Archiv für den Monat: April 2017

Neuer EBM wird auf 2019 verschoben

Berlin – Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und der GKV-Spitzenverband haben die Reform des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs (EBM) verschoben. Laut neuem Zeitplan soll der Bewertungsausschuss die geplanten Änderungen nun bis zum 30. September 2018 beschließen, sodass ein neues Regelwerk ab 1. Januar 2019 gelten könnte. „Wir bedauern die Verschiebung ausdrücklich”, erklärte Dr. Johannes Flechtenmacher, Präsident des Berufsverbandes für Orthopädie und Unfallchirurgie. „Eine Korrektur des bestehenden EBM ist dringend notwendig, um die Leistungen des Fachs adäquat und honorartechnisch gerecht darstellen zu können.“

Kostenanalyse des Statistischen Bundesamts abwarten

Eigentlich sollte der weiterentwickelte EBM zum 1. Juli 2017 in Kraft treten. Die Komplexität der Überprüfung des EBM sowie die fristgerechte Umsetzung gesetzlicher Aufträge machten allerdings eine Verschiebung des geplanten Termins erforderlich, heißt es in der Begründung des Beschlusses. Zudem seien Anpassungen des EBM laut KBV auf einer möglichst aktuellen Datengrundlage vorzunehmen. Daher sollten die neuesten Kostenstrukturerhebungen des Statistischen Bundesamtes in Praxen einbezogen werden, die für Herbst zu erwarten sind.

Ziel der Weiterentwicklung sei es, das Leistungsspektrum der Praxen sowie den veränderten Versorgungsbedarf der Versicherten besser im EBM abzubilden. Dazu sollen auf Wunsch einiger Fachgruppen beispielsweise Leistungen aus Pauschalen herausgenommen und wieder einzeln vergütet werden, so die KBV. Ferner seien Anpassungen bestehender Gebührenordnungspositionen vorgesehen.

Ein weiteres Anliegen sei, die betriebswirtschaftliche Kalkulationsmethode weiterzuentwickeln. Im Ergebnis sollen sämtliche Leistungen neu bewertet werden. Thema ist dabei auch das kalkulatorische Arztgehalt, das aus Sicht der KBV dringend erhöht werden muss.

SpiFa fordert mehr Geld

Die Verschiebung der EBM-Reform müsse deutlich mit der Forderung nach mehr Geld verbunden werden, kommentierte Axel Schroeder, Vorstandsmitglied des Spitzenverband Fachärzte Deutschlands e.V. (SpiFa) den neuen EBM-Zeitplan. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass die grundversorgenden Fachärzte bis zu 30 Prozent ihrer Leistungen nicht bezahlt bekämen, verbiete sich eine Debatte um weitere interne Umverteilungen.

Neu seit 1. April: EBM-Änderungen im Überblick

Berlin – Am 1. April sind diverse Neuerungen im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) in Kraft getreten, die auch für Fachärzte in Orthopädie und Unfallchirurgie relevant sind. Die wichtigsten Änderungen und neuen Gebührenordnungspositionen (GOP), die von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und dem GKV-Spitzenverband beschlossen wurden, finden sich hier im Überblick.

Neue Regelungen zum Notfall- und Bereitschaftsdienst

Laut KBV erhalten Ärzte im Notfall- und Bereitschaftsdienst für besonders schwere und aufwändige Fälle seit dem 1. April eine höhere Vergütung. So gibt es für Fälle mit erhöhtem Behandlungsaufwand nun zwei Schweregradzuschläge: einen für Patienten mit schwerwiegenden Behandlungsdiagnosen (Tag: GOP 01223, Bewertung: 13,48 Euro (128 Punkte); Nacht/Feiertage: GOP 01224, Bewertung: 20,53 Euro (195 Punkte)) und einen für Patienten mit eingeschränkter Kommunikationsfähigkeit (GOP 01226, Bewertung: 9,48 Euro (90 Punkte)). Beide Zuschläge werden zu den Notfallpauschalen (GOP 01210 bzw. 01212) gezahlt.

Neu ist außerdem eine Abklärungspauschale für Patienten, die keine dringende Behandlung benötigen (Tag: GOP 01205, Bewertung: 4,74 Euro (45 Punkte); Nacht/Feiertage: GOP 01207, Bewertung: 8,42 Euro (80 Punkte)). Diese kann abgerechnet werden, wenn sich herausstellt, dass ein Patient keine Notfallbehandlung benötigt, sondern in der normalen Sprechstunde versorgt werden kann.

Krankenhausdirektoren kritisieren Abklärungspauschale

Der Verband der Krankenhausdirektoren Deutschlands (VKD) hat diese Neuregelung scharf kritisiert. „Patienten, bei denen – dem Anschein nach – eine reguläre ambulante Behandlung genügt, sollen sofort und ohne gründliche Untersuchung an einen niedergelassenen Arzt oder den ärztlichen Bereitschaftsdienst verwiesen werden. Für die Blitzabklärung sind rund zwei Minuten kalkuliert. Mehr jedenfalls wird dem Krankenhaus nicht vergütet“, so ihre Erläuterung in einer Pressemitteilung.

„In so kurzer Zeit kann ein Patient doch dem Arzt kaum seine Beschwerden schildern. Soll der Mediziner in der Notaufnahme nur kurz mal die Stirn fühlen und dann entscheiden?“ kritisierte VKD-Präsident Dr. Josef Düllings. Ein älterer Mensch habe zum Beispiel meist mehrere Krankheiten, die mit in Betracht gezogen werden müssten. Und was passiere, wenn ein niedergelassener Arzt keine Sprechstunde habe und die Bereitschaftspraxis ebenfalls geschlossen sei oder weit entfernt liegt? Keine ungewöhnliche Situation, vor allem in ländlichen Regionen.

KV-Vorstand: Patientensteuerung ist das Problem

Der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Hessen, Frank Dastych, hatte zu den neuen Ziffern beim DRG-Forum in Berlin Ende März Stellung genommen. Die neuen Ziffern seien kein Entgelt, wenn man den Patienten untersuchen müsse, sagte er. Sie seien nur gedacht als Vergütung, wenn ein Patient zu einem Mitarbeiter in der Notaufnahme etwa sage, er habe Rückenschmerzen und habe es nicht mehr zum Hausarzt geschafft. „Dann muss auch einmal die Message her, dass man nein sagen muss und sagen: Gehen Sie morgen oder am nächsten Werktag zum Hausarzt.“

Dastych räumte aber Schwierigkeiten mit der Notfallversorgung und ihrer Bezahlung für alle Beteiligten ein. Es sei das Beste, wenn KVen und Kliniken intelligente Kooperationsformen fänden, befand er: „Wir haben beide das zentrale gleiche Problem: Patientensteuerung. Zwar ist Deutschland eines der komplexesten regulierten Gesundheitswesen. Das einzige, was hier gar nicht reguliert ist, ist das Patientenverhalten.“ Man müsse aber gemeinsam Patienten steuern.

Neue telemedizinische Leistungen: Telekonsile und Videosprechstunde

Weiterhin wurden zum 1. April erstmals zwei telemedizinische Leistungen in die Regelversorgung aufgenommen: Telekonsile zwischen Ärzten bei der Befundbeurteilung von Röntgen- und CT-Aufnahmen sowie Online-Videosprechstunden. Hintergrund ist das E-Health-Gesetz, mit dem die Digitalisierung im Gesundheitswesen vorangetrieben werden soll. Die technischen Anforderungen für beide Verfahren haben KBV und GKV-Spitzenverband in den Anlagen 31a und 31b zum Bundesmantelvertrag-Ärzte festgehalten.

Vergütung von Telekonsilen

Für die Abrechnung der Telekonsile gibt es künftig vier neue GOP. Das Einholen einer telekonsiliarischen Befundbeurteilung von Röntgen- und/oder CT-Aufnahmen rechnen Ärzte über die GOP 34800 ab, sie erhalten dafür 9,58 Euro (Bewertung: 91 Punkte). Die Beauftragung wird für maximal 3,75 Prozent der Behandlungsfälle einer Praxis vergütet, in denen mindestens eine Röntgen- oder CT-Aufnahme berechnet wurde, für die ein Telekonsil grundsätzlich in Frage käme.

Für die Befundung der Aufnahmen werden drei neue GOP in den EBM eingeführt: eine für Röntgenaufnahmen (GOP 34810, Bewertung: 11,58 Euro (110 Punkte)) und zwei für CT-Aufnahmen (GOP 34820, Bewertung: 29,06 Euro (276 Punkte); sowie GOP 34821, Bewertung: 40,96 Euro (389 Punkte)). Die Finanzierung erfolgt extrabudgetär.

Ärzte können Telekonsile durchführen, wenn die medizinische Fragestellung nicht in das Fachgebiet des Arztes fällt, der das Telekonsil einholt. Auch bei Vorliegen einer besonders komplexen medizinischen Fragestellung, die eine telekonsiliarische Zweitbefundung erforderlich macht, ist eine Abrechnung möglich. Nicht berechnet werden können diese Leistungen innerhalb von Medizinischen Versorgungszentren, Apparategemeinschaften und ähnlichen Einrichtungen sowie im Rahmen des Mammographie-Screening-Programms.

Vergütung der Videosprechstunde

Laut den Beschlüssen von KBV und GKV-Spitzenverband sind sowohl Orthopäden als auch Chirurgen und Fachärzte für physikalische und rehabilitative Medizin berechtigt, Videosprechstunden durchzuführen und abzurechnen. Zur Deckung der Kosten für die notwendige Hard- und Software gibt es einen Technikzuschlag von 4,21 Euro (GOP 01450, Bewertung: 40 Punkte), der extrabudgetär vergütet wird. Dieser wird für bis zu 50 Videosprechstunden im Quartal gezahlt, auch mehrmals im Behandlungsfall.

Darüber hinaus können Ärzte für Fälle, bei denen der Patient in einem Quartal nicht die Praxis aufsucht und die Videosprechstunde die persönliche Vorstellung in der Praxis ersetzt, die neue GOP 01439 abrechnen. Diese ist mit 88 Punkten (9,27 Euro) bewertet und kann einmal im Behandlungsfall abgerechnet werden, wenn der Patient in den vorangegangenen zwei Quartalen mindestens einmal in der Praxis persönlich vorstellig geworden ist und die Verlaufskontrolle durch dieselbe Praxis erfolgt wie die Erstbegutachtung.

Außerdem wurde vereinbart, dass für eine Reihe von Gebührenordnungspositionen, die mindestens drei persönliche Arzt-Patienten-Kontakte im Behandlungsfall voraussetzen, einer dieser Kontakte auch im Rahmen einer Videosprechstunde stattfinden kann. Dies gilt unter anderem für die Behandlung von Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparates. Zu den Indikationen, bei denen die Videosprechstunde vergütet wird, zählen laut Bewertungsausschuss unter anderem visuelle Verlaufskontrollen von Operationswunden sowie von Bewegungseinschränkungen und -störungen des Stütz- und Bewegungsapparates.

Auch an diesen neuen GOP gab es Kritik. Viele Fachleute halten sie für viel zu niedrig angesetzt. Außerdem gibt es ihrer Meinung nach bei der verwendbaren Technik zu wenig Auswahl für Ärztinnen und Ärzte.

Anhang 2 an neue OPS-Version angepasst

Darüber hinaus wurde der Anhang 2 des EBM zum 1. April an die aktuelle Version des Operationen- und Prozedurenschlüssels (OPS) angepasst. Es wurden Textkorrekturen, Ergänzungen und Anpassungen vorgenommen sowie einige bestehende OPS-Kodes gestrichen und neue aufgenommen. Die wichtigsten Änderungen, die sich daraus unter anderem für die Abrechnung von Eingriffen an den Bewegungsorganen ergeben, hat die KBV in einer Präsentation zusammengestellt.

Masterplan: zusätzlicher ambulanter PJ-Pflichtabschnitt

Berlin – Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) und Bundesforschungsministerin Prof. Johanna Wanka (CDU) haben am 31. März den „Masterplan Medizinstudium 2020“ beschlossen, gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern der Gesundheits- und Kultusministerkonferenz der Länder und Vertreterinnen und Vertretern der Koalitionsfraktionen des Bundestags. Wie er finanziert werden soll, blieb offen. Mit dem Thema der Kosten wird sich neben anderen Aspekten eine Expertenkommission unter Leitung der ehemaligen Generalbundesanwältin Prof. Monika Harms befassen. Wer noch Mitglied der Kommission sein wird, wird derzeit noch verhandelt.

Mehr Lehrpraxen als bisher einbeziehen

Der Masterplan sieht unter anderem vor, die Struktur des Praktischen Jahrs (PJ) auf Quartale umzustellen. Die Ausbildungsabschnitte in der Inneren Medizin und der Chirurgie bleiben als Pflichtquartale erhalten. Von den beiden Wahlquartalen muss eines im ambulanten vertragsärztlichen Bereich absolviert werden. Außerdem sollen Lehrpraxen zukünftig verstärkt in die Ausbildung einbezogen werden.

Viele Forderungen der Ärzteschaft wie veränderte Auswahlverfahren, Stärkung der kommunikativen Kompetenz sowie mehr Praxisorientierung des Studiums seien aufgegriffen worden, so die Bundesärztekammer in einer ersten Reaktion. Enttäuschend sei die ausgebliebene Einigung zu Finanzierungsfragen. Die dringend erforderliche Erhöhung der Studienplatzkapazitäten hätten die Verhandlungspartner auf unbestimmte Zeit vertagt. Bei der bundesweiten Etablierung von Lehrstühlen für Allgemeinmedizin gebe es lediglich eine Soll-Bestimmung.

Kritik an Maßnahmen für die Allgemeinmedizin

„Ohne einen solide finanzierten Masterplan wird es nur schwer möglich sein, auch zukünftig eine flächendeckende, hausärztliche Versorgung sicherzustellen“, gab der Deutsche Hausärzteverband zu bedenken. Und der Hartmannbund urteilte: Mit der optionalen Landarztquote, einem zusätzlichen ambulanten Pflichtabschnitt im Praktischen Jahr und einer zu einseitigen Fokussierung auf das Fach Allgemeinmedizin setze man in wichtigen Fragen eher auf Zwang und Lenkung statt auf Motivation und Freiheit.

Das Bundesforschungsministerium (BMBF) wird ein Forschungsprojekt im Zusammenhang mit dem Masterplan mit drei Millionen Euro unterstützen, wie Wanka erklärte: Von 2017 bis 2019 soll erforscht werden, wie man Sozialkompetenz und praktische Berufserfahrung von Medizinstudiumsanwärtern am besten misst und einbezieht. Mit 20 Millionen Euro wird zudem der Aufbau eines Netzwerks von Forschungspraxen in der Allgemeinmedizin vom BMBF gefördert.

Der Masterplan 2020 sieht im Einzelnen unter anderem folgende Veränderungen vor:

  •  Medizinstudierende sollen stärker nicht nur Wissen, sondern fächerübergreifend auch Fähigkeiten, Fertigkeiten und Haltungen erwerben. Dazu wird der Nationale Kompetenzbasierte Lernzielkatalog Medizin weiterentwickelt. Die Grundlagen für eine gute ärztliche Gesprächsführung sollen gestärkt werden. Gleichzeitig soll die Befähigung zum wissenschaftlichen Arbeiten gefördert werden.
  • Der Masterplan enthält keinen Beschluss, die Studienplatzkapazitäten für Humanmedizin zu erhöhen. Entsprechende Vorhaben einzelner Länder werden lediglich begrüßt.
  • Lehrpraxen sollen zukünftig verstärkt in die Ausbildung einbezogen werden. Die Medizinischen Fakultäten sollen neue Praxen rekrutieren und Lehrärztinnen und -ärzte qualifizieren.
  • Die Allgemeinmedizin und die hausärztliche Versorgung werden gestärkt. Alle Studierenden müssen am Ende ihres Studiums im Staatsexamen in Allgemeinmedizin geprüft werden. Die Struktur des Praktischen Jahrs wird auf Quartale umgestellt. Die Ausbildungsabschnitte in der Inneren Medizin und der Chirurgie bleiben als Pflichtquartale erhalten. Von den beiden Wahlquartalen muss eines im ambulanten vertragsärztlichen Bereich absolviert werden.
  • Die Medizinischen Fakultäten werden aufgefordert, das Fach Allgemeinmedizin stärker in den Fokus zu rücken. Es wird erwartet, aber nicht vorgeschrieben, dass alle Fakultäten Lehrstühle für Allgemeinmedizin einrichten.
  • Prüfungen im Medizinstudium werden wieder einheitlich gestaltet. Die Unterschiede zwischen Regel- und Modellstudiengängen sollen so aufgehoben werden.
  • Bei der Zulassung zum Medizinstudium müssen Hochschulen neben der Abiturnote mindestens zwei weitere Auswahlkriterien anwenden. Diese sollen die sozialen und kommunikativen Fähigkeiten sowie die Leistungsbereitschaft der Bewerberinnen und Bewerber einbeziehen, vorherige Tätigkeiten in medizinischen Berufen oder andere Erfahrungen im medizinnahen Bereich.
  • Studienbegleitende Angebote zum aktiven Kennenlernen des Berufsalltags niedergelassener Ärztinnen und Ärzte werden begrüßt. Eine Informationsplattform des Bundesgesundheitsministeriums soll bestehende Ausbildungsmodelle und Fördermaßnahmen vor allem für Allgemeinmediziner bekannter machen.
  • Eine Landarztquote wird optional vorgesehen. Der Stiftung für Hochschulzulassung wird unverzüglich die Möglichkeit eröffnet, bis zu zehn Prozent der Medizinstudienplätze vorab an Bewerberinnen und Bewerber zu vergeben, die sich verpflichten, später für bis zu zehn Jahre in der hausärztlichen Versorgung in unterversorgten oder von Unterversorgung bedrohten Regionen tätig zu sein. Diese Verpflichtung wird mit wirksamen Sanktionen abgesichert.

Mutterschutz-Reform wird 2018 umgesetzt

Berlin – Die Reform des Mutterschutzes hat alle parlamentarischen Hürden genommen. Ab dem kommenden Jahr sind einige Vorgaben gelockert. Das berichtet der Nachrichtendienst des Parlaments „heute im Bundestag“ (hib).

DGOU-Initiative „Operieren in der Schwangerschaft“

Dafür hatten sich unter anderem Dr. Maya Niethard und Dr. Stefanie Donner eingesetzt, die die Initiative „Operieren in der Schwangerschaft (OPidS)“ in der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) auf den Weg gebracht hatten. Die DGOU setzt sich damit seit 2015 dafür ein, dass werdende Mütter selbst entscheiden können, ob sie das Skalpell weiter in der Hand behalten wollen oder nicht.

In ihrem Positionspapier zu diesem Thema heißt es: „Durch ein Beschäftigungsverbot, welches jegliche Tätigkeit im OP-Saal generell ausschließt, kommt es vor allem während der Weiterbildung zu einer Benachteiligung, da schwangere betroffene Ärztinnen/Chirurginnen ihre für den Facharztkatalog geforderten Eingriffe nicht leisten dürfen. Als Konsequenz geben viele Ärztinnen ihre Schwangerschaft erst sehr spät bekannt, um möglichst lange die für den Weiterbildungskatalog erforderlichen Eingriffe durchführen zu können. Mit den weit verbreiteten „Absprachen unter vier Augen“ bewegt man sich rechtlich in einer Grauzone. Sinnvoll ist es daher, der schwangeren Chirurgin ein Mitspracherecht einzuräumen und frühzeitig gemeinsam den Arbeitsplatz – dies schließt den OP-Saal als Tätigkeitsfeld ein – nach dem neuesten Stand der medizinischen Möglichkeiten sicher zu gestalten.“

Keine Arbeitsverbote mehr gegen den Willen werdenden Mütter

Mit der Novelle wird nun die Verordnung zum Schutz der Mütter am Arbeitsplatz in das Mutterschutzgesetz integriert. Zukünftig sollen Arbeitsverbote nicht mehr gegen den Willen der Schwangeren möglich sein. Stattdessen sollen ihre Arbeitsplätze umgestaltet werden, um Gesundheitsgefährdungen auszuschließen. Auch Sonntagsarbeit soll auf freiwilliger Basis ermöglicht werden.

Prinzipiell soll ein Nachtarbeitsverbot für schwangere oder stillende Frauen von 20 Uhr bis 6 Uhr gelten. Eine Beschäftigung bis 22 Uhr soll aber durch ein behördliches Genehmigungsverfahren ermöglicht werden, wenn die Frau dem ausdrücklich zustimmt, nach ärztlichem Zeugnis nichts gegen die Beschäftigung spricht und eine unverantwortbare Gefährdung für die Schwangere oder ihr Kind durch Alleinarbeit ausgeschlossen ist.
Gemäß der Gesetzesnovelle können Schülerinnen und Studentinnen zukünftig während des Mutterschutzes für verpflichtende Veranstaltungen, Prüfungen oder Praktika Ausnahmen beantragen, ohne deswegen Nachteile zu erleiden. Das Gesetz sieht zudem eine Verlängerung der Schutzfristen von acht auf zwölf Wochen für Frauen nach der Geburt eines behinderten Kindes vor. Neu aufgenommen in das Mutterschutzgesetz wird ein viermonatiger Kündigungsschutz für Frauen bei einer Fehlgeburt nach der zwölften Schwangerschaftswoche.

Quelle: hib