Was bedeutet es, den größten europäischen Kongress für Orthopädie- und Unfallchirurgie als einer der Präsident leiten zu dürfen? Dr. Stefan Middeldorf spricht über die persönliche Bedeutung dieser Rolle, den Rückblick auf eine langjährige Kongress-Teilnahme und die Verantwortung, gemeinsam mit einem starken Team den Kurs für den DKOU 2025 zu setzen.
Herr Dr. Middeldorf, als Kongresspräsident des DKOU 2025 – was bedeutet diese Rolle für Sie privat und beruflich?
Dr. Stefan Middeldorf: Da ich Beruf und Privates nicht sonderlich trenne – hier folge ich übrigens meinem verehrten Lehrer und ehemaligen Chef, Prof. Hans-Raimund Casser –, kann ich Ihnen auf beides im Wesentlichen gleichlautend antworten: Große Ehre und ebenso große Herausforderung trifft es vermutlich am besten. Seit Mitte der 90er bin ich durchgängig Teilnehmer des Kongresses, immer mit eigenen Beiträgen und Seminaren oder zu Vorsitzen geladen. Nun einmal selbst Verantwortung zu übernehmen, gemeinsam mit meinen Co-Präsidenten, ist etwas ganz Besonderes, salopp gesagt: „mittendrin, statt nur dabei!“ Es ist kein Geheimnis, dass ich nicht mehr zu den ganz Jungen gehöre, der reguläre Abschluss meiner Berufstätigkeit nicht zu verleugnen ist, die Ehre der Kongresspräsidentschaft rundet da meine Laufbahn auch auf wunderbare Weise ab. Der Kongress an sich und seine Vorbereitung, auch die Durchführung, ist nicht ganz unähnlich einer großen Reise mit einer Dreimastbark. Der Kurs ist in gewisser Weise klar, muss aber den jeweiligen Wetterbedingungen angepasst werden. Und es geht auf keinen Fall alleine, es braucht ein großes Team, um ein solches Schiff am Laufen zu halten. Hier gibt es unheimlich viele engagierte, kompetente und fleißige Leute, die uns drei Kongresspräsidenten unterstützen. Das ist natürlich zunächst einmal die Kongressorganisation, die ganz viel Erfahrung mitbringt, insbesondere auch mit dem Umgang mit den handelnden Personen und Persönlichkeiten, dann natürlich die jeweiligen Geschäftsstellen mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, auch unsere jeweiligen Teams, und ich bin hier unheimlich dankbar, dass Dr. Sven Schemel, Dr. Tobias Riedl und PD Dr. Ricarda Seemann mich unterstützen – insbesondere Frau Seemann bringt ja als Kongresssekretärin aus dem Jahr 2024 sehr viel Input mit. Und dann sind es natürlich die Generalsekretäre Prof. Kladny und Prof. Pennig, die uns unterstützen. Die beiden würde ich mal so als Schutzengel bezeichnen: Wenn du sie nicht brauchst, sind sie im Hintergrund, wenn aber Not am Mann ist, unterstützen sie einen sofort, zumal mit ihrer großen Erfahrung. Ich möchte meiner Klinikgeschäftsführerin herzlich danken, dass sie mich über die gesamte Zeit der Vorbereitung unterstützt hat. Das ist heutzutage keine Selbstverständlichkeit mehr. Und natürlich habe ich mit Frau Dr. Michalke und Herrn Dr. Jakubaß als meine ärztlichen Vertreter in den verschiedenen Bereichen der Klinik bislang maximale Unterstützung erfahren – dafür bin ich sehr dankbar.
Der DKOU ist Europas größter Fachkongress für Orthopädie und Unfallchirurgie. Welche Schwerpunkte und Innovationen erwarten die Teilnehmer in diesem Jahr?
Dr. Middeldorf: Der DKOU ist die wichtigste Veranstaltung in unserem Fach, mit steigenden Teilnehmerzahlen, die inzwischen sogar den Kongress der American Academy of Orthopaedic Surgeons (AAOS) übertreffen. Zudem haben wir in diesem Jahr eine überaus geeignete Location. Der Wechsel aus den Messehallen, die ja mal als Provisorium gedacht waren, dann aber doch lange überdauerten, in den CityCube – dies wurde sehr gut vorbereitet – wird sicherlich nochmals die Attraktivität der Veranstaltung steigern. Viele wichtige Themen warten auf die Teilnehmer. Aus berufspolitischer Sicht ist hier natürlich zunächst die Krankenhausreform zu nennen, aber ebenso die Notfallversorgung, Prävention, Patientensteuerung, Bürokratieabbau, Hybrid-DRG, Primärarztversorgung und die nachhaltige Finanzierung unseres Gesundheitssystems. Als Schwerpunktthemen haben wir Präsidenten uns zudem die Digitalisierung und neue Technologien, Big Data und künstliche Intelligenz, Gelenkerhalt und -ersatz, konservative Therapie und Versorgungsstrukturen sowie Sportverletzungen gesetzt. Natürlich wird es auch wieder um die wichtigen Themen aus dem Bereich der Grundlagenforschung gehen. Neben den sog. „gesetzten“ Sitzungen, also Themen, die aus dem Bereich von medizinischen Fachgesellschaften, Sektionen und Dezernaten kommen, gab es zudem eine Auswahl aus 1250 Abstracts zu treffen; über 50% wurden zur Präsentation als Vortrag oder Poster angenommen. An dieser Stelle darf ich zunächst einmal allen Einreichenden für die sehr hochwertigen Beiträge danken, ebenso den Gutachtern für ihren Einsatz bei der Bewertung.
Angesichts der internationalen Krisen und Unsicherheiten: Wie bereiten Sie die Kliniken auf neue Gefährdungslagen vor und welche Rolle spielt der DKOU dabei?
Dr. Middeldorf: Wir werden mit unserem Programm auch der Tatsache Rechnung tragen, dass wir international in bewegten Zeiten mit wachsender Unsicherheit und militärischen Konflikten in der Ukraine und in Nahost leben, und auch mit einer Neuordnung der transatlantischen Partnerschaft konfrontiert sind. Welche Auswirkungen zunehmende Gefährdungslagen auf unsere Kliniken haben und wie wir uns vorbereiten können, werden wir in mehreren Sitzungen behandeln. Die Interdisziplinarität war uns ebenfalls wichtig, gemäß unseres Mottos: Fortschritt gemeinsam gestalten. Als Ärzte sind wir Teamplayer, sowohl in Praxis als auch Klinik. So ist es nur selbstverständlich, dass wir einen Austausch generationsübergreifend pflegen – ich darf hier nur das Junge Forum nennen –, auch die Industrie ist natürlich unser Partner, mit der wir Innovationen entwickeln können. Sessions wird es darüber hinaus selbstverständlich auch für Studierende, Pflegende, Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten geben. Am Kongress-Freitag findet zudem der traditionelle Patiententag statt, in Zusammenarbeit mit der Deutschen Rheuma-Liga. Also eine sehr runde Sache.
Mit Spanien und Österreich als Gastländern: Welche Impulse und Erfahrungen erhoffen Sie sich von diesem internationalen Austausch?
Dr. Middeldorf: Unsere Gastländer, Spanien und Österreich, sind mit zahlreichen Sitzungen eingebunden, wir erwarten hier Impulse zu Fokus-Themen wie Knorpelrekonstruktion, Versorgung der Hüftdysplasie, Kurzschaft-Endoprothetik, Verletzungen des Beckenrings und periprothetische Frakturen. Gespannt können wir sein, wie in den verschiedenen Ländern diese anspruchsvollen Themen therapeutisch angegangen werden. Bei der Eröffnungsfeier am Kongress-Dienstag werden wir übrigens den Präsidenten der Bundesärztekammer, Herrn Dr. Klaus Reinhardt, begrüßen dürfen. Uns erwartet hier eine spannende Diskussion zu aktuellen gesundheitspolitischen Entwicklungen.
Welche spezifischen Herausforderungen in der Orthopädie und Unfallchirurgie möchten Sie ganz persönlich mit dem diesjährigen Kongress besonders adressieren?
Dr. Middeldorf: Die Auswahl hängt natürlich zunächst mit meinen persönlichen Arbeitsschwerpunkten zusammen, immer aber auch mit dem Blick darauf, was die Kongressteilnehmer interessieren könnte. Als Präsident des Berufsverbandes stehen selbstverständlich zuerst berufspolitische Themen im Vordergrund. Da brennen wir in diesem Jahr wahrlich ein Feuerwerk an Themen ab, denn es gibt auch wirklich viele relevante Themen, zu denen informiert werden muss und zu denen wir diskutieren wollen: Primärarztversorgung, Hybrid-DRG, KVKHG, um nur einige Beispiele zu nennen. Der Bogen ist hier aber noch viel weiter zu spannen: Es geht darum, wie Orthopädie und Unfallchirurgie in die Versorgung eingebracht werden können. Versorgungsverträge, Disease Management und indikationsspezifische Behandlungsansätze zu verschiedenen Krankheitsbildern werden wir hier präsentieren. Dank an dieser Stelle übrigens auch an die vielen Kolleginnen und Kollegen des BVOU, aus Vorstand und Dezernaten, die hier spannende Sessions zu brandaktuellen Themen einbringen werden. Aus meinen Arbeitsschwerpunkten kommen darüber hinaus zahlreiche Sessions zu konservativer Orthopädie & Unfallchirurgie, Rehabilitation, Technischer Orthopädie und Begutachtung.
Die Schön Klinik ist das größte Familienunternehme im Deutschen Krankenhaussektor. Interdisziplinäre Zusammenarbeit ist hier ein zentraler Aspekt in der Schön Klinik. Wie wichtig ist dieser Ansatz für die Rehabilitation in der Orthopädie und Unfallchirurgie?
Dr. Middeldorf: Interdisziplinäres Arbeiten ist in Klinik und Praxis heute nicht mehr wegzudenken. Oft sind es erst die Netzwerke, die unseren Patientinnen und Patienten einen Mehrwert und eine rasche Genesung ermöglichen. Gelebte Interdisziplinarität finde ich an meinem Arbeitsplatz in der Zusammenarbeit mit der Neurologischen und Psychosomatischen Klinik wieder. Hier gibt es beispielsweise abteilungsübergreifende Behandlungsprogramme, die unsere Patientinnen und Patienten sehr schätzen. Wir unterscheiden uns in diesem Punkt gar nicht so sehr von den Akutkrankenhäusern: Auch in der Unfallchirurgie ist es heute üblich, gemeinsam mit den internistischen Geriatern im Rahmen des Alters-Trauma zu arbeiten. Für die Rehabilitation gilt dies umso mehr, da wir unter Berücksichtigung des bio-psycho-sozialen Krankheitskonzepts arbeiten. Homo sapiens nimmt ja für sich in Anspruch, ein Bewusstsein zu haben – psychische und soziale Aspekte spielen hier, neben den körperlichen Beeinträchtigungen, eine große Rolle. Dies muss selbstverständlich auch in der Therapie adressiert werden; alles andere würde zu kurz greifen.
Wie hat sich die Rehabilitation in Deutschland entwickelt und auf welcher gesetzlichen Grundlage basiert sie?
Dr. Middeldorf: Seit 30 Jahren bin ich nun in der orthopädischen Rehabilitation tätig. Über diesen gesamten Zeitraum gab es immer wieder Diskussionen, ob man Rehabilitation in dieser Form in Deutschland überhaupt braucht oder ob sie nicht zu teuer sei – nach dem Motto: Im Ausland gibt es das ja auch nicht. Dabei werden, aus meiner Sicht, hier Äpfel mit Birnen verglichen. Während es in anderen Ländern – meist aus wirtschaftlichen Gründen – oft nur um eine punktuell auf die Funktionsverbesserung des operierten Gelenks fokussierte Behandlung geht, haben wir in Deutschland einen ganz anderen Anspruch, der sich aus unserer Historie und insbesondere aus der Sozialgesetzgebung ableitet und in jeder Hinsicht sinnvoll ist. So finden sich die speziellen Regelungen zur Rehabilitation beispielsweise im SGB V sowie im SGB IX. Es geht schlicht und ergreifend um die Teilhabe von Menschen – und nicht nur um das Durchführen von „Knack- und Back-Beübungen“ auf einer Therapieliege. Oft ist selbst in Fachkreisen nicht bekannt, auf welcher Grundlage wir diese rehabilitativen Maßnahmen erbringen. Wir arbeiten für die gesetzliche Krankenversicherung auf der Basis „Rehabilitation vor Pflege“, im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem Prinzip „Rehabilitation vor Rente“, und die gesetzliche Unfallversicherung arbeitet unter der Maßgabe „mit allen verfügbaren Mitteln“. Dabei ist unser Ansatz holistisch und – wie bereits gesagt – auf Basis des bio-psycho-sozialen Krankheitskonzepts. Es gibt eben nicht nur ein paar Einheiten Physiotherapie oder Massage, sondern der Anspruch ist, richtungsweisende Verbesserungen – auch durch edukative Elemente und Verhaltensschulung – zu erzielen, die gesundheitliche Verbesserungen anstoßen und Auswirkungen auf die Zukunft haben. Das Ziel ist, Menschen möglichst lange in ihren eigenen vier Wänden zu halten, statt einer Einweisung ins Pflegeheim. Ebenso geht es darum, angesichts der demografischen Entwicklung und der Tatsache, dass 50 % der Erwerbstätigen das reguläre Rentenalter gar nicht arbeitend erreichen, Menschen in die Lage zu versetzen, ihrer Berufstätigkeit länger nachgehen zu können – mit positiven Auswirkungen auf das Individuum und auf die Sozialkassen. Im Vergleich zu den technischen Innovationen im operativen Fachgebiet wirkt die Rehabilitation manchmal etwas altbacken. Doch das Gegenteil ist der Fall: Durch moderne Produkte wie ABMR im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung sowie MBOR und VOR im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung gelingt es, immer individueller und zielgenauer zu arbeiten. Auch wenn die Rehabilitation in den Krisenjahren Mitte der 90er-Jahre gelegentlich schon totgesagt wurde, sieht es heute völlig anders aus: Der Bedarf ist riesig. Der Trend zu Single-Haushalten mit fehlender Versorgung nach Operationen und Unfällen, der Wegfall traditioneller Familienverbünde, die zu erwartende längere Lebensarbeitszeit, Prävention und Erwerb von Gesundheitskompetenz sowie die immer frühere Entlassung aus immer kürzer werdenden Klinikaufenthalten – z. B. nach Hüft- und Knie-TEP-Implantationen – führen dazu, dass nahezu alle Reha-Einrichtungen von Vollbelegung bzw. anhaltend hoher Nachfrage berichten. Auch das Verhältnis zwischen stationärer und ambulanter Rehabilitation hat sich mittlerweile, je nach Bundesland, eingependelt.
Welche Rolle spielt die Digitalisierung in der Rehabilitation und wie hat die Covid-Pandemie diesen Prozess beeinflusst?
Dr. Middeldorf: Die Covid-Pandemie hat gezeigt, wie viel mehr auch digital möglich ist – sowohl bei der Vorbereitung vor elektiven operativen Eingriffen als auch im konkreten Reha-Prozess im ambulanten und stationären Setting sowie in der geeigneten Nachbehandlung im Sinne der Tele-Reha. Eine Unterstützung durch Digitalisierung tut zudem heute schon not, da wir ja mit Personalmangel in allen Bereichen unserer Einrichtungen zu kämpfen haben. Hier wird es uns nur mit smarten Lösungen, auch aus dem KI-Bereich, gelingen, unsere Aufgaben auch in Zukunft professionell und zielführend zu erledigen. Wir sind zwar schon auf einem guten Weg, aber es braucht Lösungen nicht nur für den Bereich der Verwaltung und Datenverarbeitung innerhalb des Behandlungsprozesses und der eigenen Klinik, sondern auch in der Vernetzung mit den Zuweisern sowie den Kolleginnen und Kollegen der Nachbehandlung. Die ePA ist hier ein Hoffnungsschimmer, in der Breite aber noch keinesfalls angekommen. Ich bin immer erstaunt, wie vergleichsweise unprofessionell wir diesbezüglich in den Kliniken im Vergleich zur Industrie arbeiten.Vor ca. 25 Jahren habe ich als QM-Beauftragter unserer Klinik, als die ISO-Zertifizierung eingeführt wurde, eine Hospitation bei Siemens Healthcare gemacht und mir angeschaut, wie sie dort ihre CTs zusammenschrauben. Das war aus Qualitätssicht sensationell, und es war mir fast peinlich, wie wir mit dem hohen Gut der Gesundheit doch in unseren Kliniken aus Prozesssicht umgehen. Das hat natürlich auch seine Gründe: Wir sind als Ärzte in erster Linie nicht auf standardisierte Abläufe und große Zahlen geeicht, sondern auf individuelle und maßgeschneiderte Lösungen, die wir mit unseren Patientinnen und Patienten erarbeiten. Da hat sich natürlich in den vergangenen Jahren sehr viel getan; die Orientierung an medizinischen Leitlinien und evidenzbasierter Medizin spielt heute eine viel größere Rolle, als es damals noch üblich war. Mein Credo in der Klinik ist auch immer, die Prozesse für die Routine möglichst sicher, einfach und straff zu gestalten, um sich damit Zeitfenster für die wirklich anspruchsvollen Behandlungsfälle zu erarbeiten.
Sie haben zahlreiche Zusatzqualifikationen. Wie beeinflusst diese breite Expertise Ihre Perspektive Ihre Themen des DKOU und Ihre Arbeit als Chefarzt?
Dr. Middeldorf: Da unterscheide ich mich nicht sonderlich von anderen Kolleginnen und Kollegen meiner (Boomer-) Generation. Zum einen war der Konkurrenzdruck unheimlich hoch, zum anderen hatte ich von Anfang an die konservative Orthopädie und schon bald auch die Rehabilitation im Blick. Ein breit aufgestelltes Behandlungsspektrum bedeutet ja auch immer, unseren Patientinnen und Patienten ein gutes und maßgeschneidertes Angebot nach ihren Präferenzen machen zu können. Meine ersten Kurse in TCM, Naturheilverfahren und Chirotherapie absolvierte ich übrigens während meiner unfallchirurgischen Zeit Anfang der 90er Jahre – quasi „Undercover“. Hätte mein damaliger Chef davon erfahren, wäre ich vermutlich rasch vom OP-Plan verschwunden. Die Technische Orthopädie, insbesondere die Rehabilitation nach Amputation und Prothesenversorgung, war lange Zeit einer meiner Arbeitsschwerpunkte. Auslöser dafür waren Fortbildungen an der damals noch eigenständigen Klinik für Technische Orthopädie in Münster, aber auch in einer Rehabilitationsklinik in Essen-Kettwig. In den letzten Jahren ist als weiterer Arbeitsschwerpunkt die interdisziplinäre multimodale Schmerztherapie hinzugekommen. Schmerztherapie in der Rehabilitation betreiben wir bei uns bereits seit den 90er Jahren. 2019 kam dann noch eine Krankenhausabteilung für IMST unter dem Dach der Orthopädie hinzu. Wir erleben das als außerordentlich bereichernd – es rundet unser Behandlungsspektrum ideal ab.
Sie sind seit Jahren in der Arbeitsgemeinschaft Leitender konservativer Orthopäden und Unfallchirurgen (ALKOU) aktiv. Ein zentrales Thema des ALKOU ist die Attraktivität der Weiterbildungsstellen in Rehakliniken. Was sind die größten Herausforderungen und wie können diese überwunden werden?
Dr. Middeldorf: Durch das Zusammengehen der Fachrichtungen Orthopädie und Unfallchirurgie, man muss es leider so sagen, ist uns der Fluss der an Weiterbildung Interessierten komplett weggebrochen. Die Inhalte der Weiterbildung liegen nachvollziehbar im Operativen, konservative Orthopädie &Unfallchirurgie und Rehabilitation rangieren unter „ferner liefen“. Heute sehen wir in Rehakliniken überwiegend Kolleginnen du Kollegen, die ihre Zukunft dauerhaft in der Reha sehen und u.U. gar keinen Facharzt anstreben, oft nicht aus Deutschland stammen, was sprachliche und kulturelle Themen mit sich bringen kann. In vielen Kliniken sind Stellen unbesetzt. Seit 2021 gibt es eine neue Weiterbildungsordnung für die Orthopädische Rheumatologie, in die viel Hoffnung gesetzt wurde, die aber bislang deutschlandweit aus verschiedenen Gründen, nicht wirklich ans Fliegen gekommen ist. Hier gibt es unter Einsatz einer Arbeitsgruppe unter Leitung von Prof. Christoph Lohmann, meinem Co-Präsidenten, flankiert und unterstützt durch unsere Fachgesellschaften, hier ins. Prof. Bernd Kladny, einen neuen Aufschlag mit einer sehr sinnigen und modifizierten inhaltlichen Gestaltung, die der Bundesärztekammer vorgelegt wurde. Die Idee dahinter ist, dass nach dem Facharzt Kolleginnen und Kollegen die Wahl haben, sich für die Spezielle Orthopädie, spezielle Unfallchirurgie oder eben für die Orthopädische Rheumatologie, die dann maßgebliche Inhalte der konservativen Orthopädie und Unfallchirurgie beinhalten würde, entscheiden können. Wenn diese Idee Wirklichkeit wird, wir befinden uns auf dem mehrjährigen Weg durch die Instanzen, sehe ich große Chancen für Kliniken, die konservative Orthopädie im rehabilitativen und Krankenhaussektor betreiben, wieder besser Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im ärztlichen Dienst zu gewinnen.
Abschließend: Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Orthopädie und Unfallchirurgie, sowohl in Ihrer Arbeit als auch auf berufspolitischer Ebene durch den DKOU?
Dr. Middeldorf: Die Zielparameter für einen Kongress, wie den DKOU, und für erfolgreiches Arbeiten in einer Klinik, sind gar nicht so unähnlich. In der Klinik geht es in erster Linie um Wiederempfehlungsrate und Patientenzufriedenheit. Die medizinische Qualität, die Strukturqualität und Abläufe der Prozesse, sind im wesentlichen Vehikel, um diese Ziele zu erreichen. Gleiches gilt auch für den Kongress, das Ziel ist es, möglichst viele Kolleginnen und Kollegen für die Teilnahme zu begeistern, das gelingt uns, indem wir ein attraktives und inhaltsreiches Programm zusammenstellen, das zudem auf unsere Zielgruppe passgenau zugeschnitten ist. Wie die Teilnehmer auf dem Kongress im Mittelpunkt stehen, so sind es auch unsere Patientinnen und Patienten in Klinik und Praxis. Wenn Sie nach der Zukunft fragen: Es muss der wesentliche Aspekt der Berufspolitik sein, geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen, ein durch Bürokratie möglichst ungestörtes, auskömmliches und freudvolles ärztliches Handeln ermöglicht, bei vorhandenen Ressourcen. je mehr Ärztinnen und Ärzte den Rücken frei haben, Störgeräusche unterbleiben, wirtschaftliche Sicherung gewährleistet ist, umso mehr gelingt es, empathisch und erfolgreich für unsere Patientinnen und Patienten zu wirken. Es ist eine Stärke des Berufsverbandes, ja seine Kernkompetenz, bei bestehenden Defiziten dieser Grundvoraussetzungen nicht nur zu kritisieren, sondern Lösungsmöglichkeiten anzubieten. Insbesondere auch der DKOU wird die genannten Themen maßgeblich mit verschiedensten Sitzungen und mit für uns allen relevanten Themen adressieren. Dank an der Stelle auch für meine Kolleginnen und Kollegen aus dem Berufsverband, Vorstand, Dezernate, Vorsitze der Landesverbände und Geschäftsstelle, die mich bei der Sitzungsplanung und mit ihren Angeboten hier maßgeblich unterstützt haben!
Herr Dr. Middeldorf, vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Janosch Kuno.