Hybrid-OPs sind inzwischen nicht mehr ausschließlich in großen Kliniken zu finden. Technisch anspruchsvoll ausgestattete Operationssäle ermöglichen nicht nur chirurgische Eingriffe auf hohem Niveau, sondern fördern auch ein modernes Klinik-Image. BVOU.net sprach mit Prof. Dr. med. Clemens Bulitta, dem Leiter des Instituts für Medizintechnik an der Ostbayerischen Technischen Hochschule Amberg-Weiden, über den Nutzen von Hightech-OPs, über die Planung, die bereits vor einer Anschaffung nötig ist, und über den europaweit einzigartigen Zertifikatslehrgang zum Hybrid-OP-Techniker.
BVOU.net: Herr Prof. Dr. Bulitta, die Meldungen über neu eingerichtete Hybrid-OPs in Krankenhäusern häufen sich. Sie selbst schätzen, dass es in deutschen Kliniken inzwischen mehr als zweihundert gibt. Welchen Nutzen bringt ein Hybrid-OP?
Prof. Dr. med. Clemens Bulitta: Wenn wir über den Hybrid-OP sprechen, dann über den Hybrid-OP mit einem Angiographiesystem. Manche sprechen auch von einem Hybrid-OP, wenn ein Computertomograph oder Magnetresonanztomograph im Saal vorhanden sind.
Mit einem Hybrid-OP hat man ein Werkzeug zur Verfügung, das ganz neue Behandlungen ermöglicht und es erlaubt, Ergebnisse direkt im Operationssaal zu überprüfen. Behandlungsentscheidungen, die man manchmal auch aufgrund der therapeutischen Situation akut noch einmal anpassen muss, können so besser getroffen werden.
Insbesondere im Bereich der kardiovaskulären Medizin profitieren dabei die Patienten, denen man früher nicht helfen konnte. Das Ganze ist eine Spirale, die sich kontinuierlich weiterentwickelt, denn durch die Verfügbarkeit solcher Technologien und der Bildgebung fangen die Ärzte an, über weitere Verbesserungen der Therapie nachzudenken – etwa neue Implantate und neue Möglichkeiten, diese einzusetzen. Dieser Prozess steigert dann auch die Nachfrage nach Hybrid-OPs.
Ähnliches gilt für die Gefäßchirurgie, wie etwa die Versorgung von Aortenaneurysmen. Diese müssen nicht mehr offen operiert werden, sondern können interventionell behandelt werden. Es gibt mittlerweile auch für beide Fälle Studiendaten, die belegen, dass diese interventionellen Verfahren mindestens vergleichbar für die entsprechenden Indikationen, und zum Teil sogar besser und überlegen sind, was die Behandlungsergebnisse angeht. Es ist ein klarer Patientennutzen gegeben – auch für andere medizinische Bereiche wie die Unfallchirurgie.
BVOU.net: Zu einem erfolgreichen Krankenhausbetrieb gehört auch ein durchdachtes Marketing. Schaffen sich manche Einrichtungen Hightech-Equipment wie Hybrid-OPs und OP-Roboter an, um in ihre Zukunft zu investieren und Patienten zu gewinnen?
Bulitta: Es gibt natürlich mittlerweile mehr Disziplinen als die Herz- und Gefäßchirurgie, die den Hybrid-OP nutzen können. Das ist ein Grund, weshalb inzwischen auch kleinere Häuser solche Säle einrichten. Dort wird der Raum dann ergänzend mit anderen Eingriffen ausgelastet, womit eine vernünftige betriebswirtschaftliche Nutzung dieser doch teuren Investition sichergestellt ist. Man muss natürlich im Vorfeld überprüfen, ob man den Saal auslasten kann, damit er nicht nur ein Statussymbol ist. Das wäre fatal.
Aus medizinischer Sicht gibt es gute Gründe für die Einrichtung eines Hybrid-OPs, aber muss wirklich jedes Haus einen haben? Wenn man moderne Gefäßchirurgie betreiben will, muss man endovaskulär agieren, und dann ist in der Regel eine fest installierte Angiographieanlage von Vorteil. Aber es ist sicherlich korrekt zu sagen: Nicht jedes Haus muss einen Highend-Hybrid-OP haben.
BVOU.net: Also sollte man definitiv auf die Einrichtung verzichten, wenn man die Auslastung von vornherein nicht gewährleisten kann?
Bulitta: Sie brauchen eine vernünftige Auslastung, medizinische Kompetenz und fachlich qualifizierte Ärzte. Ich will aber nicht ausschließen, dass es Häuser gibt, denen es die Investition wert ist, weil sie über das qualifizierte Personal verfügen, auch wenn sie den Saal nicht auslasten können. Das Marketing zielt ja nicht nur darauf ab, Patienten zu rekrutieren, sondern es gibt auch einen Wettbewerb um Ärzteköpfe – gerade in der Chirurgie. Natürlich ist der OP ein kostenintensives Segment. Aber ein Krankenhaus ist im weitesten Sinne auch ein Produktionsbetrieb, es produziert Gesundheit. Und der Produktionsbetrieb muss natürlich mit einer vernünftigen Produktionsinfrastruktur ausgestattet werden. Jedes produzierende Unternehmen hat seine Werkzeuge, die dabei unterstützen, möglichst effizient und effektiv das gewünschte Ergebnis zu erreichen. Und wenn ich einen möglichst gut behandelten Patienten haben möchte, dann ist eine richtige Infrastruktur in den Händen der richtigen Bediener auch ein wesentlicher Vorteil.
BVOU.net: Was sollte das Klinik-Management bereits im Vorfeld beachten?
Bulitta: Einen Hybrid-OP baut ein Haus nicht jeden Tag. Bei der Planung spielen drei wesentliche Themen zusammen: Der Raum ist als Gesamtsystem zu betrachten, und dazu gehören die Haus- und Gebäudetechnik, die Medizintechnik und die Personen, die im Raum arbeiten.
So ein OP ist immer eine individuelle Lösung des jeweiligen Hauses. Baue ich neu oder habe ich einen Bestands-OP? Bei der Planung muss man bereits überlegen, wer später im OP-Saal arbeiten soll. Diese Abteilungen sollten auch in die Planungen einbezogen werden, genau wie bestimmte Abläufe, etwa die Interaktion zwischen Röntgengerät und OP-Tisch. Welche anderen mobilen medizintechnischen Geräte werden noch benötigt, wo steht welche Person, was muss beim Strahlenschutz beachtet werden? Es hängt bei der Planung viel davon ab, welche Eingriffe man machen möchte. Wenn man einen Hybrid-OP baut, der rein für gefäß- oder herzchirurgische Eingriffe genutzt werden soll, dann kann man natürlich bestimmte Aspekte außen vorlassen, die man nicht außen vorlassen kann, wenn man unfallchirurgisch oder mund-, kiefer- und gesichtschirurgisch arbeitet. Zur Planung gehören natürlich auch das Management und die Abstimmung untereinander. Was die Abläufe und die Arbeit im Saal betrifft, muss man für sein Haus Standards setzen und es muss Routine reinkommen.
BVOU.net: Sie dozieren im Rahmen einer Ausbildung zum Hybrid-OP-Techniker an der Steinbeis-Hochschule in Berlin. In diesem Zertifikatslehrgang wird Personal gezielt für die Bedienung eines solchen Saales qualifiziert. Der Wille zur optimierten Auslastung und Bedienung ist in den Häusern also auf jeden Fall da?
Bulitta: Wenn man A sagt zu der Investition, dann muss man auch B dazu sagen, dass man diese Investition im Betrieb richtig einsetzt. Dazu gehört auch, die Mitarbeiter, die dann mit diesem Instrument arbeiten, zu schulen, und die Prozesse im Hause so zu strukturieren, dass der Hybrid-OP auch effektiv und effizient eingesetzt werden kann. Sonst haben Sie niemanden, der das Werkzeug bedienen kann oder möchte, und haben ein Hybrid-OP-Museum stehen.
Ich bin mit verschiedenen Herstellern bildgebender Systeme in Kontakt. Die Industrie sieht einen gewissen Bedarf dafür, Benutzer weiter zu qualifizieren. Natürlich bietet die Industrie ein Basistraining an, aber die Bediener haben es nicht nur mit der reinen Bedienung der Anlage zu tun, sondern es ändern sich auch Abläufe, und die Komplexität steigt. So muss man sich zum Beispiel ganz anders mit dem Thema Strahlenschutz auseinandersetzen oder mit unterschiedlichen Aspekten der Hygiene. Das sind alles Aspekte, die einen zusätzlichen Qualifikationsbedarf zeigen und dafür sprechen, Weiterbildungsmaßnahmen zu entwickeln.
Die Frage ist, ob man nicht langfristig ein eigenes Berufsbild bräuchte. Im Moment ist es je nach Haus unterschiedlich. Zum Teil bedienen Ärzte das System, aber auch Mitarbeiter aus der Radiologie oder OP-Pfleger. Die OP-Pfleger kennen natürlich die Bildgebung nicht so gut, die MTA sind wiederum mit den Abläufen im OP nicht so vertraut. Der Hybrid-OP-Techniker ist ja quasi auch ein Hybrid – er muss die Chirurgie beherrschen und er muss die Bildgebung und Intervention ein Stück weit beherrschen. Ich glaube, wenn man Patienten effizient und effektiv behandeln will, braucht man ein eigenständiges Qualifizierungsprofil. Ob es dann wirklich einmal eine eigenständige Berufsgruppe wird, soll mal dahingestellt sein. Aber eine Spezialisierung und Zusatzbezeichnung als Hybrid-OP-Techniker für jemanden, der aus der OP-Pflege, dem MTA- oder dem OTA-Bereich kommt, könnte ich mir gut vorstellen.
Das Interview führte Yvonne Bachmann.
Ein Symposium unter der Leitung von Prof. Dr. Bulitta zum Thema „Workflow-driven hospital and clinical engineering“ findet am Donnerstag, 17. November, von 14.10 bis 15.30 Uhr im Rahmen der Medizinmesse MEDICA in Düsseldorf statt.