Archiv für den Monat: Januar 2018

DGOU startet 2018 mit neuer Vorstandsspitze

Berlin – Die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie e.V. (DGOU) startet mit einer neuen Vorstandsspitze in das Jahr 2018. Mit dem 1. Januar ist Prof. Werner Siebert Präsident der DGOU. Er ist Ärztlicher Direktor der Vitos Orthopädische Klinik Kassel gGmbH. Die stellvertretende DGOU-Präsidentschaft übernimmt Prof. Joachim Windolf. Er leitet als Direktor die Klinik für Unfall- und Handchirurgie der Universitätsklinik Düsseldorf. Prof. Bernd Kladny, Chefarzt der Orthopädischen Abteilung der Fachklinik Herzogenaurach, wird neuer Generalsekretär. Prof. Dietmar Pennig, Chefarzt der Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, Handchirurgie und Orthopädie am St. Vinzenz-Hospital der Universität Köln wird den Vorstand der DGOU als stellvertretender Generalsekretär verstärken.

Die DGOU-Mitgliederversammlung wählte Siebert und Windolf im Oktober 2017 für die Amtszeit vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 2018 an die Spitze der Fachgesellschaft. Beide übernehmen 2018 zudem die Präsidentschaft ihrer Muttergesellschaften: Siebert ist Präsident der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie e.V. (DGOOC), Windolf ist Präsident der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie e.V. (DGU).

Kladny, seit zwei Jahren stellvertretender Generalsekretär der DGOU, übergibt dieses Amt nun an Pennig und wird Generalsekretär der DGOU. Darüber hinaus bleibt er Generalsekretär der DGOOC. Pennig übernimmt zusätzlich das Amt des Generalsekretärs der DGU von Prof. Reinhard Hoffmann, der aus dem Vorstand ausscheidet.

Wahnsinn Wartezeit – Ein Reizthema

Berlin/Karlsruhe – Deutschland hat im weltweiten Vergleich einen sehr freien Zugang zum Gesundheitssystem und kurze Wartezeiten. Doch für viele Patienten fühlt sich dies anders an. Dr. Matthias Soyka, ehemals als Facharzt O und U und heute als Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin tätig, analysiert, was hinter dem Phänomen Wartezeit steckt – und welche Paradoxien das Gesundheitswesen überhaupt kennzeichnen.

Wartezeiten auf einen Arzttermin, Wartezeiten in der Praxis – wenn es um dieses Thema geht, schwillt vielen Menschen der Kamm. Wer ein erhellendes Buch zum Thema lesen möchte, dem kann man das vorliegende sehr empfehlen. Denn Soyka hat zahlreiche Fakten zusammengetragen, ob zu Wartezeiten im internationalen Vergleich oder zur rückläufigen Entwicklung der Einkommen niedergelassener Ärztinnen und Ärzte in den letzten Jahren. Er lässt immer wieder seine eigenen, sehr reflektierten ärztlichen Erfahrungen einfließen.

Darüber hinaus geht er aber auch auf das Warten als „Erkundungen eines ungeliebten Zustands“ ein. So heißt ein Buch der Journalistin Friederike Gräff, deren Analyse er zitiert: „Ich habe es nicht verdient, dass man mir die Zumutung des Wartens auferlegt. Das wird intuitiv als etwas sehr Kränkendes empfunden. Ich glaube, dass in unserer Gesellschaft Warten mit Machtlosigkeit und einem geringen sozialen Status verbunden wird. Wer warten muss, hat nicht das Geld, sich von der Wartezeit freizukaufen.“

Soyka ergänzt diese Interpretation: „Die meisten Deutschen haben sich einfach zu sehr daran gewöhnt, den Luxus eines schnellen Zugangs zu medizinischen Leistungen zu genießen und für selbstverständlich zu halten. Oft wird vergessen, dass die Errungenschaften des deutschen Gesundheitswesens auf der Arbeit von Millionen von engagierten und gewissenhaften ,Gesundheitsarbeitern‘ beruhen, die auch angemessen bezahlt werden müssen.“ Für die Terminservicestellen hat er nur Spott übrig.

Sein Buch ist aber viel mehr als eine Analyse über den „Wahnsinn Wartezeit“. Es ist eine Analyse des „Wahnsinns Gesundheitssystem“. Wartezeiten, das ist Soykas Position, lassen sich nicht vermeiden. Eine Ausstattung, die jeden sofort an die Reihe kommen lässt, ist nicht finanzierbar. Ein Arzt, der gute Arbeit leistet, hat bald einen Namen – mit Folgen: „Ständig muss man sich als Arzt Klagen darüber anhören, dass Patienten länger auf einen Termin warten müssen – so als wäre es eine Schande, dass die eigene Dienstleistung so stark nachgefragt wird.“

Wenn es wirklich um Leben und Tod geht oder um ernsthafte Beschwerden, verhindern formelle (Notarzt) wie informelle Systeme (umgehende Terminvereinbarung von Arzt zu Arzt) nach Soykas Überzeugung gesundheitlichen Schaden. Das meiste Wartenmüssen hält er für gesundheitlich unproblematisch oder sogar klug – beispielsweise, wenn Leitlinien von hektischem Aktionismus abhalten: „Eilig ist – was Bildgebung angeht – vor allem beim chronischen Rückenschmerz meist gar nichts … Trotzdem werden lange Wartezeiten auf Kernspin-Untersuchungen beim Kreuzschmerz gerne als Beweis dafür zitiert, wie ,unendlich lang‘ die Wartezeiten seien.“

Alles also nur Debatten aus einem schrägen Patienten- oder Journalistenblickwinkel? Nein, so Soyka. Es gibt Konstellationen, die Ärzten Zeit stehlen und so zu Wartezeiten beitragen. Als entscheidende Faktoren führt er die überbordende Bürokratie an (Kontrolle von Krankschreibungen, ICD-Kodierungen, Heilmittelkatalog), die tolerierte Unfähigkeit von Patienten, sich bei harmlosen Beschwerden selbst zu helfen oder erst einmal abzuwarten, aber auch eine Politik, die niedergelassenen Ärzten zusetzt: Die realen Honorare sinken, die Belastungen nehmen zu, woanders als in der eigenen Praxis ist mehr Geld zu verdienen – dies wird seiner Meinung nach aber gern geleugnet. Noch geht es irgendwie. Aber wenn die geburtenstarken Jahrgänge erst alt sind, wird es echte Engpässe geben.

Man muss den „Wahnsinn Gesundheitswesen“ gut kennen, um Soykas Argumentation folgen zu können. Die Passagen über neumodische Ungeduld und überzogene Erwartungen kann man allerdings auch fürs Arzt-Patient-Gespräch nutzen. Besonders Fachärzte und -ärztinnen aus O und U und dem Reha-Bereich werden „Wahnsinn Wartezeit“ sicher gern lesen, weil es viele Bezüge zum Fachgebiet herstellt. Soykas Forderungen am Ende werden sie vermutlich teilen: Verwaltungskosten im System reduzieren, Ärzte und andere „Gesundheitsarbeiter“ besser behandeln, ärztliche Qualität durch Rückbesinnung auf akademische Tugenden steigern, Geschäftemacherei in vernünftigen Bahnen halten, die Pharmaindustrie bändigen – und die Besonnenheit im Umgang mit Krankheit üben.