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Zweitmeinungsanspruch vor Eingriffen an der Wirbelsäule

Berlin – Patientinnen und Patienten, die vor bestimmten planbaren operativen Eingriffen an der Wirbelsäule stehen, haben künftig Anspruch auf eine ärztliche Zweitmeinung. Unabhängige und besonders qualifizierte Fachärztinnen und Fachärzte prüfen im Zweitmeinungsverfahren, ob die empfohlene Operation medizinisch notwendig ist, und beraten die Versicherten zu möglichen Therapiealternativen. Da jede Operation auch Risiken birgt, soll mit einer ärztlichen Zweitmeinung vermieden werden, dass sich Patientinnen und Patienten einem medizinisch nicht notwendigen Eingriff unterziehen. Mit dem heutigen Beschluss ergänzte der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) seine Richtlinie zum Zweitmeinungsverfahren (Zm-RL) um einen sechsten planbaren Eingriff.

Planbare Operationen an der Wirbelsäule

Zu den planbaren Operationen an der Wirbelsäule, für die das Zweitmeinungsverfahren greift, zählen die dynamische und statische Stabilisierung (Osteosynthese und Spondylodese), die knöcherne Druckentlastung (Dekompression), Facettenoperationen, Verfahren zum Einbringen von Material in einen Wirbelkörper, Entfernung von Bandscheibengewebe (Exzision) sowie das Einsetzen einer künstlichen Bandscheibe (Bandscheibenendoprothese).

Neben der ärztlichen Zweitmeinung sollen Patientinnen und Patienten bei ihrer Entscheidung auch mit wissenschaftlich fundiertem und unabhängigem Informationsmaterial unterstützt werden. Der G-BA beauftragte dazu das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), eine entsprechende Entscheidungshilfe zu entwickeln und in den kommenden Monaten auf der Website gesundheitsinformation.de/zweitmeinung bereitzustellen.

Erstmals flossen in einen Beschluss des G-BA zur Zweitmeinung Erkenntnisse aus einem Innovationsfonds-Projekt mit ein. Das Projekt DEWI hatte in einer systematischen Analyse von Versorgungsdaten gezeigt, dass sich Hinweise auf eine Über- und Fehlversorgung mit Wirbelsäuleneingriffen und diagnostischen Verfahren beobachten lassen. So war für den Zeitraum 2006 bis 2016 bei bestimmen Operationen an der Wirbelsäule ein erheblicher Mengenzuwachs zu verzeichnen, mit deutlichen regionalen Unterschieden, die sich nicht aus einer höheren Krankheitslast ableiten lassen. Diese Indikationen wurden bei der Auswahl der Wirbelsäuleneingriffe mitberücksichtigt.

Zweitmeinungsgebende Fachärztinnen und Fachärzte

Eine Zweitmeinung vor einem Eingriff an der Wirbelsäule können Fachärztinnen und Fachärzte folgender Fachrichtungen abgeben:

  • Orthopädie und Unfallchirurgie
  • Orthopädie
  • Chirurgie mit der Schwerpunktbezeichnung Unfallchirurgie
  • Neurochirurgie
  • Physikalische und Rehabilitative Medizin
  • Neurologie
  • Allgemeinmedizin, Innere Medizin oder Anästhesiologie (jeweils mit der Zusatzbezeichnung „Spezielle Schmerztherapie“)
  • Ambulant oder stationär tätige Ärztinnen und Ärzte können nach Inkrafttreten des Beschlusses bei den Kassenärztlichen Vereinigungen eine Genehmigung als Zweitmeiner beantragen und die Leistung zulasten der gesetzlichen Krankenkassen anbieten.

Versicherte werden zweitmeinungsberechtigte Ärztinnen und Ärzte über die Website des ärztlichen Bereitschaftsdienstes www.116117.de/zweitmeinung finden können.

Inkrafttreten

Der Beschluss wird dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) zur rechtlichen Prüfung vorgelegt. Er tritt nach Nichtbeanstandung durch das BMG und Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft.

Hintergrund – Zweitmeinungsverfahren zu geplanten Operationen

Gesetzlich krankenversicherte Patientinnen und Patienten haben gemäß § 27b SGB V einen Rechtsanspruch auf eine unabhängige ärztliche Zweitmeinung. Der G-BA ist gesetzlich beauftragt zu konkretisieren, für welche planbaren Eingriffe dieser Anspruch besteht. Details zu den indikationsspezifischen Anforderungen hat der G-BA in der Richtlinie zum Zweitmeinungsverfahren festgelegt. Ein rechtlicher Zweitmeinungsanspruch besteht aktuell bei den folgenden planbaren Eingriffen:

Amputation beim diabetischen Fußsyndrom

Eingriff an Gaumen- oder Rachenmandeln (Tonsillektomie, Tonsillotomie)
Gebärmutterentfernung (Hysterektomie)
Gelenkspiegelungen an der Schulter (Schulterarthroskopie)
Implantation einer Knieendoprothese
Informationen zum generellen Leistungsumfang des Zweitmeinungsverfahrens und der konkreten Inanspruchnahme stellt der G-BA in einer Patienteninformation(pdf 64,14 kB) – auch in Leichter Sprache(pdf 130,15 kB) – zur Verfügung.

Allgemeine Informationen sind zudem auf der Website des G-BA zu finden: Zweitmeinungsverfahren bei planbaren Eingriffen

Quelle: G-BA

Günstige Fachliteratur für BVOU-Mitglieder

Berlin – Mitglieder des Berufsverbandes für Orthopädie und Unfallchirurgie e.V. (BVOU) erhalten eine Vielzahl von Vergünstigungen auf verschiedene wissenschaftliche Fachpublikationen, Gebührenordnungen und Abrechnungsinformationen.

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Gebührenordnungen und Abrechnungskommentare

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Perspektive DVT – „FAQs aus dem Medizinrecht“

Haftungsprophylaxe vor Patienten- und Kostenträgeransprüchen

Ärzte unterliegen vielerlei regulatorischen Zwängen – die Therapie- und Diagnosehoheit ist jedoch ein geschützter Raum, in den Dritte nicht eingreifen dürfen. Die einzige Grenze ist darin gesetzt, was genau sie ihrem Patienten schulden und ob Patienten Behandlungsfehler geltend machen können.

Das zentrale Ziel einer Diagnose und Behandlung ist die erwünschte diagnostische bzw. therapeutische Wirkung. Abweichungen davon durch unerwünschte Neben- oder Wechselwirkungen, Überdosierung oder die Unterversorgung des Patienten sind haftungsrelevante Ergebnisse falscher Diagnose- / Therapieentscheidungen.

Diese sind insbesondere dann haftungsträchtig, wenn der Patient hierüber nicht aufgeklärt worden ist oder (nach erfolgter Aufklärung) Fehler in der Diagnose/Behandlung entstanden sind. § 11 der ärztlichen (Muster) Berufsordnung regelt hierzu:

Ärztliche Untersuchungs- und Behandlungsmethoden

(1) Mit Übernahme der Behandlung verpflichten sich Ärztinnen und Ärzte den Patientinnen und Patienten gegenüber zur gewissenhaften Versorgung mit geeigneten Untersuchungs- und Behandlungsmethoden.

Die Übernahme der Behandlung beginnt allerdings schon früher, nämlich bei der Aufklärung, der eine zentrale Bedeutung zukommt, jedoch leider häufig vernachlässigt wird. Mit dem „Patientenrechtegesetz“ hat der Gesetzgeber 2012 die Leistungs-, Aufklärungs- und Dokumentationspflicht von Ärztinnen und Ärzten im BGB klar und deutlich normiert, deren Befolgung im Übrigen ganz nebenbei zu erhöhter Regresssicherheit im Sozialrecht führt. In § 630a BGB ist diese Regelung der Berufsordnung nochmals präzisiert worden.

  1. Abschluss eines wirksamen Behandlungsvertrags durch vorausgehende Aufklärung

Ein Behandlungsvertrag (dazu gehört natürlich auch die Diagnostik) kommt – wie jeder Vertrag – durch Angebot (des Arztes/der Ärztin) und Annahme (des Patienten/der Patientin) zustande. Damit eine wirksame Annahme überhaupt eintreten kann, muss der Patient eine hinreichende Grundlage und Übersicht haben, in die er/sie dann einwilligen kann. Diese Grundlage schafft (nur) das Aufklärungsgespräch. Erst nach erfolgter Aufklärung ist es möglich, in die dann anschließenden Maßnahmen einzuwilligen.

Umgekehrt bedeutet das: Ohne Aufklärung keine Einwilligung, ohne Einwilligung kein Behandlungsvertrag. Das hat weitreichende Folgen.

  1. Jede (diagnostische) Bestrahlung ist eine Körperverletzung

Wie jeder physische invasive Eingriff (z.B. eine OP) ist auch die radiologische Bestrahlung ein „Eingriff in die körperliche Integrität“ eines Patienten und damit per se eine Körperverletzung. Die Straffreiheit resultiert jedoch aus der wirksamen Einwilligung des Patienten und führt zu einer strafrechtlichen Rechtfertigung der Körperverletzung mit der Folge, dass diese Körperverletzung straffrei ist. Fehlt es jedoch an der wirksamen Einwilligung, bleibt die Körperverletzung und entfällt die Rechtfertigung mit der Folge, dass Strafbarkeit eintritt (neben zivilrechtlichen Schadensersatz- und gegebenenfalls auch Schmerzensgeldansprüchen). Der Gesetzgeber hat diese Verpflichtungen glasklar und deutlich mit entsprechender Dokumentationspflicht in den folgenden gesetzlichen Regelungen verankert:

In § 630c Abs. 2 BGB sind die Informationspflichten gegenüber Patienten geregelt: „Der Behandelnde ist verpflichtet, dem Patienten in verständlicher Weise zu Beginn der Behandlung und, soweit erforderlich, in deren Verlauf sämtliche für die Behandlung wesentlichen Umstände zu erläutern, insbesondere die Diagnose, die voraussichtliche gesundheitliche Entwicklung, die Therapie und die zu und nach der Therapie zu ergreifenden Maßnahmen.“

Die Verpflichtung zur Aufklärung und Einwilligung sind in den nachfolgenden Regelungen des BGB festgelegt und haben für die Diagnostik wie auch Therapie eine entscheidende rechtliche Bedeutung, insbesondere für die zivilrechtliche Haftung:

  • 630 d Abs. 1 BGB erklärt:

„Vor Durchführung einer medizinischen Maßnahme, insbesondere eines Eingriffs in den Körper oder die Gesundheit, ist der Behandelnde verpflichtet, die Einwilligung des Patienten einzuholen.“

Schließlich werden in § 630e BGB die Aufklärungspflichten im Detail geregelt:

„(1) Der Behandelnde ist verpflichtet, den Patienten über sämtliche für die Einwilligung wesentlichen Umstände aufzuklären. Dazu gehören insbesondere Art, Umfang, Durchführung, zu erwartende Folgen und Risiken der Maßnahme sowie ihre Notwendigkeit, Dringlichkeit, Eignung und Erfolgsaussichten im Hinblick auf die Diagnose oder die Therapie.“

Bei der Aufklärung ist auch auf Alternativen zur Maßnahme hinzuweisen, wenn mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Methoden zu wesentlich unterschiedlichen Belastungen, Risiken oder Heilungschancen führen können.

(2) Die Aufklärung muss

  1. mündlich durch den Behandelnden oder durch eine Person erfolgen, die über die zur Durchführung der Maßnahme notwendige Ausbildung verfügt; ergänzend kann auch auf Unterlagen Bezug genommen werden, die der Patient in Textform erhält,
  1. so rechtzeitig erfolgen, dass der Patient seine Entscheidung über die Einwilligung wohlüberlegt treffen kann,
  1. für den Patienten verständlich sein. Dem Patienten sind Abschriften von Unterlagen, die er im Zusammenhang mit der Aufklärung oder Einwilligung unterzeichnet hat, auszuhändigen.“

 

  1. Verschriftlichung der Aufklärung und Einwilligung

Für die radiologische Diagnostik mittels Bestrahlung bedeutet dies, dass eine wirksame Einwilligung nur erfolgen kann, wenn dieser eine dokumentierte und vom Patienten unterzeichnete Aufklärung und Einwilligung vorausgegangen ist. Dieser Aufklärungsbogen ist erst im Rahmen des Aufklärungsgespräches anzufertigen und dem Patienten nach Unterschrift als Kopie auszuhändigen. Diese Verschriftlichung schützt im Übrigen auch vor Haftungsansprüchen im Rahmen der Beweislastumkehr.

  1. Moderne Schnittbildgebung – Haftung vs. fachlicher Standard

Die Einführung innovativer Diagnostikverfahren in der O&U führt zu der Frage, wann die Unterlassung des Einsatzes für den Arzt haftungsrelevant wird. Dies kann sehr gut am Beispiel moderner 3-D-DVT-Geräte verdeutlicht werden.

Grundlage für den Haftungsmaßstab des Arztes gegenüber seinem Patienten ist § 630 a BGB. Dieser regelt die vertragstypischen Pflichten beim Behandlungsvertrag:

„…(2) Die Behandlung hat nach den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards zu erfolgen, soweit nicht etwas anderes vereinbart ist.“

Ist der Einsatz eines 3-D-DVT in der O&U bereits „allgemein anerkannter fachlicher Standard“ und kommt es im Einzelfall darauf an? Es ist legitim, die Auffassung zu vertreten, dass der fachliche Standard sich aus Leitlinien und Empfehlungen der Fachgesellschaft herleiten lässt. Welche Verantwortung trägt jedoch der einzelne Arzt gegenüber seinen Patienten in Kenntnis der Verfügbarkeit einer modernen Schnittbildgebung und dem Wissen, dass es Jahre dauert, bis Leitlinien geändert werden? Dieses Dilemma löst sich in der individuellen Aufklärung des Patienten, denn, wie oben unter § 630 e BGB beschrieben, besteht die Verpflichtung, „auf Alternativen zur Maßnahme hinzuweisen, wenn mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Methoden zu wesentlich unterschiedlichen Belastungen, Risiken oder Heilungschancen führen können.“

Mit anderen Worten: Steht für die Diagnostik eine Methode zur Verfügung, welche bei der Bildgebung zu einer geringeren Strahlenbelastung führt, ist der Patient darauf hinzuweisen. Dies geht auch bereits aus den Qualitätssicherungsvorgaben der Strahlenschutzverordnung hervor, welche den Maßstab vorgibt, die Strahlenexposition des Patienten so gering wie möglich zu halten. Aber auch das ärztliche Berufsrecht, sowie die Vorgaben des BGB untermauern diese „Schadensminderungspflicht“ des Arztes im Hinblick auf den Strahlenschutz gegenüber dem Patienten. Dies gilt unabhängig davon, ob dem Arzt das Gerät selbst zur Verfügung steht oder nicht.

Ist darüber hinaus anzunehmen, dass für die notwendige Diagnostik eine 3-D- im Verhältnis zum 2-D-Bildgebung besser ist, um im Individualfall keine Frakturen zu übersehen, handelt es sich um eine medizinisch notwendige Maßnahme und ist die Durchführung einer 2-D-Bildgebung dann ein Behandlungsfehler, wenn sich herausstellt, dass die Bildgebung durch ein moderneres Verfahren besser und strahlungsärmer gewesen wäre.

Es ist daher im Rahmen der Verpflichtung gegenüber dem Patienten nicht erheblich, ob sich ein bestimmtes Verfahren bereits in den Leitlinien durchgesetzt hat oder nicht. Es kommt auf die Kenntnis des Arztes an, ob diagnostische oder therapeutische Alternativen zur Verfügung stehen, welche besser und / oder nebenwirkungsfreier sind.

Diese Auffassung haben unterschiedliche oberinstanzliche Gerichte (BGH und BSG) in der Vergangenheit immer wieder bestätigt, sogar im Hinblick auf Kostenerstattungsverfahren im GKV-System. So hatte das BSG entschieden: „Der Arzt hat wegen straf- und zivilrechtlicher Folgen einen eigenen Entscheidungsspielraum, den die Kasse akzeptieren muss“ (BSG vom 13. 05. 2004 – B 3 KR 18 / 03 R).

Der BGH pointierte diese Auffassung nochmals deutlicher: „Finanzielle Aspekte sind bei der Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit der Heilbehandlung unbeachtlich“ (BGH vom 12. 03. 2003 – IV ZR 278 / 01).

  1. Haftungsrisiko im „BG-System“

Interessanterweise unterliegt der Einsatz moderner Schnittbildgebung im System der Unfallversicherung zwar grundsätzlich denselben Haftungsgrundlagen, mit dem kleinen, aber für Ärzte entscheidenden Unterschied, dass D-Ärzte im „BG-System“ nicht persönlich für Fehler in der Ausübung ihrer Tätigkeit haften, sondern der Kostenträger, die DGUV, selbst. Dies hat der BGH in seinem Urteil vom 29. 11. 2016 – VI ZR 208 / 15 so beschlossen.

Haftungsansprüche des Patienten für den fehlerhaften Einsatz von Diagnostika und / oder fehlerhafte Befunderhebung gehen damit zulasten des Kostenträgers, nicht des Arztes. Dennoch bleibt die Frage der strafrechtlichen Verantwortung bestehen, da der BGH lediglich die zivilrechtliche (Schadensersatz) Haftung beurteilt hat. Insoweit sind D-Ärzte auch hier gut beraten, die vorgenannten Vorgaben zu erfüllen, wenngleich Ihnen erst einmal kein zivilrechtlicher Anspruch der Patienten droht.

Fazit und Handlungsempfehlung

Die Verfügbarkeit moderner Bildgebungsverfahren steht immer in Verbindung mit der ärztlichen Beurteilung der medizinischen Notwendigkeit deren Einsatzes. Patienten haben Anspruch auf umfassende Aufklärung, einschließlich der Kenntnis über Strahlenbelastung und einer (besseren) Bildgebung, je nach Indikation. Insoweit ist der Aufklärung von Patienten eine besondere Aufmerksamkeit geschuldet, allein um sich selbst abzusichern.

Strahlenarmut und Qualität der Bildgebung für die einwandfreie Befundung unterliegen der alleinigen Verantwortung des Arztes im Hinblick auf die Notwendigkeit des Einsatzes des richtigen Gerätes. Dabei ist es nicht verpflichtend, das Gerät selbst vorzuhalten – entscheidend ist das Wissen um die Notwendigkeit und Verfügbarkeit. Gegebenenfalls muss der Patient überwiesen werden, soweit der Akutzustand des Patienten dies erlaubt.

Dieser Zwang gegenüber dem Patienten ist höchstrichterlich beschieden, aber auch ein Schutzschild in der Argumentation gegenüber Versicherungen und Kostenträgern. Denn hier haben BSG und BGH gleichermaßen klargestellt, dass die Haftungsgefahr des Arztes gegenüber dem Patienten Vorrang genießt und es in seiner ärztlichen Hoheit liegt, die Notwendigkeit des Einsatzes einer bestimmten Maßnahme zu bestimmen.

Diese Erkenntnis schützt aber auch gleichzeitig vor unerwünschten Ansprüchen von Patienten, Versicherungen und Kostenträgern. Ärztinnen und Ärzte sollten daher folgende Grundspielregeln beherzigen:

  • Üben Sie Ihre patientenindividuelle Therapiefreiheit mit Rückenwind der Rechtsprechung und geltender Gesetze aus.
  • Es bedarf der Aufklärung und Erläuterung der medizinischen Notwendigkeit von Diagnostik- und Behandlungsmaßnahmen gegenüber dem Patienten in einem Aufklärungsgespräch.
  • Erst dies führt zur wirksamen Einwilligung und damit Abschluss des Behandlungsvertrags.
  • Das Aufklärungsgespräch muss dokumentiert und vom Patienten unterzeichnet werden.
  • Der Patient erhält von der Aufklärung und der Einwilligungserklärung eine Kopie.
  • Diese Argumentation der Notwendigkeit der eingesetzten Diagnostik schützt vor Haftungsansprüchen der Patienten und Angehörigen, sowie vor Kostendiskussionen mit Versicherungen und Kostenträgern.

© Prof. Dr. Thomas Schlegel

Erschienen in: SCS Magazin 02-2021

Impfungen weiterhin sicherstellen: Interaktive Karte teilnehmender Ärzte

Berlin – Bis Ende September schließen viele der Impfzentren ihre Tore. Durch den empfohlenen Abstand von drei bis sechs Wochen zwischen Erst- und Zweitimpfung bei den mRNA-Impfstoffen können Patientinnen und Patienten, die jetzt ihre Erstimpfung in einem Impfzentrum erhalten, dort nicht mehr ihre Zweitimpfung bekommen. In der Regel werden sie dann mit einer Zweitimpfung versorgt.

Viele BVOU-Mitglieder impfen mittlerweile in ihren Praxen gegen Corona. Der BVOU möchte deswegen das Engagement seiner Mitglieder einer breiten Öffentlichkeit näher bringen und hat auf seinem Patienteninformations- und Arztsuch-Portal www.orthinform.de eine Deutschlandkarte vorbereitet, die alle Ärzte und Praxen anzeigt, die sich an der Coronaimpfung beteiligen. Für den Fall, dass Patientinnen und Patienten keinen festen Hausarzt haben, finden können sie die Zweitimpfungen auch bei ihrem Orthopäden und Unfallchirurgen erhalten.

Mit wenigen Klicks können sich Mitglieder in die Karte eintragen (auch siehe Screenshot):

  • Loggen Sie sich bei Orthinform in Ihr Profil ein (https://orthinform.de/login).
  • Wählen Sie unter „Profil bearbeiten / Methoden“ den Eintrag „Corona-Impfung“ aus.
  • Klicken Sie unten auf den gelben Button [Profil speichern] – fertig!

Nachdem Sie Ihr Profil gespeichert haben, erscheint Ihr Eintrag auch in der Deutschlandkarte der Orthopäden und Unfallchirurgen, die sich an der Impfkampagne beteiligen. 
 
Machen Sie mit und zeigen Sie, welchen Beitrag Fachärzte im Rahmen der Impfkampagne gegen Corona leisten! Vielen Dank für Ihre Unterstützung.

Die Listung in der Orthinfrom-Karte ist einfach: Schwerpunkt “Corona-Impfung” auswählen – fertig!

Neue BVOU-Einkaufsvorteile im September

Berlin – BVOU-Mitglieder können sich ab diesem Monat auf viele neue Vergünstigungen freuen: Ob Abenteuer, Elektronik, Kleidung oder Kfz-Zubehör – der BVOU bietet seinen Mitgliedern vielfältige Angebote. Stöbern lohnt sich.

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Gesundheitspolitische Positionen in Orthopädie und Unfallchirurgie zur Bundestagswahl 21

Gemeinsame Pressemitteilung

der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU), des Berufsverbandes für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU), der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) und der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC)

Gesundheitspolitische Positionen zur Bundestagswahl 2021

Berlin – Orthopäden und Unfallchirurgen fordern von Seiten der Politik die Anerkennung der Qualität vorhandener Zertifizierungsverfahren und Register zur bestmöglichen Versorgung von Patientinnen und Patienten. Die Qualitätsinitiativen tragen dazu bei, die Spitzenmedizin in Zentren zu stärken und gleichzeitig eine gute medizinische Versorgung in ländlichen Regionen sichern. Außerdem dürfen rein ökonomische Vorgaben in Zukunft keine steuernde und beherrschende Rolle spielen und es braucht bessere Rahmenbedingungen für die Weiterbildung. Das erklären die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU), der Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU), die Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC) und die Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) in einem Positionspapier anlässlich der Bundestagswahl 2021.

„Eine gute Patientenversorgung braucht eine wissenschaftlich fundierte Qualitätssicherung. Deshalb sollten die Zertifizierungen durch die medizinischen Fachgesellschaften vom freiwilligen zum verbindlichen medizinischen Standard in der Orthopädie und Unfallchirurgie werden. Hier ist der Rückhalt durch die Politik notwendig“, sagt Prof. Dr. Dietmar Pennig, Generalsekretär der DGOU und der DGU. Zu den bereits bestehenden Zertifizierungsverfahren zählen das TraumaZentrum DGU®, AltersTraumaZentrum DGU® sowie EndoCert. Für die Fachgesellschaften handelt sich dabei zusammen mit den Patientenregistern um leistungsstarke Instrumente, die sich im praktischen Einsatz bewährt haben und funktionieren. Durch die übertriebenen Regelungen der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) entstehen jedoch beispielsweise beim TraumaRegister DGU® regelmäßig gefährliche Datenlücken. Von den künftigen politischen Entscheidern wird daher die Anpassung der Bestimmungen der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) gefordert, um pseudonymisierte Daten rechtssicher verwenden zu können.

Ein wesentlicher Punkt im Positionspapier ist, dass der Fokus der ärztlichen Tätigkeit sowohl in Krankenhäusern als auch bei niedergelassenen Ärzten und Ärztinnen wieder stärker auf die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten gerichtet werden muss. Rein ökonomische Vorgaben dürfen keine steuernde und beherrschende Rolle spielen. Deshalb wird von künftigen politischen Entscheidern erwartet, dass die Budgetierung von ärztlichen Leistungen aufgehoben wird. Auch eine Reform der Diagnosis Related Groups (DRGs) ist überfällig. „Der kommerzielle Druck widerspricht dem Geist der ärztlichen Freiberuflichkeit. Patientenleistungen müssen in nachgefragtem Umfang möglich sein. Sie müssen angemessen vergütet werden, wie auch der erhöhte Hygieneaufwand sowie die vorgeschriebene Bürokratie“, sagt Dr. med. Johannes Flechtenmacher, Präsident des Berufsverbandes für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU). Auch die Weiterbildung muss auf ein solides finanzielles Fundament gehoben werden. “Hier ist die Berücksichtigung des finanziellen Aufwandes in Kliniken und Praxen dringend geboten, um das hohe Niveau der Facharztweiterbildung, aber auch die Fortbildung im pflegerischen Bereich mit weiterer Qualifikation sicherzustellen“, sagt Prof. Dr. Bernd Kladny, stellvertretender DGOU-Generalsekretär DGOU und Generalsekretär der DGOOC.

8 Empfehlungen von Orthopäden und Unfallchirurgen an künftige politische Entscheider im Überblick:

  • Definierte Qualität bei der Patientenversorgung: Verbesserung in der Spitze und in der Breite durch die Festlegung von medizinischen Standards in der Orthopädie und Unfallchirurgie auf der Basis von Zertifizierungsverfahren und Daten aus Patientenregistern; Anpassung der Regeln der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) für die wissenschaftliche Registerarbeit; Einbindung des Erkenntnisstands der Fachspezialisten beim Aufbau des Implantateregisters Deutschland (IRD) bei einer Beleihung des Endoprothesenregisters Deutschland (EPRD);
  • Aufhebung von ökonomischen Fehlanreizen in Klinik und Praxis: Abschaffung der Budgets und Festsetzung von fairen Vergütungen für definierte Leistungen; Reform der DRGs; Anerkennung der Bedeutung der Prävention in einer alternden Gesellschaft und Vergütung von Präventionsleistungen auch im fachärztlichen Bereich;
  • Nutzung der vorhandenen TraumaNetzwerk-Strukturen u.a. auch für Pandemien: Weiterentwicklung der zertifizierten Strukturen zur Bewältigung von anders gearteten Überlastungsszenerien wie Pandemien und terroristischen Anschlägen;
  • Stärkung und Zentrierung der Notfallversorgung: Refinanzierung der hohen Vorhaltekosten im Personal- und Sachbereich der Kliniken im Sinne der Daseinsfürsorge gemäß der G-BA-Vorgaben zur dreistufigen Notfallversorgung;
  • Konsequenter Ausbau der digitalen Infrastruktur in Klinik und Praxis: Schaffung gesetzlicher Regelungen für niedrigschwellige digitale Schnittstellen zur Ermöglichung der Zusammenarbeit zwischen stationärem und ambulantem Sektor, denn nur mit einer gemeinsamen digitalen Infrastruktur lassen sich Sektorengrenzen abbauen.
  • Verbesserung der Rahmenbedingungen für die fachärztliche Weiterbildung: Refinanzierung der Weiterbildung muss unabhängig von der Klinikfinanzierung gewährleistet sein, um den hohen finanziellen Aufwand in Kliniken und Praxen zu auszugleichen;
  • Freigabe der Gebührenordnung: Formale Anerkennung der bereits vollständig ausverhandelten Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ), da der Arztberuf einer fairen und sachgerechten Gebührenordnung bedarf, die den aktuellen Therapiestandard abbildet.
  • Innovationsförderung: Aktive Unterstützung des Innovationsstandortes Deutschland in der orthopädisch-unfallchirurgischen Implantateherstellung; Anpassung des nationalen Medizinproduktegesetzes (MPG), da es Hersteller in Deutschland behindert, deren Kompetenz und Innovationskraft bei der Implantateentwicklung benötigt werden.

Weitere Informationen:
POSITIONSPAPIER

www.dgou.de
www.bvou.net
www.dgu-online.de
www.dgooc.de

 Kontakt für Rückfragen:

Janosch Kuno
Kommunikation und Pressearbeit
Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie e.V. (BVOU e.V.)
Straße des 17. Juni 106 – 108
10623 Berlin

Susanne Herda, Swetlana Meier
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) e.V.
Straße des 17. Juni 106-108, 10623 Berlin
Telefon: +49 (0)30 340 60 36 -06 oder -00
Telefax: +49 (0)30 340 60 36 01
E-Mail: presse@dgou.de

SpiFa-Wahlprüfsteine: Antworten der Parteien

Berlin – Der Spitzenverband Fachärzte Deutschlands e.V. (SpiFa) veröffentlicht die Antworten der Parteien auf die Wahlprüfsteine der Fachärztinnen und Fachärzte in Deutschland und erteilt den Parteien eine Absage, die eine Budgetierung der Vergütung ärztlicher Leistungen zulassen.

Der SpiFa hat sich mit insgesamt 18 Wahlprüfsteinen zur Bundestagswahl 2021 an die Fraktionen der Parteien, welche im Deutschen Bundestag vertreten sind, gewandt und um Einschätzungen zu den drängenden Themen und Reformwünschen der Fachärztinnen und Fachärzte in Klinik und Praxis gebeten. Das dabei entstehende Gesamtbild und die Bewertung zwischen den Parteien fallen durchaus differenziert und eindeutig aus. Zahlreiche Wahlprogramme der Parteien lassen dabei die ärztliche Versorgung in ihrer Bedeutung gänzlich außen vor. Darüber hinaus sprechen sich einige Parteien für die Beibehaltung oder eine Budgetierung der Vergütung ärztlicher Leistungen aus.
Dr. Dirk Heinrich, Vorstandsvorsitzender des SpiFa zur Veröffentlichung der Ant-worten der Parteien auf die Wahlprüfsteine zur Bundestagswahl 2021: „Wir haben immer gesagt, wir scheuen uns nicht, Ross und Reiter zu benennen, die durch die Budgetierung der Vergütung ärztlicher Leistungen die medizinische Versorgung der Menschen in Deutschland gefährden. Jene, die die Budgetierung als notwendiges Instrument bezeichnen oder gar eine Ausweitung der Budgetierung vorsehen, for-dern wir auf, gegenüber den Alten und Kranken in unserer Gesellschaft ehrlich zu sein. Denn diese werden durch die Budgetierung benachteiligt.“

Berechnungen des SpiFa zeigen deutlich, dass durch die Bevölkerungsentwicklung in 2025 mehr Ältere und Kranke in Deutschland durch die Budgetierung benachteiligt sein werden (siehe Grafik). „Wer eine Budgetierung der Vergütung ärztlicher Leistungen zulässt, macht eine Politik gegen Alte und Kranke in Deutschland!“, so Heinrich weiter.

Quelle: SpiFa

KBV-Positionspapier: Versorgung gemeinsam gestalten

HIER GEHT ES ZUM ARTIKEL: KBV Honorarverhandlungen für 2022 beendet

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Berlin – Coronabedingt steht das Thema Gesundheit im Vorfeld der diesjährigen Bundestagswahl besonders im Fokus. Die Covid-19-Pandemie hat das Gesundheitssystem verstärkt in das öffentliche Interesse gerückt. Insbesondere die niedergelassenen Ärzte haben in dieser Zeit einen bedeutenden Beitrag geleistet und leisten ihn weiterhin. Diese Leistungsbereitschaft und Flexibilität braucht unser Land auch in Zukunft zum Wohl der Patientinnen und Patienten.

Im Anhang finden Sie das Positionspapier der KBV zur Bundestagswahl 2021, nebst Kurzfassung, welches die KBV Ende letzter Woche den Vertretern der Politik zugeschickt hat. In diesem Papier sind die für die KBV besonders wichtigen Standpunkte zusammengetragen, um diese der Politik nahezubringen.

Sie finden das Papier übrigens auch im Internet unter

DiGA: Digitalisierung ja – aber für alle

Pressemitteilung vom 22.03.2022: Keine Investitionen in veralteten Elektroschrott:
Orthopäden und Unfallchirurgen fordern Betriebspause der Telematikinfrastruktur und Stopp aller Sanktionen

Berlin – Der Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie (BVOU) e.V. begrüßt, dass im Zuge der Digitalisierung des Gesundheitswesens Apps vom Vertragsarzt rezeptiert werden können, kritisiert jedoch gleichzeitig die mangelnde Integration des Faches Orthopädie und Unfallchirurgie sowie die Umsetzung in die Praxis.

Die Digitalisierung ist eine große Chance für die Gesundheitsversorgung: Die Mehrheit der Ärztinnen und Ärzte sind der Meinung, dass Arztpraxen und Krankenhäuser ihre Kosten mithilfe digitaler Technologien senken und die Prävention verbessern können – so auch durch den Einsatz von Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGA). Im Fachgebiet Orthopädie und Unfallchirurgie hat sich dabei bisher jedoch nicht viel getan:

„Der Blick ins DiGA-Verzeichnis unter www.bfarm.de/diga weist nur zwei für Erkrankungen am Bewegungsapparat zugelassene Anwendungen auf. Das ist noch viel zu wenig“, stellt Dr. Burkhard Lembeck, Orthopäde und Unfallchirurg in Ostfildern und BVOU-Kongresspräsident des Deutschen Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU) 2021 fest. Weiterer Kritikpunkt: Die fehlende individuelle Abstimmung der von der App vermittelten Inhalte auf den zu behandelnden Patienten. Während sich der Gesetzgeber einen positiven Effekt in der Versorgung von Patienten verspricht, gehen DiGA in der derzeitigen Form am Behandlungsalltag vorbei. Dr. Lembeck: „Die meisten Apps lassen Patienten mit der Therapie und auftretenden Problemen allein im heimischen Wohnzimmer. Fachärzte sollten vielmehr über die gesamte Dauer der App-Nutzung in Indikationsstellung, Therapieentscheidung und -steuerung einbezogen werden. Außerdem sollten durch permanentes Feedback über den Fortschritt des Patienten informiert werden und sich mit diesem austauschen können.“

Hohe Kosten, schlechte Vergütung

Der schleppende DiGA-Start verwundert nicht, denn die Entwickler scheuen den aufwändigen Zulassungsprozess. Kostenträger kritisieren zurecht maßlos überteuerte Preise: Für bereits zugelassene DIGA fallen beispielsweise einmalige Kosten in Höhe von fast 250€ und bei weiterer Nutzung für zusätzliche 90 Tage erneut derselbe Betrag an.

Der Preis der App entspricht somit dem durchschnittlichen Kostenaufwand für fünf Quartale konservativer Orthopädie in der Facharztpraxis oder elf Einheiten individueller Krankengymnastik. Für die Verordnung einer DiGA erhalten Ärzte bei Abrechnung der EBM Ziffer 01470 hingegen lediglich 2,00€.

„Die Motivation von Ärzten, Apps zu derartigen Mondpreisen zu verordnen, liegt bei einer derart krassen Ungleichbehandlung und fehlenden Wertschätzung für die hierfür erforderliche motivationale Beratung und Begleitung des Patienten nahezu bei Null und die Nichtverordnung vielmehr Ausdruck einer Protesthaltung“, so Dr. Lembeck. „Wünschenswert wäre dagegen eine sinnvolle durchdachte Art der Digitalisierung, die durch hybride Versorgungsmodelle allen Seiten etwas nützt, anstatt Patienten mit digitalen Anwendungen quasi allein zu lassen.“

Kontakt für Rückfragen
Janosch Kuno
Kommunikation und Pressearbeit
Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie e.V. (BVOU e.V.)
Straße des 17. Juni 106-108, 10623 Berlin
Telefon: +49 (0)30 797 444 55
Fax +49 (0)30 797 444 45
E-Mail: presse@bvou.net
www.bvou.net

Zeit, Bilanz zu ziehen – 70 Jahre BVOU

Karlsruhe – Der Start war bescheiden: Ein paar Dutzend befreundete Gründungsmitglieder und der starke Wunsch, ihren wirtschaftlichen Interessen Gehör zu verschaffen, markieren den Anfang. Heute ist der BVOU mit 7000 Mitgliederinnen und Mitgliedern der größte Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie in Europa und eine starke Stimme in der Ärzteschaft.

Ein Jubiläum bietet nicht nur zum Feiern Anlass. Es ist auch eine Gelegenheit, das Woher und Wohin neu in den Blick zu nehmen. Die Medizin der Zukunft wird anders sein als zu jedem Zeitpunkt in der Geschichte des BVOUs. Sie wird weiblicher, digitaler, partizipativer und qualitätsorientierter sein. Trotzdem sind die Ziele und Motive, die zur Gründung unserer Vorgängerorganisation geführt haben, heute nicht sehr viel anders als früher. Der BVOU setzt sich ungebrochen für die berufspolitischen Interessen seiner Mitgliederinnen und Mitglieder ein. Er entwickelt gemeinsam mit den wissenschaftlichen Fachgesellschaften Standards für die orthopädisch-unfallchirurgische Versorgung und prägt die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Radikal geändert haben sich allerdings die Rahmenbedingungen und Zwänge, unter denen wir heute arbeiten.

Aber vielleicht lohnt sich erst einmal der Blick zurück. Unsere Gründungsväter waren Kollegen, die sich persönlich kannten und regelmäßig trafen. Sie einte der Wunsch nach einer starken wirtschaftlichen Interessensvertretung, weil sie sich schlichtweg unterbezahlt fühlten und von der wirtschaftlichen Abteilung der damaligen Fachgesellschaft – der „Deutsche Orthopädische Gesellschaft (DOG)“ –, ignoriert sahen. Der Anlass für ihren Unmut war ein Streit mit der KV Württemberg. Diese hatte 1949 die damals übliche Fallpauschale für niedergelassene Orthopäden von zehn Mark pro Quartal auf sechs Mark reduziert. Die niedergelassenen Kollegen protestierten und planten eine Befragung in ihren Reihen. Dafür wurden Kosten in Höhe von 600 Mark veranschlagt, deren Übernahme ihnen die DOG verweigerte. Als Argument führte die Fachgesellschaft damals an, dass sie als gemeinnützige Gesellschaft keine Gruppe von Mitgliedern bevorzugen dürfte.

Die Streitigkeiten mündeten in einer wachsenden Entfremdung zwischen den niedergelassenen Orthopäden und den ordinierten Klinikchefs. Die Gründungsväter sahen sich zum Handeln genötigt und riefen am 29. April 1951 im Hotel Löchnerhaus auf der Insel Reichenau den „Wirtschaftsring Deutscher Orthopäden“ aus der Taufe. Im Paragraf 2 der Satzung hieß es damals: „Der Wirtschaftsring soll die wirtschaftlichen und Berufsinteressen seiner Mitglieder wahrnehmen, fördern und sichern.“ Zwei Jahre später führte der Wirtschaftring bereits das Wort „Berufsverband“ in seinem Namen und nannte sich „Berufsverband der Fachärzte für Orthopädie e.V (BVO)“. Die Fusion von Orthopädie und Unfallchirurgie nach der Jahrtausendwende machte eine weitere Namensanpassung nötig. Seit 2006 heißt der Verband „Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie“. Mit der Einrichtung des gemeinsamen Facharztes setzt sich der BVOU für die Interessen aller Kolleginnen und Kollegen aus Orthopädie und Unfallchirurgie ein – egal ob sie in der Klinik oder in der Praxis tätig sind, ob sie wirtschaftlich selbstständig oder angestellt sind.

Über die Jahre hinweg ist auch die Gewinnung von Nachwuchs immer wichtiger geworden. Wir müssen angehende Ärztinnen und Ärzte heute nicht nur davon überzeugen, sich bei der Facharztausbildung für O&U zu entscheiden, sondern auch junge Kolleginnen und Kollegen für die berufspolitische Arbeit gewinnen. Unsere Stärke liegt in der breiten regionalen Struktur des BVOUs mit seinen 18 Landes- und 82 Bezirksverbänden, in denen sich derzeit 183 Vorsitzende und stellvertretende Vorsitzende für die Belange der Mitgliederinnen und Mitglieder vor Ort einsetzen. Wir brauchen junge Kolleginnen und Kollegen, die bereit sind, es ihnen gleich zu tun – die bereit sind, Einfluss auf die regionale Selbstverwaltung zu nehmen, Selektivverträge auszuhandeln, Tagungen und Qualitätszirkel zu organisieren und sich über die Landesärztekammern in die Definition und Umsetzung der Weiterbildungsinhalte einzubringen. Deswegen werben wir, wo immer wir können, für ein aktives Engagement in unseren Reihen.

Zu den Konstanten in der Geschichte des BVOUs zählt seine stetig wachsende Professionalisierung. Die Anfänge waren bescheiden – wie gesagt –, aber von einem großen Engagement und einem festen Gestaltungswillen getragen. Diese Geisteshaltungen ziehen sich wie ein roter Faden durch die Geschichte des BVOUs und zeichnen alle aus, die den Verband über die Jahrzehnte gestaltet, geprägt und vorangebracht haben. Heute vertritt der BVOU 7000 Mitgliederinnen und Mitglieder und ist der größte Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie in Europa. Darauf können wir stolz sein. Die wachsende Professionalisierung führte auch zur Gründung einer zentralen Geschäftsstelle. Mit dem Umzug der Politik und der ärztlichen Körperschaften nach Berlin zog auch die Geschäftsstelle in die Hauptstadt um. 1998 wurde erstmals ein hauptamtlicher Geschäftsführer eingestellt. Heute arbeiten acht festangestellte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ein freier Mitarbeiter in der Geschäftsstelle. 23 Referate erarbeiten Lösungen für die ständig wachsenden fachlichen Herausforderungen in O&U. Geschäftsführer ist Dr. Jörg Ansorg.

Zu den Konstanten in der Geschichte des BVOUs zählt zudem der enge Schulterschluss mit den wissenschaftlichen Fachgesellschaften. Trotz der Entfremdung, die zur Gründung des Wirtschaftsrings Deutscher Orthopäden geführt hatte, suchte der BVO sehr schnell wieder die Zusammenarbeit. Augenhöhe und wechselseitiges Vertrauen sind seither die Basis für die enge Zusammenarbeit mit den Fachgesellschaften. Damals wie heute mussten und müssen die Interessen der Mitgliederinnen und Mitglieder kraftvoll gegenüber der Politik, den Krankenkassen und den ärztlichen Körperschaften vertreten werden. Stark ist man nur mit einer starken Gruppe im Rücken. Das heute ist in dem immer komplexer werdenden Gesundheitssystem wichtiger denn je.

Schaut man auf die veränderten Rahmenbedingungen, unter denen Orthopäden und Unfallchirurgen heute arbeiten, fallen die Verschiebungen im niedergelassenen Bereich auf. Früher war die Einzelpraxis Standard. Das ist heute nicht mehr der Fall. Die neuen Standards sind Gemeinschaftspraxen und Medizinische Versorgungszentren. Die Kolleginnen und Kollegen können durch diese Kooperationsformen eine anspruchsvollere Versorgung anbieten und teilen sich die finanziellen und fachlichen Risiken. Diese Veränderungen haben auch den BVOU verändert. Die Interessen, die der BVOU heute vertritt, sind vielfältiger geworden, weil auch die Strukturen vielfältiger geworden sind. Unser Anspruch ist, die berufspolitischen Interessen aller Kolleginnen und Kollegen zu vertreten, unabhängig von ihrem Arbeitsumfeld und ihrer wirtschaftlichen Verantwortung.

Geändert haben sich auch die Gewichtungen in unserem Fach. Früher waren Orthopäden und Unfallchirurgen Generalisten, heute sind sie Spezialisten. Die konservative O&U verliert an Bedeutung, Operationen dominieren. Deshalb werden die jungen Kolleginnen und Kollegen heute vor allem operativ ausgebildet, nicht mehr konservativ. Sie haben daher auch den Wunsch, in der Niederlassung weiterhin zu operieren. Das ist heute über das Belegarztsystem, über Honorarverträge mit den Kliniken oder in Form von ambulanten Eingriffen ohne weiteres möglich. Wer sich früher mit eigener Praxis niederließ, behandelte ausschließlich konservativ. Die Kehrseite dieser Entwicklung ist allerdings, dass die konservativen Inhalte unseres Faches immer weniger gelebt werden. Eine Entwicklung, gegen die sich der BVOU seit Jahren stemmt, weil die meisten Patienten konservativ behandelt werden müssen. Wir haben deshalb vor vier Jahren ein Weißbuch zur Konservativen Orthopädie und Unfallchirurgie publiziert – mit einer klaren Botschaft an die Politik und in unsere eigenen Reihen: Die konservativen Inhalte sind unverzichtbar. Sie müssen angemessen vermittelt und vergütet werden. Es geht nicht ohne die konservative O&U.

Wir beobachten auch eine zunehmende Aufweichung der Sektorengrenzen. Die strikte Trennung von ambulant und stationär ist nicht mehr zeitgemäß. Es besteht kein Zweifel daran, dass wir neue Strukturen und Versorgungsformen brauchen, um die wachsende Belastung unseres Gesundheitssystems durch die Überalterung der Gesellschaft mit ihren vielen muskuloskelettalen Krankheiten und Verletzungen zu schultern. Der BVOU beteiligt sich deshalb aktiv an der Entwicklung und Gestaltung solcher Konzepte und setzt sich dafür ein, dass die Medizin insgesamt zukunftsfähiger wird.

Damals wie heute gilt, dass Leistung fair und angemessen bezahlt werden muss. Das Ringen um eine angemessene Vergütung in Klinik und Praxis zieht sich ebenfalls wie ein roter Faden durch die Geschichte des Berufsverbands. Lange Zeit gab es nur drei Kategorien für die Abrechnung: Kassenpatient, Privatpatient und berufsgenossenschaftlicher Patient. Heute sind weitere Instrumente wie die Selektivverträge hinzugekommen. Diesen liegt ein gemeinsames Verständnis von Kostenträgern und Ärztinnen und Ärzte über die Aufgaben und Ziele der orthopädisch-chirurgischen Versorgung zugrunde. Sie vergüten Diagnosen und Vorhalteleistungen. Die Bildgebung ist wieder in fachärztlicher Hand. Der BVOU setzt sich seit Jahren für Selektivverträge und eine Honorarreform ein, die ihren Namen tatsächlich verdient.

Zu den vordringlichsten Anliegen des Berufsverbands zählte auch stets die Fortbildung seiner Mitgliederinnen und Mitglieder. In den Anfangsjahren geschah dies durch eigene Veranstaltungen, später durch gemeinsame Kongresse mit den wissenschaftlichen Fachgesellschaften. 2001 wurde die BVO-Stiftung Akademie Deutscher Orthopäden (ADO) unter Einbindung der DGOOC gegründet. Jüngstes Symbol für das Zusammenwachsen von Orthopädie und Unfallchirurgie ist die gemeinsam von BVOU und DGOU getragene Akademie für Orthopädie und Unfallchirurgie (AOUC), für deren Erfolg sich der BVOU seit Jahren stark macht. Ein wichtiges Anliegen ist zudem die transparente Kommunikation mit den Mitgliederinnen und Mitgliedern über die „Orthopädischen“ später die „Orthopädischen und Unfallchirurgischen Mitteilungen und Nachrichten“, den Infobrief und viele weitere analoge und digitale Kommunikationsformate.

In den vergangenen Jahren ist auch die unmittelbare Kommunikation mit den Patientinnen und Patienten immer wichtiger geworden. Unsere Antwort darauf ist das digitale Arzt-Suche- und Informationsportal Orthinform, das monatlich von 200.000 Besucherinnen und Besuchern angeklickt wird. Hinter dem hohen Informationsbedürfnis steht ein radikaler Wandel in der Medizin. Nicht mehr die Eminenz zählt, sondern die Evidenz. Die Patientinnen und Patienten wollen heute wissen, welche wissenschaftlichen Daten hinter den angebotenen Behandlungsverfahren stehen. Paternalismus wird nicht mehr goutiert. Die Kranken wollen auf Augenhöhe mitbestimmen, denn sie müssen auch mit den Konsequenzen leben. Eine gemeinsame verantwortete Entscheidung braucht allerdings gute Entscheidungshilfen und Gesundheitskompetenz. Deshalb versteht der BVOU Orthinform als wichtiges Instrument zur partizipativen Entscheidungsfindung und verweist mit dieser Plattform auf die Kompetenzen und Expertisen seiner Mitglieder.

Ein radikaler Motor der Veränderung ist zweifellos die Digitalisierung. Es ist gerade einmal 14 Jahre her, dass Steve Jobs der Weltöffentlichkeit das erste iPhone präsentierte. Heute ist unser Alltag ohne mobile Geräte und das schnelle Internet nicht mehr denkbar. Wie wichtig und notwendig die Digitalisierung ist, hat uns auch die Coronakrise gezeigt. Vielleicht wären wir besser durch die Krise gekommen, wenn alle Akteure gut vernetzt und auf dem neuesten Stand der digitalen Technik gewesen wären. Wir brauchen den schnellen Datenaustausch und die vielen Instrumente des Datenmanagements und der Partizipation zweifellos. Deshalb haben wir auch die Arbeit der Geschäftsstelle in das digitale Zeitalter überführt. Bei der Implementierung der Digitalisierung in den klinischen Alltag erwarten wir allerdings, dass dies in enger Absprache mit den Ärztinnen und Ärzten geschieht und dass nur die Applikationen zum Einsatz kommen, die sinnvoll, sicher und im Rahmen unseres Zeitkorsetts mit vertretbarem Aufwand leistbar sind. Außerdem dürfen wir nicht mit einer Technik abgespeist werden, die bereits veraltet ist, wenn sie bei uns ankommt. Der BVOU wird die Entwicklung und Integration digitaler Konzepte aktiv begleiten.

Die Ziele sind gleichgeblieben, die Rahmenbedingungen haben sich geändert. Die Reflektion unseres Woher und Wohin wird uns sicher helfen, in Zukunft noch schlagkräftiger zu werden. Ich gedenke und danke allen, die in sieben Jahrzehnten geholfen haben, aus einem kleinen Wirtschaftsring einen starken Verband zu machen und hoffe, dass sich auch in Zukunft viele Kolleginnen und Kollegen finden werden, die bereit sind, diese Mission fortzuführen.

Dr. Johannes Flechtenmacher, BVOU-Präsident