Birmingham – Ob für Stents, Nahtmaterialien oder Implantate – der Einsatz bioresorbierbarer Materialien, die sich im Körper nach gewisser Zeit auflösen, wird in der Medizintechnik bereits seit einigen Jahren erforscht. Auch der internationale Chemiekonzern Evonik Industries ist in diesem Bereich aktiv und arbeitet an neuartigen, abbaubaren Composite-Materialien, die künftig Implantate aus Metall bei der Versorgung von Knochenbrüchen ersetzen können.
Das Forschungsprojekt ist ein Vorhaben des Evonik-Projekthauses Medical Devices in Birmingham, Alabama in den USA. Ziel der Forscher ist es, leistungsfähige, bioresorbierbare Implantatmaterialien zu entwickeln, die Knochen nach Brüchen stabilisieren können. Der Markt für solche Materialien ist groß: Osteoporose allein verursacht jährlich mehr als 8,9 Millionen Knochenbrüche weltweit, Tendenz steigend. „Langfristig haben wir die regenerative Medizin im Blick: Wir wollen Bioimplantate schaffen, um geschädigtes Gewebe im Körper durch gesundes ersetzen zu können. Unsere aktuellen Arbeiten an den bioabbaubaren Composites sind hierfür ein erster Schritt“, sagt Dr. Andreas Karau, Leiter des Projekthauses.
Die Basis für diese Composite-Materialien sind Polymere auf Polymilchsäurebasis. Diese werden im Körper komplett zu Kohlenstoffdioxid und Wasser abgebaut. Die Abbauzeit lässt sich durch Zusammensetzung, Kettenlänge und Kristallisationsgrad des Polymers gezielt steuern. Sie kann zwischen wenigen Wochen und etlichen Monaten betragen.
Die von Evonik entwickelten und unter dem Namen RESOMER vermarkteten Polymere werden derzeit bereits in der Herstellung von bioabbaubaren Schrauben, Stiften und kleinen Platten eingesetzt. Sie stabilisieren gerissene Bänder im Knie- oder Schultergelenk und werden zum Teil auch in der Versorgung von Brüchen kleinerer Knochen in Fingern oder im Gesichtsschädel angewendet.
„Für die Anwendung bei großen, tragenden Knochen fehlt es den derzeit verfügbaren Materialien allerdings noch an Festigkeit“, erklärt Karau. Deshalb testen die Forscher den Einsatz anorganischer Substanzen, wie zum Beispiel Derivate von Calciumphosphat, zur Verstärkung der bioabbaubaren Polymere. Diese sollen die Materialien nicht nur härter machen, sondern auch ihre Biokompatibilität verbessern. „Calcium und Phosphat können beim allmählichen Abbau des Polymers zur Bildung von Knochenmaterial verwendet werden“, beschreibt Karau die Idee.
„Langfristig denken wir auch daran, Polymermatrizes zu schaffen, die mit lebenden Zellen besiedelt werden können, also echte biologische Implantate.“ Damit ließe sich dann zum Beispiel Knorpelgewebe erneuern. Aber vorher müsse vor allem die Biokompatibilität der Materialien verbessert werden, so Karau.
Bild:
Ein Mitarbeiter des Projekthauses Medical Devices in Birmingham befüllt einen Extruder mit Polymergranulat.
Quelle: Evonik Industries AG