Berlin – Dreh- und Angelpunkt einer besseren Versorgung von ambulanten Notfällen müssen sogenannte Portalpraxen an allen Krankenhäusern Deutschlands werden, die rund um die Uhr an der stationären Notfallversorgung teilnehmen. Die Portalpraxis sollte in der Regel aus einer festen Anlaufstelle für die Notfallpatienten bestehen sowie aus einer ambulanten Notdienstpraxis, die ebenfalls am Krankenhaus angesiedelt sein sollte.
Dies ist eine von sechs Forderungen, die der Verband der Ersatzkassen (vdek) gestern zur Verbesserung der ambulanten Notfallmedizin erhoben hat. Grundlage ist ein Gutachten des AQUA-Instituts für angewandte Qualitätsförderung und Forschung im Gesundheitswesen. Darin werden zahlreiche Empfehlungen zur Reform der ambulanten Notfallversorgung und zu einer besseren Verzahnung zwischen ambulantem und stationärem Notdienst sowie dem Rettungsdienst gegeben. AQUA hat dafür unter anderem 26 Experten befragt.
G-BA arbeitet an Konzept für Notfallversorgung
Der vdek verweist darauf, dass der Gemeinsame Bundesausschuss derzeit an einem Stufenkonzept für die stationäre Notfallversorgung arbeitet. Es soll bis Ende des Jahres vorliegen. Das Krankenhausstrukturgesetz schreibt vor, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) den Notdienst auch durch Kooperation und gemeinsame Organisation mit Krankenhäusern sicherstellen sollen.
„Wir brauchen transparentere Strukturen in der Notfallversorgung. Immer mehr Patienten steuern im Notfall das Krankenhaus an, auch wenn sie eigentlich ambulant hätten behandelt werden können“, sagte Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des vdek. Unklare Sprechstundenzeiten und Anlaufstellen der niedergelassenen Ärzte, unklare Aufgabenteilung zwischen ambulantem und stationärem Notdienst und die Unsicherheit der Patientinnen und Patienten seien die Hauptgründe dafür.
Deshalb würden jährlich bis zu 25 Millionen Menschen in den Notaufnahmen der Krankenhäuser behandelt, mit steigender Tendenz. Mit Bezug auf Aussagen von Fachgesellschaften verweist der vdek darauf, dass ein Drittel der Patienten bedenkenlos im niedergelassenen Bereich behandelt werden könnten.
85 Prozent der Bereitschaftspraxen sind schon an Kliniken
Prof. Dr. Joachim Szecsenyi, Leiter des AQUA-Instituts, erläuterte, dass es derzeit rund 600 Notdienstpraxen in der Verantwortung der KVen gebe. Bereits heute seien 85 Prozent an Kliniken angegliedert. Der Experte verwies darauf, dass es zahlreiche Begriffe wie Notdienstpraxis, Bereitschaftsdienstpraxis, Anlaufpraxis oder Portalpraxis gebe. Das AQUA-Institut habe eine Portalpraxis definiert als zentrale Anlaufstelle. Dort solle der Behandlungsbedarf der Patienten standardisiert eingeschätzt und die Patienten in die jeweils angemessene Versorgungsstruktur geleitet werden. Zusätzlich könne eine Notdienstpraxis der KV zur Behandlung der Patienten in die Portalpraxis integriert werden.
Als sinnvolle Option nennt das Gutachten auch, gemeinsame Leitstellen für den Rettungsdienst und Portalpraxen einzurichten. Auch Angebote für besondere Patientengruppen wie Ältere oder Multimorbide seien hilfreich, beispielsweise ein Case-Management. Dies könne dazu beitragen, dass diese Patienten seltener ins Krankenhaus kämen. Ein Problem sei aber auch die Anspruchshaltung der Bürger: „Die Frage, was ich selbst tun kann, wird viel zu selten erörtert“, so Szecsenyi. Dafür gebe es aber auch zu wenig hilfreiche Angebote.
Mehr Geld sollten die Krankenkassen für eine verbesserte ambulante Notfallversorgung nicht ausgeben müssen, stellte die vdek-Vorstandsvorsitzende klar: Die Bezahlung sei Teil der ambulanten Gesamtvergütung. Aus Portalpraxen solle man Patienten zudem in die Regelversorgung zurückverweisen, wenn ihre Behandlung nicht dringlich sei. Portalpraxen verursachten nicht zwingend mehr Kosten, befand Szecsenyi. Wenn viele Kliniken nahe beieinanderlägen, benötige man möglicherweise Absprachen, wer die Portalpraxis übernehme. Es könne ja auch als ein ökonomischer Vorteil erkannt werden, „wenn in einem Krankenhaus nur Fälle sind, die dort auch hingehören“.
Sabine Rieser