Bremen – Komplizierte Knochenbrüche werden häufig mit Schrauben und Platten aus Titan oder Stahl fixiert. Bleiben diese im Körper, können sie Beschwerden auslösen. Ein neuer, biokeramischer Schraubnagel könnte die bislang verwendeten Metallteile ersetzen. Er lässt sich leicht in den Knochen einbringen und muss nicht wieder entfernt werden. Fraunhofer-Forscher präsentieren den Schraubnagel vom 14. bis 17. November 2016 auf der Messe MEDICA in Düsseldorf.
Die operative Entfernung von Schrauben und Platten aus Titan oder Stahl nach der Heilung eines Bruchs ist aufwendig und belastend für die Patienten. Bleiben die Schrauben jedoch im Körper, können sie bei empfindlichen Menschen Entzündungen oder Allergien auslösen. Diese Beschwerden könnten bald Geschichte sein: Forscher des Fraunhofer-Instituts für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM in Bremen haben gemeinsam mit Partnern der Unikliniken Gießen-Marburg und Bonn, sowie der Universität Bremen einen biokeramischen Schraubnagel entwickelt. Der sogenannte „Schragel“ besteht aus Calciumphosphat, das im Wesentlichen der Zusammensetzung der Knochensubstanz entspricht.
Verminderte Verletzungsgefahr an Sehnen und Knochen
Gefördert wurde das Projekt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit einer Million Euro. Wichtige Aufgabenstellungen waren laut Dr. rer. nat. Sebastian Hein vom IFAM, den Schraubnagel keramikgerecht zu designen und zu härten. Im Gegensatz zur herkömmlichen medizinischen Schraube aus Titan oder Polymer wird der Schragel nicht in den Knochen geschraubt, sondern vorsichtig eingehämmert. Deshalb haben die Forscher eine spezielle Gewindeform für den Schragel entwickelt. So lässt er sich mit wenigen Rotationen einbringen und vermindert die Verletzungsgefahr an Sehnen und Knochen.
Der keramische Schraubnagel muss nicht entfernt werden, weil er in den Knochen einwächst: Die beiden hauptsächlich verwendeten Biokeramiken Calciumphosphat oder Hydroxylapatit sind dem Knochenmaterial sehr ähnlich. Das sei ein wesentlicher Vorteil gegenüber Polymerschrauben, die sich im Körper auflösen, so die Forscher. Abbauprodukte von Polymerschrauben verursachen Entzündungen. Im Knochen können nach der Auflösung Hohlräume entstehen. Dadurch wird er instabil und kann leichter brechen. Keramikbasierte Schraubnägel lösen sich nicht auf, sondern verbinden sich mit dem Knochen. Im Idealfall forcieren sie laut Hein sogar den Knochenaufbau.
Patienten-spezifische Implantate
Die größte Herausforderung für das Entwickler-Team von IFAM und Uni Bremen war es, eine maximale Festigkeit des Materials zu erreichen, da Keramiken brechen können. Mit Hilfe der Spritzgusstechnik gießen die Forscher Hydroxylapatit-Pulver in Schragel-Formen und erhitzen es. Ohne Lufteinflüsse ergeben sich so optimal dichte Bauteile. Gerade für die Serienfertigung sei dieses Verfahren sehr günstig und lasse ein flexibles Design zu. Das Hydroxylapatit-Pulver könne aber auch im Zusammenhang mit 3D-Druckern eingesetzt werden. Dies ermögliche die Fertigung patientenspezifischer Implantate, so die Forscher.
Hein rechnet damit, dass der Schragel bald bei Operationen eingesetzt wird, denn Calciumphosphat wurde bereits auf seine Biokompatibilität getestet und ist schon seit einigen Jahren als medizinischer Werkstoff in Gebrauch. Hinzu kommt, dass die Ärzte bei Operationen an Schafen die Schragel viel schneller und exakter einhämmern konnten als Standardschrauben. „Ein Effekt mit dem wir gar nicht gerechnet hatten“, sagt Hein. So kann die Operations- und Narkosezeit für den Patienten verkürzt werden.
Vom 14. bis 17. November präsentieren die Forscher den Schragel auf der Messe MEDICA in Düsseldorf am Stand von Fraunhofer-IFAM (Halle 10, Stand G05).
Quelle: Fraunhofer-Gesellschaft