Die Ambulantisierung des Gesundheitswesens ist ein bedeutender Paradigmenwechsel in der medizinischen Versorgung. Sie bezeichnet den Übergang von stationären, klinischen Behandlungen hin zu ambulanten, patientenorientierten Ansätzen. Diese Entwicklung revolutioniert nicht nur die Art und Weise, wie Gesundheitsdienste erbracht werden, sondern hat auch tiefgreifende Auswirkungen auf Patienten, Niedergelassene Ärzte, medizinisches Fachpersonal und das Gesundheitssystem als Ganzes.
Unser Berufsverband hat die Gesetzgebung zur sektorengleichen Versorgung und Vergütung und die Rechtsverordnung zu § 115f SGB V konstruktiv-kritisch über zwei Jahre begleitet. Unsere entsprechenden Konzeptionen, Berechnungen und ordnungspolitischen Vorschläge dazu sind als „Wiesbadener Modell“ veröffentlicht und im Mitgliederbereich unter www.bvou.net/dossiers/ambulantisierung eingestellt worden, ebenso die Hybrid-DRG-Verordnung. Diese Rechtsverordnung (RVO) wird leider dem Anliegen einer umfassenden Ambulantisierung nicht gerecht und kann deshalb nur eine Übergangsregelung darstellen, der zum 01.01.2025 ein umfassend angemessener rechtlicher Rahmen folgen muss. Aktuell herrscht teilweise Unsicherheit, was die RVO 2024 für die Praxis bedeutet. Das folgende FAQ des BVOU soll für mehr Klarheit sorgen. So viel vorweg: Weder in Klinik noch in Praxis ändert sich grundlegendes.
Gemäß § 2 der Hybrid-DRG-Verordnung trat diese zum 1. Januar 2024 in Kraft und tritt zum 31. Dezember 2024 außer Kraft. Am 18.12.2024 wurde zwischen den Selbstverwaltungspartnern (Deutsche Krankenhausgesellschaft, Spitzenverband gesetzliche Krankenkassen und Kassenärztliche Bundesvereinigung) eine weiterführende Vereinbarung für 2025 unterschrieben, die ab 01.01.2025 gültig ist.
Für Orthopädie und Chirurgie sind es Leistungen aus den Bereichen Fußchirurgie, Hernienchirurgie und die Exzision eines Sinus pilonidalis. Die Leistungsfelder werden definiert durch OPS-Kode, die Verweildauer (1 Tag) und die PCCL < 3 der Patientin/des Patienten.
Dieser Definitionsalgorithmus ist hinterlegt in der neuesten Version des aG-DRG Groupers des InEK. Die so definierten Leistungsfelder finden sich dort als Hybrid-DRGs, erkennbar an dem Buchstaben M oder N hinter dem dreistelligen DRG-Code.
Die Pauschalbeträge sind in Anlage 2 der Vereinbarung hinterlegt und wurden ab 01.01.2025 leicht angehoben. Somit steigt der Vergütungsbetrag der Hybrid-DRG I20N von 1.072,95€ um 2,1% auf 1.095,02€ und von der I20M von 909.25€ um 11,6% auf 1.014,94€.
Orthopädisch-chirurgisch relevante Pauschalbeträge nach Anlage 2 der Vereinbarung 2025:
Hybrid-DRG | Bezeichnung | Bewertung
(in €) |
G09N | Beidseitige Eingriffe bei Leisten- und Schenkelhernien, Alter > 55 Jahre oder komplexe Herniotomien oder Operation einer Hydrocele testis oder andere kleine Eingriffe an Dünn- und Dickdarm | 2.227,33 |
G24N | Eingriffe bei Hernien ohne plastische Rekonstruktion der Bauchwand, mit beidseitigem oder komplexem Eingriff oder Alter < 14 Jahre mit äußerst schweren oder schweren CC | 2.000,81 |
G24M | Eingriffe bei Hernien ohne plastische Rekonstruktion der Bauchwand, ohne beidseitigen Eingriff, ohne komplexen Eingriff, Alter > 13 Jahre oder ohne äußerst schwere oder schwere CC | 1.852,71 |
I20N | Andere Eingriffe am Fuß oder chronische Polyarthritis oder Diabetes Mellitus mit Komplikationen oder Alter < 16 Jahre | 1.095,02 |
I20M | Eingriffe am Fuß ohne komplexe Eingriffe oder komplizierende Faktoren, Alter > 15 Jahre | 1.014,94 |
J09N | Eingriffe bei Sinus pilonidalis und perianal, Alter > 15 Jahre | 1.199,83 |
Mit der Vergütung der Hybrid-DRG sind alle Kosten der Operation abgegolten – auch beidseitige Eingriffe können nicht gesondert zusätzlich abgerechnet werden.
Dies ist ein wesentlicher Kritikpunkt der Regelungen des §115f. Diese Regelung kann dazu führen, dass vormals patientenschonende Eingriffe (z.B. beidseitige Eingriffe) nun auf zwei getrennte Operationen aufgeteilt werden müssen.
Ob die durchgeführte Operation eine Hybrid-DRG auslöst, hängt von dem OPS-Code ab. Gewisse OPS-Codes schließen z.B. eine Hybrid-DRG aus. Eine Übersicht dazu stellen wir Ihnen hier zur Verfügung:
https://www.bvou.net/vorfusseingriffe-wie-abrechnen-ebm-hybrid-drg-oder-drg/?parent_cat=
Nachdem die Vereinbarung klar regelt, dass alle Kosten der Operation mit dem Vergütungsbetrag abgegolten sind, müssen diese Kosten von dem getragen werden, der die Hybrid-DRG abrechnet und den Betrag bekommt. Eine pauschale Empfehlung gibt es nicht. Hier empfiehlt sich im Einvernehmen eine für beide Seiten tragbare Regelung zu finden.
Dies ist ein wesentlicher Kritikpunkt der Regelungen des §115f. Diese Regelung kann dazu führen, dass sinnvolle Bestandteile einer Operation eventuell nicht mehr durchgeführt werden.
Grundsätzlich sind alle Leistungen beginnen nach Abschluss der Indikationsstellung und Überprüfung der Operationsfähigkeit mit der Einleitung der Maßnahmen zur Operationsplanung und -vorbereitung und enden mit dem Abschluss der postoperativen Nachbeobachtung in der Einrichtung, in der die Operation durchgeführt wird, mit der Pauschale abgegolten.
In §5 der Hybrid-DRG-Vergütungsvereinbarung 2025 werden Leistungen aufgelistet, die nicht zusätzlich zur Fallpauschale abrechenbar sind:
Bezüglich Punkt 4, anästhesiologische Aufklärung und präoperative Vorbereitung, gibt es eine Klarstellung der KBV: Die GOP 05311 für die präanästhesiologischen Untersuchung kann bis zum 31. Dezember 2025 weiter abgerechnet werden. Die ursprünglich bis Ende dieses Jahres befristeten EBM-Regelungen zu den präoperativen GOP und postoperativen Behandlungskomplexen gelten bis zum 31. Dezember 2025 weiter. Neu ist, dass die GOP 88110 künftig bei allen postoperativen Behandlungen im Zusammenhang mit einem Eingriff nach Paragraf 115f SGB V anzugeben ist.
Nicht enthalten in den Hybrid-DRGs sind folgende Aufwände:
Bitte beachten Sie hier die in Ihrem KV-Bezirk geltende Sprechstundenbedarfsvereinbarung sowie die dazugehörige Liste der zulässigen Mittel.
Aufwände (Zusatzentgelte) für Gerinnungspräparate für Hämophilie-Patienten sowie für Dialysepatienten als Teil der allgemeinen Krankenhausbehandlung
Berechtigt zur Abrechnung einer Hybrid-DRG sind die an der Versorgung teilnehmenden Ärztinnen und -ärzte inkl. der Ermächtigten, Belegärzte und -ärztinnen, medizinische Versorgungszentren (MVZ), ambulante OP-Zentren, Praxiskliniken sowie zugelassene Krankenhäuser, wenn sie die jeweils für das ambulante Operieren nach § 115b Absatz 1 Satz 5 SGB V geltenden Qualitätsvoraussetzungen erfüllen.
Grundsätzlich empfiehlt es sich, dass er Leistungserbringer auch der ist, der abrechnet, um die Hoheit über die Vergütungsaufteilung zu behalten.
Die Vergütungsvereinbarung legt fest, in welcher Form die Rechnung über die Hybrid-DRG bei der Krankenkasse eingereicht werden muss. Hier gelten die Vorgaben der elektronischen Rechnungslegung, wie sie auch für die Abrechnung von stationären Leistungen der Kliniken vorgeschrieben sind. Diese Anforderungen sind im Moment von den Praxisverwaltungsprogrammen nicht umsetzbar. Deswegen braucht man einen Abrechnungsdienstleister, der die Rechnung in der vorgeschriebenen Form einreichen kann. Zudem übernimmt der Dienstleister auch weitere Aufgaben der Rechnungslegung (Zahlungseingang, Mahnung etc.). Dafür entstehen Kosten, die um die 2% der Rechnungssumme liegen. Eine Übersicht über Dienstleister steht Ihnen unter https://www.bvou.net/uebersicht-abrechnungsdienstleister-hybrid-drg-3/ zur Verfügung.
Eine Wahlmöglichkeit für die Abrechnung zwischen EBM und Hybrid-DRG wird in der Vereinbarung ab 01.01.2025 ausgeschlossen. Für das Jahr 2024 gibt es Interpretationen, die eine Wahlmöglichkeit gesehen haben. Ob es Nachforschungen der Krankenkassen zu diesem Thema für das Jahr 2024 geben wird, ist aktuell nicht bekannt.
Insofern ist ab 01.01.2025 klar: wenn eine Hybrid-DRG im Grouper rauskommt, muss man diese auch abrechnen. Ob ein OPS-Code eine Hybrid-DRG auslöst, können Sie in unserer Abrechnungsübersicht ersehen. Diese finden Sie hier:
https://www.bvou.net/vorfusseingriffe-wie-abrechnen-ebm-hybrid-drg-oder-drg/?parent_cat=