Die Zukunft der Orthopädie und Unfallchirurgie hängt maßgeblich von starken und gut ausgebildeten Assistenzberufen ab. Mit klaren Perspektiven, gezielter Förderung und echter Wertschätzung schaffen wir ein innovatives und leistungsfähiges Team für die Patientenversorgung von morgen, meint der Referatsleitet des neu gegründeten Referats Dr. Bodo Kretschmann.
Welche Ziele verfolgen Sie als Referatsleiter für die zukünftige Rolle von Assistenzberufen in der Orthopädie und Unfallchirurgie, insbesondere im Hinblick auf die interdisziplinäre Zusammenarbeit im Berufsalltag?
Dr. Bodo Kretschmann: Seit dem Jahr 2020 ist die Rolle des Physician Assistant (PA) in Deutschland gesetzlich festgeschrieben. In den Kliniken ist die Rolle des PA bis heute sehr heterogen umgesetzt. Zwischen einer echten eigenen „Rolle“ im Klinikalltag bis zu einem Mix aus OP-Assistenz und OTA ist alles vertreten. Hier sehe ich eine Chance zur Verbesserung unserer Klinikabläufe, zur Unterstützung der Kolleginnen und Kollegen in der Weiterbildung, aber auch zur Implementierung eines gut funktionierenden kollegialen Systems mit klar definierten Rollen. Es gilt, auch die Öffnung der Praxen für PAs voranzutreiben und die Rolle der „Arztassistentin/des Arztassistenten“ bekannter zu machen, sodass sie auch Akzeptanz bei unseren Patientinnen und Patienten erlangt. Die/Der MFA in der täglichen Patientenversorgung ist von unschätzbarem Wert. Unsere Mitarbeitenden unterstützen uns in der Praxisorganisation, in der Sprechstunde und in der Bewältigung der überbordenden Bürokratie. Die Übernahme von mehr Verantwortung in der Patientenversorgung gelingt schon durch gute Qualifizierungsmaßnahmen, wie z. B. die EFA-Fortbildungen oder die Kurse zur osteologisch fortgebildeten Assistenz. Diese Programme sollten weiter beworben und einer breiten Anzahl von Mitarbeitenden in den Praxen, aber auch in den Kliniken nähergebracht werden.
Welche Herausforderungen sehen Sie aktuell bei der Ausbildung und Integration von MFA und anderen Assistenzberufen in unserem Fachgebiet, und wie möchten Sie diese angehen?
Dr. Bodo Kretschmann: Die MFA sind eine tragende Säule unserer ambulanten Patientenversorgung. Zunehmend werden sie auch in den Kliniken eingesetzt und kompensieren dort unter anderem den Fachkräftemangel in den Pflegeberufen. Natürlich gilt es, möglichst viele junge Leute zu einer Ausbildung zur/zum MFA zu motivieren. Dies wird vor allem dann gelingen, wenn die MFA in einer Praxis oder Klinik eine zunehmende Eigenverantwortlichkeit erlangen und man in einem solchen Beruf auch Entwicklungsmöglichkeiten bekommt. Für die PAs mit einem abgeschlossenen Bachelor- oder Masterstudium muss ein gut strukturiertes Arbeiten im Team umgesetzt werden. Die Rollen sollten klar beschrieben sein. Hindernisse, die auf Basis alter gesetzlicher Vorgaben auftreten, sollten identifiziert und weiterentwickelt werden. Hier gibt es noch viel zu tun. Allerdings können wir ja aus Ländern wie den USA lernen, wie jahrzehntelange Kooperation zwischen Ärztinnen und Ärzten, PAs und Pflegepersonal hocheffizient funktioniert.
Wie möchten Sie die Attraktivität und das Berufsbild der Assistenzberufe in der Orthopädie und Unfallchirurgie für junge Menschen stärken und weiterentwickeln?Dr. Bodo Kretschmann: Bei den PAs geht es zunächst darum, den Bekanntheitsgrad auch bei Abiturientinnen und Abiturienten zu steigern. Das Berufsbild ist für Leute, die im Bereich der Medizin arbeiten wollen, hoch attraktiv. Durch Kooperation mit dem PA-Berufsverband erhoffe ich mir konstruktive gemeinsame Projekte. Die Integration in Kongresse wie den DKOU in Berlin und den VSOU in Baden-Baden kann Hemmschwellen und Berührungsängste abbauen und die Akzeptanz in der Ärzteschaft verbessern.Die MFA müssen in ihrem Selbstverständnis gestärkt werden. Dies gelingt durch Angebote von Schulungen zur Kommunikation mit Patientinnen und Patienten, Telefoncoaching und andere vielfältige Fortbildungsmöglichkeiten. Der Kontakt an der Rezeption ist ein Aushängeschild für unsere Praxen und Ambulanzen in den Kliniken. Ein professioneller Umgang mit den Hilfesuchenden, aber auch eine Stärkung des Selbstbewusstseins im Umgang mit unseren Patientinnen und Patienten, steigert die Professionalität.Aber auch das stetige Einfordern von Unterstützung aus der Politik ist ein wichtiger Ansatz. Wir brauchen die rechtlichen Grundlagen, unsere Mitarbeitenden entsprechend ihrer Qualifikationen einsetzen zu können. Die Not müsste mittlerweile groß genug sein, um Bewegung in ein starres Medizinsystem zu bringen.
Wie sehen Sie die Rolle des BVOU bei der Wertschätzung und Förderung von Medizinischen Fachangestellten (MFA) in orthopädisch-unfallchirurgischen Praxen, insbesondere im Rahmen der “Thank You MFA”-Kampagne?
Dr. Bodo Kretschmann: Die „Thank You MFA“-Kampagne ist eine wunderbar aufgemachte Initiative des BVOU, um Danke zu sagen. Ich glaube, dass hier auch noch der Bekanntheitsgrad gesteigert werden kann. Inwieweit die Angebote, die durchaus spannend sind, angenommen werden, sollte immer wieder evaluiert und ggf. nachgebessert werden. Aber als Signal der Wertschätzung zum Anfassen sollte jede Praxisinhaberin und jeder Praxisinhaber dieses Angebot kennen und an die Mitarbeitenden kommunizieren. Ein Wort des Dankes und der Wertschätzung kann nie zu viel sein.
Danke, Herr Dr. Kretschmann für das Gespräch.
Das Interview führte Janosch Kuno.