Die Rechtsprechung der deutschen Gerichte zur Frage der Gebührenpflicht für das Abspielen von Musik in der Arztpraxis war bislang leider nicht immer einheitlich. Nachdem der Europäische Gerichtshof (EuGH) 2012 für einen in Italien gelagerten Fall entschieden hatte, dass das Abspielen von Hörfunksendungen als Hintergrundmusik für Patienten im Wartezimmer keine öffentliche Wiedergabe im Sinne des Urheberrechtes sei, hat nun auch der Bundesgerichtshof (BGH) in einem vergleichbaren Fall für den beklagten Arzt entschieden und dessen Kündigung des GEMA-Vertrags für rechtens erklärt.
Der beklagte Zahnarzt, der im Wartebereich seiner Praxis für seine Patienten Hörfunksendungen als Hintergrundmusik abspielte, hatte den mit der GEMA im Jahr 2003 geschlossenen Lizenzvertrag im Dezember 2012 fristlos gekündigt und dies damit begründet, dass nach der EuGH-Rechtsprechung die Wiedergabe nicht öffentlich sei. Die GEMA hatte ihn daraufhin zur Zahlung verklagt.
Der BGH bestätigte nunmehr mit Urteil vom 18.06.2015, dass die fristlose Kündigung des Arztes berechtigt war, da die Geschäftsgrundlage des Lizenzvertrages durch das EuGH-Urteil vom 15.03.2012 entfallen sei. Weiterhin hielt der BGH dazu allerdings fest, dass die Frage, ob ein Sachverhalt eine öffentliche Wiedergabe darstelle, stets eine individuelle Beurteilung erforderlich mache – unter anderem im Hinblick auf die Kriterien Öffentlichkeit und Dienen der Wiedergabe zu Erwerbszwecken.
Sowohl der EuGH als auch der BGH hatten in den entsprechenden Fällen entschieden, dass das Kriterium der Öffentlichkeit nicht erfüllt war. Sie begründeten dies damit, dass normalerweise die Patienten eines Zahnarztes eine bestimmte Gesamtheit potentieller Leistungsempfänger darstellen, da andere Personen in der Regel keinen Zugang zur Behandlung durch den Zahnarzt hätten. Zudem sei der Kreis der zur selben Zeit in der Praxis anwesenden Personen im Allgemeinen sehr begrenzt und nacheinander kommende Patienten in aller Regel nicht Hörer derselben Tonträger, insbesondere wenn eine Wiedergabe über Rundfunk erfolge.
Ebenso verneinte der EuGH damals, dass die Wiedergabe Erwerbszwecken des Zahnarztes diene. Er vertrat hier die Auffassung, dass der Zahnarzt allein aufgrund der Wiedergabe der Hörfunksendungen keine Zunahme seines Patientenbestandes erwarten und die Behandlungspreise nicht steigern könne. Zudem sei die Wiedergabe nicht Bestandteil der Zahnbehandlung und es finde lediglich ein zufälliger und von den Patientenwünschen unabhängiger Zugang zu bestimmten Tonträgern statt.
Diese Rechtsprechung muss unabhängig von der Fachrichtung auf alle Arztpraxen angewandt werden, sodass im Allgemeinen keine Vergütungspflicht für Hörfunksendungen als Hintergrundmusik im Wartezimmer besteht. Niedergelassenen Ärzten ist deshalb aus juristischer Sicht in der Regel zu empfehlen, Zahlungsansprüche der GEMA zurückzuweisen und bestehende Lizenzverträge fristlos zu kündigen.
Derzeit ist aus der anwaltlichen Praxis ein entsprechender Fall eines Orthopäden bekannt, in dem die GEMA dieses BGH-Urteil auch auf dessen orthopädische Praxis übertragen hat und die fristlose Kündigung mit dem Argument akzeptiert hat, dass die Patienten den Arzt nur zur Behandlung aufsuchten und nicht um Hörfunksendungen im Wartezimmer zu hören.
Dr. Jörg Heberer
Justitiar BVOU Berlin
Rechtsanwalt und
Fachanwalt für Medizinrecht
München