Der Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie begleitet das Thema „Hybrid DRG“ seit vier Jahren wissenschaftlich und gesundheitsökonomisch. Mit dem „Wiesbadener Modell“ haben wir einen fallzahlstarken Katalog an ambulantisierbaren Leistungen aus dem Bereich O+U vorgelegt, der alleine fast 1 Mio. Fälle umfasst.
Wir begrüßen daher die deutliche Erweiterung des Hybrid-DRG-Katalogs, wie sie im Beschluss des erweiterten Bewertungsausschusses vom 28.04.2025 festgelegt wurde. Dies stellt einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung dar, um die Versorgung im Bereich Orthopädie und Unfallchirurgie sowohl im stationären als auch im ambulanten Bereich weiter zu verbessern.
Bedauerlich bleibt aktuell, dass die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) diesem Beschluss nicht zugestimmt hat. Ein gemeinsamer Konsens aller Beteiligten ist für die erfolgreiche Einführung der Hybrid-DRGs unerlässlich und hätte ein positives Signal für die Handlungsfähigkeit der Selbstverwaltung gesendet.
Positive Aspekte des Beschlusses
- Ausweitung des Hybrid-DRG-Katalogs: Die deutliche Erweiterung des Hybrid-DRG-Katalogs sehen wir grundsätzlich positiv. Der erste Katalog für die Jahre 2024-2025 war aus Sicht des BVOU zu schmal.
- Ausweitung auf 2-Tagesfälle: Die Erweiterung des Leistungskatalogs auf alle ambulant oder stationär erbrachten Fälle mit einer Verweildauer von bis zu zwei Tagen ist ein wichtiger Fortschritt. Wir erwarten dadurch eine bessere Bewertung der Hybrid-DRGs im Vergleich zu 2025. Ob dies für eine kostendeckende Versorgung im ambulanten oder stationären Setting ausreicht, werden erst die konkreten Kalkulationen des InEK zeigen.
- Aufwandsgerechte Berücksichtigung der Sachkosten: Es ist positiv zu bewerten, dass Sachkosten sowohl im stationären als auch im ambulanten Bereich “aufwandsgerecht” berücksichtigt werden sollen. Diese Entwicklung unterstützt die Wirtschaftlichkeit der erbrachten Leistungen. Für den ambulanten Sektor fordert der BVOU weiterhin eine Istkostenerstattung aller Sachkosten, wie sie bisher beim ambulanten Operieren nach EBM praktiziert wurde.
Kritische Punkte des Beschlusses
- Aufnahme von Frakturen in den Leistungskatalog: Die Aufnahme der operativen Versorgung von Frakturen (z. B. distaler Oberarm, Unterarm, Sprunggelenk, Klavikula) in den Hybrid-DRG-Katalog ist aus Sicht des BVOU mehr als kritisch zu betrachten.
- Diese Eingriffe betreffen häufig ältere Patientinnen und Patienten mit multiplen Komorbiditäten, für deren perioperative Behandlung und postoperative Überwachung und Betreuung derzeit keine ausreichenden ambulanten Versorgungsstrukturen existieren.
- Vernachlässigung elektiver Eingriffe: Der BVOU hätte es begrüßt, wenn elektive Eingriffe wie Materialentfernungen, Handchirurgie oder einfache Arthroskopien – wie von uns und anderen orthopädisch-unfallchirurgischen Verbänden vorgeschlagen – stärker berücksichtigt worden wären. Diese Eingriffe sind im ambulanten Bereich besser umzusetzen und hätten die Versorgungslandschaft weiter stabilisiert.
- Fehlende Differenzierung nach Komplexitätsgraden: Ob eine aufwandsgerechte Differenzierung von Eingriffen nach ihrem Komplexitätsgrad in die neue Kalkulation aufgenommen wurde, bleibt unklar. Besonders komplexe Eingriffe sollten im Sinne einer sachgerechten Vergütung höher bewertet werden als einfache Operationen. Leider fehlen hierzu im Beschluss detaillierte Angaben und die Erfahrung aus 2024 und 2025 legt nahe, dass es durch die fehlende Differenzierung nach operativem Komplexitätsgrad erneut zu einer Schieflage der Bewertung und Honorierung von Eingriffen kommt.
- Fehlende Investitionsanreize für den ambulanten Sektor: Der bisherige, sehr schmale Hybrid-DRG-Katalog setzte keine positiven Investionssignale für Krankenhäuser und ambulante Versorgungszentren. Letztere haben zudem den Nachteil einer fehlenden dualen Finanzierung, wie sie bei Krankenhäusern gegeben ist. Die Schaffung suffizienter ambulanter Versorgungsstrukturen ist zwingend erforderlich, um der Ambulantisierung im deutschen Gesundheitssystem zum Erfolg zu verhelfen. Hierfür müssen gerade im traditionell ambulanten Sektor zusätzliche Investitionsanreize geschaffen werden.
Konsequenzen für die Weiterbildung in Orthopädie und Unfallchirurgie
Die im Hybrid-DRG-Katalog ab 2026 enthaltenen orthopädisch-unfallchirurgischen Leistungen machen einen wichtigen Teil der Weiterbildungseingriffe im Fachgebiet Orthopädie und Unfallchirurgie aus. Diese sollen ab 2026 mehr oder weniger vollständig ambulant erbracht werden.
Damit diese Eingriffe zum Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie bei den Leistungserbringern in beiden Sektoren auch zukünftig stattfinden können, ist eine Neubewertung von Weiterbildungseingriffen notwendig. Dazu schlagen wir einen sektorenübergreifenden, fallbezogenen Zuschlag für Weiterbildungseingriffe vor, der den zusätzlichen Personal- und Zeitaufwand durch einen operationsbegleitenden Facharzt abbildet.
In den Kliniken, die über AOP-Zentren verfügen, steht ansonsten zu befürchten, dass diese Eingriffe nur noch von erfahrenen Fachärzten durchgeführt werden, um die Kalkulationszeiten einzuhalten. In Praxen ist zusätzlich die Forderung nach einer persönlichen Leistungserbringung durch Vertragsärzte im Rahmen von Weiterbildungseingriffen aufzuheben, um die rechtssichere Durchführung ambulanter Weiterbildung zu ermöglichen.
Im ambulanten Sektor ist eine Förderung der Weiterbildung ab 2026 unabdingbar. Der BVOU fordert deshalb parallel zum Inkrafttreten des erweiterten Katalogs zu Hybrid-DRG ab 01.01.2026 eine finanzielle Förderung der ambulanten fachärztlichen Weiterbildung in Analogie zur Weiterbildungsförderung im Bereich Allgemeinmedizin. Dazu sind Weiterbildungsstellen zu je 50% durch die GKV und die KBV finanziell zu fördern.
In Zeiten des immanenten Ärztemangels erscheint dem BVOU die Sicherstellung einer adäquaten Weiterbildung von angehenden Fachärztinnen und Fachärzten im Bereich Orthopädie und Unfallchirurgie mit dem Fokus auf Versorgungsqualität und Patientensicherheit von besonderer Bedeutung.
Fazit
Der BVOU sieht in der Erweiterung des Hybrid-DRG-Katalogs eine positive Entwicklung und einen wichtigen Schritt zur Ambulantisierung der Versorgung. Dennoch bleibt die Umsetzung in wesentlichen Punkten – insbesondere in Bezug auf die Berücksichtigung elektiver Eingriffe und der fehlenden ambulanten Versorgungsstrukturen für ältere Patientinnen und Patienten – kritisch zu hinterfragen.
Neben dem Aufbau der fehlenden Infrastruktur zur ambulanten Versorgung muss mit der Einführung des erweiterten Hybrid-DRG-Katalogs die Förderung der fachärztlichen Weiterbildung im ambulanten Sektor institutionalisiert werden. Ansonsten droht bereits in wenigen Jahren ein massiver Fachärztemangel, das wesentliche Teile der erforderlichen Weiterbildungseingriffe nicht mehr für Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung erreichbar sein werden. Dies gilt nicht nur für Orthopädie und Unfallchirurgie, sondern auch für die Allgemein- und Viszeralchirurgie und andere Fachgebiete wie Gynäkologie, Urologie und Kardiologie.
Der BVOU wird sich weiterhin aktiv für eine sachgerechte und patientenorientierte Umsetzung der Hybrid-DRG-Systematik einsetzen und steht allen Verantwortlichen in Selbstverwaltung und Gesundheitsministerium gern als kompetenter Ansprechpartner zur Verfügung.