Das Ziel jeder Rotatorenmanschettenrefixation ist das Erreichen einer spannungsfreien Reposition, anatomischen Reinsertion und stabilen Fixation bis zur Sehneneinheilung. Die erfolgreiche Rotatorenmanschettenrekonstruktion hängt an verschiedenen Faktoren, wobei der Chirurg über die angewandte Technik, wie Kenntnisse der Anatomie, Fadenanker, Fadenmaterial, Sicherheit der geknüpften Knoten, Nahtkonfiguration, usw. das Resultat beeinflussen kann, aber andererseits biologische Faktoren, wie Knochenqualität, Muskelqualität und fettige Infiltration, Sehnenqualität, Retraktion der Sehne und Rissgröße hinnehmen muss.
Anatomie der Rotatorenmanschettenruptur
Die anatomische Rekonstruktion des Footprints der Rotatorenmanschette ist das primäre Streben einer erfolgreichen Rotatorenmanschettenrekonstruktion. Nach neuesten Erkenntnissen ist zu beachten, dass der Supraspinatusfootprint weit kleiner ist, als früher berichtet, und der größte Teil des Footprints am Tuberculum majus von der Infraspinatussehne überzogen wird, die von dorsal kommend, über den Footprint in die Supraspinatussehne hineinstrahlt und sich am Ansatz mit der Supraspinatussehne verflicht 13.
Desweiteren ist bei der Rekonstruktion der Rotatorenmanschette darauf zu achten, dass diese aus mehreren Schichten besteht, wovon zwei makroskopisch eindeutig zu identifizieren sind – eine tiefe, meist weiter retrahierte Schicht, und eine oberflächliche, weniger retrahierte, jedoch rigidere Schicht. Klinisch treten diese Delaminationen bei postero-superioren Rupturen in 84% auf, wobei von Han et al.6 gezeigt werden konnte, dass nur von einem lateralen Kameraportal 100% dieser Delaminationen festgestellt werden kann. Histologisch lässt sich feststellen, dass es sich bei der oberflächlichen Schicht um den eigentlichen sehnigen Anteil der Rotatorenmanschette handelt und die tiefere Schicht die superiore Gelenkskapsel darstellt.14 Ishihara8 konnte zeigen, dass eine Rotatorenmanschettenruptur zu einer signifikant erhöhten superioren Translation des Glenohumeralgelenkes führt und durch eine alleinige Sehnenrekonstruktion diese nicht normalisiert wird. Erst durch die Rekonstruktion der superioren Kapsel stellen sich wieder normale Gelenkverhältnisse ein.
In einer von uns durchgeführten randomisierten Studie zwischen Einschicht– und Doppelschichtrekonstruktion konnten wir zeigen, dass die Rekonstruktion beider Schichten die Rotatorenmanschettenheilung deutlich verbessert und bei alleiniger Sehnenrefixation ohne Einbeziehung der superioren Kapsel es zu signifikant mehr Rerupturen kommt.
Das Erkennen der Rupturkonfiguration ist entscheidend für eine erfolgreiche Rekonstruktion. Oftmals sind dazu vorher ausgedehnte Sehnenreleasetechniken notwendig um die volle Mobilität zu ermöglichen. Dabei wird vor allem das coracohumerale Ligament medial von der Basis des Coracoids abgesetzt und die Rotatorenmanschette juxtaglenoidal mobilisiert. Die Verbindung zwischen Subscapularis und Supraspinatus sollte erhalten bleiben, da hier Sehnenfasern kreuzen und der ventrale Ansatz des Rotator cables sich bis zum Subscapularisoberrand erstreckt. In der Sehnenreposition können generell 4 Rupturtypen unterschieden werden (Foto).5 Die einfachste Form sind halbmondförmige Rupturen, welche sich meist problemlos spannungsfrei reponieren lassen. Die häufigste Rupturform sind L oder verkehrte L-förmige Risse. Hier muss man sich nach dem Sehnenrelease von der intrinsischen Sehnenmobilität leiten lassen, da ansonsten eine anatomische Reposition nicht erzielt werden kann. U-förmige Risse kommen meist bei Massenrupturen vor und sind meist chronisch retrahierte Sehnenrisse, die eine vollständige anatomische Rekonstruktion nicht zulassen.
Oftmals kann man das Phänomen bemerken, dass bei der Sehnenreposition mehr Sehnengewebe vorkommt, als Footprintausdehnung zu Verfügung steht und es zu den sogenannten Hundeohren bei der Rekonstruktion kommt. Es handelt sich hier durch die Chronifizierung um tendinöses Sehnengewebe welches vermutlich durch den andauernden Zug in der Ruptur entsteht. Um die Hundeohrentstehung zu vermeiden und gesundes Sehnengewebe zu erhalten wird dieses Gewebe meist ausgeschnitten in Form eines partiellen Intervalslides und so eine anatomische Rekonstruktion ermöglicht.
Refixationstechniken der Rotatorenmanschette
Die Wahl der Refixationstechnik ist entscheidend für das klinische Ergebnis. In einer Langzeituntersuchung unserer einreihigen Rotatorenmanschettenrefixationen konnten wir zeigen, dass es über 10 Jahre zu einer Rerupturrate von 50% kommt, aber intakte Rotatorenmanschettenrekonstruktionen ein deutlich besseres klinisches Ergebnis zeigen.7 Aus biomechanischen Studien weiß man, dass die bestmögliche Rekonstruktion des Footprints mit transossären Äquivalenztechnik zustande kommt2 und eine Single row-Naht den Footprint nur insuffizient rekonstruiert.
Um eine erfolgreiche Sehnen-Knochen-Heilung zu ermöglichen, ist nicht nur eine komplette Abdeckung des Footprints entscheidend, sondern es hat sich gezeigt, dass auch die Druckverteilung der Sehne am Knochen wichtig für eine Einheilung ist. Im Gegensatz zu einer herkömmlichen Double Row-Naht mit Vierpunktfixationen zeigt eine transossäre Äquivalenznaht (Suture Bridge Rekonstruktion) die optimalste Druckverteilung am Footprint 15, 16. Eine von uns neu entwickelte knotenlose Nahttechnik, wo die tiefe Schicht eigens mit einem sogenannten Cinch oder Prusikknoten am medialen Anker befestigt wird und das Fadenende dann durch die oberflächliche Schicht geführt und lateral abgespannt wird hat im biomechanischen Versuch durch den durch dies Konfiguration hervorgerufenen Mädchenfängereffekt eine noch bessere Footprintabdeckung und höheren Anpressdruck am Knochen gezeigt (Abbildung Cinch Bridge).
Generell ist die Wahl von mehrfach geladenen Ankersystemen zu bevorzugen, da in der Literatur eindeutig gezeigt werden konnte, dass die Stabilität einer Sehnen-Knochen-Nahtkonstruktion nicht von der Anzahl der Anker abhängt, sondern vor allem von der Anzahl der verwendeten Fäden ab 10. Wo die Nähte in der Sehne zu setzen sind, hat Wieser et al.17 nachgewiesen, dass die größte Nahtstabilität direkt medial vom Rotator cable gegeben ist. Hierbei handelt es sich eben um genau die zuvor beschriebene tiefe Schicht der Rotatorenmanschette oder eben superiore Gelenkkapsel.
Zahlreiche biomechanische Studien, unter anderem auch unsere Arbeitsgruppe1, haben nachgewiesen, dass unter den zahlreichen möglichen Nahttechniken die Suture Bridge-Technik, die am widerstandsfähigste und stabilste ist und somit die sicherste Nahtkonfiguration darstellt. Andererseits gilt es zu bedenken, dass durch das Anlegen einer Suture Bridge die Sehnendurchblutung um 50% reduziert wird4, was möglicherweise auch die Einheilungschancen der Sehne am Knochen verschlechtert. Aus diesem und technischen Gründen wurden sogenannte knotenlose Bridgingtechniken entwickelt. Obwohl diese sich unter hohen Zuglasten als äußerst instabil erwiesen, hat sich in klinischen Studien eine deutlich geringere Rerupturrate der Rotatorenmanschettenrekonstruktion gezeigt. Möglicherweise sind biologische Faktoren, wie Sehnendurchblutung und Sehnenqualität für ein erfolgreiches Einheilen der Sehne am Knochen doch ausschlaggebender als biomechanische Aspekte bzw. muss es letztendlich Ziel sein ein Gleichgewicht zwischen Erhaltung der Biologie bei ausreichend stabilem Nahtkonstrukt zu finden. Dass eingeheilte Sehnen im Langzeitoutcome ein signifikant besseres Ergebnis zeigen als rupturierte Sehnen, belegen zahlreiche Studien7, 11 und ist mittlerweile unbestritten. Das langfristige Ziel einer Rotatorenmanschettenrekonstruktion muss daher das Erzielen einer eingeheilten anatomischen Rotatorenmanschettenrekonstruktion sein.
Das Problem stellt sich meist bei lange bestehenden chronifizierten Sehnenrissen dar, wo gezeigt wurde, dass je länger ein Riss besteht dieser sich auch weiter retrahiert und aber auch der Sehnenstumpf schrumpft.12 Somit handelt es sich in der chronischen Ruptursituation oftmals um nicht wieder vollständig zu rekonstruierende Sehnensubstanzdefekte. Die Entscheidung einer frühzeitigen operativen Rekonstruktion bei Rotatorenmanschettenruptur erscheint unter diesem Gesichtspunkt für gerechtfertigt.
Die Förderung der Sehneneinheilung, vor allem gerade in chronischen Situationen, wie bei Rotatorenmanschettenrupturen oft der Fall, ist ausschlaggebend für ein gutes Ergebnis. Es konnte nachgewiesen werden, dass durch ein sogenanntes Nanodrilling oder Multiple channeling die Rerupturrate deutlich gesenkt werden konnte.9
Dieses Vorgehen sollte bei jeder Rotatorenmanschettenrekonstruktion dazu gefügt werden.
Trotz dessen, dass die biomechanische Komponente der Rotatorenmanschettennaht nach heutigem Stand schon sehr weit fortgeschritten ist, kommt der Beachtung anatomischer Rupturgegebenheiten immer mehr Bedeutung zu um auch komplexe Rupturformen mit kulissenartig verschobenen Sehnenschicht erfolgreich anatomisch rekonstruieren zu können. Ausreichend Zeit für Sehnenrelease und Erkennen der Rupturform sind der Schlüssel für eine erfolgreiche Rekonstruktion. Die Förderung des regenerativen Potentials der Sehneneinheilung durch Ausschaltung der bekannten Narbenheilung ist die große Herausforderung für die Zukunft.
Priv.-Doz. Dr. Philipp R. Heuberer
Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie, IOC Diploma Sports Physician, Privatarzt
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Wien
Literatur auf Anfrage bei der Redaktion.