Vier Themenschwerpunkte dominierten den Deutschen Ärztetag 2025. Weiterbildung, KI, GOÄ und Schwangerschaftsabbruch. Daneben gab es noch eine Vielzahl von Themen und Anträgen. Ein Nachbericht vom Deutschen Ärztetag 2025, verfasst von Dr. Johannes Flechtenmacher, Carsten Mohrhardt und Dr. Jörg Ansorg.
Ärztliche Weiterbildung im Fokus
Überarbeitung der (Muster-)Weiterbildungsordnung (MWBO)
Der 129. Deutsche Ärztetag hat bedeutende Fortschritte bei der Aktualisierung der MWBO erzielt. Die Überarbeitung der Abschnitte A (Paragraphenteil) und C (Zusatz-Weiterbildungen) wurden beschlossen., die Überarbeitung des Abschnitts B, der die Facharzt- und Schwerpunktkompetenzen regelt, ist in Vorbereitung und soll auf dem nächsten Deutschen Ärztetag 2026 beschlossen werden.
1. Reform der Zusatz-Weiterbildungen (ZWB)
Die Zusatz-Weiterbildungen wurden neu strukturiert, um ihre Praxisrelevanz und Transparenz zu erhöhen. Strukturell wurden den Zusatz-Weiterbildungen drei unterschiedliche Strukturen zugrunde gelegt:
- Interdisziplinäre ZWB: (Mindest-)Weiterbildungszeit bei einem Befugten, Dokumentation der Kompetenzen im eLogbuch, Kammerprüfung.
- Berufsbegleitende ZWB: Ohne (Mindest-)Weiterbildungszeit, jedoch mit Befugtem und Dokumentation der Kompetenzen eLogbuch , Kammerprüfung.
- Kursbasierte ZWB: Bestehend aus Kursen und Fallseminaren, keine Weiterbildungszeit, aber mit Kammerprüfung.
Zusatzweiterbildungen die nur ein Fachgebiet betreffen, werden künftig als Schwerpunkte geführt.
Neu eingeführt werden soll die ZWB „klinische Palliativmedizin“ als Interdisziplinäre Zusatzweiterbildung mit (Mindest-)Weiterbildungszeiten in Ergänzung zu bisher bestehenden und berufsbegleitend erwerbbaren Palliativmedizin.
Von besonderem Interesse für die Orthopädie und Unfallchirurgie im Bereich der Zusatzweiterbildungen dürfte die Aufnahme des Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie als Voraussetzung für den Erwerb der Zusatzweiterbildung Geriatrie darstellen. Dies stellt sicher, dass auch Orthopäden und Unfallchirurgen zukünftig im stetig wachsenden Bereich der Versorgung älterer Patienten, insbesondere bei Frakturversorgungen, ihre Expertise einbringen können.
2. Stärkung von Weiterbildungsverbünden
Um eine strukturierte Weiterbildung zu gewährleisten, sollen Landesärztekammern vermehrt Weiterbildungsverbünde fördern.
Dies soll insbesondere in unterversorgten Regionen die Ausbildung von Fachärztinnen und Fachärzten sichern.
2. Digitalisierung der Weiterbildung: eLogbuch
Die Nutzung des elektronischen Logbuchs (eLogbuch) wird weiter ausgebaut.
Es dient der Dokumentation der Weiterbildungsinhalte und -zeiten und soll die Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Weiterbildung erhöhen.
Diese Maßnahmen spiegeln das Bestreben wider, die ärztliche Weiterbildung flexibler, praxisnäher und zukunftsorientierter zu gestalten.
Künstliche Intelligenz in der Medizin
1. Digitale Medizin auf dem Vormarsch – KI als Zukunftsthema
Der Deutsche Ärztetag 2025 hat sich intensiv mit dem Einsatz und den Auswirkungen von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Medizin beschäftigt. In mehreren Anträgen, Impulsvorträgen und Podiumsdiskussionen wurde deutlich: KI-Systeme halten zunehmend Einzug in Diagnostik, Therapieplanung und administrative Prozesse.
Die Ärzteschaft sieht darin sowohl große Potenziale zur Verbesserung der Versorgung als auch erheblichen Regelungs- und Diskussionsbedarf.
2. Potenziale von KI – Unterstützung, nicht Ersatz
Ein zentrales Ergebnis der Diskussion: Künstliche Intelligenz kann ärztliches Handeln unterstützen, darf dieses jedoch nicht ersetzen. Insbesondere bei der Analyse großer Datenmengen, in der Bildverarbeitung (Radiologie, Dermatologie, Pathologie) oder bei der Erstellung von Risikoprofilen zeigt sich der Nutzen KI-gestützter Systeme. Sie ermöglichen präzisere Diagnosen, verkürzen Entscheidungswege und können die ärztliche Arbeitsbelastung reduzieren.
Gleichzeitig betonten zahlreiche Delegierte: Medizin bleibt eine Vertrauensbeziehung zwischen Arzt und Patient. Die Verantwortung für Diagnose und Therapie muss stets bei der Ärztin oder dem Arzt verbleiben.
3. Ärztliche Verantwortung und ethische Leitplanken
Der Ärztetag bekräftigte, dass der Einsatz von KI in der Medizin ethisch vertretbar, rechtlich klar geregelt und medizinisch sinnvoll sein muss. Wichtigste Grundsätze dabei sind:
- Transparenz und Nachvollziehbarkeit von KI-Entscheidungen („Explainability“)
- Verantwortung bleibt beim Menschen – keine Delegation von Haftung an Algorithmen
- Datensicherheit und Datenschutz nach höchsten Standards
- Vermeidung struktureller Diskriminierung durch unausgewogene Trainingsdaten
Die Bundesärztekammer wurde beauftragt, diese ethischen Standards weiterzuentwickeln und entsprechende Leitlinien zu formulieren. Daher hat der 129. Dt. Ärztetag die Einrichtung eines Expertengremiums in der Bundesärztekammer beschlossen. Zudem sollen Ärztinnen und Ärzte durch Fort- und Weiterbildungsangebote im Bereich KI gestärkt werden.
4. KI und ärztliche Weiterbildung
Ein weiteres Thema war die Integration von KI-Kompetenzen in die ärztliche Weiterbildung. Der Ärztetag unterstützt die Einführung digitaler Grundkompetenzen in alle Facharztweiterbildungen. Ziel ist es, Ärztinnen und Ärzte zu befähigen, KI-Systeme kritisch zu bewerten, sachgerecht zu nutzen und auch deren Grenzen zu erkennen.
Der technologische Wandel darf nicht zu einer Entfremdung vom ärztlichen Handeln führen, sondern muss ärztliche Expertise stärken.
5. Rechtliche Rahmenbedingungen: Bedarf an klaren Regelungen
Die rechtlichen Rahmenbedingungen für KI in der Medizin gelten derzeit als unzureichend. Der Ärztetag fordert den Gesetzgeber auf, zeitnah verbindliche gesetzliche Grundlagen zu schaffen, insbesondere zur Haftung, Zulassung und Qualitätssicherung von KI-Systemen im Gesundheitswesen.
Die europäischen Entwicklungen, insbesondere der AI Act, werden dabei begrüßt, jedoch müsse Deutschland eigene klare medizinethische Positionen einbringen.
Fazit: KI braucht ärztliche Gestaltung
Künstliche Intelligenz wird die Medizin verändern – nicht irgendwann, sondern jetzt. Der Deutsche Ärztetag 2025 hat ein klares Signal gesendet: Die Ärzteschaft ist bereit, diese Transformation aktiv mitzugestalten. Dabei gilt es, die Technologie zum Wohle der Patientinnen und Patienten einzusetzen, ohne die Verantwortung für das ärztliche Handeln aus der Hand zu geben.
Künstliche Intelligenz darf nicht die Medizin bestimmen – sie muss von Ärztinnen und Ärzten geführt und verantwortungsvoll genutzt werden. Der Mensch bleibt Mittelpunkt jeder Behandlung.
Novellierung der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ)
Breite Zustimmung zur neuen GOÄ – aber auch berechtigte Kritik
Auf dem diesjährigen Deutschen Ärztetag (DÄT) wurde die Novellierung der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) mit großer Mehrheit befürwortet. Die GOÄneu, ein betriebswirtschaftlich kalkulierter und mit der Privaten Krankenversicherung (PKV) konsentierter Entwurf, wird als notwendiger Schritt zur Modernisierung ärztlicher Vergütungssysteme angesehen. Die intensive und langjährige Arbeit des Vorstands der Bundesärztekammer, der Fachabteilungen sowie der ärztlichen Berufsverbände wurde von den Delegierten anerkennend gewürdigt.
GOÄneu: Konsens mit der PKV – Entscheidung beim BMG
Der nun verabschiedete Entwurf wird dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) übermittelt. Die Umsetzung obliegt der Bundesgesundheitsministerin in Form einer Rechtsverordnung. Ein Inkrafttreten wird frühestens für 2027 oder 2028 realistisch erwartet.
Historischer Nachholbedarf
Während Juristen, Architekten, Tierärzte und Ingenieure ihre Honorarordnungen in den vergangenen Jahren regelmäßig an die wirtschaftlichen und technologischen Entwicklungen anpassen konnten, gilt dies für die ärztliche GOÄ nicht. Die letzte umfassende Anpassung liegt Jahrzehnte zurück. Die Ärzteschaft fordert daher seit Langem eine gerechte, transparente und moderne Honorierung ärztlicher Leistungen – auch im Sinne der Nachwuchsgewinnung und Sicherstellung einer qualitätsvollen Patientenversorgung.
Einheit der Ärzteschaft betonen
Ein wesentliches Anliegen des Ärztetags war die Betonung der solidarischen Vertretung aller Ärztinnen und Ärzte – unabhängig von Fachrichtung oder beruflicher Stellung. Die Ärztekammern sind nicht Sprachrohr einzelner Gruppen, sondern vertreten sowohl Angestellte als auch Niedergelassene, Hausärzte wie Fachärzte. Diese Einheit ist in Zeiten grundlegender Reformen entscheidend, um politische Wirkung entfalten zu können.
Kritikpunkte an der GOÄneu
Trotz des breiten Zuspruchs wurden auch auf dem Ärztetag kritische Stimmen laut. Über 50 ärztliche Fachgesellschaften und Berufsverbände äußerten im Vorfeld des DÄT Bedenken bezüglich der Unterschiede zwischen der betriebswirtschaftlich kalkulierten GOÄ (Version 2022) und der nun konsentierten GOÄneu.
Bemängelt wurde insbesondere:
- Reduktion einzelner Honorare: In einigen Bereichen drohen Honorarkürzungen von bis zu 20 %, etwa in der Hand- und Fußchirurgie, der konservativen Orthopädie und Unfallchirurgie sowie der Skelettradiologie.
- Fehlender Inflationsausgleich: Die GOÄneu enthält keinen Mechanismus zur automatischen Anpassung an Inflation und Kostenentwicklung. Seit 2020 beträgt der Kaufkraftverlust (VPI) bereits 19,3 %. Prognostizierte Mehrausgaben der PKV in Höhe von 13,2 % in den ersten drei Jahren würden zu einem realen Einkommensverlust von ca. 6,3 % führen.
- Eingeschränkter Gestaltungsspielraum: Die geplante Abschaffung des bisherigen Gebührenrahmens mit Steigerungsfaktoren zugunsten fester, nicht unterschreitbarer Sätze schränkt die wirtschaftliche Unabhängigkeit ärztlicher Leistungserbringer erheblich ein. Erschwerniszuschläge sind vorgesehen, aber mit hohem Verwaltungsaufwand und rechtlichen Unsicherheiten verbunden.
Antrag auf Nachbesserung
Ein fraktionsübergreifender Antrag von über 30 Delegierten – darunter fünf aus dem Bereich Orthopädie und Unfallchirurgie – fordert Nachbesserungen an der verabschiedeten GOÄneu. Ziel ist eine transparente Gegenüberstellung der Änderungen zur ursprünglichen Fassung von 2022 sowie eine realistische Anpassung der Bewertung technischer und operativer Leistungen.
Die Antragsteller betonten die Notwendigkeit, der kommenden Ärztegeneration eine wirtschaftlich tragfähige Perspektive zu geben – und die Entwicklungen der Medizin angemessen zu honorieren.
Ausblick
Die Debatte zeigte: Die GOÄneu ist ein wichtiger, aber keineswegs abgeschlossener Schritt in einem komplexen Reformprozess. Die Bundesärztekammer und ihre Gremien sind aufgefordert, die kritischen Hinweise ernst zu nehmen und den eingeschlagenen Weg in engem Austausch mit der Ärzteschaft weiterzuentwickeln.
Eine vom BVOU und DGOU mandatierte Arbeitsgruppe wird sich um die Belange aus O&U weiter kümmern und den aktiven Austausch mit der Bundesärztekammer weiter führen.
Nur in solidarischer Einigkeit wird es gelingen, eine zukunftsfähige, gerechte und wirtschaftlich tragbare Gebührenordnung zu schaffen – im Interesse der Patientinnen und Patienten und der gesamten Ärzteschaft und natürlich sowohl für die konservativen wie auch operativ tätigen Kolleginnen und Kollegen aus O+U.
Schwangerschaftsabbruch im Fokus
1. Versorgung verbessern – Ausbildung stärken
Der Ärztetag stellte fest, dass in vielen Regionen Deutschlands der Zugang zu einem legalen Schwangerschaftsabbruch nicht mehr flächendeckend gewährleistet ist. Gründe sind u. a. rechtliche Unsicherheiten und der Rückzug vieler Medizinischer Einrichtungen aus diesem sensiblen Bereich.
2. Rechtslage prüfen – Entkriminalisierung gefordert
Zahlreiche Delegierte sprachen sich für eine Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs aus. Die geltende Regelung im Strafgesetzbuch (§ 218 StGB) wird von vielen Ärztinnen und Ärzten als nicht mehr zeitgemäß betrachtet. Der Ärztetag appellierte an die Politik, die Empfehlungen der Regierungskommission zur reproduktiven Selbstbestimmung zügig umzusetzen.
3. Ärztliche Haltung: Verantwortung und Gewissensfreiheit
Die Delegierten betonten die Bedeutung ärztlicher Verantwortung: Schwangerschaftsabbrüche müssen fachlich kompetent, rechtlich sicher und menschlich sensibel begleitet werden. Gleichzeitig muss die Gewissensfreiheit der Ärztinnen und Ärzte gewahrt bleiben – niemand darf zur Durchführung gezwungen werden.
Fazit
Der Ärztetag setzte ein klares Zeichen für Versorgungssicherheit, rechtliche Klarheit und eine professionelle ärztliche Haltung. Der Schwangerschaftsabbruch ist Teil medizinischer Realität – und verdient eine moderne, faire und ethisch reflektierte Regelung.