Dr. Tobias Vogel hat seinen Weg von einer erfolgreichen klinischen Karriere bis hin zur Mitgründung einer gut etablierten überörtlichen Gemeinschaftspraxis in München gemeistert. Sein nächstes Highlight steht bereits fest: Beim diesjährigen Deutschen Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU) 2024, der vom 22. – 25. Oktober stattfindet, ist er Kongresspräsident für den BVOU. Ein Gespräch über Erfahrungen, Herausforderungen und seine Begeisterung für das Fach.
Sie sind Kongresspräsident für den BVOU in diesem Jahr. Warum lohnt es sich, Ende Oktober zum DKOU 2024 nach Berlin zu kommen?
Dr. Tobias Vogel: Eine Reise nach Berlin zum DKOU 2024 lohnt sich, da auf unserem Kongress das gesamte Spektrum des Fachgebietes abgedeckt wird: Von Kinderorthopädie bis Alterstraumatologie, von Kopf bis Fuß, von Notfall bis Elektiv – für jeden ist etwas dabei. Nirgendwo sonst auf dem Kontinent finden sich so viele Kollegen aus O&U zusammen, was die Gelegenheit bietet, in entspannter Atmosphäre miteinander ins Gespräch zu kommen. Die Bandbreite an Themen und Teilnehmern macht den DKOU zu einem einzigartigen Kongress, der jedes Jahr eine Reise wert ist.
Was war aus Ihrer Sicht die größte Herausforderung bei der Übernahme der Präsidentschaft für den DKOU 2024?
Dr. Tobias Vogel: Die größte Herausforderung war und ist das Zeitmanagement. Neben meiner operativen Tätigkeit und dem Management unserer drei Praxen in München bin ich auch noch in der KV und in der Landesärztekammer engagiert und habe eine Familie. Auch meine Aufgaben als bayerischer Landesvorsitzender des BVOU ruhen in dieser Zeit nicht. In Bezug auf den DKOU war insbesondere die Programmgestaltung ein „großer Brocken“. Obwohl es unheimlich viel Spaß macht, war es eine sehr zeit- und arbeitsintensive Aufgabe. Dies dürften auch meine beiden Mit-Kongresspräsidenten bestätigen, die als Chefärzte in großen Kliniken tätig sind. Ein gutes Zeitmanagement war daher für uns alle unglaublich wichtig, um diese Aufgabe zu bewältigen.
Apropos Kliniken: Was hat Sie eigentlich dazu bewogen, sich für eine selbstständige Niederlassung in einer Praxis in der Münchener City zu entscheiden, während Ihre Co-Präsidenten, Prof. Markus Scheibel und Prof. Andreas Seekamp, als Chefärzte in Krankenhäusern tätig sind?
Dr. Tobias Vogel: Meine klinische Weiterbildung fand an der LMU vor allem im Bereich der Unfallchirurgie statt. Es war eine sehr spannende Zeit und ich arbeitete gerne im Schockraum, auf der Intensivstation und im OP. Durch die Weiterbildungsordnung von 2004 konnte ich jedoch gegen Ende meiner Weiterbildungszeit auch Einblicke in die Orthopädie sammeln. Insbesondere die arthroskopische Chirurgie hat es mir dann angetan. Nach meinem Wechsel als Oberarzt nach Bochum habe ich dort das gesamte Spektrum der arthroskopischen Chirurgie abgedeckt, sogar die ersten Hüftarthroskopien an der RUB durchgeführt. Ich habe auch gerne wissenschaftlich gearbeitet und mich der Lehre gewidmet.
Und was hat Sie schließlich dazu bewogen, sich doch für die Niederlassung zu entscheiden?
Dr. Tobias Vogel: Ich war insgesamt zehn Jahre lang im Krankenhaus tätig, immer universitär und bis hin zu einer Juniorprofessur. Anfänglich strebte ich eine klinische Leitungsfunktion an. Allerdings konnte ich erleben, wie eingeengt und abhängig viele Chefärzte agieren müssen und dass hat mir ehrlich gesagt nicht so gefallen. Also stieg mein Interesse an der Selbstständigkeit. Die Möglichkeit selbst das eigene Leistungsspektrum und die Unternehmensstrategie festlegen zu können hat schließlich den Anstoß für meine Selbstständigkeit gegeben. Auch die Erkenntnis über eine Unternehmerpersönlichkeit zu verfügen hat meine Entscheidung beeinflusst.
Welche Unterstützung und Planungshilfe haben Sie bei der Gründung Ihrer Praxis erhalten?
Dr. Tobias Vogel: Zusammen mit zwei Kollegen war ich in den Jahren vor meiner Niederlassung nebenher als Unternehmensberater im Gesundheitswesen tätig. Die Kontakte die ich dort knüpfen konnte haben mir sehr geholfen. Einer der erwähnten Kollegen ist dann auch mein Praxisgründungspartner in München geworden. Ich fühlte mich medizinisch, unternehmerisch und strategisch für die Selbstständigkeit gewappnet. Die Unterstützung meines Gründungspartners und meiner Familie waren aber entscheidend, um diese große Aufgabe anzugehen.
Wie kam es dazu, dass Sie auch ein wirtschaftliches Studium absolviert haben?
Dr. Tobias Vogel: Die Idee dazu entstand eigentlich schon damals als Vorbereitung auf eine mögliche Chefarztposition. Mein damaliger Chef an der Uniklinik in Bochum empfahl mir, ein grundlegendes Verständnis für Betriebswirtschaft zu erlangen, um mich weiterzuentwickeln. Also beschloss ich, mich mit dem Thema zu beschäftigen und verschiedene Bildungsangebote in Betracht zu ziehen. Es war mir klar, dass ein berufsbegleitendes Studium die einzige Option war, da ich bereits eine Familie mit kleinen Kindern hatte. Ich wollte sicherstellen, dass das Studium einen Mehrwert für meine berufliche Zukunft bietet und entschied mich daher für einen Masterstudiengang im Gesundheitsmanagement an einer Universität in Bremen. Ich schrieb mich ein und absolvierte das Studium parallel zu meinen anderen beruflichen Verpflichtungen. Es war eine Herausforderung, sich nach langen Arbeitstagen dem Studium zu widmen und Seminare zu besuchen. Ich glaube aber fest daran, dass mir diese wirtschaftliche Ausbildung sehr geholfen hat, unsere Praxen in München erfolgreich aufzubauen.
Also auch eine klare Empfehlung an Kollegen, den Weg einzuschlagen, wenn sie sich ebenfalls niederlassen möchten?
Dr. Tobias Vogel: Ja, absolut. Ich würde auf jeden Fall empfehlen, sich auch betriebswirtschaftlich weiterzubilden. Ein tieferes Verständnis von Themen wie Gesundheitsmanagement, Personalführung und strategischer Unternehmensplanung kann sehr hilfreich sein. In der herkömmlichen medizinischen Aus- und Weiterbildung kommen diese Aspekte zu kurz, deshalb halte ich eine solche zusätzliche Ausbildung für sehr wichtig.
Und was würden Sie gerade jüngeren Kollegen mit auf den Weg geben, wenn diese sich für O&U entschieden haben, um im Beruf erfolgreich zu sein?
Dr. Tobias Vogel: Um ein guter Orthopäde und Unfallchirurg zu werden, benötigen Sie eine vielseitige und fundierte Aus- und Weiterbildung. Ich würde jedem raten, sich mehr als einen Weiterbilder zu suchen und sich vieles anzusehen. Auch Auslandserfahrung erweitert den Horizont. Der Verband, die Fachgesellschaften und die Sektionen sind optimal um sich fortzubilden und stellen ein sehr gutes Netzwerk für die Zukunft dar, das man nicht unterschätzen sollte. Sich hier zu engagieren macht auch Spaß. O&U ist für mich nicht nur eine Fachrichtung, sondern eine Leidenschaft. Die Zusammenlegung der Fächer Orthopädie und Unfallchirurgie vor 20 Jahren war ein wichtiger Schritt, um den Bewegungsapparat und die Behandlung von Verletzungen und Erkrankungen des Bewegungsapparats in einer Facharztspezialität zu bündeln.
Also das gesamte Spektrum von O&U einmal mitnehmen?
Dr. Tobias Vogel: Unbedingt. Unser Fach bietet so viele Möglichkeiten. Ich würde auch empfehlen sich sowohl in Klinik wie auch in einer Praxis weiterzubilden. Durch die politischen Weichenstellungen im Gesundheitswesen ist die Weiterbildung in Klinik und Praxis, die sog. Verbundweiterbildung, sowieso das Zukunftsmodell.
Thema Berufspolitik: Sie sind bayerischer Landesvorsitzender unseres Berufsverbands. Für welche Themen sollten wir uns als BVOU in den kommenden Monaten einsetzen?
Dr. Tobias Vogel: Für mich persönlich ist die Balance zwischen Kosteneinsparungen im Gesundheitssystem und der Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen Gesundheitsversorgung für die Bevölkerung ein wichtiger Punkt. Es ist entscheidend, dass Einsparungsmaßnahmen nicht dazu führen, dass die Versorgungsqualität abnimmt oder wichtige Leistungen nicht mehr flächendeckend verfügbar sind. Daher müssen wir versuchen eine aktive Rolle bei wichtigen Themen wie Krankenhausreform, Ambulantisierung und Neustrukturierung der Notfallversorgung zu spielen. Besonders am Herzen liegt mir aber die strategische Neuausrichtung der Weiterbildung in O&U. Als freier Beruf haben wir die Aus- und Weiterbildung unseres Nachwuchses weitestgehend selbst in der Hand. Es wäre völlig inakzeptabel, wenn wir das nicht gemeinsam mit den Ärztekammern und den KVen schaffen würden.
Was kritisieren Sie hier genau an der Gesundheitspoltik?
Dr. Tobias Vogel: Prinzipell werden die richtigen Dinge angegangen. Ambulantisierung, Krankenhausreform und Neugestaltung der Notfallversorgung sind absolut notwendige Projekte. Allerdings macht es den Anschein, als würde immer alles mit der Brechstange gemacht. Mir fehlen die strukturierte Vorbereitung und eine Umsetzung mit Augenmaß. Häufig werden nicht zu Ende gedachte Projekte implementiert, in der Hoffnung sie würden dann schon im Gebrauch zur Marktreife gelangen. Dies halte ich im Gesundheitssektor für falsch und sogar für gefährlich, weil patientengefährdend. Auch die Fokussierung auf die Kostenersparnis halte ich für falsch. Ich möchte nicht das billigste, sondern das beste Gesundheitswesen für Deutschland. Die Qualität gehört in den Mittelpunkt. Wir sind doch ein reiches Land.
Und was fordern Sie?
Dr. Tobias Vogel: Wir als BVOU fordern, dass seitens der Politik strukturelle und ökonomische Voraussetzungen geschaffen werden, um die Versorgung der Patienten über die Sektorengrenzen hinweg sicherzustellen, wobei die Qualität der Patientenversorgung im Vordergrund stehen muss. Notwendig sind hier angepasste Strukturen und eine fair abgestimmte Finanzierung, um stationäre Leistungen effizienter ambulant zu erbringen und eine sinnvolle medizinische Versorgung zu gewährleisten. Der Abbau von Überkapazitäten durch die Krankenhausreform und durch die massive Verlagerung von Leistungen in den ambulanten Sektor kann nur mit und nicht ohne eine starke selbstständige, niedergelassene Fachärzteschaft ohne Qualitätseinbußen gelingen.
Herr Dr. Vogel, danke für das Gespräch.
Das Interview führte Janosch Kuno