Berlin – Die Diskussion um die Kosten der Notfallversorgung in Krankenhäusern setzen das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) und die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) mit einem neuen Gutachten fort. Dafür hat Prof. i.R. Dr. Günter Neubauer, Direktor des Instituts für Gesundheitsökonomik, die Berechnungen genauer analysiert, die die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) vor rund einem Jahr zum Thema Kosten der Notfallversorgung vorgelegt hat. Die DKG forderte damals mehr Geld. Die ambulante Notfallversorgung in Kliniken sei in Höhe von rund einer Milliarde Euro unterfinanziert.
„Das Papier weist hinsichtlich der betriebswirtschaftlichen Kalkulationen so erhebliche Mängel auf, dass es keine Grundlage für eine sachgerechte Diskussion über Vergütungsleistungen sein kann“, betont Neubauer nun in seinem Gutachten. Seine Kritikpunkte lauten unter anderem:
- Die Krankenhäuser erhalten heute schon fünf Euro pro stationärem Patienten, gedacht für deren Notfallversorgung.
- Krankenhäuser, die nicht an der Notfallversorgung teilnehmen, müssen einen Abschlag von 50 Euro pro Patient hinnehmen. Umgekehrt bedeutet das: Es gibt einen impliziten DRG-Aufschlag von 50 Euro pro Patient für die Notfallversorgung.
- 2015 haben Krankenhäuser mit Notfallversorgung rund 17,3 Millionen stationäre Fälle versorgt. Daraus ergibt sich eine Summe von 865 Millionen Euro an implizierter Finanzierung für Notfälle: 17,3 Millionen Fälle x 50 Euro.
- Teilt man ein Drittel dieser Summe von 865 Euro den ambulanten Notfällen zu, ergibt sich laut Neubauer eine Summe von knapp 300 Millionen Euro beziehungsweise rund 33 Euro pro ambulantem Notfall.
- Wird die Hälfte dieser Summe den ambulanten Notfällen zugerechnet, sind es rund 430 Millionen Euro beziehungsweise 51 Euro pro ambulantem Notfall. Nach Neubauers Darstellung kommen 50 Prozent der stationären Patienten aus der Notfallversorgung.
- Hinzu kommt eine ambulante Notfallpauschale von 32 Euro pro Patient von den Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen).
- Neubauers Endabrechnung: Die Entgeltsumme pro ambulantem Notfall liegt zwischen 70 und 93 Euro pro Fall. Dies entspricht einer Summe zwischen 600 und 791 Millionen Euro. Das behauptete Defizit von einer Milliarde Euro ist nicht haltbar.
Der KBV-Vorstandsvorsitzende Dr. med. Andreas Gassen erklärte, man habe zeigen können, dass die Forderung der DKG schöngerechnet sein. „Nichtsdestotrotz bleibt das Problem bestehen, und wir brauchen neue Lösungsansätze“, betonte er. Man erkenne an, dass eine Krankenhausambulanz mit der dürftigen EBM-Vergütung ihre technischen und personellen Aufwände nicht decken könne.
Gassen erneuerte das Angebot der KBV an die DKG, gemeinsam in regionaler Zusammenarbeit zwischen KVen und Kliniken eine koordinierte Notfallversorgung voranzubringen. In Klinikambulanzen gehörten nur wirklich schwere Fälle. Um dies auch der Bevölkerung klarzumachen, will die KBV die Telefonnummer 116 117 für den vertragsärztlichen Bereitschaftsdienst im Jahr 2017 mit einer Werbekampagne bekannter machen.
DKG weist Kritik an der Defizitberechnung zurück
Die DKG reagierte mit Kritik auf das Gutachten im Auftrag von KBV und ZI. „Der Versuch, die von der DKG belegte Unterdeckung der Vergütung der ambulanten Notfallleistungen im Krankenhaus zu widerlegen, ist kläglich gescheitert“, so deren Hauptgeschäftsführer Georg Baum. „Die fachliche Analyse offenbart, dass dem Gutachten der KBV wesentliche Kenntnisse der Vergütungssystematik der Krankenhäuser fehlen. Die Einschätzung, dass in den Fallpauschalen für die stationären Leistungen Vergütungsanteile für ambulante Notfälle eingerechnet seien, zeugt von Unkenntnis. Eine solche Verknüpfung wäre zudem rechtlich unzulässig.” Die DKG hält es nach wie vor für zutreffend, dass bei ambulanten Notfällen pro Fall einem Erlösvolumen von 32 Euro Kosten von 120 Euro gegenüberstehen und es somit zu einer Unterdeckung von 1 Milliarde Euro in den Krankenhäuser kommt.