Die regenerative Medizin hat in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte gemacht und bietet Orthopäden innovative Therapieoptionen für muskuloskelettale Erkrankungen. Eine dieser Technologien ist die Extrakorporale Magnetotransduktionstherapie (EMTT), die sich als nicht-invasive, gut verträgliche und vielversprechende Behandlungsmethode etabliert hat. Sie stimuliert gezielt die zelluläre Regeneration und unterstützt Heilungsprozesse im Muskel-, Sehnen- und Knochengewebe, wodurch sie eine bedeutende Rolle in der modernen orthopädischen Rehabilitation spielt.
Physikalische Grundlagen der EMTT
Die EMTT nutzt hochfrequente elektromagnetische Felder zur gezielten Stimulation regenerativer Prozesse. Die Besonderheit dieser Technologie zeichnet sich durch eine hohe Schwingungsfrequenz (> 100 kHz) und eine Magnetfeldstärke von 30 bis 80 mT aus.
Das zentrale Wirkprinzip basiert auf elektromagnetischer Induktion, welche aufgrund des sich ändernden Magnetfeldes ein elektrisches Feld und damit elektrische Spannung im Gewebe erzeugt. Der EMTT-Applikator enthält eine speziell gewundene Spule, die hochfrequente Magnetfelder erzeugt und eine Eindringtiefe von bis zu 18 cm erreicht (Abb. 1). Dadurch können tiefer gelegene Gewebestrukturen behandelt und Heilungsprozesse auf zellulärer Ebene effektiv angeregt werden.
Wichtig ist die Abgrenzung zu PEMF-Geräten (Pulsed Electromagnetic Field). Während PEMF-Technologien aufgrund ihrer geringeren Transduktionsleistung nur begrenzte Tiefenwirkungen erzielen, erzeugt EMTT durch ihre hohe Oszillationsfrequenz (100–300 kHz) und Magnetfeldstärke eine effektive Transduktionsleistung von über 60 kT/s. Diese höhere Leistungsdichte ermöglicht eine intensivere Beeinflussung zellulärer und biologischer Prozesse.
Wirkprinzip und Effekte der EMTT
Wirkmechanismus
Die EMTT wirkt auf zellulärer Ebene und nutzt zwei zentrale Prozesse:
- Piezoelektrizität: Piezoelektrizität ist die Fähigkeit von Materialien, bei mechanischer Verformung elektrische Spannung zu erzeugen oder durch Anlegen einer elektrischen Spannung verformt zu werden. Kollagenhaltige Strukturen wie Knochen, Muskeln, Sehnen und Bänder haben piezoelektrische Eigenschaften. Diese Eigenschaften ermöglichen es, dass Strom die Struktur der Zellmembran verändert, was zur Stimulation von Gewebe führt und die Durchlässigkeit von Ionenkanälen erhöhen kann. Die Öffnung dieser Kanäle kann eine Reihe von Reaktionen innerhalb der Zelle auslösen, was zu unterschiedlichen Zellantworten wie dem Abtransport von entzündungsfördernden Substanzen, der Entspannung der Muskulatur und einer verbesserten Durchblutung führt. Diese Prozesse können zu einer Schmerzlinderung beitragen (Abb. 2)
- Elektroporation: Kurzzeitige Impulse führen zu einer vorübergehenden Durchlässigkeit der Zellmembran. Dies verbessert den Austausch von Ionen und Molekülen und beschleunigt Heilungsprozesse (Abb. 3).
Klinische Effekte
Diese Mechanismen führen zu einer Reihe von positiven therapeutischen
Effekten:
- Schmerzlinderung: Durch die Modulation neuronaler Aktivierung und entzündlicher Prozesse können Patienten bereits nach wenigen Sitzungen eine signifikante Schmerzreduktion erfahren.
- Beschleunigte Geweberegeneration: Die EMTT stimuliert osteogene und fibroblastische Zellaktivierung, was die Heilung von Sehnen, Muskeln und Knochen unterstützt.
- Entzündungshemmung: Die EMTT beeinflusst die Verminderung von Entzündungsmediatoren und wird erfolgreich bei degenerativen (Arthrose) und entzündlichen (Arthritis) Erkrankungen eingesetzt.
Indikationen und Kontraindikationen
Die EMTT wird hauptsächlich in der Behandlung muskuloskelettaler Erkrankungen eingesetzt. Sie kann als eigenständige Therapie oder in Kombination mit der Extrakorporalen Stoßwellentherapie (ESWT) angewendet werden. Zu den Hauptindikationen gehören:
- Tendinopathien, Arthrosen und degenerative Gelenkerkrankungen – auch im aktivierten Stadium
- Lumbale/cervicale Schmerzsyndrome mit discogen/osteogener Genese, aktivierte Spondylarthritiden
- Knochenmarksödeme, z. B. Osteitis pubis, Muskelverletzungen
Trotz der hohen Sicherheit gibt es einige Kontraindikationen. Zu den absoluten Kontraindikationen zählen Herzschrittmacher, elektronische Implantate sowie Schwangerschaft. Relative Kontraindikationen sind Tumore im Behandlungsbereich und
Tätowierungen sowie Permanent-Make-up mit Metallpartikeln, Patienten mit gestörtem Temperaturempfinden und die Anwendung bei Kindern.
Behandlungskonzept
Die EMTT ist besonders anwenderfreundlich und erfordert keine spezielle Vorbereitung (Abb. 4). Der Applikator wird direkt über der zu behandelnden Körperregion positioniert, wobei die Kleidung nicht abgelegt werden muss. Die Therapie erfolgt mit einer Frequenz von bis zu 10 Pulsen pro Sekunde. Die Pulsstärke wird individuell angepasst. Je nach Krankheitsbild wird die Pulsstärke entsprechend angepasst. In Abhängigkeit von Indikation und Frequenz dauert eine Behandlung zwischen 5–20 Minuten.
Evidenzlage
Die Wirksamkeit der EMTT wird durch eine wachsende Anzahl wissenschaftlicher Studien bestätigt.1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11 Eine aktuell publizierte Zellstudie3 an humanen Osteoblasten konnte belegen, daß durch den Effekt von EMTT die Osteoblastogenese in allen Stadien, ebenso wie die Kollagensynthese und die Matrixmineralisation stimuliert wird. Der Einsatz von EMTT zeigt vielversprechende Ansätze zur Beschleunigung der Frakturheilung, möglicherweise auch zur verbesserten Osteointegration von Implantaten, was in klinischen Studien weiterhin untersucht werden wird.
Fazit
Die EMTT stellt eine vielversprechende Erweiterung konservativer Therapieoptionen dar und spielt eine zunehmend bedeutende Rolle in der regenerativen Orthopädie. Durch ihre wissenschaftlich belegte Wirksamkeit, hohe Patientenzufriedenheit und einfache Anwendung bietet sie Orthopäden eine effektive und sichere Behandlungsmöglichkeit für eine Vielzahl muskuloskelettaler Beschwerden. Dabei eignet sich EMTT sowohl als stand-alone-Verfahren als auch in Kombination speziell mit ESWT-Therapie.5, 6, 7
Literatur auf Anfrage bei der Redaktion.