„Aus den genannten Eigenschaften ergibt sich m.E. insbesondere aus medizinischen Gründen und unter Aspekten des Strahlenschutzes eine klare Empfehlung zur Primärdiagnostik mittels der SCS Bildgebung.“
Dr. med. Nader Amirfallah
Einleitung
Die Auswahl einer geeigneten Diagnostik folgt im medizinischen Alltag einer strukturierten Vorgehensweise. Im Regelfall wird bei Patienten mit traumatischen und degenerativen Veränderungen als bildgebende Maßnahme zunächst eine Röntgenuntersuchung der betroffenen Region durchgeführt. Anschließend wird bei Bedarf ggf. die Indikation für eine weiterführende Diagnostik, meist für eine MRT gestellt. Wenn sich in der MRT Zeichen einer knöchernen Verletzung oder anderweitige, unklare ossäre Veränderungen zeigen, ergibt sich daraus häufig die Indikation zu einer Computertomographie. Im Resultat werden somit 3 diagnostische Schritte durchlaufen.
Das MRT ist bezüglich Weichteil-Veränderung nach wie vor ungeschlagen und ist bei der Detektion von knöchernen Veränderungen sehr sensitiv, aber in der Spezifität häufig eingeschränkt, insbesondere bei der genauen Einschätzung des Ausmaßes von knöchernen Verletzungen. Deshalb wird in diesen Fällen häufig vom Radiologen eine Erweiterung der Diagnostik um eine CT-Bildgebung empfohlen und durchgeführt. An diesem Punkt setzt die SCS Bildgebung an.
Die CT-Diagnostik geht im Vergleich zur SCS Bildgebung mit einer deutlich höheren Strahlendosis einher [1-6], die zudem auch noch kumulativ zur bereits erstellten 2-D-Röntgenuntersuchung kommt. Dieses Mehr an Dosis lässt sich durch die primäre Diagnostik mit der SCS Bildgebung komplett vermeiden, was insbesondere bei jüngeren Patienten zwingend angestrebt werden sollte [5].
Ein weiterer Vorteil der SCS Bildgebung ist eine extrem hohe Reduktion von Artefakten bei Osteosynthesematerial und Endoprothesen. Die CT hat hier in den letzten Jahren große Fortschritte erzielt, die Artefaktreduzierung ist jedoch nicht besser als bei der SCS Bildgebung. Zudem besitzt die SCS Bildgebung eine erheblich bessere, räumliche Bildauflösung als eine CT-Untersuchung und ersetzt somit auch das CT im Bereich der Extremitäten nahezu komplett. Des Weiteren kann die SCS Bildgebung das klassische 2-D-Röntgen sowohl in Bezug auf die Bildinformation, als auch hinsichtlich der hohen Strahlenhygiene ersetzen und eine hochpräzise Erstdiagnostik durchführen [7].
Aus den vorgenannten Eigenschaften ergibt sich m.E. insbesondere aus medizinischen Gründen und unter Aspekten des Strahlenschutzes eine klare Empfehlung zur Primärdiagnostik mittels der SCS Bildgebung. Diese Empfehlung wird untermauert durch die Forderungen des aktuell gültigen und für jeden Strahlenschutzverantwortlichen zwingend einzuhaltenden Strahlenschutzgesetzes. Dieses fordert mit den §§6 und 8 bei Wahl der geeigneten Diagnostik den maximal möglichen Nutzen der Diagnostik für den Patienten und dessen Weiterbehandlung, bei gleichzeitig minimal möglichem Risiko hinsichtlich Strahlenbelastung sowie möglichst geringen Kosten. Betrachtet man Letzteres muss festgestellt werden, dass sicher nicht alle im Praxisalltag auftretenden Indikationen einer Schnittbilddiagnostik bedürfen, jedoch zeigen unter anderem die nachfolgend aufgeführten Beispiele die hohe Relevanz der SCS Bildgebung in Bezug auf die Wahl der richtigen Therapie. Auf Basis mangelnder Diagnostikinformationen kann eine insuffiziente Therapie schnell Folgeschäden und damit verbunden signifikante Kosten verursachen, wodurch die Kostendifferenz bspw. zwischen 2-D-Röntgen und SCS Bildgebung schnell obsolet wird. Bei der SCS Bildgebung handelt es sich im Resultat um die erste Expertenlösung im Bereich der Extremitätendiagnostik, die in der Orthopädie und Unfallchirurgie den stetig wachsenden Bedarf an gezielt auf die klinische Fragestellung ausgerichteter Diagnostik nachweislich decken kann [8-13].
Klinische Vorteile
Der große Vorteil der SCS Bildgebung gegenüber der CT ist die Möglichkeit, Aufnahmen unter physiologischer Belastung ohne Bewegungsartefakte durchzuführen.
Dies umfasst die Frage bspw. nach der Stabilität von Frakturen oder dem Bandapparat durch Kontrolle der Stellung von Gelenkpartnern sowie dem Verhalten von freien Gelenkkörpern unter Belastung und geht bis zur Lockerung von Osteosynthesen und Endoprothesen, Themen, die jeder Orthopäde und Unfallchirurg aus seiner täglichen Praxis kennt (Abb. 1 und 2).
Ein weiteres, sehr häufiges Beispiel aus dem Praxisalltag stellen Skaphoidfrakturen dar. Besonders in diesen Fällen ist eine genaue Abschätzung des knöchernen Verletzungsausmaßes wichtig, um eine adäquate Therapie einzuleiten. Auch ossäre Veränderungen der übrigen Handwurzelknochen sind im 2-D-Röntgen häufig nicht oder nicht ausreichend sichtbar (Abb. 3, [14]).
In der MRT können zwar hochsensitiv Hinweise für eine knöcherne Verletzung gefunden werden, doch die genaue Einschätzung ist kernspintomographisch oft nicht präzise möglich. Die o.g. Eigenschaften hinsichtlich artefaktarmer und hochauflösender Schnittbilddarstellung im Kontext der Möglichkeit zur Anfertigung von multiplanaren Schnittbildaufnahmen unter Belastung sowie der hohen Strahlenhygiene erklären die Überlegenheit der SCS Bildgebung im Vergleich zum 2-D-Röntgen und auch zur CT.
Die SCS Bildgebung besitzt auch einen hohen Stellenwert für die Durchführung von Stabilitäts- und Belastungsuntersuchungen an Knie und Fuß/Sprunggelenk, nachdem viele Patienten nur unter Belastung Beschwerden haben. Hier sind Belastungsuntersuchungen von großer Bedeutung, da die Unterschiede zwischen Be- und Entlastung häufig eklatant sind. Bei Frakturen, vor allem Ermüdungsbrüchen, ist die Diagnostik im 2-D-Röntgen häufig frustran. Auch hier zeigt die MRT die Schädigung des Knochens, degenerative Veränderungen sowie die Weichteilprozesse hochsensitiv, ob aber wirklich eine Kortikalisunterbrechung vorliegt, lässt sich oft nur in einer CT-Diagnostik klären. Inwieweit diese dann unter physiologischer Belastung stabil ist, kann in einer CT-Diagnostik bestenfalls abgeschätzt werden.
Das Alleinstellungsmerkmal der SCS Bildgebung ist die Möglichkeit der Belastungsuntersuchung. Hier ist aus radiologischer Sicht eine vergleichbare CT-Lösung am Markt vorerst nicht verfügbar, weshalb sich die SCS Bildgebung nicht durch ein CT-System ersetzen lässt. Die SCS Bildgebung ist eine spezielle Modalität mit einem eigenen Stellenwert, etwa vergleichbar mit der Mammographie gegenüber dem konventionellen 2-D-Röntgen.
In Zukunft werde ich als Radiologe die Orthopädie und Unfallchirurgie unterstützen und die interdisziplinäre Zusammenarbeit von 3-D-DVT-Anwendern fördern. Denkbar und wünschenswert wäre das Angebot einer Zweitmeinung bei komplexen Diagnosen, der interdisziplinäre Austausch und die Bewertung von Bildern der SCS Bildgebung in Verbindung mit weiteren diagnostischen Verfahren, insbesondere der MRT.
Es ist mir ein Anliegen, dass ein fachübergreifendes Miteinander der Radiologie und der Orthopädie/Unfallchirurgie beim Thema SCS Bildgebung entsteht.
Privatpraxis für Offene MRT
Dr. med. Nader Amirfallah | Facharzt für Radiologie
Europaplatz 11 | 44269 Dortmund
Quellen
[1] Koivisto, J, Kiljunen, T, Wolff, J, and Kortesniemi, M: Assessment of effective radiation dose of an extremity CBCT, MSCT and conventional x ray for knee area using MOSFET dosemeters. Radiat. Prot Dosimetry Advance Access published July 3, 2013, doi: 10.1093/rpd/nct162
[2] Koivisto J, Wolff J, Järnstedt J, Dastidar P, Kortesniemi M: Assessment of the effective dose in supine, prone, and oblique positions in the maxillofacial region using a novel combined extremity and maxillofacial CBCT scanner. Oral Surg Oral Med Oral Pathol Oral Radiol. 2014 Sep;118(3):355-62. doi: 10.1016/j.oooo.2014.05.016. Epub 2014 Jun 14.
[3] Koivisto J, Kiljunen T, Kadesjö N, Shi XQ, Wolff J: Effective radiation dose of a MSCT, two CBCT and one conventional radiography device in the ankle region. Journal of Foot and Ankle Research (2015) 8:8. DOI 10.1186/s13047-015-0067-8. http://www.jfootankleres.com/content/pdf/s13047-015-0067-8.pdf
[4] Koivisto J, van Eijnatten M, Kiljunen T, Shi XQ, Wolff, J (2017): Effective Radiation Dose in the Wrist Resulting from a Radiographic Device, Two CBCT Devices and One MSCT Device: A Comparative Study. Radiat Prot Dosimetry. 2017 Oct 13:1-11. doi: 10.1093/rpd/ncx210. [Epub ahead of print].
[5] Pugmire BS, Shailam R, Sagar P, Liu B, Li X, Palmer WE, Huang AJ: Initial Clinical Experience With Extremity Cone-Beam CT of the Foot and Ankle in Pediatric Patients. AJR Am J Roentgenol. 2016 Feb;206(2):431-5. doi: 10.2214/AJR.15.15099. 5
[6] Huang AJ, Chang CY, Thomas BJ, MacMahon PJ, Palmer WE: Using cone-beam CT as a low- dose 3D imaging technique for the extremities: initial experience in 50 subjects. Skeletal Radiol. 2015 Feb 5.
[7] Neubauer J, Benndorf M, Reidelbach C, Krauû T, Lampert F, Zajonc H, et al. (2016): Comparison of Diagnostic Accuracy of Radiation Dose-Equivalent Radiography, Multidetector Computed Tomography and Cone Beam Computed Tomography for Fractures of Adult Cadaveric Wrists. PLoS ONE 11(10): e0164859. doi:10.1371/journal.pone.0164859
[8] J. Petermann: Die digitale Volumentomographie – Fünf Jahre Erfahrung in einer unfall- und gelenkchirurgischen Praxis, CHAZ, 9. Heft, Dr. R. Kaden Verlag, 2018
[9] https://www.bvou.net/aus-der-diagnostischenkette-nicht-mehr-wegzudenken/?parent_cat=; Stand 09.02.2021
[10] M. Preis: 360-Grad-Betrachtung in O und U – 3D-Schnittbildgebung in der Fuß- und Sprunggelenkchirugie, OUMN, Springer Medizin, (2), 2019
[11] T. Ebinger: Hochauflösende 3-D-Diagnostik in der Handchirurgie mit der digitalen Volumentomographie, CHAZ, 5. Heft, Dr. R. Kaden Verlag, 2019
[12] J. Pieczykolan: Nützliche Kombination der digitalen Volumentomographie (DVT) und der Magnetresonanztomographie (MRT) in der Diagnostik von Fuß- und Sprunggelenkerkrankungen, BVOU Infobrief 2-2019
[13] N. Yücel: 360-Grad-DVT – Stellenwert der DVT in der traumatologischen und posttraumatischen Knie-Diagnostik, BVOU Infobrief 4-2019
[14] M. Preis: Die Wertigkeit der Schnittbildgebung