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Operative Knorpeltherapie mit AutoCart – Eine Technik, viele Indikationen.

Einleitung

Knorpelschäden sind ein häufiges Problem, das zu Schmerzen, eingeschränkter Mobilität und verminderter Lebensqualität führen kann. Die Suche nach wirksamen  Behandlungsmethoden hat zu verschiedenen Ansätzen geführt, darunter die Minced Cartilage-Technik. Diese innovative Methode bietet vielversprechende Ergebnisse bei der Regeneration von geschädigtem Knorpelgewebe und stellt eine vielversprechende Alternative zu herkömmlichen Behandlungsmethoden dar.

Die Minced Cartilage-Technik ist ein Verfahren, das darauf abzielt, geschädigten Knorpel durch die Transplantation von zerkleinertem Knorpelgewebe zu regenerieren. Im Gegensatz zu der herkömmlichen autologen Knorpeltransplantation (ACT) handelt es sich um ein einzeitiges Verfahren, bei dem die zerkleinerten Knorpelfragmente aufbereitet und direkt in den Defekt transplantiert werden.

Die Minced Cartilage-Technik beginnt mit der Entnahme von gesundem Knorpelgewebe aus einer nicht belasteten Stelle im Körper des Patienten, beispielsweise der Notch im Kniegelenk, oder aus dem Randbereich des Knorpeldefekts. Dieses Gewebe wird dann in kleinste Partikel zerkleinert, was zu einer Vergrößerung der Oberfläche führt. Dies wirkt sich positiv auf das Auswandern der Zellen aus den Partikeln aus und stimuliert zudem die Matrixproduktion. Das so gewonnene Knorpelgewebe wird anschließend mit autologem konditionierten Plasma (ACP / PRP), das vor der Operation aus dem Patientenblut gewonnen wird, vermischt und diese pastöse Mischung wird dann auf den geschädigten Bereich aufgetragen.

Durch die zusätzliche Verwendung von ACP/PRP ergeben sich mehrere Vorteile bei dieser Art der Knorpeltransplantation. Erstens enthält PRP verschiedene Wachstumsfaktoren, die das Wachstum und die Differenzierung von Knorpelzellen fördern und so die Regeneration des geschädigten Knorpelgewebes unterstützen. Die Wachstumsfaktoren stimulieren die Zellen im zerkleinerten Knorpelgewebe, um sich zu vermehren und neues Knorpelgewebe zu bilden. Zweitens besitzt ACP entzündungshemmende Eigenschaften. Knorpelschäden gehen oft mit Entzündungen und einem hemmenden Gelenksmilieu einher, das den Heilungsprozess beeinträchtigen kann. Die Anwendung von ACP neutralisiert Entzündungsmediatoren und wirkt sich positiv auf das Gelenksmilieu und das umliegende Gewebe aus. Dies führt zu einer günstigeren Umgebung für die Regeneration des Knorpelgewebes und fördert eine schnellere Heilung. Darüber hinaus kann ACP auch als biologischer Klebstoff dienen. Im ACP befindet sich Fibrinogen. Durch Aktivierung mittels Thrombin entsteht Fibrin, ein komplett autologer Klebstoff. In der AutoCart-Technik wird daher aus einem Teil des ACPs in einem speziellen System (Thrombinator) autologes Serum hergestellt, das Thrombin enthält. Durch das Auftragen des Thrombins auf den gefüllten Knorpeldefekt wird das Fibrinogen im ACP zu Fibrin umgewandelt und es entsteht eine visköse Konsistenz, die das zerkleinerte Knorpelgewebe an Ort und Stelle halten kann und so die Adhäsion und Integration des transplantierten Gewebes in dem geschädigten Bereich verbessert.

Die AutoCart-Technik bietet somit durch die Kombination der Minced Cartilage Methode und der Anwendung von PRP eine synergetische Wirkung, die das Wachstum und die Differenzierung von Knorpelzellen fördert und Entzündungen reduziert. Die AutoCart-Technik kann zudem auch bei großen Knorpelschäden angewendet werden, da das zerkleinerte Gewebe eine ausreichende Menge an Knorpelzellen enthält, die aus dem Knorpeldefekt oder von anderen Stellen im Gelenk gewonnen werden können. Die Indikationen sind somit vielfältig, was in diesem Artikel näher dargestellt werden soll.

Die AutoCart-Technik bei kleinen und mittelgroßen Knorpeldefekten

Kleine und mittelgroße Knorpeldefekte sind Schäden bis zu einer Größe von 5cm2. Schäden von diesem Ausmaß können oft arthroskopisch angegangen werden. Die Sammlung von gesundem Knorpelgewebe zur Zerkleinerung erfolgt meist im Randbereich des Knorpeldefektes. Die zerkleinerten Knorpelstücke können dann über eine Kanüle in den Defekt eingebracht und mittels ACP und Thrombinserum versiegelt werden (Abbildung 1).

Die Ergebnisse bei dieser Schadensgröße sind gut und wurden auch bereits in Studien dargelegt. Auch nach der Erfahrung des Autors ist mit einer schnellen Beschwerdebesserung zu rechnen und schon im MRT nach 1 Jahr postoperativ kann im ehemaligen Defekt regeneriertes Knorpelgewebe nachgewiesen werden, das dem Signal des umgebenden Knorpelgewebes ähnelt (Abbildung 2).

Abb.1: Arthroskopische AutoCart-Prozedur: Erst werden gesunde Knorpelzellen aus dem Randbereich entnommen (A). Der Schaden wird im danach auf eine stabile Randleiste debridiert (B). Zuletzt wird das Minced Cartilage Transplantat in Defekt eingebracht und mittels autologem Fibrin versiegelt (C und D).

Abb.2: Die präoperativen MRT Bilder zeigen einen Knorpelschaden an der lateralen Trochlea (oben). Im 1-Jahres-Follow-up MRT ist der Schaden suffizient gefüllt (unten).

AutoCart bei großen Knorpeldefekten

Auch bei großen Knorpeldefekten (>5cm2) kann die Autocart-Technik angewendet werden. Problem ist hierbei manchmal die eingeschränkte Primärstabilität des Transplantates und die Menge an gesundem Knorpelgewebe, das zur Transplantation benötigt wird. Beide Probleme können gelöst werden. Steht nicht ausreichend Knorpelgewebe aus dem Randbereich des Knorpeldefektes zur Verfügung, kann weiteres Gewebe aus der Notch gewonnen werden. Die eingeschränkte Primärstabilität kann verbessert werden, indem z.B. eine zellfreie Membran über den Defekt gelegt wird (z.B. Chondrogide, Fa. Geistlich). In der Technik des Autors wird zur Fixation des Transplantates ein Synovialappen aus dem Gelenk gewonnen und auf das Transplantat genäht (Abbildung 3). Vorteil ist hier der rein autologe Ansatz und die hohe Differenzierungspotenz der Synovia. Diese Technik muss jedoch offen durchführt werden und macht somit eine Arthrotomie notwendig. Exemplarisch zeigt sich in der 2-Jahres MRT-Kontrolle ein überzeugendes Ergebnis (Abbildung 4).

Abb.3: Der Knorpelschaden ist nach Debridement > 5cm2 (A). Das Minced Cartilage Transplantat wird in den Defekt eingebracht während der Synovialappen bereits teilfixiert ist (B). Zuletzt wird der Synovialappen komplett über das Transplantat genäht (C).

Abb.4: Die präoperativen MRT Bilder zeigen einen Knorpelschaden am medialen Femurkondylus bei einliegender VKB-Plastik (oben). Im 1-Jahres-Follow-up MRT ist der Schaden suffizient gefüllt (unten).

Minced Cartilage bei osteochondralen Läsionen (OCL)

Im Falle einer osteochondralen Läsion kann die AutoCart-Technik mit einer autologen Spongiosaplastik kombiniert werden. Dabei wird in der Technik des Autors autologe Spongiosa aus dem distalen Femur am Kniegelenk über ein Knochenfenster entnommen. Die Entnahmestelle kann über die Arthrotomie erreicht werden. Eine weitere Inzision ist somit nicht notwendig und keine weitere Narbe muss in Kauf genommen werden. Vorgeschaltet wird Knorpelgewebe wie in der o.g. AutoCart-Technik gewonnen, zerkleinert und angereichert. Nach Debridement des Knochenschadens und Auffüllung mittels Spongiosa, wird dann das Knorpeltransplantat aufgelegt. Je nach Größe des Defektes kann auch hier noch zusätzlich ein Synovialappen aufgenäht werden.
Eine suffiziente Einheilung konnte auch hier im MRT nachgewiesen werden.

Abb. 5: Osteochondrale Läsion retropatellar (A). Intraoperativ wird der knöcherne Defekt mittels autologer Spongiosa gefüllt, bevor das Minced Cartilage Transplantat aufgelegt wird (B). Das 1-Jahres MRT Ergebnis zeigt eine gute knöcherne und chondrale Einheilung (C).

Zusammenfassung und Fazit

Die AutoCart-Knorpeltransplantation bietet eine sichere Methode zur Knorpelregeneration, die viele Vorteile bereithält und innovative Techniken kombiniert. Das rein autologe Verfahren kann einzeitig durchgeführt werden und kombiniert den Einsatz von innovativen biologischen Stoffen wie ACP bzw. Thrombinserum und verzichtet auf Fremdmaterialien. Durch die Zerkleinerung von Knorpelgewebe wird die Migration von Knorpelzellen ermöglicht und die Oberfläche des Transplantates kann vergrößert werden. Sowohl bei kleinen als auch bei großen Knorpeldefekten mit und ohne Knochenbeteiligung kann das Verfahren sicher angewandt werden. Weitere Studien sind jedoch notwendig, um diese Behandlungserfolge zu validieren.

PD Dr. med. Fabian Blanke

Schön-Klinik München-Harlaching
Abteilung für Knie-, Hüft-, Schulter- und Ellenbogenchirurgie
Zentrum für Kniechirurgie
Harlachinger Str. 51
81547 München
Email: fblanke@schoen-klinik.de

Referenzen:

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Untersuchung der sekundären Frakturrate nach osteoporotischen Wirbelkörperfrakturen

 

Artikel aus Zentralblatt für Orthopädie und Unfallchirurgie

Schmerzhafte osteoporotische Kompressionsfrakturen der Wirbelsäule werden häufig operativ mit Zementaugmentation behandelt, obwohl es Kontroversen darüber gibt, ob dies das sekundäre Frakturrisiko erhöht oder nicht. Ziel dieser Studie war, zu untersuchen, ob eine Zementaugmentation die Rate sekundärer Frakturen im Vergleich zur nicht operativen Behandlung erhöht und ob AntiOsteoporose-Medikamente die Rate sekundärer Frakturen reduzieren. Zudem sollte die Rate der medikamentösen Osteoporosebehandlung nach osteoporotischen Wirbelkörperfrakturen untersucht werden.

 

Risiko für erneute Knieverletzungen bei Fußballspielerinnen nach VKB-Plastik

 

Artikel aus Zentralblatt für Orthopädie und Unfallchirurgie

Kreuzbandverletzungen stellen mit rund 6% häufige Verletzungen bei Fußballerinnen dar und sind damit rund 2–3-mal häufiger als bei männlichen Spielern.  Viele  Patientinnen entscheiden sich für die operative Therapie, wobei nur 46–67% in ihren Sport zurückkehren. Das Risiko für eine erneute Verletzung ist hoch – bis zu einem Drittel erleiden innerhalb von 3,5 Jahren eine erneute VKB-Verletzung. Bisher fehlen jedoch Langzeitstudien zur Inzidenz von erneuten Knieverletzungen bei Spielerinnen nach
VKB-Operation.

 

ACP an der Wirbelsäule – eine alternative Behandlungsoption?

ACP an der Wirbelsäule – eine alternative Behandlungsoption?

Infiltrationen an der Wirbelsäule mit Corticosteroiden sind eine effektive Behandlungsmethode bei degenerativen, entzündlichen Veränderungen. Wiederholte Anwendungen dieser synthetischen Substanzen sind aufgrund ihrer Nebenwirkungen jedoch umstritten. Eine Alternative hierzu bieten autologe Thrombozytenkonzentrate welche aufgrund ihrer biologischen Eigenschaften und fehlenden Nebenwirkungen von wachsendem Interesse sind. Sie haben sich in der Behandlung von Extremitätengelenksarthrosen etabliert und auch bei der Behandlung von Wirbelsäulenerkrankunge bestätigen neue Studien diese Vorteile.

Evidenzbasiert versus empirisch evident

Am Anfang neu entwickelter Behandlungsansätze steht naturgemäß die kritische und wissenschaftliche Bewertung. Aus Sicht des wissenschaftlich geschulten, aber vor allem klinisch empirisch tätigen Behandlers ergeben sich bei der Abwägung einer optimalen Behandlung stets Aspekte, die wissenschaftlich oft nicht ausreichend überprüfbar sind. Evidenzbasierte Medizin und klinische Erfahrung sollten sich letztlich idealerweise ergänzen. Die wissenschaftliche Bewertung von autologen Thrombozytenkonzentraten (Platelet Rich Plasma, PRP) hat in den letzten Jahren stark an Umfang und Aussagekraft gewonnen. Zuletzt haben sich speziell sog. leukozytenarme Plasmasuspensionen wie ACP (Autologes Conditioniertes Plasma) als besonders wirksam in der Behandlung der Entzündungsprozesse bei arthrotischen Veränderungen erwiesen. Im Vordergrund stehen hier die positiven entzündungsmodulierenden Effekte der PRPs im Vergleich zur rein antiinflammatorischen Wirkung der Steroide.

Tatsächlich zeigen sich bei der Anwendung autologer Wachstumsfaktoren vergleichbar gute Effekte auf die Schmerzreduktion und Funktionsverbesserung zur Standardanwendung eines Steroids. Darüber hinaus erweist sich ACP im längeren Verlauf nachhaltig wirksam und anhaltend entzündungshemmend. Damit ist es den Steroiden deutlich überlegen, da bei diesen der entzündungshemmende Effekt nach kurzer Zeit verloren geht und somit die Injektionen entsprechend oft wiederholt werden müssen.[1]

Die Studienlage im Bereich der Wirbelsäule ist im Vergleich zur Extremitätengelenksarthrose zwar noch überschaubar, doch tatsächlich zeigen Studienergebnisse bereits seit 2017 eine sehr gute, den Steroiden ebenbürtige Schmerzreduktion bei intra- und periartikulären Facettengelenksinfiltrationen mit PRP. Darüber hinaus zeigen sich bei diesem Behandlungsansatz im Vergleich sogar länger anhaltende Effekte auf die Schmerzreduktion, Funktion und Patientenzufriedenheit als bei vergleichbaren Steroidanwendungen.[2]

Diese vielversprechenden Ergebnisse sowie die mögliche Übertragbarkeit der guten Wirksamkeit bei Arthrosen der großen und kleinen Gelenke erlauben aus Sicht des klinischen Anwenders eine Überprüfung der positiven Effekte dieser Methode und ihrer Wirksamkeit.

Autolog, biologisch und nebenwirkungsfrei

Die Vorteile einer Behandlung mit einem PRP/ ACP liegen klar auf der Hand. Der körpereigene biologische „Wirkstoff“ ist immer verfügbar, autolog und entsprechend uneingeschränkt gut verträglich. Klassische Nebenwirkungen wie auf chemische Substanzen sind nicht zu erwarten. Limitierende Kontraindikationen sind bisher nicht bekannt. Demzufolge ist die Anwendung dieser biologischen Wirkstoffe allen uns zur Verfügung stehenden Substanzen gleichwertig oder sogar vorzuziehen.

 

ACP an der Wirbelsäule – eine „echte“ Behandlungsalternative

Unter Berücksichtigung der dargestellten wissenschaftlich gesicherten Grundlagen und der kritischen Abwägung einer patientenorientierten Risiko-Nutzen-Relation erscheint es vielversprechend, entzündliche Veränderungen auch an der Wirbelsäule mit ACP zu behandeln.

Auf der Suche nach Optimierungsansätzen dieser Therapieformen und „echten“ Alternativen können die sehr guten Studienergebnisse der ACP-Anwendung bei der Behandlung arthrotischer Veränderungen nicht übersehen werden. Tatsächlich besticht diese biologische Methode bei vergleichbar guter Wirksamkeit auf den Arthroseschmerz und die arthrosebedingte Dysfunktion der betroffenen Gelenke vor allem durch die fehlenden Nebenwirkungen und wirkstoffbedingten Komplikationen[3].

Daher ist aus Sicht der klinischen Anwender und unserer Patienten die Anwendung von ACP an der Wirbelsäule eine „echte“, effektive und patientenfreundliche Behandlungsalternative zu den konventionellen pharmakologischen Infiltrationsbehandlungen bei arthrosebedingten Rückenschmerzen.

Dr. Hanns Harzmann Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie Praxis Herzogpark I München

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[1] Huang, Orthopäde 2019:

Huang Y, Liu X, Xu X, Liu J. Intra-articular injections of platelet-rich plasma, hyaluronic acid or corticosteroids for knee osteoarthritis : A prospective randomized controlled study. Orthopade. 2019 Mar;48(3):239-247. English. doi: 10.1007/s00132-018-03659-5. PMID: 30623236

[2] Wu, Pain Physician 2016:

Wu J, Du Z, Lv Y, Zhang J, Xiong W, Wang R, Liu R, Zhang G, Liu Q. A New Technique for the Treatment of Lumbar Facet Joint Syndrome Using Intra-articular Injection with Autologous Platelet Rich Plasma. Pain Physician. 2016 Nov-Dec;19(8):617-625. PMID: 27906940

[3] Review Patel, Ortho Rev 2022:

Patel A, Koushik S, Schwartz R, Gritsenko K, Farah F, Urits I, Varrassi G, Viswanath O, Shaparin N. Platelet-Rich Plasma in the Treatment of Facet Mediated Low Back Pain: A Comprehensive Review. Orthop Rev (Pavia). 2022 Jul 27;14(4):37076. doi: 10.52965/001c.37076. PMID: 35910548; PMCID: PMC9329057.

Hochleistungslasertherapie in der stationären, konservativ-orthopädischen Versorgung

Im Bereich der konservativen Orthopädie ist die Anwendung von Lasern bereits seit vielen Jahren etabliert. Durch den Einsatz von High-Power-Lasern sind jedoch deutlich intensivere Therapiemöglichkeiten entstanden. Die Möglichkeit der Abgabe einer Laser-Dauerleistung von bis zu 40 Watt ermöglicht in tiefer liegenden Gewebestrukturen vielfältige Einwirkungen, die analgetisch, antiphlogistisch, hyperämisierend und den intrazellulären Stoffwechsel anregend sowie Muskel-detonisierend wirken.

Der von uns eingesetzte Laser hat trotz der hohen Dauerleistung eine sichere Anwendungstechnik. Im Applikationshandstück ist ein Beschleunigungssensor eingebaut, der sowohl durch Vibrationen als auch durch eine farbliche Kennzeichnung sicherstellt, dass keine zu hohe Laserenergie ins Gewebe abgegeben wird. Die hohe Dauerleistung ermöglicht einen schnellen Wirkungseintritt der abgegebenen Laserenergie bei gleichzeitig kurzer Therapiedauer pro Sitzung.

Für die unterschiedlichen Gewebestrukturen stehen verschiedene Applikationen zur Verfügung. Nutzt man zum Beispiel bei hartnäckigen Muskelverspannungen und Myogelosen einen der On-Contact-Applikatoren, kann man entlang der anatomischen Strukturen zusätzlich auch noch einen Massageeffekt erzielen, was sich in der Praxis als sehr hilfreich erweist. Wir setzen die Lasertherapie sowohl als Mono-Therapie, aber vor allem als Bestandteil unserer multimodalen Therapiekonzepte ein. Ein großer Vorteil ist, dass die Lasertherapie alle anderen therapeutischen Optionen möglich lässt.

Fallbeispiel eins:

59 Jahre alte Frau, seit einigen Wochen chronifizierende muskelbedingte Schmerzen im Bereich des Schulter-Nackengürtels links betont. Im Nativ-Röntgenbild der HWS fanden sich geringgradige, nicht über das Altersmaß hinaus gehende degenerative Veränderungen. Die durchgeführte Kernspintomographie der Halswirbelsäule erbrachte keine weiterführenden zusätzlichen Hinweise. Laborchemisch zeigte sich keine Auffälligkeit, insbesondere nicht im Hinblick auf eine mögliche Polymyalgia rheumatica.

Nach Durchführung von Krankengymnastik und myodetonisiernder Massage zeigte sich trotz zehnmaliger Anwendung keine richtungsweisende Verbesserung.

Die Patientin wurde insgesamt fünf Mal mit täglich Abstand jeweils 5 Minuten entlang der Schulter-Nacken-Muskulatur behandelt.

Schon nach der ersten Behandlung berichtete die Patientin über eine Schmerzlinderung, insbesondere nachts. Nach der fünften Behandlung konnte die Therapie erfolgreich abgeschlossen werden. Zur häuslichen Therapieweiterführung haben wir die Patientin zu einem Eigenprogramm angeleitet.

Fallbeispiel zwei:

53 Jahre alter Mann, spielt regelmäßig Tennis. Der Patient stellte sich mit Beschwerden an radialen Epicondylus und sowohl anamnestisch als auch klinisch typischer Epicondylitis vor. Die Beschwerden waren erst circa drei Wochen vorher erstmals aufgetreten, hatten sich jedoch im Verlauf deutlich gesteigert. Eine Vorbehandlung mit anderen Therapien hatte noch nicht stattgefunden. Wir hatten eine Laserbehandlung mit einer on-contact-Applikation für jeweils vier Minuten dreimal im Abstand von jeweils einem Tag Pause durchgeführt. Danach konnte der Patient berichten, dass er fast komplett schmerzfrei sei. Nach einer Woche hat er sich noch einmal vorgestellt und wir hatten eine weitere einmalige Laser Behandlung durchgeführt. Bei der nach zwei Wochen durchgeführten Kontrolluntersuchung berichtete der Patient, dass er vollständig beschwerdefrei sei.

Beide Fallbeispiele verdeutlichen, dass die High-Power-Laserapplikation mit Dauer-applikation eine Anwendung darstellt, die sich in den klinischen Alltag beziehungsweise den Praxis-Alltag gut integrieren lässt, die recht schnell durchgeführt werden kann und einen guten therapeutischen Benefit für die behandelten Patienten bringt.

 

Dr. med. Jan Holger Holtschmit, Chefarzt des Muskuloskelettalen Zentrums für Konservative Orthopädie, Schmerztherapie, Rheumatologie und Osteologie, St. Wendel

Akutmedizinische interdisziplinäre Komplexbehandlung – das stationäre Konzept der ANOA: gut zwei Jahrzehnte lang angewandt und stetig angepasst

Komplexe Erkrankungen des Bewegungssystems wie beispielsweise degenerative Wirbelsäulen- und Gelenkerkrankungen, komplexe Funktions- und Bewegungsstörungen,  chronische Schmerzerkrankungen, rheumatische Erkrankungen oder auch Stoffwechselerkrankungen mit Störungen im Bewegungssystem sind in der Regel multifaktoriell bedingt. Dementsprechend benötigen diese komplexen Erkrankungen eine interdisziplinäre Diagnostik und – bei hoher Krankheitsintensität  – eine akutmedizinische  multimodale Komplexbehandlung.

Für eine befund- und mechanismengerechte Diagnostik und die Behandlung multifaktoriell bedingter Erkrankungen des Bewegungssystems wurde vor nunmehr 21 Jahren das ANOA-Konzept entwickelt. Das Konzept, zuletzt im Jahr 2020 erfolgreich überarbeitet, gilt mittlerweile als der Goldstandard in der Therapie chronischer Rückenschmerzen. Es verbindet orthopädische, manualmedizinisch-funktionelle, physiotherapeutische, psychotherapeutische sowie schmerzmedizinische Diagnostik- und Behandlungsansätze.

 

Über die ANOA

Die ANOA (Arbeitsgemeinschaft nichtoperativer orthopädischer manualmedizinischer Akutkliniken) ist eine bundesweit tätige medizinisch-wissenschaftliche Arbeitsgemeinschaft von aktuell 32 Akutkrankenhäusern, die multifaktorielle Erkrankungen des Bewegungssystems nichtoperativ orthopädisch-unfallchirurgisch, manualmedizinisch, schmerzmedizinisch und rheumatologisch behandeln. Die Kliniken haben sich auf interdisziplinäre Komplexbehandlungen multifaktorieller Struktur-, Funktions- und Schmerzerkrankungen des Bewegungssystems mit hoher Krankheitsintensität spezialisiert und zeichnen sich bei der akutmedizinischen Versorgung im Krankenhaus durch die Verbindung von Standardisierung und Individualisierung aus.

Die ANOA ist der Auffassung, dass nur im Rahmen einer ganzheitlichen Betrachtung eine nachhaltig wirksame Behandlungsstrategie erarbeitet werden kann. Kliniken im ANOA-Verbund verpflichten sich, Behandlungen nach den neuesten medizinischen Erkenntnissen durchzuführen und fortlaufend qualitätsgesichert zu evaluieren.

ANOA-Konzept 2.0: Drei Grunderkrankungsformen im Fokus

Die ANOA geht davon aus, dass diese komplexen Erkrankungen des Bewegungssystems subgruppenspezifisch in klinischen Behandlungspfaden mit befundgerechter Individualisierung behandelt werden sollten:

  • In der Gruppe der Struktur- und Funktionserkrankungen des Bewegungssystems sind morphologische Befunde und komplexe Funktionsstörungen Hauptfaktoren der Erkrankung. Struktur- und Funktionsstörungen müssen deshalb im Mittelpunkt der Behandlung stehen. Komorbidität, psychische und psychosoziale Faktoren haben häufig einen zusätzlichen Einfluss im Krankheitsgeschehen und müssen diagnostiziert und mitbehandelt werden.
  • Bei chronischen Schmerzerkrankungen des Bewegungssystems handelt es sich in der Regel um ein komplexes Bedingungsgefüge aus morphologisch-strukturell bedingten Störungen, komplexen Funktionsstörungen, somatischer und psychischer Komorbidität und anderen psychischen Einflussfaktoren, häufig verbunden mit schmerzrelevanten psychosozialen Kontextbedingungen und ausgeprägten Chronifizierungsprozessen. Patienten mit diesen Störungen benötigen eine auf die Behandlung des Bewegungssystems abgestimmte, interdisziplinäre multimodale Schmerztherapie mit individueller Schwerpunktsetzung.
  • Rheumatische Erkrankungen mit hoher Krankheitsintensität führen häufig zu komplexen Struktur- und Funktionsstörungen des Bewegungssystems. Bei dieser Gruppe stehen rheumatisch bedingte Struktur- und Funktionsstörungen im Mittelpunkt der Komplexbehandlung. Auch hier müssen Komorbidität, psychische und psychosoziale Einflussfaktoren mit berücksichtigt werden.

 

Abb. 1 ANOA Konzept Übersicht

 

Diagnostik, Verlaufsdiagnostik und Behandlung bilden eine Einheit. Die Erreichung therapeutischer Zielstellungen und die akutmedizinische Behandlungsnotwendigkeit werden während der Komplexbehandlung fortlaufend evaluiert. Die Behandlung erfolgt multimodal im interdisziplinären therapeutischen Team unter ärztlicher Leitung.

Wesentlicher Bestandteil des Konzeptes ist das System der Klinischen Behandlungspfade. Bei der Überarbeitung des Konzeptes 2.0 wurden diese ANOA-spezifischen Pfade multimodaler nichtoperativer Komplexbehandlungen des Bewegungssystems verschlankt und die spezifischen Grunderkrankungsformen in den Fokus gerückt: die Behandlung strukturell- funktioneller Erkrankungen des Bewegungssystems (OPS 8-977), die chronischen Schmerzstörungen mit somatischen und psychischen Faktoren (OPS 8-918) und rheumatologische Komplexerkrankungen (OPS 8-983).

Jeder Behandlungspfad bildet eine subgruppenspezifische Methodenkombination mit definierter Behandlungsintensität und Behandlungsdauer ab. Die Behandlung ergibt sich durch eine befundgerechte Individualisierung auf der Grundlage des strukturierten klinischen Pfades.

 

Abb. 2 ANOA Diagnostik und Klinische Pfade

Individuelle patientenbezogene Diagnostik

Das diagnostische Konzept der ANOA ist individuell patientenbezogen ausgerichtet und wird mit wissenschaftlich evaluierten Assessments durchgeführt.  Die Diagnostik erfolgt in den Bereichen der Morphologie, der Funktionsstörungen, der Psyche und der Schmerzchronifizierung. Psychosoziale Faktoren werden mitberücksichtigt. Die in der Diagnostik erhobenen Befunde werden interdisziplinär betrachtet und in ihrem Einfluss auf das Krankheitsgeschehen bewertet. Diagnosen, therapeutische Zielstellungen und Behandlungsstrategien werden interdisziplinär erarbeitet.

Die gezielte Anwendung mehrerer diagnostischer Verfahren erfolgt durch ein interdisziplinäres Team unter Nutzung schmerztherapeutischer Assessments, klinischer und apparativer Methoden. Schwerpunkte sind:

  • Neuroorthopädische Strukturdiagnostik
  • Manualmedizinische Funktionsdiagnostik
  • Psychodiagnostik
  • Schmerzdiagnostik
  • Apparativ gestützte Diagnostik unter funktionspathologischen Aspekten

Die erhobenen Befunde werden interdisziplinär in einer Teambesprechung hinsichtlich ihrer Relevanz für die vorliegende Erkrankung bewertet und bilden damit die Grundlage der Therapie.

Vielfältige therapeutische Methoden

Das Konzept der ANOA ist befundorientiert, multimodal und interdisziplinär. Die Zielstellung der Behandlung ist individuell patientenzentriert. Dazu erfolgt die gezielte und strukturierte Anwendung therapeutischer Verfahren mit kontinuierlicher interdisziplinärer Evaluation und Therapieanpassung.

Therapeutische Verfahren aus folgenden Fachgebieten kommen zur Anwendung: Orthopädie und Unfallchirurgie, Manuelle Medizin, Schmerzmedizin, Rheumatologie, Naturheilverfahren, Psychotherapie, Pflege, Physiotherapie sowie Trainingstherapie

Die Behandlung erfolgt im Rahmen nachstehend genannter klinischen Pfade, welche jeweils spezifische Kombinationen therapeutischer Methoden beinhalten und unterschiedliche therapeutische Schwerpunkte und Zielsetzungen berücksichtigen, die befundgerecht individualisiert werden:

  • Multimodal-nichtoperative Komplexbehandlung des Bewegungssystems (OPS 8-977)
  • Interdisziplinäre multimodale Schmerztherapie (OPS 8-918)
  • Multimodale rheumatologische Komplexbehandlung (OPS 8-983)

Die Behandlungspfade beinhalten jeweils spezifische Kombinationen therapeutischer Methoden und berücksichtigen unterschiedliche therapeutische Schwerpunkte  sowie Zielsetzungen, die befundgerecht individualisiert werden.

Qualitätssicherung und wissenschaftliche Evaluation: Garanten für den Therapieerfolg

Über eine Symptomlinderung hinaus verfolgt das ANOA-Konzept auch die Entwicklung langfristig wirksamer Behandlungsstrategien. Dabei werden sowohl patientenbezogene Ressourcen als auch Handlungskompetenzen gefördert – mit dem übergeordneten Ziel, Patienten in ihrer Eigenverantwortung zu stärken.

Im Jahr 2016 hat die ANOA in Zusammenarbeit mit dem unabhängigen Zertifizierungsinstitut ClarCert in Ulm das Qualitätsicherungs- und Zertifizierungssystem ANOACert für Kliniken entwickelt, die Schmerzerkrankungen des Bewegungssystems nichtoperativmultimodal komplex behandeln. Dieses Qualitätssiegel wurde im Jahresverlauf 2020 entsprechend aktualisiert und wird seitdem vom Ulmer Instititut ClarCert zur Anwendung gebracht.

Ergänzend hierzu werden die Behandlungen nach dem ANOA-Konzept in wissenschaftlichen Studien und in Zusammenarbeit mit medizinischen Fachgesellschaften sowie universitären Einrichtungen wissenschaftlich evaluiert. Dabei lieferte den ersten relevanten wissenschaftlichen Nachweis zur Wirksamkeit und Nachhaltigkeit des Vorgehens innerhalb des ANOA-Konzeptes bereits 2014 / 2015 die Multicenterstudie.

350.000 Patienten seit 2002 behandelt

Im Laufe der Jahre wurden mehr als 350.000 Patientinnen und Patienten mit akuten und chronifizierten Erkrankungen des Bewegungssystems in ANOA-Kliniken orthopädisch – konservativ, interdisziplinär und multimodal komplex behandelt. Oft mit nachhaltig wirksamer Schmerzreduktion und Verbesserungen der Lebensqualität. Auch für die Zukunft sieht sich die ANOA – mit dem überarbeiteten ANOA-Konzept und der Neustrukturierung des Qualitätssicherungssystems ANOACert – für die Bedürfnisse der Patienten gut aufgestellt. Die Nachfrage nach einer Behandlung ist groß, einige Kliniken führen derzeit Wartelisten.

Dr. Jan Holger Holtschmit (Präsident der ANOA, Orthopäde und Chefarzt am Marienhaus Klinikum St. Wendel-Ottweiler

 

Die neue Leitlinie Radiofrequenz-Denervation der Wirbelsäule

Eine Radiofrequenz-Denervation ist eine häufig bei chronischen Nacken- und Rückenschmerzen durchgeführte Therapie. Es gibt eine große Anzahl von Studien, die aber teils widersprüchliche Ergebnisse liefern, was vor allem an den Kriterien zur Auswahl geeigneter Patienten und an unterschiedlicher technischer Durchführung der Denervation liegt. Die Deutsche Wirbelsäulengesellschaft hat daher beschlossen, eine S3-Leitline zu erstellen, um evidenzbasierte Statements und Empfehlungen zur Indikation und Durchführung einer Radiofrequenz-Denervation zu geben.

Eine Radiofrequenz-Denervation (RF-Denervation) wird bei Patienten mit chronischen Wirbelsäulenschmerzen vor allem an der Hals- und Lendenwirbelsäule (HWS, LWS) sowie am Iliosakralgelenk (ISG) angewendet. Ziel ist es, durch thermische Koagulation eines Nerven die Schmerzweiterleitung zu unterbrechen. An der HWS und LWS ist dieser Nerv der Medial Branch (Abb. 1), der die nozizeptiven Informationen aus den Facettengelenken übermittelt und am ISG sind es die Lateral Branches.

Abb. 1: Schematische Darstellung des Rückenmarkes, der Nervenwurzeln und des Spinalnerven mit seinen Ästen. Aus dem Ramus dorsalis des Spinalnerven entspringt der Medial Branch, der unter anderem das Facettengelenk versorgt.

Somit kommen für eine RF-Denervation Patienten mit chronischen Schmerzen der Facettengelenk oder des ISG in Frage.

Bei der RF-Denervaton wird ein Wechselstromfeld zwischen einer Neutralelektrode auf der Haut und der Sondenspitze erzeugt. Durch den Größenunterschied zwischen Neutralelektrode und Sondenspitze sind die Feldlinien an der Sonde sehr dicht, was dazu führt, dass die Moleküle in der Umgebung der Sonde anfangen zu oszillieren, wodurch Wärme entsteht. Wird die Sonde in der Nähe eines Medial Branch oder eines Lateral Branch platziert (Abb. 2), so kann der Nerv koaguliert werden.

Abb. 2: Durchleuchtungsbild und schematische Darstellung einer Sonde am Medial Branch L4.

Ergebnisse von Studien

Da die RF-Denervation ein invasives Verfahren ist muss natürlich eine Risiko-Nutzen-Abwägung erfolgen. Eine sehr große Zahl von Studien mit unterschiedlichsten Ergebnissen wurde publiziert. So finden sich Studien mit sehr guten Ergebnissen (schmerzfrei, Integration ins Arbeitsleben) für durchschnittlich 15 Monate bei knapp 60 % der Patienten [1] aber auch Studien, die keine bessere Wirkung durch die RF-Denervation im Vergleich zu Physiotherapie alleine sehen [2].

Betrachtet man die vorhandenen randomisierten kontrollierten Studien (RCTs), die eine RF-Therapie mit einer Sham-Prozedur verglichen haben, so gibt es für die HWS gerademal 4 solcher Studien, für die LWS 7 und für das ISG 4. Auch die Ergebnisse dieser Studien sind sehr unterschiedlich. Dies liegt zum einen an der Qualität der Studien. Es finden sich teils sehr kleine Fallzahlen, ein hohes loss to Follow-up, unterschiedliche Patientengruppen oder ein Sponsoring, welches das Ergebnis beeinflussen kann. Auffällig ist aber auch, dass sich die Studien in Bezug auf Indikation zur RF-Denervation und technischer Durchführung unterscheiden.

Abb. 1: Schematische Darstellung des Rückenmarkes, der Nervenwurzeln und des Spinalnerven mit seinen Ästen. Aus dem Ramus dorsalis des
Spinalnerven entspringt der Medial Branch, der unter anderem das Facettengelenk versorgt.

Abb. 2: Durchleuchtungsbild und schematische Darstellung einer Sonde am Medial Branch L4.

Indikation

Eine RF-Denervation kommt nur bei einem spezifischen Rückenschmerz in Frage, der seine Ursache in den Facettengelenken oder dem ISG (incl. dorsalem Bandapparat) hat. Anamnese und klinische Untersuchung sind wichtig, können aber diese spezifische Ursache nicht beweisen, weshalb in der Regel vor einer RF-Denervation Testblockaden durchgeführt werden.

Bei den RCTs wurden Patienten mit chronischen Rückenschmerzen unterschiedlicher Dauer eingeschlossen. An der HWS wurden auch Patienten nach Verkehrsunfall oder mit zervikogenen Kopfschmerzen untersucht. Am ISG spielten klinische Tests eine unterschiedlich große Rolle bei den Einschlusskriterien.

Als Testblockaden kamen intraartikuläre Injektionen in die Facettengelenke oder in das ISG aber auch ein Medial Branch Block in Frage, welcher manchmal (auch Placebo-kontrolliert) wiederholt wurde. Ein Testblock wurde als positiv gewertet, wenn zwischen 50 und 100 % Schmerzreduktion erreicht wurde.

Technik

Auch die technische Durchführung der Denervationen unterscheidet sich in den Studien wesentlich. Die Position der Sonde in Relation zum Nerven (parallel oder rechtwinklig), die Dicke der Sonde, die verwendete Temperatur und die Dauer der Temperaturwirkung und auch die Zahl der Läsionen war unterschiedlich.

Dazu muss noch berücksichtig werden, dass es verschiedene Sondentypen gibt, die vor allem bei der Denervation des ISG Verwendung finden. Neben konventionellen Sonden, bei denen Teilweise die aktive Spitze verändert wurde (2 oder 3 aktive Arme), existieren gekühlte Sonden und bipolare Sonden sowie Sonden mit mehreren aktiven Feldern.

Leitlinie

Es bleiben bei Betrachtung der Studien also viele Unklarheiten und es schwierig, den zu erwartenden Nutzen zu beurteilen und Empfehlungen bezüglich der Patientenauswahl und der zu verwendenden Technik zu geben.

Daher entstand bei der Deutschen Wirbelsäulengesellschaft (DWG) die Idee, eine Leitlinie zu schreiben, die Empfehlungen bezogen auf die Situation in Deutschland gibt. Geplant wurde eine S3-Leitlinie, bei der die Empfehlungen auf einer systematischen Literatur-Recherche beruhen und die Evidenz in der Literatur kritisch bewertet wird. Es wurden acht relevante Fachgesellschaften und Patientenvertreter einbezogen.

Doch wie kann eine solche Leitlinie entstehen, wenn die Informationen aus den RCTs teils widersprüchlich und so schwierig auszuwerten sind? Es wurde eine Auswertungsmöglichkeit gewählt, bei der neben RCTs auch Beobachtungsstudien berücksichtigt werden können. Beim GRADE-System [3] wird die Qualität der Evidenz nicht auf eine gesamte Publikation bezogen sondern es werden Endpunkte formuliert, für die die Qualität der Evidenz in mehrerer Studien gemeinsam bewertet wird. Ein möglicher Endpunkt könnte z. B. die Schmerzreduktion nach 6 Monaten sein, ein anderer die Häufigkeit von Komplikationen. Die Bedeutung des Endpunktes (kritisch, wichtig, von begrenzter Bedeutung) wird beurteilt. Dann erfolgt für jeden Endpunkt die Beurteilung der Qualität der Evidenz. RCTs beginnen mit einer hohen Evidenz, Beobachtungsstudien mit einer niedrigen Evidenz. Die Qualität kann herauf- oder herabgestuft werden (Abb. 3).

Anhand dieser Evidenz können dann in der Leitlinie Empfehlungen und Statements gegeben werden, wobei ein A (⇑ ⇑ soll) für eine starke Empfehlung, ein B (⇑ sollte) für eine Empfehlung und ein 0 (⇔ kann) verwendet wurden.

In einer von der AWMF moderierten Konsensuskonferenz haben die beteiligten Fachgesellschaften dann Ende April 2023 über diese Empfehlungen abgestimmt. In Kürze kann dann die Leitlinie sowie eine Patientenfassung bei der AWMF eingesehen werden.

Abb. 3: Beispiel für eine Evidenzbeurteilung. 4 Studien werden ausgewertet. Es wurden 3 Endpunkte untersucht und gewertet (wichtig,
kritisch). In dem hier gezeigten Beispiel wurde der erste Endpunkt in allen Studien untersucht, der zweite nur in Studie 1, 2 und 4 und der dritte
nur in Studie 1 und 4. Für jeden der drei Endpunkte wir die Qualität der Evidenz nach klaren Kriterien festgelegt.

Folgende Fragen werden von der Leitlinie beantwortet:

  • Die Bedeutung von Anamnese und klinischer Untersuchung für die Auswahl von Patienten.
  • Die Relevanz bildgebender Verfahren für die Indikation zur Denervation.
  • Die Notwendigkeit einer konservativer Therapie vor einer RF-Denervation.
  • Die Durchführung von Testblockaden (intraartikulär, Medial Branch, Lateral Branch, wie oft, welche Medikamente)
  • Die notwendige Schmerzreduktion, damit ein Testblock als positiv gewertet werden kann.
  • Welche Bildgebung geeignet ist, um eine RF-Denervation durchzuführen.
  • Die Parameter bei der Denervation (Temperatur, Dauer, Durchmesser der Kanüle).
  • Der Typ der Sonde (konventionell monopolar, bipolar, cooled).
  • Die Lage der Sonde zum Nerven (parallel, rechtwinklig).
  • Die Notwendigkeit einer Teststimulation sensorisch oder motorisch.
  • Die Möglichkeit, eine RF-Denervation zu wiederholen.
  • Die Notwendigkeit, blutverdünnenden Medikamente oder Thrombozytenaggregationshemmer vor der Denervation abzusetzen.
  • Die Möglichkeit einer RF-Denervation bei Metall-Implantaten (Spondylodese).
  • Die Möglichkeit einer RF-Denervation bei Herz-Schrittmacher oder Defibrillator.
  • Mögliche Komplikationen­­.

Zusammenfassung

Die neue S3-Leitlinie zur Radiofrequenz-Denervation an den Facettengelenken und dem ISG liefert evidenzbasierte, konkrete Empfehlungen zur Patientenauswahl, Indikation und zum technischen Vorgehen bei Testblockaden und bei der Denervation.

Prof. Dr. med. Stephan Klessinger
Neurochirurgie Biberach
Eichendorffweg 5
88400 Biberach
klessinger@neurochirurgie-bc.de

Literatur auf Anfrage bei der Redaktion

 

Medikamentöse Therapie des Arthroseschmerz

Laut der Global-Burden-of-Disease-Studie zählen muskuloskelettale Schmerzen zu den führenden Ursachen einer beeinträchtigten Gesundheit [GDB 2019]. Der typische Arthrosepatient ist älter als 45 Jahre, hat mehr als eine Komorbidität, nimmt in der Regel multiple Medikationen und hat darüber hinaus noch andere altersbedingte muskuloskelettale Veränderungen.

Nicht-Opioid-Analgetika (NOPA)

Paracetamol: Paracetamol wird in Leitlinien nicht mehr empfohlen wird. Die analgetische Wirkung ist zu gering und die freie Verfügbarkeit für den Patienten führt schnell dazu, dass der Patient mit seiner Dosierung in einen hepatotoxischen Bereich kommt.

Metamizol: Metamizol ist gut verträglich und ein sehr verbreitetes Präparat zur Schmerzlinderung. Es ist als Schmerzmittel im Bereich von O&U weit verbreitet, hat jedoch kein Label für die Erstanwendung bei der Arthrose. Die primäre Indikation liegt im Bereich der perioperativen Schmerztherapie sowie bei Schmerzzuständen, die anders schon frustran gehandelt wurden. Daneben ist dringend eine Risiko- und Sicherungsaufklärung zu beachten (Jerosch et al. 2017).

NSAR: NSAR stellen eine weitgehend heterogene Gruppe dar, welche eine nicht-selektive und reversible Hemmung der Cyclooxygenasen (COX-1 und COX-2) bewirken. Hierbei unterscheiden sie sich von den Coxiben, die hoch-selektiv COX-2 hemmen. Gastrointestinale sowie kardiovaskulären Nebenwirkungen von sind jedoch von erheblicher Relevanz [Pelletier et al. 2016]. Hierbei wurde die Hemmung von COX-2 mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko assoziiert [Rao et al. 2008], weshalb diese bei erhöhtem kardiovaskulärem Risiko kontraindiziert sind. Hier bietet die topische Applikation von NSAR in Form von Gelen oder Pflastern eine sehr gute Alternative. Aufgrund der zu erwartenden geringeren systemischen Exposition gegenüber einer oralen Gabe ist das Risiko für unerwünschte Nebenwirkungen bei dieser Applikationsform deutlich verringert bei vergleichbarer Wirksambarkeit [Derry et al. 2016].

Wichtig ist, dass NSAR und COX-Hemmer niemals kombiniert werden, da sich die Nebenwirkungen dabei ebenfalls addieren. Zu Dosierungen und Kontraindikationen für einige der wichtigen NOPA siehe Tab.1.

 

Tab.1: Risikoprofil von NOPAs (Freys S, Pogatzki-Zahn E, 2020)

Verabreichungsform Dosierungen bei (gesunden) Erwachsenen* Kontraindikationen
Diclofenac

 

p.o.

supp.
i.m./s.c.

3 x 50 mg/d
retard: 2 x 75mg/d
25-100 mg 2-3x/d
75-150 mg einmaligMaximale Tagesdosis:

200 mg (2 mg/kg)

Allergie, Asthma, COPD,
Ulzera im Gastrointestinaltrakt, Anamnese chronischer Magen-Darm-Beschwerden,
koronare Herzerkrankung und Herzinsuffizienz (NYHA II-IV),Z.n. Herzinfarkt oder Apoplex,akute oder chronische Niereninsuffizienz (Kreatininclearance < 30 ml/min), schwere Leberfunktionsstörungen (Albumin < 25 g/l),

Volumenmangel, Schock,
Porphyrie, Schwangerschaft und Stillzeit

Parecoxib i.v. 2 x 20–40 mg/d

 

 

 

 

Maximale Tagesdosis:

80 mg

Allergie, Asthma,
aktives peptisches Ulkus oder akute gastrointestinale Blutung,
koronare Herzerkrankung und Herzinsuffizienz (NYHA II-IV),
Z.n. Herzinfarkt oder Apoplex,
akute oder chronische Niereninsuffizienz (Kreatininclearance < 30 ml/min), schwere Leberfunktionsstörungen (Albumin < 25 g/l),
Schwangerschaft, Stillzeit,
nicht eingestellter Hypertonus (relativ)
Ibuprofen

 

p.o.

supp.
i.v./s.c.

2-3 x 200-800 mg/d
retard: 2-3 x 800 mg/d2-4 x 600 mg/d
2-3x/400-600 mg

 

Maximale Tagesdosis:

2400 mg

Allergie, Asthma, COPD,
Ulzera im Gastrointestinaltrakt, Anamnese chronischer Magen-Darm-Beschwerden,
schwere Leber-, Nieren- oder Herzinsuffizienz,
Volumenmangel, Schock,
Schwangerschaft (3. Trimenon) und Stillzeit (bei unreifen Neugeborenen bzw. ductusabhängigen Vitien)
Metamizol

 

p.o.

supp.
i.v.

4 x 500-1000 mg/d
3-4 x 20-40 Trpf.
20 Trpf. = 500 mg
3-4 x 1000 mg
1 g/ 2,5 gMaximale Tagesdosis:

5 – 6 g

Allergie, Asthma,
Volumenmangel, Schock
Hämatopoesestörungen (Leuko-, Granulozytopenie),
Porphyrie,
Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenasemangel,Schwere Leber- und Niereninsuffizienz
Schwangerschaft, Stillzeit
Paracetamol

 

p.o.
supp.
i.v.
3-4 x 500-1000 mg

 

 

Maximale Tagesdosis:

4 g

Bekannte Unverträglichkeit,
schwere Leber- und Niereninsuffizienz,
Glukose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel,
Alkoholabusus, chronische Mangelernährung

*Bei älteren Patienten ggf. reduzieren

 

Insoweit NSAR nicht ausreichend wirksam sind, kontraindiziert sind oder das Risiko für unerwünschte Wirkungen erhöht sind, wird nach der AWMF-Gonarthroseleitlinie die Verwendung von Glucosamin oral, Hyaluronsäure oder Corticosteroiden intraartikulär empfohlen.

Glucosamine: Die orale Gabe von Glucosaminen oder vergleichbaren Nahrungsergänzungsmitteln wirkt sehr langsam und zeigen erst nach 4-8 Wochen einen eventuell positiven Effekt (Bruyere et al. 2004, Clegg et al. 2005, Kahan et al. 2008).

Intraartikulare Corticoidgabe: Corticosteroide haben den raschesten Wirkeintritt und sind für etwa 3 Monate wirksam (Jerosch/Heisel 2010, Jerosch 2015). Bei Patienten, bei denen ein entzündlicher Schub einer Gonarthrose (aktivierte Arthrose) im Vordergrund steht, kann die intraartikuläre Applikation eines Steroids in Betracht gezogen werden.

Die Kombination Corticosteroid/Hyaluronsäure kann zu einer schnellen Linderung der Beschwerden führen. Eine Metaanalyse von Bannuru et al. (2015) konnte zeigen, dass die alleinige Injektion von Corticosteroid bis zu 4 Wochen hinsichtlich Schmerzreduktion effektiver war, als die Injektion von Hyaluronsäure alleine. Zwischen der 4. und 8. Woche waren die Ergebnisse vergleichbar und nach der 8. Woche zeigte die alleinige Applikation von Hyaluronsäure eine größere Effektivität.

Intraartikulare Hyaluronsäure (HA): HA wird seit mehreren Jahrzehnten bei der symptomatischen Behandlung von Arthrosen eingesetzt. Trotz einer Vielzahl an wissenschaftlichen Untersuchungen ist die Wirksamkeit dieser Therapieform in der Literatur nach wie vor umstritten. Eine klinisch relevante Schmerzhemmung wird in neueren und hochwertigen Metaanalysen beschrieben.

Die ESCEO-Gruppe formuliert eine praxisorientierte Argumentation und beschreibt Patienten, die besonders von einer HA-Therapie profitieren können. Die intraartikuläre Applikation von HA stellt aufgrund anderer Nebenwirkungen eine Behandlungsalternative zu NSAR dar, insbesondere bei Patienten, für die es Kontraindikationen für NSAR gibt. Auch kann die intraartikuläre HA Applikation zu einem verminderten Verbrauch an NSAR führen. Während Rutjes et al. (2012) relevante Nebenwirkungen bei der Verwendung von HA sahen, stellten Bannuru et al. (2015) weniger Studienabbrüche bei HA aufgrund von unerwünschten Wirkungen im Vergleich zu oralen Therapien (NSAR, Paracetamol) fest. Auch hat die intraartikuläre HA Applikation andere unerwünschte Wirkungen als die oralen Behandlungsoptionen wie beispielsweise NSAR, Opioide und Paracetamol. So sind Gelenkreaktionen nach intraartikulärer HA Applikation normalerweise mild und moderat mit nur geringem Knieschmerz, welcher durch Schonung, Eis und Analgetika gut zu behandeln ist. Die Beschwerden dauern üblicherweise nur wenige Tage an. Eine lokale oder allgemeine Überempfindlichkeitsreaktion ist selten.

HA-Präparate haben eine Wirkdauer von 6-12 Monaten. Die Effektgröße hinsichtlich Schmerz in Metaanalysen liegt zwischen 0,34 (0,22 – 0,46) und 0,63 (0,36 – 0,88); Effektgröße nach 4 Wochen ist besser als bei anderen pharmakologischen Behandlungen (Cox-2, NSAIDs, i.a. Corticoid und Paracetamol) (Henrotin et al. 2015). Insgesamt gibt es mehr als 100 vermarktete HA-Produkte weltweit. Diese differieren erheblich hinsichtlich des Ursprungs (tierische oder bakterielle Fermentation), des Molekulargewichtes (von 0,7 bis 3 MDa), der molekularen Struktur (linear, cross-linked, mixed oder beides), der Methode der cross-link Konzentration (0,8 bis 30 mg/ml), dem rheologischen Verhalten (Gel oder flüssig). Einige sind assoziiert mit anderen Molekülen (Mannitol, Sorbitol, Chondroitin Sulfat) mit unterschiedlichen Konzentrationen. Auf Grund dieser Rahmenbedingungen gibt es keine einzelne Klasse von HA-Produkten. Metaanalysen zeigen jedoch eine Überlegenheit von HA mit hohem Molekulargewicht (Vannabouathong et al. 2018, Hummer et al. 2019, Altman et al. 2016, Bhandari et al. 2017).

Durch eine gute Wahl des Injektionszeitpunktes, Berücksichtigung der Kellgren Lawrence Situation, der Co-Medikation sowie der Co-Therapie wird man den Effekt von Hyaluronsäuren auch optimieren können (Conrozier et al. 2020).

Während die oben genannten Therapieansätze rein als Schmerzreduktion anzusehen sind (SYSADOA) ergeben sich bei hochmolekularen Hyaluronsäuren durchaus auch Hinweise auf eine Beeinflussung der Knorpelstoffwechsel an sich (DMOAD). Insbesondere französische rheumatologische Arbeitsgruppen konnten zeigen, dass bei der intraartikulären Gabe von hochmolekularen Hyaluronsäuren eine Reduzierung des CTX-II nachweisbar ist und somit der Knorpelstoffwechsel an sich positiv beeinflusst wird (Henrotin et al. 2013, Conrozier et al. 2012). Der DMOAD Effekt wird in der Zukunft zunehmend interessanter werden (Henrotin et al. 2020). Aus den o.g. Gründen sind Hyaluronsäuren zwischenzeitlich in vielen internationalen Arthrose-Leitlinien als positiv bewertet worden.

PRP: Plättchenreiches Plasma (PRP) sowie vergleichbare Präparate (APC: Autologes Plättchenkonzentrat, ACS: Autologes konditioniertes Serum, BCS: blood clod secretom) werden im Rahmen der Injektionstherapie zunehmend im klinischen Alltag verwendet und in der Literatur evaluiert. Die Zubereitungsformen sind je nach Firma jedoch sehr unterschiedlich, sodass PRP nicht gleich PRP ist. PRP zeigt im Rahmen knorpelregenerativen Maßnahmen in Grundlagenarbeiten einen Vorteil bezüglich der Chondrozytenpoliferation und der Produktion von extrazellulärer Matrix. Ein fraglicher Effekt besteht auch in der klinischen Anwendung nach Mikrofrakturierung.

Ein Konsensuspapier der ESSKA (European Society of Sports Traumatology, Knee Surgery & Arthroscopy) von 2022  fasst die Ergebnisse von klinischen Studien der Stufen I und II sowie zusätzliche prospektive Studien zusammen (https://cdn.ymaws.com/www.esska.org/resource/resmgr/docs/consensus_projects/2203_orbit_brochure_spread.pdf). Es belegt die Wirksamkeit von PRP bei der Behandlung von Kniearthrose. Die Konsensusgruppe kommt zu dem Schluss, dass es genügend präklinische und klinische Belege gibt, um die Verwendung von PRP bei Kniearthrose zu empfehlen bzw. zu unterstützen. Die Überlegenheit von Präparaten einzelner Hersteller ist aufgrund der Datenlage noch nicht möglich.

Infiltrationskombinationstherapien

In der Literatur und im klinischen Alltag haben sich unterschiedliche Infiltrationskombinationstherapien entwickelt und teilweise bereits etabliert.

Cortison mit Lokalanästhesie: Diese Kombination führt aufgrund der Lokalanästhesiekomponente zu einer raschen Schmerzlinderung. Es hat sich jedoch gezeigt, dass Lokalanästhesie auch eine schädigende Wirkung auf Knorpelzellen haben, dieses insbesondere in experimentellen Studien. Durch das Cortison kommt es zu einer Reduktion der entzündlichen Komponente im Gelenk. Es ist jedoch auch ein schädigender Effekt auf Knorpelzellen bekannt.

Cortison mit Hyaluronsäure: Die Kombination von Cortison mit Hyaluronsäure wird im klinischen Alltag schon lange verwendet. In experimentellen und klinischen Studien zeigen sich hier vielversprechende Ergebnisse (Moser et. al.2021), sie konnten zeigen, dass bei kultivierten Knorpelzellen mit drei verschiedenen Lokalanästhetika (Lidocain, Bupivacain, Ropivacain), mit Cortison / Hyaluronsäure sowie der Kombination von Cortison und Hyaluronsäure, die Kombination mit der Hyaluronsäure zu einer geringeren Knorpelschädigung führt, als wenn Cortison und Lokalanästhetikum alleine verwendet wird. Bauer et al. (2016) zeigten in einer experimentellen Untersuchung, dass Cortison gemeinsam mit Hyaluronsäure sowohl einen antiinflammatorischen Effekt als auch gleichzeitig einen knorpelschonenden Effekt zeigt.

Hangody et al 2018 untersuchten in einer multizentrischen RCT den klinischen Effekt von Hyaluronsäure in Kombination mit Cortison bei der Gonarthrose. Als Placebo wurde Kochsalz verwendet. Hier zeigte sich, dass die Kombinationstherapie von Cortison und Hyaluronsäure dem Placebo in den ersten Wochen klinisch überlegen war.

Hyaluronsäure und PRP: Die Hyaluronsäure mit PRP zeigte in Metaanalysen, dass PRP gemeinsam mit Hyaluronsäure sowohl im WOMAC-Score als auch beim VAS-Score nach 12 Monaten bessere Ergebnisse zeigte als die alleinige Hyaluronsäuregabe (Karasavvidis et al. 2021, Bansal et al. 2021, Kim et al. 2021, Baria et al. 2022).

Opioide: Für Patienten mit chronischem Arthroseschmerz sind Opioide gemäß LONTS nur nach dem Versagen nicht-medikamentöser Therapie und/oder der Wirkungslosigkeit bzw. Kontraindikation anderer Analgetika und/oder einem nicht durchführbaren bzw. nicht gewünschten Gelenkersatz indiziert. Allgemein scheint jedoch gerade bei älteren Patienten eine Opioidgabe nur mit geringer analgetischer Wirkung und funktionaler Verbesserung bei gleichzeitig erhöhtem Nebenwirkungsrisiko beim Arthroseschmerz einherzugehen [Megale et al. 2018]. Schwach wirkende Opioide können bei nicht operablen Patienten oder Patienten, die für kurze Zeit bis zu einer Operation begleitet werden, sinnvoll sein. Hier muss jedoch auf eine adäquate Ko-Medikation geachtet werden, um unerwünschten Wirkungen der Opioide zu begegnen (LONTS Leitlinien).

Bisphosphonate: Bisphosphonate können eventuell einen positiven Effekt auf Schmerzen beim Knochenödem haben, jedoch keinen positiven Effekt auf den Gelenkknorpel (Cai et al. 2020).

Antikörper: Klinische Studien zeigten die Effektivität von monoklonalen Antikörpern gegen den Nervenwachstumsfaktor (NGF) für die Therapie von Arthroseschmerzen. Allerdings wurde dieser Therapie durch die FDA die endgültige Zulassung versagt, weil die sie in einzelnen Fällen mit einer rasch progredienten Arthroseentwicklung verbunden war. Dennoch werden in der Forschung derartige Konzepte weiter evaluiert (Schaible 2021).

Prof. Dr. med. Dr.h.c. Jörg Jerosch
Neuss

 

Literatur auf Anfrage bei der Redaktion.

 

 

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Let’s discuss Osteo: Update Leitlinie Osteoporose

Informationen rund um Knochenerkrankungen maßgeschneidert für Orthopäd:innen und Unfallchirurg:innen? Das finden Sie auf www.Facts4Fractures.de, der Fortbildungsplattform für Diagnostik und Differentialdiagnosen von osteologischen Erkrankungen. Herzstück der Seite sind die Online-Fortbildungen der Reihe „Let’s discuss Osteo“. Das erfolgreiche Format ging nun bereits in die dritte Runde – und das Video der Veranstaltung ist nun on demand verfügbar:

Update Leitlinie Osteoporose mit Dr. med. Friederike Thomasius

Bringen Sie Ihr Wissen auf den neuesten Stand und erweitern Sie Ihre Fähigkeiten bei der Diagnose und Behandlung von Osteoporose. Dr. med. Friederike Thomasius (Koordinatorin der DVO Leitlinienkommission Osteoporose) führt durch die wichtigsten Leitlinienempfehlungen.

 

Referentin: Dr. med. Friederike Thomasius, Frankfurt am Main
Moderator: Prof. Dr. med. Christopher Niedhart, Heinsberg
Veranstalter: med-kompakt

Seien Sie nächstes Mal live dabei und diskutieren Sie mit! Lassen Sie sich unkompliziert und bequem per Mail an die nächsten Seminare erinnern:

 

27.09.23

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08.11.23

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Differentialdiagnose Hypophosphatasie

Osteoporose, Knochenmarködem, Pseudarthrose, vermindertes Wachstum – wussten Sie, dass die Ursache dafür eine Stoffwechselstörung sein kann?1 Hypophosphatasie (HPP), eine erbliche Knochenmineralisierungsstörung, führt bei Patient:innen u. a. zu den unterschiedlichsten osteologischen Symptomen.1,2,3,4 Oft werden jedoch insbesondere Stressfrakturen, Osteomalazie und Frakturheilungsstörungen als Anzeichen einer Osteoporose verkannt.5,6 Es ist also kein Wunder, dass es oft zu erheblichen Verzögerungen zwischen den ersten dokumentierten Manifestationen und der Diagnose kommt.7

 

Immer griffbereit: Die Kitteltaschenkarte Labordiagnostik für die Orthopädie

Ein wichtiges Warnsignal der Hypophosphatasie ist eine erniedrigte alkalische Phosphatase-Aktivität.5,6 Generell gilt: Ein Blick auf die Blutwerte sagt oft mehr als tausend Worte. Doch wie sehen die aktuellen Referenzwerte aus? Mit der neuen Kitteltaschenkarte haben Sie diese immer zur Hand. Im praktischen Format erhalten Sie die wichtigsten diagnostischen Referenzwerte des Basislabors für Erwachsene – speziell für Orthopäd:innen und Unfallchirurg:innen für die schnelle Blutbildkontrolle.

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[1] Jandl N. M. et al. Medizinische Genetik. 2019; 31:364–371.

[2] Whyte M. P. Pediatric Bone. 2012; 771–794.

[3] Rockman-Greenberg C. Pediatr Endocrinol Rev. 2013; 10:380–8.

[4] Beck et al. Open Bone J. 2009; 1: 8–15.

[5] Weber T. J. et al. Metabolism. 2016; 65:1522–30.

[6] Seefried L. et al. JBMR. 2020; 35:2171–2178.

[7] Högler et al. BMC Musculoskelet Disord. 2019; 20:80.