Den meisten kommt bei Barbie wohl als erstes die klassische Spielzeugpuppe der 60er Jahre mit blonden Haaren, Wespentaille und High-Heels in den Kopf. Sie war nie bloß glitzernde Modepuppe, sondern immer auch Spiegel gesellschaftlicher Normen. Dass sich die Fußstellung der Stilikonen des Spielzeugherstellers Mattel neben sämtlichen anderen äußerlichen Merkmalen vom Erfindungsdatum 1959 bis heute stark verändert hat, zeigt eine im Mai 2025 publizierte Studie der Monash University.1
Die Autorengruppe Cylie Williams et al. beobachtete bei insgesamt 2750 untersuchten Puppen aus persönlichen Sammlungen, Katalogen und Verkaufsseiten, dass die Fußstellung von 1959 bis 2024 auch mit anderen Merkmalen korrelierte. Während in den ersten Lebensjahren der Modeikone noch jede einzelne Barbie auf dem Vorfuß unterwegs war, stehen heute nur noch 40 % auf erhobenen Fersen.2 Der in der Online-Fachzeitschrift PLOS One veröffentlichte Artikel fand heraus, dass besonders berufstätige Barbiepuppen häufig auf flaches Schuhwerk zurückgriffen, während die eher modeorientierten Spielzeuglegenden weiterhin auf Zehenspitzen trippeln. Auch bevorzugten Barbies aus praktischen Gründen häufiger absatzloses Schuhwerk, wie etwa die sportlichen Modelle.
Die Idee zu dieser retrospektiven Datenerhebung kam den Forschern bei einer für Orthopäden und Unfallchirurgen durchaus sehenswerten Szene aus Greta Gerwigs 2023 veröffentlichtem Kinohit „Barbie“. Hier erlebt Margot Robbie als Protagonistin in der Rolle der klischeehaften Puppe eine Existenzkrise und stellt schockiert fest, dass sich ihre Fersen auf dem Boden befinden. Voller Abneigung schreien ihre Freundinnen „flat feet“ (Plattfuß) und bekommen Würgereize.3
Die zeitlosen Kultpuppen reflektieren soziale und gesellschaftliche Normen und als solche sind sie oft auch Rollenvorbild für Kinder. Mit ihren ausgeweiteten beruflichen und sportlichen Aufgaben sei Barbie mehr und mehr auf längere Stehzeiten, höhere Gehgeschwindigkeiten und Haltungsstabilität angewiesen. Die Verfasser der Studie sehen es daher als positives Zeichen, dass auch Barbie mittlerweile selbstbestimmt entscheidet, welches Schuhwerk für ihre individuelle Situation angebracht ist. Mattel, der Produzent der weltweit bekannten Plastik-Trendsetterin bekennt sich öffentlich dazu, durch ein ausgeweitetes Spektrum an Körpermerkmalen wie Haut- und Haarfarbe, Berufen oder auch Behinderungen möglichst vielen Kindern die Möglichkeit zu geben, sich in einer der Puppen wiederzufinden. Dazu gehören wohl auch auf den ersten Blick als weniger bedeutsam eingestufte Varianten der Fußstellung.
Die Verfasser des Artikels betonen, dass der Gebrauch von Stöckelschuhen bereits seit langer Zeit mit gesundheitlichen Problemen wie Hallux valgus, Gonarthrose, Plantarfasziitis und Rückenschmerzen im Lendenbereich in Verbindung gebracht wird. Viele dieser Probleme würden allerdings auch unabhängig von der bevorzugten Absatzhöhe in der Allgemeinbevölkerung auftreten. Es sei unbestritten, dass der Pes equinus der stereotypen Barbie zu gesundheitlichen Problemen führe. Allerdings gebe es nach Ansicht der Autoren bislang keine belastbaren Nachweise, dass der Gebrauch von High-Heels eine solche Fehlstellung verursache. Die meisten durchgeführten Untersuchungen betrachteten nur kurzfristige Auswirkungen der Stöckelschuhe und würden häufig an Teilnehmenden erhoben, die dieses Schuhwerk sonst nicht tragen.
Coautorin Kristin Graham von der University of South Australia betont, High-Heels führten unter anderem zu langsamerem Gehen, Instabilität, Schmerz- und Verletzungsrisiken. Aufgrund dessen würden viele Fachleute die Schuhe oft mit oben genannten gesundheitlichen Problemen in Verbindung bringen.
Die Autoren kommen zu dem Schluss, man solle mehr Wert auf die Betonung von Gesundheitsvorteilen legen, als ausschließlich vor negativen Folgen des Stöckelschuh-Gebrauchs zu warnen. Barbie treffe nun bereits vernünftige Entscheidungen im Hinblick auf ihre Körperautonomie mit der höheren Variabilität ihres Schuhwerks, ein gutes Vorbild für junge Menschen.
Barbiepuppen mit orthopädischem Bezug findet man übrigens schon heute als Ärztin mit Röntgenstation und Achselstützen im Set, als Beinprothesen-Trägerin oder als Skoliose-Patientin mit Rückenorthese. Vielleicht wird es irgendwann auch möglich sein, eine Barbie mit orthopädischen Schuheinlagen zu erwerben, wer weiß was der Spielzeughersteller für die Zukunft bereithält.
Leopold Braun
Tübingen
Fußnoten
- https://www.monash.edu/news/articles/flat-out-fabulous-barbie-puts-her-best-foot-forward-over-the-years-study
- https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0323719
- https://www.youtube.com/watch?v=BCZ3_R4IEkc