Heidelberg – Die robotergestützte Laufband-Therapie hilft gelähmten Patienten in Heidelberg bereits seit 15 Jahren dabei, wieder gehen zu lernen. Nun hat das Querschnittzentrum des dortigen Universitätsklinikums einen Gangroboter der neuesten Generation in Betrieb genommen. Der neue Lokomat verbessert die frühe Therapie bei Patienten mit nicht komplett durchtrenntem Rückenmark dank neuen Einstellungsmöglichkeiten und interaktiven, spielerischen Elemente.
Was auf den ersten Blick aussieht wie ein gewöhnliches Videospiel, ist ein wichtiger Baustein für die frühe Therapie nach einer nicht kompletten Rückenmarksverletzung: Es gilt, in einer virtuellen Welt einer Straße zu folgen, dabei Hindernissen auszuweichen und Münzen zu sammeln. Bewegt wird die virtuelle Spielfigur allerdings nicht mittels Joystick oder Konsole, sondern interaktiv über die eigene Beinbewegung in dem neuen Lokomaten – eine schwierige Aufgabe für querschnittgelähmte Menschen, die ihre Beine kaum noch bewegen können.
„Der neue Lokomat kann deutlich mehr als der alte: Er simuliert besser den natürlichen Bewegungsablauf, lässt sich feiner an den Patienten anpassen und gibt detaillierte Rückmeldung über die Trainingsfortschritte“, sagt Prof. Dr. Norbert Weidner, Ärztlicher Direktor der Klinik für Paraplegiologie des Universitätsklinikums Heidelberg. „Außerdem motivieren die Spiele zum aktiven Mitmachen – denn es hilft den Patienten wenig, sich einfach nur durch den Roboter bewegen zu lassen.“ Die Kosten des in der Schweiz entwickelten neuen Trainingsgeräts belaufen sich auf rund 380.000 Euro.
„Gehen lernt man nur durch gehen“, sagt Anne von Reumont, Leiterin der Physiotherapie und Physikalischen Therapie am Zentrum für Orthopädie, Unfallchirurgie und Paraplegiologie des Universitätsklinikums. Aus diesem Grund sollen die Patienten schon sehr bald nach der Verletzung mit der Gangtherapie beginnen. Der Lokomat kommt bereits in einer frühen Phase der Rehabilitation zum Einsatz, sobald die Patienten – meist nach ein bis zwei Wochen – wieder längere Zeit im Sitzen verbringen können.
In welchem Ausmaß der Roboter beim Gehen unterstützt, lässt sich sehr individuell einstellen: Was der Patient aus eigener Kraft noch nicht schafft, beispielsweise das Bein ausreichend anzuheben oder nach vorne zu führen, übernimmt der Roboter. So kommt trotz aller lähmungsbedingten Einschränkungen ein flüssiges Gehen zustande. Damit dies möglich ist, erfassen Sensoren ständig den Kraftaufwand und die eigenständigen Bewegungen des Patienten.
Je nach Trainingsfortschritt kann dann die Unterstützung durch den Roboter ebenso wie die Gewichtsentlastung reduziert werden. „Eine derart gezielte Therapie, bei der noch vorhandene Restbewegungen bis ins kleinste Detail erfasst, gefördert und ausgebaut werden, wäre mit reiner Physiotherapie und durch bis zu drei Therapeuten unterstütztes, klassisches Laufbandtraining nicht möglich oder zu aufwändig“, so Diplom-Physiotherapeutin von Reumont.
Um die Wiedererlangung der Gehfähigkeit weiter zu verbessern, gibt es das sogenannte Biofeedback – Bewegungsaufgaben in Form von Spielen in verschiedenen Schwierigkeitsgraden: Die Patienten blicken beim Gehtraining auf einen Bildschirm mit einer virtuellen Landschaft, durch die sie sich navigieren müssen. „Die Patienten bleiben aufmerksam und lernen so spielerisch, ihre Beinbewegungen besser zu kontrollieren“, erklärt Weidner. „Wir erhoffen uns davon ein besseres Ergebnis, dass die Patienten mit weniger Hilfsmitteln gehen können und sicherer im Alltag werden.“ Sobald keine Beinführung durch den Lokomaten mehr nötig ist, folgt einfaches Laufbandtraining mit Gewichtsentlastung, dann Gehen am Barren. Eines ist Weidner und von Reumont sehr wichtig: Der Gang-Roboter ist trotz intelligenter technischer Ausstattung nur ein Baustein eines durchdachten und individuell angepassten Therapiekonzepts.
Bild:
Patientin auf dem Lokomaten. PD Dr. Andreas Hug, Leitender Oberarzt, und Physiotherapeutin und Gruppenleiterin Kathrin Jung, BSc, beurteilen die Aufzeichnungen auf dem Bildschirm für das weitere Training. (Foto: Universitätsklinikum Heidelberg)