Die diesjährige BVOU-Januartagung bot spannende Einblicke in aktuelle Entwicklungen und Zukunftsthemen in der Berufspolitik und unser Fach Orthopädie und Unfallchirurgie. Von Konzepten zur besseren Vergütung und Digitalisierung über KI-gestützte Innovationen bis hin zu den Herausforderungen der Notfallversorgung – die Tagung zeigte, wie der BVOU die Weichen für eine moderne und nachhaltige Gesundheitsversorgung stellt. Ein Rückblick auf Highlights, Diskussionen und inspirierende Vorträge.
Den Auftakt machte am Freitag in der Gesamtvorstandssitzung BVOU-Präsident Dr. Burkhard Lembeck mit einem Überblick über die Aktivitäten des Präsidenten und des geschäftsführenden Vorstandes in den letzten zwölf Monaten. Er berichtete von der Weiterentwicklung eines Konzeptes zur sinnvollen Implementierung der Hybrid-DRG im Einklang mit der Politik und den Kostenträgern, um möglichst eine für alle Sektoren faire Vergütung und eine gute praktische Umsetzbarkeit zu gewährleisten. Er sprach kurz über das Thema Osteoporose, die sehr gut angenommene BVOU-Osteoporose-Rechner-App zur Risikoabschätzung entsprechend den Leitlinien. Diese funktioniert wirklich sehr gut, ich nutze sie auch täglich in der Sprechstunde. Sie ist für BVOU-Mitglieder kostenfrei über den APP-Store für Android und IOS herunterzuladen. Der Präsident berichtete auch über Verhandlungsergebnisse zur Regressvermeidung bei leitliniengerechter Verordnung von z.B. Osteoanabolika in Baden-Württemberg. Ein analoges Konzept ist, wie wir auf unserer niedersächsischen Landestagung am 25.09.2024 in Bispingen bereits berichteten, auch für Niedersachsen ausgehandelt.
Weitere Themen waren die Fortentwicklung der Pläne zu einer Optimierung der Notfallversorgung mit entsprechend zähen Diskussionen mit den Beteiligten in den Gremien.
Ausblick auf das Honorar und Digitalisierung
Ein kurzer Ausblick streifte das Honorar (GOÄ – immer noch unbefriedigend – und EBM, mit jetzt regelhafter Berücksichtigung der MFA-Tarifvertragsentwicklung in den Honorarabschlüssen und Hygienezuschlägen beim ambulanten Operieren als Teilerfolge). Auch die DMPs mit orthopädischer Beteiligung stecken noch tief im Verwaltungssumpf und kommen nur lückenhaft in der Versorgung an (DMP Osteoporose aktuell in Bremen, Nordrhein, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Westfalen-Lippe, in den anderen Bundesländern hapert es am Widerstand der Krankenkassen). Ein Feld mit zuletzt größerer Dynamik ist die Digitalisierung, von Seiten des BVOU zunächst einmal die bereits erwähnte Osteoporose Rechner-App, die praxisangeleitete DIGA zur App-gestützten Bewegungstherapie “OrthoHeroBKK”, die Patientenplattform “Orthinform” mit sehr gutem Zuspruch und zunehmender Integration von KI-Elementen und TINANA, ein neues digitales Eigenübungs-Tool. Als Ausblick auf die Schwerpunkte in 2025 nannte Dr. Burkhard Lembeck ein aktuell noch in Feinabstimmung befindliches Positionspapier zur Bundestagswahl 2025 mit Darlegung unserer Forderungen und Anregungen/bereits erstellten Konzepte für O&U für die kommende Gesundheitspolitik, Ansätze zum sinnvollen Einsatz von KI in O&U zum Bürokratieabbau und zur Patientenkommunikation und weiterhin eine bundesweite Umsetzung des Orthovertrages aus BaWü als Vollversorgungsvertrag zur besseren Steuerung von Patienten, Optimierung der Zusammenarbeitsstruktur zwischen Haus- und Facharzt und Kliniken auf der Basis aktueller Leitlinien, Generation von zeitnahen Facharzttermin wo medizinisch indiziert und letztendlich auch unbudgetierter Bezahlung der erbrachten Leistungen.
Als Nächstes berichtete Schatzmeister Dr. Johannes Flechtenmacher über die weiterhin positive Entwicklung der Mitgliederzahl im BVOU (im Jahr 2024 waren es 7.559 Mitglieder, davon 5.861 zahlende Mitglieder, mit Niedergelassenen und Ruheständlern weiterhin als Hauptgruppen, wobei sich ein erfreulicher Trend auch zu jüngeren Mitgliedergruppen bemerkbar macht, was sich im Gegenzug aber etwas dämpfend auf die Einnahmensituation auswirkt, da hier die Mitgliedsbeiträge rabattiert sind). Somit stagnieren die Beitragseinnahmen seit 2020, wobei die wirtschaftliche Situation des BVOU weiterhin grundsolide ist, da der Verband in den letzten Jahren zunehmend beitragsunabhängige Einnahmen generieren konnte (besonders aus Selektivverträgen, dem DKOU-Kongress, Sponsoring in den BVOU-Medien und Landesverbänden, Beiträgen der Akademie sowie Provisionen), um die Aktivitäten auf allen Verbandsebenen auch weiter effektiv umzusetzen.
Bericht aus der Geschäftsstelle
Im Verlauf berichteten Geschäftsführer Dr. Jörg Ansorg (BVOU-Apps, digitale Mitgliedskarte, Baumpflanzaktion und zusätzliche Service-Angebote zur Mitgliedergewinnung, Ausbau des digitalen Fortbildungsprogramms, OrthoTrauma Live – ein Fortbildungs-TV für O&U, der gemeinschaftliche DKOU-Stand, Starterpaket des BVOU, Orthinform mit OrthoChat und dem Podcast OrthoCast sowie der Aktion Orthofit) sowie Geschäftsstellenmitarbeiterin Kathrin Betsch (Stand bei den Selektivverträgen) über ihre aktuellen Hauptaufgabenfelder.
Interessante Berichte gab es auch zu den Kongressen 2024 und 2025 von den jeweiligen Präsidenten des VSOU und DKOU aus den Jahren. Aus den Ländern und Referaten
Es folgten die festen Rubriken “Berichte aus den Ländern” mit Darstellung der aktuellen Themen aller Landesverbände in komprimierter Form sowie “Berichte aus den Referaten”. Hier ging es schwerpunktmäßig um Vorstellung der Aktivitäten der letzten Monate aus den Referaten ALKOU, Alterstraumatologie, Digitale Medien, Fuß- und Gelenkchirurgie, Hüfte, Kampagnen, konservative Orthopädie, niedergelassene Operateure und Schnittstellen, Osteologie, Weiterbildung, vom Jungen Forum, der DGOU und dem befreundeten Chirurgen-Verband BDC sowie (komplex aber sehr interessant!) zum Honorarverteilungsmaßstab (HVM) und der Entstehung und Weiterentwicklung der deutlichen Unterschiede der Scheinwerte in den Ländern mit deren Interpretation im Vergleich und der Zukunftsperspektive von Dr. Helmut Weinhart (Honorarexperte aus dem geschäftsführenden Vorstand).
Klausurtagung: Blick über den Tellerrand
Am Samstagmorgen ging es dann mit der Klausurtagung weiter, zunächst einmal mit einem für die meisten ungewöhnlichen Blickwinkel auf unsere Tätigkeit durch Mediziner, Professor für Medizinethik an der Uni Freiburg, Philosoph und Buchautor Giovanni Maio der die Verletzlichkeit des Patienten (und auch des Behandlers) sowohl von körperlicher als auch von psychischer und sozialer Seite in den Vordergrund seiner Betrachtungen stellte und die Aufgaben des Behandlers nicht nur als Reparateur, sondern auch als Kümmerer mit einer Kultur der Sorge darstellte, mit der Aufgabe an uns Ärzte eine Verknüpfung aus Zweckrationalität und Verständigungsorientierung anzustreben zum Wohle unserer Patienten und auch unserer Selbst i.S. z.B. auch einer Burnout-Prophylaxe. Dem Vortrag wurde von allen Anwesenden sehr andächtig und aufmerksam gelauscht und anschließend gab es eine durchaus lebhafte und positive Diskussion zu dem Thema zwischen dem Plenum und dem Referenten.
Es folgte Dr. Karsten Braun mit einem erneut sehr gut aufbereiteten Vortrag zur Ambulantisierung in der fachärztlichen Versorgung, den Problemen und einem Ausblick.
Als nächster Referent erhielt Thomas Ballast, stellvertretender Vorsitzender der Techniker Krankenkasse (TK), das Rednerpult, um seine Sicht auf die Herausforderungen für die Gesundheitsversorgung in den nächsten Jahren und mögliche Konzepte aus dem TK-Blickwinkel zur Bewältigung dieser Herausforderungen darzulegen. Teilweise deckten sich seine Vorstellungen durchaus mit den Ansätzen des BVOU, in einigen Bereichen gab es jedoch erwartungsgemäß eine mitunter deutliche Divergenz – aber sicherlich ist hier ein Ansatz zur Vertiefung der Zusammenarbeit (bisher erfolgreich im Selektivvertrag) durchaus gegeben.
Als charismatischer und leidenschaftlicher Rednerzeigte sich der nächste Redner, G-BA-Vorsitzender Prof. Joseph Hecken, der über seine Sicht zu mehr Struktur in der ambulanten Elektiv- und Notfallversorgung sprach und sich wunderbar darüber echauffierte, wie schwer es mitunter fällt, eine entsprechende Portion gesunden Menschenverstand in die Arbeit des Gemeinsamer Bundesausschusses (G-BA) und die politischen Entscheidungen zu implementieren.
Ein weiteres Highlight war die Demonstration von Dr. Tom Jansen, niedergelassener Arzt, Vertreiber und Mitentwickler des KI-gestützten medizinischen Dokumentationssystems EUDARIA, das in der Lage ist, aus einem kompletten Gesprächsmitschnitt zwischen Arzt und Patient im Sprechzimmer eine strukturierte Arztbriefgliederung in Anamnese, Befund etc. und sogar Diagnosedokumentation mit ICD-10-Codierung passend zum Befund zu generieren und diese dann per Mausklick über eine GDT-Schnittstelle in das entsprechende PVS-System zu integrieren. Eine Demonstration mit einem gespielten Arzt-Patienten-Gespräch mit einem der anwesenden Kollegen als Patienten gelang überraschend reibungslos und nahezu fehlerfrei. Sicherlich bleibt ein Test im Praxisalltag und die Kompatibilität mit den verschieden PVS-Systemen hier noch ausstehend, aber das System zeigte in der Demo eine wirklich eindrucksvolle Performance. Für BVOU-Mitglieder gibt es rabattierte Preise.
Zum Abschluss berichtete BVOU-Geschäftsführer Dr. Jörg Ansorg zum Thema KI auch noch einmal über die Neuerung in der Orthinform-Plattform mit dem Chatbot-OrthoChat, der in der Lage ist, in unzähligen Sprachen Fachfragen aus O&U zu beantworten, wobei als Know-how-Basis dafür die in Orthinform von Mitgliedern des BVOU eingestellten Fachbeiträge dienen. In der Anfragebeantwortung erfolgt dann nach einer netten Anrede mit individueller Erläuterung ein Verweis zu den entsprechenden Fachartikeln in Orthinform sowie zu den darauf spezialisierten Ärztinnen und -Ärzten der jeweiligen Region des Anfragenstellers (Wichtig: Aktualisierung des eigenen Arztprofils auf aktuell, damit dann auch Euer Name bei Anfragen aus eurer Region gelistet werden kann!). Auch hier erfolgte eine Live-Demonstration, die sehr überzeugend war. Sinnvoll eingesetzt, ist KI sicherlich eine Bereicherung auch in O&U und ist zwischenzeitlich ja auch schon im Hintergrund in vielen Lebensbereichen mehr oder weniger unbemerkt im Einsatz und nicht mehr wegzudenken.
Mit diesen doch recht euphorisierenden Vorträgen endete die Tagung und lässt am Ende doch mal wieder zumindest in Teilaspekten etwas positiver in unsere berufliche Zukunft blicken als häufig zuletzt.
Dr. Marcus Hausdorf
stellv. Landesvorsitzender BVOU Niedersachsen