Archiv für den Monat: März 2017

Andreas Gassen erneut KBV-Vorstandsvorsitzender

Berlin – Der Orthopäde Dr. Andreas Gassen bleibt Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Die KBV-Vertreterversammlung (VV) wählte ihn heute mit 49,42 Ja-Stimmen gegen 6,29 Nein-Stimmen und bei 3,21 Stimmen Enthaltung für die nächsten sechs Jahre in diese Funktion. Die ungewöhnliche Stimmenzahl kommt zustande, weil in der VV haus- und fachärztliche Stimmen gewichtet werden, um beiden Gruppen unter dem Strich Stimmengleichheit in der VV zu garantieren – unabhängig davon, wie viele Haus- und Fachärzte dort Mitglied sind.

Stellvertretender KBV-Vorstandsvorsitzender wurde der Hausarzt Stephan Hofmeister aus Hamburg, bislang Vorstand der dortigen KV. Zum ersten Mal wählte die VV auch einen dritten KBV-Vorstand. Diesen Posten übernimmt Thomas Kriedel. Er war bis zu seiner Pensionierung nicht-ärztlicher KV-Vorstand in Westfalen-Lippe und ist vielen durch seine Arbeit für die Gematik bekannt.

Gassen hatte auf eine lange Bewerbungsrede verzichtet. Er griff in seinem Statement einen Hinweis Hofmeisters auf, der vor vielen Jahren bei der Marine war. Früher habe man Taue mit roten Fäden gekennzeichnet, um klarzustellen, dass diese Eigentum der Krone seien. Ein roter Faden soll nach Gassens Wunsch auch die zukünftige Arbeit der KBV durchziehen. Der KBV-Vorstandsvorsitzende verwies auf das KBV 2020-Konzept, ein Ergebnis mehrerer Klausurtagungen. Es sei ein wichtiger Rückhalt für die politische Arbeit der Organisation.

Mann mit Rückenschmerz

TK entwickelt Videospiel für Rückenpatienten

Berlin – Das Thema Schmerz treibt in Deutschland viele Menschen um. Darauf hat Dr. Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der Techniker Krankenkasse (TK), Ende Februar in Berlin hingewiesen. Rund 50 Millionen Menschen haben nach seinen Worten Erfahrungen mit Kopfschmerz. Wegen Migräne blieben jeden Tag rund 5.200 Menschen der Arbeit fern. Über 100 Millionen Packungen Schmerzmittel würden pro Jahr in Deutschland verkauft. Vor diesem Hintergrund habe die TK geprüft, was man als Krankenkasse tun könne, so Baas. Seine Antwort: Digitale und klassische Angebote vernetzen, nicht um den Arzt zu ersetzen, sondern um ihn zu ergänzen.

Eines der neuen TK-Angebote ist eine Migräne-App, die Betroffene entweder für sich selbst oder in enger Abstimmung mit Ärzten für eine Verbesserung ihrer Beschwerden nutzen können. Als zweites Thema hat sich die TK mit Rückenschmerzen befasst. Sie sucht nach Lösungen, wie man Patienten bei krankengymnastischen Übungen unterstützen kann, damit sie diese zu Hause richtig durchführen. Derzeit laufen erste Tests mit einem neuen Tool.

Spielerisches Training nach ärztlicher Anleitung

Unter ärztlicher Anleitung lernen chronische Rückenschmerzpatienten, sensorgestützt zu trainieren. Zu Hause steht ihnen dann eine Art Videospiel zur Verfügung, das aber dazu dient, die gelernten Übungen korrekt auszuführen – und bei der Stange zu bleiben. Die digitale Rückenschmerztherapie Valedo ist nach Angaben der TK eingebettet in ärztliche Therapie, Training an 32 Schmerzzentren mit multimodaler Therapie, Feedback. Erste Akzeptanztests zeigten, dass der neue Ansatz ankomme, auch bei Älteren.

Klaus Rupp, Leiter Versorgungsmanagement der TK, wies darauf hin, dass mehr als 30 Prozent der TK-Versicherten eine Schmerzdiagnose haben. Versicherte mit solchen Diagnosen verursachten überdurchschnittliche Ausgaben. Das sei auch ein Thema im Rückenbereich. Neun Prozent der Fehltage von TK-Versicherten, insgesamt rund 6,4 Millionen, entfielen demnach im Jahr 2015 auf Rücken- und Wirbelsäulenerkrankungen.

Valedo Rückentherapie

Lauterbach: gleiches Arzthonorar bei Bürgerversicherung

München – Kommt die Bürgerversicherung, soll der ambulanten Versorgung im Hinblick auf das ärztliche Honorar unterm Strich kein Geld entzogen werden. Eine einheitliche Honorarordnung für Ärztinnen und Ärzte werde nicht zu weniger Mitteln in den Praxen führen, behauptet der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach: „Stattdessen treffen sich die Honorare in der Mitte: Bei den gesetzlich Versicherten werden sie steigen, bei den privat Versicherten auf das gleiche Niveau sinken.“ Es sei nicht das Ziel, mit der Bürgerversicherung „Geld zu sparen oder den hervorragend arbeitenden Ärzten Honorar zu entziehen“.

Lauterbach hat seine Position in einem Meinungsbeitrag für die „Münchner Medizinische Wochenschrift“ (MMW) vom 22. Februar 2017 dargelegt. Er trägt den Titel: „Keine Angst ums ärztliche Honorar!“ Die Bürgerversicherung sei ein wichtiges Ziel der SPD, schreibt Lauterbach. Nach ihrer Einführung solle sie für neu Versicherte die einzige Option werden, angeboten von privaten Versicherern (PKV) und gesetzlichen Kassen, so wie zum Beispiel in den Niederlanden. Alte PKV-Verträge sollten Bestandsschutz genießen, alle privat Versicherten aber eine Wechseloption zur gesetzlichen Krankenversicherung bekommen. Ihre Altersrückstellungen könnten „im Rahmen des verfassungsmäßig zulässigen Umfangs“ mitgenommen werden.

Mit einer neuen einheitlichen Gebührenordnung für Ärzte, „die auch für Bestandsversicherte der PKV gilt, wird gegenüber der Ärzteschaft eine Neutralität hinsichtlich des Versicherungsstatus herbeigeführt“, schreibt Lauterbach. Als Elemente dieser neuen Gebührenordnung nennt der SPD-Politiker „eine Kombination aus Pauschalen und Einzelleistungen sowie Qualitätszuschlägen. Aus Gründen der Transparenz können auch Kostenerstattungselemente enthalten sein“. Bei der Vergütung müsse auch eine Rolle spielen, „wo sich die Praxis befindet und welchen Versorgungsauftrag sie hat“.

Zur Finanzierung heißt es in dem Kommentar, Bürger müssten ihren Beitrag wie heute nur bis zu einer bestimmten Bemessungsgrenze zahlen, Arbeitgeber aber nicht. Sie sollten deutlich mehr „für Großverdiener zahlen“.

Quelle: MMW

„Ordentliche Kooperationen muss man leben können“

Berlin – „Korruption ist unzulässig und auch keine Bagatelle. Allerdings sehe ich mit großer Sorge, dass auch gewollte und sinnvolle Kooperationen kriminalisiert und torpediert werden können.“ Das stellte BVOU-Präsident Dr. Johannes Flechtenmacher beim diesjährigen Symposion der Kaiserin Friedrich-Stiftung Mitte Februar in Berlin klar. Die besten Erfahrungen machten derzeit Juristen, denn eine rechtssichere Beratung sei im Moment nicht möglich. Deshalb bestehe die Gefahr, so Flechtenmacher, dass sich eine Beratung ins Unermessliche ausdehne.

„Zusammenarbeit wird prinzipiell in Frage gestellt“

Der BVOU-Präsident war einer der Referenten bei der zweitätigen Veranstaltung, bei der Juristen und Ärzte traditionell über Themen diskutieren, die beide Berufsgruppen vor Herausforderungen stellen. „Die Zusammenarbeit Praxis – Klinik wird prinzipiell in Frage gestellt“, kritisierte er. „Die Frage ist, was Niedergelassene, die auch an einem Krankenhaus arbeiten, an Honorar bekommen sollten. Wir haben dafür noch keine Korridore.“

An das Thema der angemessenen Vergütung in Kooperationen wagte sich relativ konkret lediglich Dr. jur. Christoph Jansen heran, Fachanwalt für Medizinrecht. Er verwies darauf, dass man bei der Frage nach dem korrekten Handeln verschiedene Fallgruppen in den Blick nehmen müsse. Eine seien niedergelassene Ärzte, die im Krankenhaus gegen Vergütung selbst operierten.

Bei DRG-Anteil als Honorar prüfen, was dafür geleistet wird

Nach Jansens Meinung kommt es beim Arztanteil in den DRG als Basis für ein Honorar in einer Kooperation darauf an, was der Arzt genau macht: Operiert er lediglich? In welchem Umfang ist er auch noch auf der Station tätig? Vom Umfang seiner Tätigkeit hängt es nach Ansicht von Jansen ab, wie hoch sein Honorar sein darf. Die marktüblichen Preise lägen zwischen 15 und 30 Prozent der jeweiligen DRG. Eine GOÄ-Abrechnung ist nach Jansens Auffassung transparenter. Sie stellt aber seines Erachtens auch die äußerste Grenze des Honorars dar. Ab dann werde es bedenklich.

Stichwort ambulante Operationen bei GKV-Patienten: Grundsätzlich hält Jansen hier, was das Honorar betrifft, das vom Krankenhaus vereinnahmte Honorar für die Obergrenze, ein höheres dagegen für kritisch.

Flucht in den Arbeitsvertrag ist keine Sicherheitsgarantie

Die Flucht in den Arbeitsvertrag mit einem Krankenhaus, also eine Teilanstellung, ist seiner Beobachtung nach derzeit ein Weg, der als unschuldig gilt. Aber auch ein solcher lukrativer Vertrag könne möglicherweise schon einen unangemessenen Vorteil darstellen, gab er zu bedenken. Auf Ähnliches hatte zuvor Prof. Dr. jur. Martin Stellpflug von der Berliner Kanzlei Dierks + Bohle verwiesen. Die Staatsanwaltschaft Hannover hat seinen Worten nach vor kurzem offenbar geäußert, es gehe möglicherweise bei der Diskussion um einen unzulässigen Vorteil in einer Kooperation nicht nur um die Frage, ob für eine Operation eine angemessene Summe Geld geflossen sei oder nicht. Für den Niedergelassenen könne es ja schon ein Vorteil sein, dass er Geld neben seiner Niederlassung verdienen könne, dass er für eine Kooperation ausgewählt worden sei, dass er so eine zusätzliche Erwerbsquelle habe, die andere Ärzte in seinem Bezirk nicht hätten.

BVOU-Präsident Flechtenmacher hatte in seinem Vortrag Klarheit angemahnt. Diskussionen über Ethik und Sittlichkeit müsse man führen, Schweinereien müssten aufhören. Aber: „Für den Patienten muss man ordentliche Kooperationen leben können.“

Weitere Informationen zum Thema finden Sie im Dossier Antikorruption.

„Evolution der Intensivmedizin“ für besseres Überleben

Berlin – In Deutschland werden jährlich 2,1 Millionen Patienten auf Intensivstationen behandelt. Viele Patienten dort überleben Studien zufolge aber nicht mit der Qualität, die sie sich selbst wünschen. Sie leiden unter kognitiven, funktionellen, mentalen Schäden. Darauf hat Prof. Dr. med. Claudia Spies, Direktorin der Klinik für Anästhesiologie am Berliner Universitätsklinikum Charité, im Rahmen einer Pressekonferenz hingewiesen. Doch viele Surrogatparameter in Studien über Patienten auf Intensivstationen erfassten nicht das, was sich Patienten vorstellten, so Spieß. Sie wollten gut überleben. In den entsprechenden Studien spiele aber die Lebensqualität nach Intensivbehandlung nur zu fünf Prozent eine Rolle. Das Meiste werde abgebildet durch Parameter, die für den Patienten keinen Wert hätten. Das müsse man aufarbeiten.

Probleme sind Verwirrtheit und Gehbehinderungen

Spies und andere Experten erläuterten vor Medienvertretern Einzelheiten zu einem zweitätigen Symposium der Charité „Evolution der Intensivmedizin“ gemeinsam mit der Leopoldina. Nach Intensivbehandlungen leiden Patienten demnach häufig beispielsweise unter Verwirrtheit oder Gehbehinderung. Mehr als die Hälfte aller intensivmedizinisch behandelten Personen sind den Experten zufolge von solchen Einschränkungen betroffen, die als Post-Intensive Care Syndrom (PICS) zusammengefasst werden. Es sei daher notwendig, dass sich die adäquate Versorgung kritisch kranker Patienten verstärkt auf den Erhalt von Mobilität und Kognition konzentriere.

Die Geriatrie vernachlässigt häufig das Muskelsystem

Prof. Dr. Ursula Müller-Werdan, Leiterin der Geriatrie an der Charité sowie des Evangelischen Geriatriezentrums Berlin, betonte, Patienten mit Ko-Morbiditäten und hochbetagte Patienten gingen mit einer größeren Krankheitslast als andere in eine intensivmedizinische Behandlung. Sie hätten noch mehr zu kämpfen, selbst wenn sie genesen würden. Ihr Problem seien seelische und kognitive Einschränkungen, aber auch der Verlust der Muskelmasse. In der Geriatrie sei das Muskelsystem das am stärksten vernachlässigte. Es gebe keine systematische Erfassung von Muskelmasse und -kraft, obwohl dies Determinanten seien, die das Alltagsleben dominierten. Müller-Werdan schlug vor, diese muskuläre Komponente stärker in den Fokus zu rücken.

Suche nach besseren Lösungen mit Geldern aus dem Innovationsfonds

Die Charité sucht derzeit im Rahmen eines Projekts, das aus Geldern des Innovationsfonds gefördert wird, nach Ansätzen für eine bessere intensivmedizinische Versorgung. Sie hat mit Partnern den Zuschlag für ERIC („Enhanced Recovery after Intensive Care“) bekommen. Das Projekt wird für drei Jahre mit insgesamt knapp sieben Millionen Euro gefördert. Ziel von ERIC ist es, die Langzeitfolgen einer intensivmedizinischen Behandlung zu verringern. Dafür wird eine zentrale E-Health-Plattform aufgebaut, die die Kommunikation und die Datenerfassung der beteiligten Krankenhäuser verbessert und in einem telemedizinischen Zentrum bündelt.

Es werden unter anderem tägliche Televisiten durchgeführt, in denen die teilnehmenden Ärzte und Pflegekräfte über Video standortunabhängig miteinander kommunizieren. Im Mittelpunkt steht die Implementierung von Qualitätsindikatoren zur intensivmedizinischen Behandlung, die über die E-Health-Plattform automatisch erhoben und ausgewertet werden. Die Plattform dient dazu, akute stationäre und nachgeschaltete Versorgungsstrukturen wie Reha-Zentren oder Hausärzte miteinander zu vernetzen.

Nach einer 18-monatigen Erprobungszeit wird das Projekt evaluiert. Dabei wird geschaut, wie die neue Versorgungsform eingesetzt wurde, ob sie das Behandlungsergebnis verändert hat und ob es einen Effekt auf die Langzeitfolgen gibt.

Die OUMN jetzt neu als ePaper lesen

Berlin – Seit diesem Jahr erscheint die gemeinsame Mitgliederzeitschrift des BVOU, der DGOU, der DGOOC und der DGU in einem neuen Gewand und in Kooperation mit einem neuen Partner, dem Springer Medizin Verlag. Die erste Ausgabe der neuen „Orthopädie und Unfallchirurgie Mitteilungen und Nachrichten“ (OUMN) finden BVOU-Mitglieder in den kommenden Tagen in ihrem Briefkasten. Darüber hinaus kann die Mitgliederzeitschrift künftig auch als ePaper auf der Website des Springer Medizin Verlags abgerufen werden.

Auf der Partnerseite springermedizin.de/oumn haben Mitglieder digitalen Zugang zum ePaper der OUMN. Das ePaper ist auf verschiedenen Endgeräten wie PC, Tablet oder Smartphone lesbar. Seite für Seite kann sich der Leser schnell durch die Zeitschrift klicken. Das verlinkte Inhaltsverzeichnis führt direkt zum gewünschten Beitrag. Eine Suchfunktion ermöglicht das Auffinden von Schlagworten innerhalb der Zeitschrift. Jede Ausgabe kann als PDF heruntergeladen und damit auch offline gelesen bzw. auch gespeichert oder ausgedruckt werden.

Um die OUMN als ePaper lesen zu können, müssen sich Mitglieder einmalig bei Springer Medizin registrieren. Bereits registrierte Nutzer von Springer Medizin müssen sich lediglich einloggen und erhalten so direkten Zugriff auf die Mitgliederzeitschrift.

Aktuelle Fortbildungsbeiträge

Darüber hinaus sind auf der Partnerseite auch ausgewählte Fortbildungsbeiträge von Springer Medizin zu finden. Die Teilnahme an den CME-Angeboten ist für registrierte Mitglieder kostenlos, die gesammelten CME-Punkte können direkt an die jeweilige Landesärztekammer übermittelt werden.

„Zecken-Zement“ als biologischer Klebstoff für Sehnen und Bänder

Wien – Zecken sind in der Lage, sich mit ihren Mundwerkzeugen fest in der Haut zu verankern, um so für mehrere Tage Blut zu saugen. Dieser Verankerungsmechanismus funktioniert deshalb so gut, weil er auf einer zementartigen Substanz mit enormen Klebeeigenschaften beruht. Wissenschaftler der Medizinischen Universität Wien wollen diesen „Zecken-Zement“ erstmals erforschen und chemisch nachgebaut für die Biomaterialforschung nutzbar machen. So könnte er künftig zum Beispiel als Gewebekleber in der Orthopädie und Unfallchirurgie zum Einsatz kommen.

„Es ist durchaus vorstellbar, dass es in Zukunft möglich sein wird, aus dieser Substanz einen biologischen Klebstoff für menschliches Gewebe zu machen, mit dem beispielsweise Sehnen und Bänder metallfrei am Knochen verankert werden können“, umreißt Projektleiterin Dr. Sylvia Nürnberger von der Universitätsklink für Unfallchirurgie die Zielsetzung der Forschungen.

Im Rahmen des Projekts untersucht Nürnberger gemeinsam mit Kollegen von der Technischen Universität Wien die Zusammensetzung des natürlichen „Zements“ der Zecken und wie er als Vorlage für neue Gewebekleber dienen könnte. „Die derzeit verwendeten Gewebekleber in der Chirurgie, die etwa bei schweren Hautverletzungen oder Leberrissen verwendet werden, sind teilweise toxisch“, erklärt Nürnberger. Andere Klebstoffe sind wiederum zu schwach. Biologische Alternativen wären deshalb optimal. Das Forschungsprojekt soll dazu beitragen, neue Alternativen und Anwendungen zu bestehenden Klebstoffprodukten für Haut, Knorpel, Bänder oder Sehnen zu finden.

Derzeit werden rund 300 Zecken aus Österreich und deren „Zement“ an der Medizinischen Universität Wien analysiert und untersucht. Dabei stechen die Tiere durch eine hautähnliche Membran, wobei der Klebstoff abgesondert und ausgehärtet wird. Noch in diesem Jahr wollen die Forscher außerdem Riesenzecken in Südafrika für diesen Zweck untersuchen.

Weitere mögliche „Klebstoffspender“

Mit den Haftfäden der Miesmuschel, deren Haftmolekül DOPA sich bereits in der präklinischen Testphase befindet, ist es internationalen Forschergruppen bereits gelungen, alternative Klebstoffe nachzubauen und herzustellen. „Der DOPA-Haftmechanismus ist aber aufgrund der geringen Haftstärke nicht für alle medizinischen Bereiche geeignet, sodass weiterhin Bedarf an neuen Klebstoffen besteht“, erklärt Nürnberger. Weitere potenzielle „Klebstoffspender“ seien zum Beispiel Seegurken, die Klebstofffäden auf ihre Beute schleudern; Salamander-Arten, die blitzschnell aushärtenden Klebstoff aus Hautdrüsen absondern, wenn sie angegriffen werden; Insektenlarven, die Fangfäden produzieren; sowie Krebse, die sogar unter Wasser „kleben“ bleiben.

Das Projekt der Wiener Forscher wird durch den österreichischen Wissenschaftsfonds FWF gefördert und ist zugleich Teil des europäischen Netzwerks COST (Cooperation in Science and Technology) der Europäischen Union. Das COST-Netzwerk für Bioadhäsion, koordiniert vom Ludwig Boltzmann Institut für experimentelle und klinische Traumatologie in Wien, umfasst derzeit 150 Forscherinnen und Forscher aus 30 Ländern.

Quelle: Medizinische Universität Wien