BERLIN–(BUSINESS WIRE)–Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) teilt die Auffassung des Deutschen Instituts für Zell- und Gewebeersatzes (DIZG) und der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie und Orthopädie (DGOU), dass Knochen Organe sind. Das teilte das Ministerium am 28. Oktober 2015 den beiden Einrichtungen schriftlich mit. Aus dem Schreiben geht hervor, dass sich das BMG weiter für eine künftige Umsatzsteuerbefreiung einsetzen will. Bereits am 31. August dieses Jahres habe man dem Bundesministerium für Finanzen (BMF) auf Anfrage mitgeteilt, dass Knochen als menschliche Organe anzusehen seien und dass man eine Umsatzsteuerbefreiung befürworte, heißt es in dem Schreiben des BMG.
Knochentransplantate, wie sie in der Unfallchirurgie und Orthopädie zum Einsatz kommen, sind seit 1. Januar 2015 umsatzsteuerpflichtig. Das Bundesministerium für Finanzen hatte die Umsatzsteuerbefreiung für humane Gewebe nach §4 Nr. 17a UStG speziell für allogene Knochentransplantate im Dezember 2014 im Rahmen eines Umsatzsteuer-Anwendungserlass aufgehoben. Begründet wurde dies damit, dass Knochen keine Organe seien.
Dagegen hatte sich das DIZG gewehrt und sich im Juli schriftlich an das BMG gewandt. „Wir sehen uns in unserer Einschätzung bestätigt und sind sehr froh, dass wir nun die Rückendeckung des Bundesgesundheitsministeriums haben“, sagt DIZG-Geschäftsführer Jürgen Ehlers. „Das Schreiben stimmt mich zuversichtlich, dass das Finanzministerium die Besteuerung von Knochen doch noch zurücknehmen wird.“
Humane Gewebetransplantate – darunter auch Knochen – sind seit mehr als 40 Jahren in den EU-Ländern von der Mehrwertsteuer befreit. Aus gutem Grund: Sie dienen dem Gemeinwohl der Gesundheitsversorgung. Dies hat das BMG in seinem Schreiben vom 28. Oktober noch einmal ausdrücklich bestätigt. Demnach haben Knochen neben einer Stützfunktion auch zahlreiche physiologische Funktionen wie Hormonbildung oder die Blutbildung im Knochenmark und müssen deshalb als Organe angesehen werden.
Dass Deutschland nun als einziges EU-Land Knochentransplantate von der Umsatzsteuerbefreiung ausgenommen hat, widerspricht nach Auffassung des DIZG der europäischen Menschenrechtskonvention bezüglich der Transplantation von menschlichen Organen und Geweben und ist ein schwerwiegender Verstoß gegen ethische Grundlagen der europäischen Union. Außerdem sei die Entscheidung des Finanzministeriums nicht in Einklang mit dem Paragraphen 152 des Vertrages zur Gründung der EU zu bringen.
„Es kann nicht sein, dass Deutschland als einziges EU-Land staatliches Einkommen auf Basis gespendeter menschlicher Gewebe erzielen will “, betont Jürgen Ehlers. Da Kliniken, also die Abnehmer der Knochentransplantate, in der Regel nicht vorsteuerabzugsberechtigt seien, bedeute der Erlass des BMF einen Preisanstieg von 19 Prozent und eine erhebliche Zusatzbelastung der Krankenhäuser. Ferner sei zu befürchten, dass bald noch weitere Gewebe, insbesondere Amnion, Sehnen und Bänder, vom Staat besteuert würden. „Deshalb haben wir uns von Anfang an gegen die neue Umsatzsteuerregelung mit einer umfassenden Informationskampagne gewehrt und juristische Schritte angekündigt“, so Ehlers. „Ich hoffe nun, dass das BMF zeitnah eine Korrektur im Interesse der Patienten und deutschen Gesundheitsversorgung vornimmt.“
Über das DIZG
Das Deutsche Institut für Zell- und Gewebeersatz (DIZG) ist ein gemeinnütziger Hersteller von allogenen Gewebetransplantaten und autologen Zellkulturen. Im Vordergrund stehen die Forschung und Entwicklung verbunden mit dem Ziel, Menschen mit schwersten Gewebedefekten eine verbesserte Perspektive auf Heilung zu bieten. Grundlage der Verwendung eines DIZG-Transplantats muss stets die Beurteilung des Operateurs sein, dass eine Verwendung humaner Gewebetransplantate aus medizinischen Gründen geboten ist. Das DIZG erweitert ständig die Transplantatvielfalt. Mittlerweile profitieren jedes Jahr knapp 35.000 Patienten mit schweren Verletzungen und Erkrankungen von rund 250 verschiedenen Transplantatarten aus den Laboren des DIZG.
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