DÜSSELDORF – Wenn die Knorpelschicht, die für eine reibungsfreie Bewegung im Kniegelenk sorgt, beschädigt ist, können Orthopäden heute gleich auf mehrfache Weise helfen. Ein Experte stellte auf der diesjährigen MEDICA EDUCATION CONFERENCE am 16. November in Düsseldorf die aktuellen Therapiemöglichkeiten vor, nannte aber auch Grenzen der Behandlung.
Der Gelenkknorpel ist ein empfindliches Gewebe, das leicht beschädigt werden kann. „Bei Kniespiegelungen finden wir bei zwei von drei Patienten mindestens eine Läsion“, berichtet Privatdozent Dr. Justus Gille, Oberarzt an der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein: „Bei jedem fünften Patienten sind die Defekte so tief, dass der Knochen zu sehen ist.“
Früher galten Beschädigungen am Gelenkknorpel als nicht reparierbar, weil das Knorpelgewebe nur eine sehr begrenzte Fähigkeit hat, sich selbst zu erneuern. Im Verlauf der letzten Jahre wurden jedoch gleich mehrere Behandlungsverfahren entwickelt. Gille teilt sie in zwei Gruppen: Bei der ersten wird versucht, die Selbsterneuerung durch Anfrischen des Knorpeldefektes anzuregen. Bei der zweiten Gruppe werden Knorpelstücke von gesunden, wenig benutzten Abschnitten entweder direkt verpflanzt oder entnommene Knorpelzellen im Labor vermehrt und dann in einer zweiten Operation implantiert.
„Eine Auffüllung des Defektes mit Knorpelersatzgewebe kann durch die Stimulation des Knochenmarks unterhalb des Knorpeldefekts erreicht werden“, erklärt Gille. Der Orthopäde und Unfallchirurg entfernt zunächst die geschädigten Knorpelanteile. Danach gibt es zwei Verfahren. Entweder sticht der Operateur mit einer speziellen Ahle an mehreren Stellen durch die Knochenschicht bis ins Knochenmark. Dies wird als Mikrofrakturierung bezeichnet. Alternativ kann der Arzt auch mehrere Löcher in den Knochen bohren. Beide Male kommt es zu einer Blutung. „In dem Knorpeldefekt bildet sich ein Gerinnsel, das neben roten Blutzellen auch Stammzellen enthält“, so der Experte: „Diese Stammzellen bilden dann einen Ersatzknorpel.“
Das neue Gewebe erreiche jedoch nicht die Qualität des ursprünglichen Gelenkknorpels, berichtet Gille. Deshalb wurde nach einer Optimierung dieser Verfahren gesucht, die nun als innovative Verfahren zur Verfügung stehen. Hierbei wird durch ein zusätzliches Einbringen einer Matrix in den Defekt die Qualität des Ersatzknorpels verbessert. Eine weitere Möglichkeit ist eine Transplantation. „Der Gelenkknorpel überdeckt nicht nur die Regionen, in denen die Knochen miteinander in Kontakt treten“, sagt Gille: „Menschen verfügen über Reserven an nicht belasteten Stellen. Diese können für eine Transplantation genutzt werden“. Auch hier gibt es mehrere Verfahren. Bei der Knorpel-Knochentransplantation werden kleine Zylinder aus den gesunden unbelasteten Bereichen herausgestanzt, um sie dann in den Knorpeldefekten einzupflanzen. Dieses Verfahren wird auch als Mosaikplastik bezeichnet. Sie kann bei einer einzelnen Kniespiegelung durchgeführt werden. Bei der zweiten Methode, der autotologen Chondrozytentransplantation sind zwei Eingriffe erforderlich. Im ersten Eingriff wird während einer Kniespiegelung gesundes Knorpelgewebe entfernt. Im Labor werden dann die lebenden Zellen (Chondrozyten) aus dem Knorpel isoliert und in Zellkulturen vermehrt. In einem zweiten Eingriff werden die angezüchteten Zellen in den Knorpeldefekt implantiert, wo diese dann einwachsen.
Welche Methode die besten Ergebnisse liefert, ist laut Gille derzeit nicht bekannt. „Die bisherigen Studien haben gezeigt, dass viele Verfahren zur Knorpeldefektbehandlung in den ersten Jahren gute Ergebnisse liefern“, berichtet der Experte. Langzeitvergleiche lägen aber noch nicht für alle Verfahren vor. Klar sei auch, dass die Knorpelersatztherapie nicht für alle Patienten geeignet ist. „Die besten Ergebnisse werden bei jüngeren Menschen mit kleineren Knorpeldefekten erzielt. Wenn es bei älteren Menschen zu ausgedehnten Verschleißerscheinungen gekommen ist, ist es für die Knorpelersatztherapie in der Regel zu spät“, resümiert der Referent der MEDICA EDUCATION CONFERENCE 2015, die vom 16. bis 19. November in Düsseldorf stattfindet. Am Thementag Chirurgie und neue operative Techniken am 16. November 2015 ging es dort um Technische Verfahren zur Behandlung von Defekten an Knorpel und Knochen.