Archiv für den Monat: November 2022

„Nur mit Engagement können wir die medizinische Versorgung mit gestalten“

In den letzten Jahren ist zu beobachten, dass der Frauenanteil an Niederlassungen in eigener Praxis zunimmt. Diese Zahl ist jedoch unproportional niedrig im Vergleich zu dem Anteil der Frauen, die ein Studium in O & U absolvieren oder als Orthopädin und Unfallchirurgin angestellt sind. Dr. Anna Katharina Doepfer ist in Hamburg niedergelassen. Im Interview mit Janosch Kuno (BVOU­-Pressearbeit) erläutert die Mutter und BVOU­-Vorstandsmitglied, was sie zu der Entscheidung bewogen hat und wie sich Berufs­ und Familienleben vereinbaren lassen.

Frau Dr. Doepfer, Sie sind Orthopädin und Unfallchirurgin und arbeiten in einer Praxis mit weiteren Kollegen. Was waren Ihre Beweggründe für die Niederlassung?
Dr. Anna-Katharina Doepfer: Es gab dafür viele Gründe, aber einer der wichtigsten Gründe war die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Patienten. Ich kann in der Niederlassung einen Patienten durch die verschiedenen Lebensphasen und Problemsituationen begleiten und sehe ihn nicht „nur mal kurz“ in einer Klinik-Sprechstunde. Ein anderer sehr wichtiger Grund war die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und damit eine gewisse Flexibilität in der Alltagsgestaltung. Ein selbstbestimmtes Arbeiten im Team macht mir jeden Tag Spaß. Auch wenn die „Freiberuflichkeit“ durch viele Regularien eingeschränkt ist.

Im Studium des Faches O & U lernt man viel über den Bewegungsapparat, aber wenige über erfolgreiche Praxisführung. Wo eignet man sich dieses Wissen an?
Dr. Doepfer: Das ist ein wichtiger Punkt, der einen größeren Stellenwert in unserer Aus- und Weiterbildung haben sollte. Ich persönlich hatte das Glück, vor allem einen Mentor zu haben, der mich in die Praxisführung hat reinwachsen lassen. Dennoch ist dann die Praxis-übernahme ein kleiner Sprung ins kalte Wasser gewesen – wenn auch in meinem Fall ein sehr kleiner (lacht).

Es gibt mittlerweile viele Kurse und Seminare zum Thema Praxisführung. Sich hier Informationen zu holen ist wichtig und sinnvoll. Auch bieten viele Kollegen Hospitationen an, bei denen man sehr viel für seine mögliche Praxis lernen kann.
Dr. Doepfer: Insgesamt ist die konservative Orthopädie und Unfallchirurgie, welche oft in der Praxis stattfindet, in der neuen Weiterbildungsordnung besser verankert. Dadurch kann man auch schon frühzeitig einen Einblick in die Niederlassung erhalten.

Die perfekte Arztpraxis: Ein Ort, an dem Sie sich Tag für Tag auf Ihre Arbeit freuen. In dem sich Patienten und das Team wohlfühlen. Der Ihnen Behandlung auf höchstem medizinischem Niveau ermöglicht. Was ist aus Ihrer Sicht das A und O, damit diese Punkte im Einklang zueinander sind?
 Dr. Doepfer: Ich habe das Glück, in einem fantastischen Team arbeiten zu dürfen. Das merken auch unsere Patienten und kommen gerne zu uns. Eine gute Medizin kann nur in Zusammenarbeit mit den Patienten erfolgen, was jeden Tag unser Ziel ist.

Leider ist die GOÄ seit 30 Jahren nicht aktualisiert und auch der EBM nur mäßig angepasst worden. Die Medizin hat sich aber weiterentwickelt und wir behandeln unsere Patienten zum Glück nicht mit der Medizin von vor 30 Jahren. Es wäre schön, wenn die Politik das erkennen und wertschätzen würde.

„Wenn man versucht, sich als Arzt nieder-zulassen, ist es als wollte man ein Haifischbecken durchschwimmen.“ Wie stehen Sie zu dieser Behauptung?
Dr. Doepfer: Natürlich ist die Niederlassung ein Haifischbecken, denn es wird mit unterschiedlichen Waffen gekämpft. Es gibt mittlerweile einige Praxen, die als MVZ von einem Konzern geführt wer-den. Deren Möglichkeiten – nicht nur finanziell – sind deutlich anders als die einer einzelnen Person oder einer kleinen Berufsausübungsgesellschaft. Als freiberufliche Fachärztin muss ich mir zum Beispiel jede Investition sehr gut überlegen und ich spüre jede Veränderung in meiner KV-Abrechnung direkt.

Auch gibt es je nach Niederlassungs-Ort die Konkurrenz der Kolleginnen und Kollegen. Ich habe für mich entschieden, mich anhand meiner Interessen zu spezialisieren. Damit kann ich mit viel Fachwissen, Engagement und Spaß meinen Job machen und mich so im Haifischbecken behaupten.

Eigene Praxis, berufspolitisches Engagement und Familienleben – wie schaffen Sie es, das unter einen Hut zu bringen?

Dr. Doepfer: Es ist ein täglicher Spagat, der einem mal besser und mal weniger gelingt. Durch die enorme Unterstützung durch meinen Mann, meine Familie, meine Praxispartner und das Praxisteam schaffe ich es doch meistens, diesen Spagat stabil zu meistern. Es macht sehr viel Spaß, Dinge bewegen und im besten Fall verbessern zu können. Nur mit Engagement können wir die Orthopädie und Unfallchirurgie und letztendlich die gesamte medizinische Versorgung der Zukunft mitgestalten.

Sehen Sie die eigene Praxis noch als ein Zukunftsmodell?
Doepfer: Persönlich finde ich es enorm wichtig, die Patienten unabhängig beraten zu können und müssen. Ich möchte als Fachärztin keiner Geschäftsführung Bericht erstatten und medizinische Entscheidung rechtfertigen müssen. Ich muss abends in den Spiegel schauen können und sagen, dass ich nach bestem Wissen und Gewissen behandelt habe. Bisher kann ich das – auch wenn die Politik uns leider immer mehr Steine in den Weg wirft. Die mangelnde Wertschätzung für unsere Tätigkeit tagtäglich seitens der Politik ist manchmal schon schwer zu verstehen und ertragen. Was mich dennoch jeden Tag motiviert, ist die Zusammenarbeit mit unseren Patienten und die Möglichkeit, deren Leben ein wenig besser und angenehmer zu machen.

Was raten Sie jungen Medizinerinnen, die darüber nachdenken, sich niederzulassen?
Dr. Doepfer: Wenn Sie noch in der Weiterbildung sind, machen Sie eine Rotation in die Praxis und lernen Sie so die Niederlassung kennen. Sollten Sie bereits einen Facharzt haben, hospitieren Sie bei den niedergelassenen Kollegen. Danach wissen Sie ob, wie und wo Sie sich niederlassen wollen.

Frau Dr. Doepfer, vielen Dank für das Gespräch.

Über 67.000 erreichte Kinder: Aktion Orthofit deutschlandweit

Berlin – Mehr Bewegung für Kinder: Unter dieser Idee veranstaltete der Berufsverband für Orthopädie und Unfallchirurgie e.V. (BVOU) zum dreizehnten Mal die bundesweite Aktionswoche Orthofit mit seinen beiden Kampagnen „Zeigt her Eure Füße“ und „Haltung zeigen“. Orthopädinnen und Orthopäden besuchten vom 21.– 25.11.22 Grundschulen in ganz Deutschland und vermitteln dort spielerisch Kindern Spaß an Bewegung. Die Schirmherrschaft hat in diesem Jahr Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach übernommen: „Es ist nachgewiesen, dass sich der Bewegungsmangel in den Lockdown-Phasen verschärft hat. Es gilt also jetzt, wieder mehr Bewegung und Sport in den Alltag zu bringen und das gesunde Aufwachsen bei den Kindergesundheitsuntersuchungen im Blick zu halten. Die Aktion Orthofit ist ein hilfreicher Baustein dabei.“

Koordination und Versand über die Geschäftsstelle

Lehrkräfte und Mitglieder unseres Berufsverbandes veranstalten vor Ort eine interaktive Sportstunde mit den Kindern. Mit Barfußpfaden, Geschicklichkeitsübungen und einem neuentwickelten Trainingsprogramm für einen starken Rücken,  vermittelten sie den Kindern spielerisch die Wichtigkeit eines aktiven Lebensstils für den ganzen Körper. Dazu gab es für jedes Kind eine Aktionsmappe mit Informations- und Begleitmaterialien, auch für die Eltern zu Hause. Insgesamt wurden in diesem Jahr  67.000 Kinder durch das verschickte Material erreicht. Den Versand übernahm das BVOU-Logistikzentrum in Bayern, das schon 2021 die Spendenaktion für die Flutopfer der Ahrtal-Katastrophe sowie die Corona-Schutzausrüstungs-Verteilung koordinierte.

Gegen den Bewegungsmangel unserer Kinder

Kontinuierliche Bewegung und Vorsorgeuntersuchungen sind besonders für Kinder wichtig, um drohende Erkrankungen und bleibende Schäden zu vermeiden. Allzu häufig beherrschen sie selbst einfache Übungen wie Rückwärtslaufen oder Hüpfen auf einem Bein nicht mehr. Solche Defizite haben Auswirkungen auf den gesamten Halte- und Bewegungsapparat. Durch genaue Anweisungen und Bereitstellung fachlich geprüfter Materialien durch den Berufsverband, konnten Schulen die Kampagne „Haltung zeigen“ erstmalig auch ohne Orthopädenbesuch durchführen.

 

Haltung zeigen: Rückenrodeo und King-Kong im Klassenzimmer

Das Thema „Rückengesundheit“ stand kürzlich auf dem Stundenplan von 27 Schülerinnen des Bischöflichen Angela-Merici-Gymnasiums in der Neustraße. Dr. med. Arne-Björn Jäger, Oberarzt der Abteilung für Orthopädie des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder Trier, kam im Rahmen der Aktion Orthofit „Haltung zeigen“ des Bundesverbandes für Orthopädie und Unfallchirurgie e.V. (BVOU) vorbei, die er als Mitglied des Orthofit-Teams mitentwickelte. In zwei Schulstunden gab er Antworten auf die Fragen „Wie sorge ich für eine gesunde Entwicklung meiner Wirbelsäule und kann spätere Haltungsschäden vermeiden?“ Theoretisch und mit praktischen Übungen veranschaulichte Dr. Jäger, was die Elfjährigen für eine „gesunde Haltung“ tun können, warum dies gerade in jungen Jahren wichtig ist und wie Risikofaktoren vermieden werden.

Es ist Freitagmorgen und die etwas andere erste Schulstunde des Tages startete für 27 Schülerinnen einer 5. Klasse des Bischöflichen Angela-Merici-Gymnasiums. Die Elfjährigen betreten das Klassenzimmer mit selbstgebastelten Wirbelsäulen-Modellen, bei denen die Wirbel aus Schaumstoff, Korken, Geschenkpapierrollen, Pfeifenreinigern und Gummibärchen bestehen. Grund für die kreative Auseinandersetzung mit der Wirbelsäule ist der Besuch von Dr. med. Arne-Björn Jäger. Der Oberarzt der Abteilung für Orthopädie des Krankenhauses der Barmherzigen Brüder Trier leitete seinen Besuch  mit der Frage „Was macht eigentlich ein Orthopäde?“ ein. Eine Rückmeldung ließ nicht lange auf sich warten: „Jemand, der sich mit dem menschlichen Skelett beschäftigt und mit der Wirbelsäule“, gab eine der Schülerinnen Antwort. Genau deshalb war Dr. Jäger da, um mit den Schülerinnen über die Gesunderhaltung der Wirbelsäule, die Prävention von Haltungsfehlern und daraus folgenden Rückenbeschwerden zu sprechen. Bis zum 5. Lebensjahr ist die Körperhaltung labil und wechselt häufig. Gerade in der Pubertät, in der entscheidenden Wachstumsphase, sei die Entwicklung der Wirbelsäule und damit auch die Körperhaltung für Fehlentwicklungen anfällig. „Der Körper ist bei euch noch sehr anfällig für Rückenbeschwerden, da ihr euch im Wachstum befindet und dieses schnell vorangeht“, so der Oberarzt. Bewusste Fehlhaltung oder muskuläre Insuffizienz können in jungen Jahren dauerhaft zu Haltungsfehlern oder Haltungsschwächen führen, aus denen krankhafte Veränderungen entstehen.

Zur Veranschaulichung erläuterte Dr. Jäger anhand eines Beispiels, dass die richtige und vor allem gesunde Haltung in jungen Jahren beeinflusst werden kann. „Als Symbol für die Orthopädie steht der Baum. Wenn der Baum während seines Wachstums schief wächst, befestigt der Gärtner neben ihm einen Holzstab zur Unterstützung.“ Auch das Wachstum des Menschen beziehungsweise seine Haltung ist beeinflussbar. Ein wichtiger Faktor ist eine gekräftigte Muskulatur. Wie diese gestärkt werden kann, zeigte Dr. Jäger den jungen Mädchen anhand verschiedener Übungen im Sitzen und Stehen mit Namen wie „Rückenrodeo“, „King-Kong“ und „Schwebesitz“. So verlagerten alle ihr Körpergewicht im Stehen erst auf ihr linkes und dann auf ihr rechtes Bein, spannten ihre Arme in der „King-Kong“-Haltung an und drückten die Ellenbogen nach hinten, schauten sich im Sitzen nach links und rechts um und drückten sich für eine andere Übung mit den Händen vom Stuhl für einige Sekunden nach oben ab.
Durch das eigene Ausprobieren wird schnell deutlich, dass Bewegung wichtig für die „gesunde Haltung“ ist. Aber nicht nur Bewegung ist entscheidend, auch auf die Vermeidung von Risikofaktoren für eine Rückenerkrankung sollte im Alltag geachtet werden. Die Schülerinnen brachten von sich aus bereits einige Faktoren ein, die aus ihrer Sicht zu Haltungsschäden führen können – allen voran der volle Schulranzen, der zudem oft nicht nah genug am Rücken anliegt. Weiterhin nennt Dr. Jäger längere Zwangshaltungen, einseitige Belastungen, Überlastung durch Gewicht und nicht auf die Körpergröße angepasste Sitzmöbel. Auf Dr. Jägers abschließende Frage hin: „Was haben wir heute gelernt, was braucht die Muskulatur, um eine gesunde Haltung erhalten zu können?“ ist am Ende der zwei Schulstunden klar, wie die Antwort lautet: Bewegung!

Dr. Arne-Björn Jäger
Trier

Die Schüler fertigten Modelle der Wirbelsäule mit verschiedenen Bastelmaterialien an.

Aus dem Referat: Aktuelle digitale Trends in O&U

Beim diesjährigen DKOU organisierte unser Referat – diesmal in Kooperation mit der AG Digitalisierung DGOU – erneut eine öffentliche Sitzung mit verschiedenen Vorträgen zu aktuellen Themen zum Thema Digitale Medien und verwandte Gebiete. Hierbei handelte es sich bereits um die 3. Sitzung des Referates nach analogen Formaten beim VSOU 2021 (online) und VSOU 2022 (Präsenzveranstaltung). Unter Vorsitz der Kollegen Dr. Thomas Möller (Speyer) und Dr. Roland Tenbrock (Düsseldorf) zusammen mit den Organisatoren PD Dr. Wolfgang Pförringer (München, DGOU) und Dr. Stephan Grüner (Köln) fanden die fünf Vorträge erkennbares Interesse mit lebhaften Diskussionen. Angesichts des frühen Zeitpunktes morgens ab 9:00 Uhr am Tag nach der Kongressparty füllte sich der Saal im Laufe der Sitzung zunehmend mit dann ca. 50 Besuchern.

Im ersten Vortrag von Hr. PD Dr. Elmar Lindhorst (Viernheim) mit dem Thema „Spannungsfeld Medien und Arztsein“ ging dieser u.a. auf die zunehmende Nutzung und Bedeutung der Social Media im Gegensatz zu klassischen Formaten wie Zeitungen sowie öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehsendern ein, verbunden mit Fragen der rechtlichen Medienregulierung und der nur scheinbaren Neutralität neuer Medien, verbunden mit finanziellen und politischen Interessen derer Verfasser.

Im zweiten Vortrag von Hr. Dr. Grüner (Köln) zum Thema „Social media in O & U – sinnvoll ?“ ging es u.a. um Fragen der Marktführerschaft bei Social Media weltweit und in Deutschland, auch in Staffelung nach dem Alter der Nutzer. Als auch für unser Fachgebiet ansprechbare Hauptmedien wurden Facebook und Instagram identifiziert, Twitter u.a. sind eher nachrangig, ein weiteres für uns interessantes Medium ist YouTube.

Im dritten Vortrag von Dr. Klaus Schlüter-Brust (Köln) mit dem Thema „Mixed Reality – Unterstützung mittels Holo Lens (Microsoft) in der Hüft- und Schulterendoprothetik“ wurden mit eindrucksvollen Beispielen die Anwendung der präoperativen Planung mit Erstellung von individuellen Modellen mit 3-D-Druck und der intraoperativen Anwendung virtueller Realität mit der Holo Lens demonstriert. Diese Verfahren werden in der dortigen Klinik in einzelnen Fällen bereits praktisch durchgeführt.

Im vierten Vortrag von Simone Napierala-Kamp (GLA:D Deutschland, Essen, Firmenvortrag) wurde ein zunächst in Dänemark eingeführtes qualitätsgesichertes Versorgungskonzept zur Behandlung der Arthrose vorgestellt, welches im Zuge einer internationalen Verbreitung nun auch in Deutschland eingeführt wird. Dieses beinhaltet 18 physiotherapeutische Therapie- und Untersuchungseinheiten mit App-Unterstützung bei den Assessments und einem individualisierten Programm inkl. Trainingsvideos.

Im fünften Vortrag referierte die Geschäftsführerin der Fa. Zava Deutschland GmbH Fr. Dr. Linke über die zunehmende Bedeutung von DIGAs und Telemedizin aus Anbietersicht als alternatives Versorgungskonzept im Hinblick auf den zunehmenden Ärztemangel vor Ort – speziell auch in ländlichen Gebieten. Das Sitzungsformat mit Vorträgen zu aktuellen Themen im Bereich Digitale Medien und verwandten Gebieten soll auch in Zukunft bei den Hauptkongressen DKOU und VSOU fortgesetzt werden.

Dr. Stephan Grüner
stellv. LV BVOU-Nordrhein
Bezirksvorsitzender Köln
Referatsleiter Digitale Medien

Bundestag schafft Neupatientenregelung ab

Berlin – Die Neupatientenregelung wird zum 1. Januar abgeschafft. Der Bundestag hat dies mit der Verabschiedung des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes am heutigen Donnerstag beschlossen. Im Gegenzug sollen die Zuschläge für eine schnelle Terminvermittlung erhöht werden. 

„Die Kolleginnen und Kollegen in den Praxen, die aktuell mit immensen Kostensteigerungen zu kämpfen haben, sind frustriert und maßlos enttäuscht von diesem Beschluss. Ich gehe davon aus, dass es in den nächsten Wochen zu weiteren Protesten gegen die Streichung der Neupatientenregelung und die damit verbundenen Folgen für die Versorgung der Patientinnen und Patienten kommen wird“, kommentierte KBV-Vorstandsvorsitzender Dr. Andreas Gassen das Parlamentsvotum.

Das vermeintliche Zugeständnis der Ampelkoalition, durch die Terminservicestellen den Wegfall der Neupatientenregelung zu kompensieren, sei „bestenfalls ein Tropfen auf den heißen Stein“, fuhr Gassen fort. Die Abschaffung der Neupatientenregelung in Kombination mit der Beschränkung der Finanzierung der offenen Sprechstunde im Rahmen des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes sorge dafür, dass sich die Lage der ohnehin chronisch unterfinanzierten ambulanten Versorgung weiter verschlechtern werde. Zugleich sende sie das Signal, „dass Praxen zwar der Lastesel der Versorgung sind, aber im Gegensatz zu Krankenhäusern keine angemessene finanzielle Ausstattung bekommen.“

Zuschläge je nach Schnelligkeit der Terminvermittlung

Nach der neuen gesetzlichen Regelung sollen Ärzte für Patienten, die über die Terminservicestellen (TSS) vermittelt werden, abhängig von der Schnelligkeit der Vermittlung Zuschläge von 100, 80 beziehungsweise 40 Prozent zur Versicherten- und Grundpauschale erhalten. Fachärzte können diese Zuschläge auch abrechnen, wenn sie Patienten auf Vermittlung eines Hausarztes kurzfristig behandeln. Hausärzte erhalten für die Terminvermittlung statt zehn künftig 15 Euro.

Im Akutfall beläuft sich der Zuschlag ab Januar auf 200 Prozent. In diesem Fall muss die TSS den Termin vermitteln und die Behandlung spätestens am nächsten Tag erfolgen (mehr zu der neuen Regelung s. Infobox).

Kein Ausgleich für neue Finanzlücke

„Die Zuschläge gleichen die neue Finanzierungslücke, die mit dem Wegfall der Neupatientenregelung entsteht, in keiner Weise aus“, kritisierte Dr. Stephan Hofmeister, stellvertretender KBV-Vorstandsvorsitzender. Den Beschluss wertete er als „Ausdruck fehlender Wertschätzung für die Arbeit der niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten“. Die Bundesregierung müsse sich ihrer Verantwortung bewusst sein, dass sie Patientinnen und Patienten hierzulande entgegen aller Versprechungen mit diesem Vorstoß massiv Leistungen kürze.

KBV-Vorstandsmitglied Dr. Thomas Kriedel bezweifelte nach diesem Votum, dass die Politik die ambulante Struktur als schützenswert erachte: „Dabei sind die über 100.000 Praxen das Rückgrat der Versorgung in unserem Land“, sagte er. Dieser Bundestagsbeschluss sorge jedoch dafür, die ambulante Struktur insgesamt weiter auszuhöhlen.

Die Neupatientenregelung war vor drei Jahren mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz eingeführt worden, damit neue Patienten schneller einen Termin bekommen. Es wurde festgelegt, dass die Leistungen für die Behandlung dieser Patienten in voller Höhe vergütet werden. Auf diese Weise wurde ein Anreiz für die durch Budgetierung und hohe Patientenzahlen ohnehin stark belasteten Praxen geschaffen, zusätzlich kurzfristige Termine anzubieten und neue Patienten aufzunehmen. Diese Regelung wird zum 1. Januar ersatzlos gestrichen.

Kürzungen auch bei den offenen Sprechstunden

Auch die Finanzierung der offenen Sprechstunden wird zum 1. Januar geändert. Untersuchungen und Behandlungen, die dort durchgeführt werden, müssen künftig weitestgehend aus der gedeckelten morbiditätsbedingten Gesamtvergütung bezahlt werden. Ursprünglich sollten die Krankenkassen zusätzliche Finanzmittel bereitstellen, damit Versicherte schneller einen Facharzt konsultieren können.

Die Ankündigung des Wegfalls der Neupatientenregelung hatte in der Ärzte- und Psychotherapeutenschaft eine Welle von Protesten ausgelöst. Innerhalb kürzester Zeit unterzeichneten über 50.000 Ärzte und Psychotherapeuten einen offenen Brief an Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach, in dem sie vor den drohenden Auswirkungen warnten. In vielen Regionen fanden Protestaktionen statt, Praxen blieben zeitweise geschlossen.

Weitere Aktionen sind in Vorbereitung. 

Mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz will die Bundesregierung die Defizite bei den gesetzlichen Krankenkassen ausgleichen. Dazu wurden verschiedene Maßnahmen beschlossen. So wird der Bundeszuschuss zur GKV von 14,5 Milliarden Euro für 2023 um 2 Milliarden erhöht. Der Zusatzbeitrag für Beitragszahler wird ab 2023 um 0,3 Prozentpunkte angehoben.

Quelle: KBV

Online-Veranstaltung zur speziellen sektorengleichen Vergütung

 

Berlin, 1. Dezember 2022 – Das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) hat gestern Abend im Rahmen seines Livestreaming-Formats „Zi insights“ mit Gesundheitsökonomen diskutiert, wie eine sektorengleiche Vergütung gestaltet werden könnte und welche Auswirkungen die Einführung einer neuen einheitlichen Vergütungssystematik vermutlich haben wird.

Hintergrund ist das Vorhaben der Regierungskoalition, für ambulant durchführbare Behandlungen einen Vergütungsbetrag festzulegen – unabhängig davon, ob diese Leistung im Krankenhaus ambulant oder stationär bzw. durch eine Arztpraxis erbracht worden ist. Dieser Vergütungsbetrag soll zwischen der Fallpauschale für die stationäre Krankenhausbehandlung (DRG) und der vertragsärztlichen Vergütung liegen. Damit sollen ambulante Behandlungen gefördert und Krankenhausstrukturen entlastet werden. Konkret soll mit dem Krankenhaus-Pflegeentlastungsgesetz (KHPflEG), das morgen in 2. und 3. Lesung im Deutschen Bundestag beraten werden soll, ein neuer Paragraf 115f in das SGB V aufgenommen werden. Darin werden die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und der GKV-Spitzenverband beauftragt, bis zum 31. März 2023 für geeignete Leistungen aus dem Katalog ambulant durchführbarer Leistungen (AOP-Katalog) eine spezielle sektorengleiche Vergütung zu vereinbaren. Im Vordergrund stehen dabei Leistungen des AOP-Katalogs, die nach wie vor in hohem Maße stationär durchgeführt werden.

Die starken Preisunterschiede zwischen ambulanter und stationärer Leistungserbringung sind nach Einschätzung des stellvertretenden Zi-Vorstandsvorsitzenden Thomas Czihal mit dafür verantwortlich, dass die Ambulantisierung nach wir vor nur schleppend voranschreitet. Ein prägnantes Beispiel hierfür sei die Leistenbruch- und Katarakt-Operation. „Die stationäre Durchführung der Leistenbruch-Operation (Hernia inguinalis, OPS 5-530.31) wird 3,4-mal höher vergütet als die ambulante. Die Operation wird zu 96 Prozent stationär erbracht. Die stationäre Durchführung der Kataraktoperation (OPS 144.5a) wird 1,8-mal höher vergütet als die ambulante; sie wird heute bereits zu 84 Prozent ambulant erbracht. Nach unseren Berechnungen beträgt die Vergütung der stationären Durchführung von Leistungen des Abschnitts 1 des AOP-Katalogs durchschnittlich rund das Vierfache der Vergütung einer ambulanten Leistungserbringung. Eine möglichst hohe Vergütung für die ambulante Durchführung wird ein wichtiger Anreiz zur Förderung der ressourcenschonenderen ambulanten Behandlung sein“, so Czihal weiter.

Der Gesetzgeber hatte die Ambulantisierung bereits mit dem MDK-Reformgesetz 2020 fördern und den AOP-Katalog stärken wollen. Dr. Martin Albrecht, Geschäftsführer des IGES Instituts, hat im Rahmen eines Gutachtenauftrags für KBV, DKG und GKV-Spitzenverband überprüft, zu welchen Anteilen Leistungen des AOP-Katalogs bereits ambulant erbracht werden und wie der AOP-Katalog sinnvoll erweitert werden könnte. „Wir sehen ein Potenzial, den Katalog der ambulantisierbaren Leistungen um rund 2.500 medizinische Leistungen umfassend zu erweitern. Da dieselbe Leistung bei sehr unterschiedlichen Patientinnen und Patienten durchgeführt werden kann, unterscheiden sich die jeweiligen ambulantisierbaren Anteile. Es braucht daher zur Wahrung der Patientensicherheit ein System der Kontextberücksichtigung. Ein solches ermöglicht es auf Grundlage nachprüfbarer Krankheits- und Behandlungsumstände zu entscheiden, ob Patientinnen und Patienten ambulant, ambulant mit erhöhtem Betreuungsaufwand oder doch stationär versorgt werden. Mit diesem System lassen sich auch die sektoreneinheitlichen Vergütungen nach dem Schweregrad des Behandlungsfalls differenzieren. Das lässt sich weitgehend ohne zusätzlichen bürokratischen Aufwand umsetzen und vermeidet die vielen Unschärfen, die heute zu zahlreichen Prüfverfahren führen.“

Prof. Dr. Jonas Schreyögg, wissenschaftlicher Direktor des Hamburg Center for Health Economics (HCHE) und Mitglied des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, hat in einem vom Innovationsfonds geförderten Projekt Möglichkeiten einer schnellen Umsetzung einer sektorengleichen Vergütung geprüft. „Wir schlagen eine Implementierung in zwei Phasen vor. Beide sehen die Vergütung unabhängig vom Ort der Behandlung, aber in Abhängigkeit der medizinischen Komplexität vor. Ausgehend vom AOP-Katalog soll in der ersten Phase zunächst eine pragmatische Orientierung an den bestehenden Fallpauschalen erfolgen. Dabei werden sektorengleiche Leistungsgruppen auf Basis des bestehenden Kostenrahmens des Instituts für das Entgeltsystem im Krankenhaus kalkuliert und über sektorengleiche Pauschalen vergütet. Eine temporäre Überfinanzierung ist dabei wichtig. Denn klar ist doch: Wir brauchen einen Anreiz, um neue Strukturen zu schaffen“, machte Schreyögg deutlich. Geplant sei zudem, innerhalb von etwa drei Jahren eine gemeinsame Datengrundlage zu schaffen, um sektorengleiche Leistungen zukünftig sektorenübergreifend empirisch kalkulieren und bewerten zu können. In der zweiten Phase sollten basierend auf einer einheitlichen Leistungsdefinition nach dem Baukastenprinzip zusammensetzbare sektorengleiche Leistungsgruppen gebildet und über sektorengleiche Pauschalen vergütet werden.

Insgesamt zeige die Diskussion, dass KBV, DKG und GKV-Spitzenverband alle Instrumentarien in den Händen hielten, um bis zum 31. März 2023 einen umfangreichen Katalog von Leistungen für die sektorengleiche Vergütung festzulegen, bekräftigte der Zi-Vorstandsvorsitzende Dr. Dominik von Stillfried. „Um die Ambulantisierung zu fördern, müsste das Preisgefälle im Vergleich zur bisherigen stationären Durchführung in den ersten Jahren möglichst gering sein. Keinesfalls sollte es unterhalb des gewichteten Mittelwerts der Vergütungen für die ambulante und stationäre Durchführung liegen. Da die allermeisten bisher stationär durchgeführten AOP-Leistungen ohnehin einen sehr geringen Schweregrad aufweisen, wird eine hochdifferenzierte Schweregradeinteilung weitgehend entfallen können. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Schweregradspanne innerhalb der Fallpauschalen für die stationäre Durchführung nach dem sogenannten Patient Clinical Complexity Level heute bei weitem größer ist als für die abzugrenzenden AOP-Leistungen. Wichtig ist nunmehr ein pragmatischer Einstieg und eine Neubewertung der Leistungen bzw. eine auf empirische Kostendaten gestützte Neukalkulation der Vergütung nach zwei bis drei Jahren Erfahrung mit der sektorengleichen Vergütung. Dies haben uns andere europäische Länder vorgemacht“, so von Stillfried abschließend.

Quelle: Zi

 

EPRD veröffentlicht Jahresbericht 2022

Berlin – Das Endoprothesenregister Deutschland (EPRD) hat seinen siebten Jahresbericht seit dem Start des Registers vor zehn Jahren veröffentlicht. Auch das Berichtsjahr 2021 stand weiter unter dem Einfluss der Pandemie. Die Zahl aller dokumentierten Knieeingriffe liegt 8 % unter den Vergleichswerten vor der Pandemie, bei den Hüfteingriffen sank die Zahl jedoch nur geringfügig um knapp 1 %. Insgesamt wurden 306.272 Hüft- und Knieerstimplantationen erfasst.

Der Jahresbericht 2022 enthält wieder einen Vergleich mit internationalen Registerdaten. Untersucht wurde die Frage: Ist eine generelle Empfehlung für den primären Retropatellarersatz ratsam?

Internationale – auch europäische – Registerdaten zeigen tendenziell höhere Revisionsraten, wenn die Knierückfläche nicht mit ersetzt worden ist. Die Analyse der EPRD-Daten kommt zu dem Ergebnis:

Der primäre Retropatellarersatz zeigt bessere Ergebnisse, wenn dieser in Kliniken vorgenommen wird, die den Retropatellaersatz häufig durchführen. Zudem gibt es teilweise erhebliche Unterschiede zwischen den Systemen beziehungsweise Herstellern. Eine pauschale Empfehlung zum primären Retropatellarersatz sei daher nicht auszusprechen, so die Autoren des Berichts.

Druckexemplare können Sie kostenfrei bestellen:

Mail an info@eprd.de

Mit Begeisterung für unsere Patienten – ein Leben lang

Berlin – Die Faszination unseres Berufes liegt darin, dass wir den Kranken, die zu uns kommen, helfen – dass wir sie sogar bestenfalls heilen können.

Die Menschen legen ihr Schicksal in unsere Hände und dürfen zurecht erwarten, dass wir uns für sie einsetzen werden.

Sie dürfen auf ein Arzt-Patienten-Verhältnis hoffen, das auf Vertrauen, Verlässlichkeit, Ehrlichkeit und Empathie beruht. Dafür sind wir angetreten! Das entspricht unserem Ethos und diese Begeisterung wollen wir uns auch nicht nehmen lassen.

Sie kennen doch sicher noch die Namen der Patientinnen und Patienten, die aus irgendeinem Grund zu etwas Besonderem für Sie geworden sind.

Unser Motto hat aber noch einen Nachsatz, den wir stets mitdenken müssen, der aus Platzgründen aber im Logo fehlt. Er heißt „Ein Leben lang“.

Mit Begeisterung für unsere Patienten – ein Leben lang.

Zunächst bedeutet dieser Satz, dass wir jedes Lebensalter behandeln, vom Säugling bis zum Greis, von der angeborenen bis zur erworbenen Erkrankung des muskuloskelettalen Apparats.

An Orthopädie und Unfallchirurgie kommt niemand vorbei. Wir begleiten Patientinnen und Patienten ein Leben lang.

Aber der Nachsatz hat noch weitere Dimensionen.

Mit ihren Wurzeln in der Krüppelfürsorge hat unser Fach auch immer die Integration und die gesellschaftliche Teilhabe der Patientinnen und Patienten im Blick. Wir wollen, dass sich die Menschen dank unserer Behandlung und Fürsorge wieder gut und schmerzfrei bewegen können – ein Leben lang. Diese lebenslange Teilhabe war immer ein wichtiges Behandlungsziel unseres Organfachs. Das dürfen wir nicht aus dem Blick verlieren.

Den Orthopäden und Unfallchirurgen wächst auch eine immer größere Rolle bei der Implementierung eines gesunden Lebensstils zu. Bewegung ist nichts anderes als ein hochdosiertes Medikament. Sport stärkt Körper und Geist.

Weil sich die Menschen immer weniger bewegen, wird die Bundesregierung am 13. Dezember einen Bewegungsgipfel abhalten. Dabei geht es auch um die Stärkung des Breitensports.

Sport hat aber auch eine Kehrseite: das hohe Verletzungsrisiko. Als Orthopäden und Unfallchirurgen müssen wir den Menschen erklären, wie sie Verletzungen vermeiden – und zwar ein Leben lang. Auch hier schwingt dieser Nachsatz mit. Wir leisten auch Präventionsarbeit.

Allerdings werden die Rahmenbedingungen immer schlechter.

Die Streichung der Neupatientenregelung in dem gerade verabschiedeten GKV-Finanzstabilisierungsgesetz hat uns maßlos enttäuscht. Deshalb ist es gut, dass wir heute Abend Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach zu Gast haben. Jetzt können wir Sie direkt mit unserem Unmut konfrontieren.

Herr Minister: Die Neupatientenregelung war ein Schritt in die richtige Richtung. Sie war kein Bonus, sondern eine faire unbudgetierte Bezahlung für unsere Leistungen, so wie das eigentlich selbstverständlich wäre. Ich bin niedergelassener Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie und seit 25 Jahren Kassenarzt. Ich habe bis dato nur 80% meiner erbrachten Leistungen bezahlt bekommen.

Der Zuschlag für schnellere Termine wird den Honorarverlust durch die Streichung der Neupatientenreglung nicht annähernd ausgleichen, denn nur ein kleiner Teil der Neupatienten kommt über die Terminservicestellen oder den Hausarzt. Ich frage Sie, Herr Minister: Wie sollen wir die offene Sprechstunde finanzieren, wenn nicht durch eine angemessene Honorierung? Die Streichung der Neupatientenregelung ist nichts anderes als ein Griff in unsere Taschen.

Und noch ein Punkt: Sie wollen die Sektorengrenzen öffnen und die ambulante Behandlung im Krankenhaus stärken. Das ist letztendlich nichts anderes als ein Plan zur Abschaffung der zweiten Facharztschiene. Dabei hat uns gerade diese flächendeckende ambulante Facharztschiene geholfen, die Notfallambulanzen der Kliniken während der Pandemie zu entlasten.

Wie soll eine zukunftssichere Versorgung gelingen, wenn die Krankenhäuser immer mehr ambulante Patienten versorgen müssen, weil sie den Niedergelassenen durch ihre Taktik die Luft abschnüren? Stellen Sie sich vor, was passieren würde, wenn jeder Rückenschmerz-Patient ins Krankenhaus käme. Die Kliniken hätte gar keine Infrastruktur für ein solches Behandlungsaufkommen. Wie soll das funktionieren, Herr Minister?

Uns ist auch die stockende Umsetzung der strukturierten Behandlungsprogramme ein Dorn im Auge. Von unserem Berufsverband wurden funktionierende DMPs für den chronischen Rückenschmerz (2019), für Osteoporose (2020) und für Rheuma (2021) ausgearbeitet.

Zur Erinnerung: Die 2004 eingeführten DMPs sind dem damaligen Berater von Ulla Schmidt zuzuschreiben – Karl Lauterbach. Herr Minister, Sie haben diese Initiativen seitdem immer wieder gelobt.

Nach dem G-BA Beschluss zum DMP Rheuma haben viele auf eine Verbesserung der Versorgung gehofft. Bisher umsonst. Die KVen müssen für die Umsetzung mit den Landesverbänden der Krankenkassen regionale Verträge aushandeln. Die Krankenkassen weigern sich bis dato.

Dies inkludiert auch das DMP Herzinsuffizienz (2018).

Herr Minister, warum tun Sie nichts dagegen, wo Sie doch selbst für diese Versorgungsprogramme geworben haben?

Ich frage Sie:

Wer möchte unter diesen Bedingungen noch Ärztin oder Arzt werden?

Wer möchte sich unter diesen Bedingungen noch niederlassen?

Wir brauchen eine Gesundheitspolitik, die uns stärkt, keine die uns schwächt.

Verschaffen Sie uns Rahmenbedingungen, damit wir die Menschen gut und mit Begeisterung behandeln können – und zwar ein Leben lang.

DKOU-Eröffnungsrede von BVOU-Kongresspräsident Dr. Wolfgang Willauschus, Bamberg 

BVOU-Publikumspreise: Das sind die Gewinner

Erstmalig hat der BVOU in diesem Jahr auf dem Deutschen Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU) Publikumspreise verliehen. Dabei wurde das Auditorium in die Auswahl der Preisträger einbezogen. Es stimmte via App über jeden Vortrag ab.

Folgende Gewinner haben den BVOU-Publikumspreis erhalten:

1)
Sitzung: BP16 Konservative Arthrosetherapie
Datum:  26.10.2022
Zeit: 11.00 – 12.00 Uhr
Gewinnerin: Jeannine Hauke

2)
Sitzung: BP29 Kreuz-Darmbein-Gelenk (SIG) kompakt
Datum:  28.10.2022
Zeit: 9.00 – 10.30 Uhr
Gewinner: PD Dr. Matthias Pumberger

3)
Sitzung: BS42 Arthroskopie bei Kindern
Datum:  28.10.2022
Zeit: 9.00 – 10.30 Uhr
Gewinner: Dr. Oliver Jungesblut

4)
Sitzung: BP30 Sonographie in der orthopädisch/unfallchirurgischen Praxis: Bald verschwunden?
Datum: 28.10.2022
Zeit: 11.00- 12.00 Uhr
Gewinner: Dr. Michael Dickob

5)
Sitzung: IN35 Enthesiopathien
Datum: 28.10.2022
Zeit: 11.00 – 12.30 Uhr
PD Dr. Dr. habil. Elmar Lindhorst

6)
Sitzung: BS45 Spinalkanalstenose der HWS & LWS
Datum:  28.10.2022
Zeit: 16.30 – 18.00 Uhr
Gewinner: Prof. Dr. Sven Oliver Eicker

Bewertungskriterien für jeden Vortrag waren:

  • Inhalt
  • Erkenntnisgewinn
  • Praxisrelevanz
  • Präsentation
  • Diskussion

Die Abstimmung geschah über die O&U Events App App (Desktopversion der App). Für jede ausgewählte Sitzung wurde ein Gewinner gewählt.

Perspektive DVT – Die SCS Bildgebung als Primärdiagnostik

In Bonn ist die Praxis für Orthopädie und Unfallchirurgie von Herrn Dr. med. Carsten Wingenfeld seit Juli 2020 mit einem SCS MedSeries® H22 DVT ausgestattet. Der Experte für Fußchirurgie war vor der Implementierung der 3-D-Schnittbildung auf sein veraltetes Röntgengerät angewiesen, das inzwischen durch das moderne H22 gänzlich ersetzt wurde. Um der Praxisphilosophie auch im Alltag noch besser nachzukommen und dem Versprechen einer modernen Diagnostik und Therapie weiterhin gerecht zu werden, entschied sich der Facharzt, das DVT als Primärdiagnostik zu etablieren. Nachdem die neue 3-D-Bildgebung seit einigen Monaten regelmäßig im Einsatz war, entschied sich Herr Dr. Wingenfeld, seine Erfahrungen in Hinblick auf einen kompletten Umstieg mit den Anwendern und Interessenten zu teilen.

Eine enorme Zeitersparnis

In der Praxis für Orthopädie und Unfallchirurgie arbeitete das Team zunächst mit einer herkömmlichen 2-D-Bildgebung, die jedoch aus Platzgründen abgebaut wurde. Seither ersetzt das kompakte DVT das 2-D-Röntgen als Primärdiagnostik. Mit dem neuen Verfahren erhält Herr Dr. Wingenfeld schnell aussagekräftige Bilder – ein Vorteil, auf den er nicht mehr verzichten möchte: „Die Wiederholung von konventionellen Röntgenaufnahmen entfällt, wenn primär nicht die korrekte Ebene und Einstellung erreicht wurde. Mit der Diagnostik durch das DVT kann jetzt jede Ebene und jede Einstellung rekonstruiert werden.“ Das spart dem Arzt, den Arzthelferinnen und den Patienten nicht nur Zeit, sondern verringert auch zusätzlich die Strahlenbelastung, die auf letzteren einwirkt – gleich zwei Vorzüge, die das H22 mit sich bringt, besonders wenn es als Primärdiagnostik eingesetzt wird. Der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie zeigt sich entsprechend begeistert: „Belastungsaufnahmen in der Extremitätendiagnostik sind problemlos möglich, weil keine aufwändigen Einstellungen angewandt werden müssen. Die Diagnostik von Verletzungen oder degenerativen Veränderungen von Fußwurzelknochen oder Handwurzelknochen gelingt auf Anhieb sicher, ohne, dass zusätzlich noch spezielle Röntgenaufnahmen in mehreren Ebenen angefertigt werden müssen. Die Bedienung des DVT ist einfach und die Mitarbeiter können schnell in das Gerät eingearbeitet werden.“

Steigerung der Patientenzufriedenheit

Die Implementierung der 3-D-Schnittbildgebung zieht automatisch die Win-Win-Win-Situation nach sich, die sich in vielen Bereichen des Praxisalltags zeigt. Neben den Vorteilen für den Arzt, der durch das DVT 3-D-Aufnahmen erstellen kann, die so hochauflösend und durch die 0,2 mm dünnen Schichten so detailgenau sind, dass sich die Befundsicherheit um ein Vielfaches steigert, profitiert auch das Praxisteam von der Nutzung. Neben der schnellen Einarbeitung des Personals, die Herr Dr. Wingenfeld bereits ansprach, optimiert die SCS Bildgebung durch die kurze Aufnahmezeit auch den täglichen Workflow der Praxis.

Patienten, die sich an einem DVT-Standort behandeln lassen, genießen ebenfalls den Komfort der Win-Win-Win-Situation, wie der Arzt betont: „Die Patienten freuen sich, dass sie nicht mehr weitergeschickt werden und keine Terminketten wahrnehmen müssen, wie der Vorstellung bei mir, in der Radiologie und der Wiedervorstellung in meiner Praxis. Sie erhalten in nur einem Besuch eine sehr sichere Diagnostik und eine sofortige Befundung. Vorteilhaft ist in meinen Augen auch die Anschaffung eines digitalen Diktiersystems in Kombination mit dem DVT, um eine sofortige Befunderstellung zu gewährleisten.“

Die SCS Bildgebung im Vergleich zum 2-D-Röntgen

In der Bonner Praxis konnte sich die höhere Detailgenauigkeit der SCS Bildgebung gegenüber dem herkömmlichen Röntgen bereits bewähren. So erzählt Herr Dr. Wingenfeld von einem Fall, in dem auf dem 2-D-Röntgenbild die knöcherne Veränderung kaum zu erkennen war. Die Aufnahme wurde auswärts angefertigt und auf Basis dieses Bildes konnte keine knöcherne Verletzung diagnostiziert werden. Es erfolgte keine spezielle Therapie, wie zum Beispiel eine Ruhigstellung.

Der Facharzt und DVT-Anwender nahm sich des Falles an: „Die Patientin erschien in meiner Praxis mit der Frage, ob nicht doch eine knöcherne Verletzung vorliegt, da die Schmerzen sehr stark waren, ihr aber mitgeteilt wurde, dass das Röntgenbild unauffällig sei. Die therapeutische Konsequenz erfolgte in Form einer Cast-Ruhigstellung. Es wurde eine weitere Kontrolle mit der Fragestellung angefertigt, ob es zu einem Abrutschen des Fragments gekommen sei, das gegebenenfalls eine operative Therapie notwendig machen würde. In diesem Fall wäre eine sofortige Schnittbildgebung sinnvoll gewesen, um diagnostische und therapeutische Sicherheit zu erlangen. Ähnlich ist das Vorgehen hier heutzutage bei Kahnbeinfrakturen. Früher wurde eine 2-D-Aufnahmeserie, das Kahnbein-Quartett, standardmäßig durchgeführt. Da trotzdem einige Kahnbeinfrakturen nicht erkannt werden konnten, führt man bei klinischem Verdacht heutzutage sofort eine hochauflösende Schnittbildgebung durch.“

Die diagnostische Sicherheit steht im Vordergrund

Herr Dr. Wingenfeld ist vom Einsatz des SCS MedSeries® H22 als Primärdiagnostik überzeugt. Wer in der Überlegung ist, ein DVT anzuschaffen, den lädt der Facharzt zu sich in die Praxis ein, um sich selbst ein Bild von der Handhabung und der Indikationsstellung zu machen. Auch vorteilhaft zu wissen ist, so der Mediziner, dass Patienten seltener zur Schnittbildgebung in die Radiologie geschickt werden müssen und durch den Betrieb in der eigenen Praxis rasch eine sichere Diagnose gestellt werden kann. Er nennt auch noch weitere Vorteile: „Vor der Anschaffung des DVT war mir nicht bewusst, dass auch eine recht gute Weichteildiagnostik durch die verschiedenen Einstellungen möglich ist.“ So weist der Arzt beispielsweise auf eine Achillessehnenruptur, Hämatombildung, Weichteilödem oder auch einen Gelenkerguss hin, die auf den DVT-Aufnahmen gut erkennbar sind. „Am Kniegelenk erscheint mir die Diagnostik mittels DVT zum Teil auch mehr Informationen zu liefern als ein MRT, da ich Aufnahmen unter Belastung durchführen kann und so zum Beispiel die Stellung der Patella oder auch die Belastung einzelner Kompartimente des Kniegelenkes realitätsnah beurteilen kann.“

Ein wichtiger Punkt, den Herr Dr. Wingenfeld anführt und der für die Nutzung der SCS Bildgebung spricht, ist, dass der Zugewinn an Qualität und die Arbeit mit dem DVT ihm ganz einfach Spaß machen. Neben den technischen und organisatorischen Punkten vermittelt er Interessenten auch diesen Aspekt gerne in persönlichen Gesprächen, die sich zum Beispiel im Rahmen von Tagungen, Kursen oder Kongressen ergeben.

Die Entscheidung, das veraltete, zu große 2-D-Röntgen gegen die moderne und kompakte 3-D-Schnittbildgebung zu ersetzen, war für Herr Dr. Wingenfeld die richtige: „Insgesamt steigt die Wertigkeit und das Image der Praxis, weil man mit dem DVT zeigen kann, dass den Patienten eine moderne Medizin und Diagnostik angeboten wird.“

Fallvorstellung: Os capitatum der Hand

Der Fall zeigt eine Patientin mit Stolpersturz auf die Hand. Initiale Vorstellung in der Notfallaufnahme. Dort wurde ein Röntgenbild gemacht, es wurde allerdings nichts erkannt und die Patientin ohne Versorgung entlassen. Sie sollte die betroffene Stelle kühlen und es folgte keine weitere Therapie.

Nachdem die Hand nach zwei Wochen nicht besser wurde und eine deutliche Schwellung im Bereich des Handrückens zu sehen war, hat sie sich dann bei mir vorgestellt. Sie kannte das DVT bereits, weil ich am Sprunggelenk schon mal etwas diagnostiziert hatte. Es folgte eine Aufnahme mit der 3-D-Schnittbildgebung und dort zeigte sich dann ein osteochondrales Fragment, os capitatum der Hand.
Die Hand wurde daraufhin ruhiggestellt und dadurch kam es zu einer deutlichen Besserung. Ich habe nochmal eine Kontrollaufnahme gemacht, woraufhin sich dann das ganze Ausmaß der Fraktur gezeigt hat, allerdings standen die Gelenke noch richtig und die Schmerzen sind deutlich zurückgegangen. Zusammenfassend ist das eine unentdeckte Fraktur im nativen Röntgenbild, die das DVT sichtbar gemacht hat. Vielleicht ist noch wichtig anzumerken, dass der ursprüngliche Niedergelassene gesagt hatte: „Eine CT kann aufgrund des Alters der Patientin und der damit verbundenen Strahlenbelastung nicht gemacht werden.“ Insofern hat das DVT einen ganz guten Erfolg gezeigt.

Erschienen in: SCS Magazin | Ausgabe 8 | Herbst 2022

Praxis Dr. med. Carsten Wingenfeld
Kasernenstraße 48
53111 Bonn
www.praxis-wingenfeld.de