vorherige Verletzungen oder Frakturen hat. Ich würde das Verfahren sofort wieder anbieten, wenn der entsprechende Fall da ist, denn es verlief alles sehr reibungslos und ohne Probleme. Aber diese Fälle sind Gott sei Dank sehr selten. Nur in Einzelfällen muss die gesamte Patella aufgrund eines massiven Traumas oder einer Infektion entfernt werden. In der Regel bleibt noch ein gewisser Knochen übrig, an den man die Prothese unmittelbar anbringen kann. Bei den nächsten Patienten, für die das neue Verfahren in Frage kommt, würde ich die Behandlung direkt im Rahmen einer Studie durchführen und die Patienten nach den Eingriffen mittels eines Knie-Scores untersuchen, denn es gibt insgesamt nur sehr wenige Publikationen zu diesem Thema oder den möglichen Alternativverfahren.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Anne Faulmann.

„Zeigt her Eure Füße“: Mitmachen – auch im verflixten siebten Jahr

Berlin – BVOU-Präsident Dr. Johannes Flechtenmacher appelliert an alle Kolleginnen und Kollegen, sich an der Orthofit-Aktion „Zeigt her Eure Füße“ Ende November zu beteiligen. „Besuchen Sie Grundschulen oder Kitas, Vereine oder Tanz- und Ballettschulen, und informieren Sie spielerisch darüber, was Kindern und ihren Füßen guttut“, so Flechtenmacher. „Sorgen Sie durch Ihr Engagement vor Ort dafür, dass unsere bewährte Aktion auch im verflixten siebten Jahr wieder ein Erfolg wird.“

Der BVOU-Präsident ist überzeugt, dass die Aktion „Zeigt her Eure Füße“ noch immer eine positive Außenwirkung hat, die nicht zu unterschätzen ist. Sie symbolisiert: Die Fachgruppe der Orthopäden und Unfallchirurgen ist eine starke Gemeinschaft, die etwas auf die Beine stellt und sich auch abseits der Praxen engagiert. Deshalb ist eine hohe Teilnahmequote quer durch ganz Deutschland wichtig.

Im vergangenen Jahr war das Interesse vieler Grundschulen an der 45-minütigen Aufklärungsaktion so groß, dass nicht an alle ein Orthopäde vermittelt werden konnte. Deshalb forciert der BVOU in diesem Jahr seine Anstrengungen. Wer teilnehmen möchte, wird von der Geschäftsstelle unterstützt: Es gibt ein praktisches Kurzkonzept, das man der Grundschule seiner Wahl vorlegen kann. Auch ein Einwilligungsbogen für die Eltern liegt vor. Wenn klar ist, wie viele Klassen und Schüler vor Ort sein werden, liefert der BVOU die passende Menge Informationsmaterial.

Und nicht zuletzt: Für die Gestaltung der bewegten Schulstunde gibt es auf der BVOU-Homepage Anregungen, Videos und Hinweise auf die unterschiedlichsten Übungen. „Machen Sie mit“, bittet der BVOU-Präsident. „Zeigen Sie, was orthopädische Vorsorge schon im Kleinen leisten kann – melden Sie sich für die Kampagne ,Zeigt her Eure Füße‘ vom 21. bis 25. November 2016 an.“                                                            Sabine Rieser

www.aktion-orthofit.de