Die Stoßwellentherapie (ESWT) hat sich in den letzten Jahrzehnten als eine erfolgreiche nicht-invasive Methode zur Behandlung von akuten und chronischen Schmerzsyndromen sowie degenerativen Erkrankungen des Bewegungsapparates etabliert. Diese Therapie nutzt akustische Wellen, die über das Gewebe in den betroffenen Bereich eingeleitet werden, um physiologische Prozesse zu stimulieren und die Heilung zu fördern. Während die Anwendung von Stoßwellen in der klinischen Praxis mittlerweile weit verbreitet ist, zeigt sich zunehmend das Potenzial, diese Therapie mit anderen Behandlungsverfahren zu kombinieren, um die therapeutischen Effekte zu verstärken und die Heilung weiter zu optimieren. Im Folgenden werden die etablierten Kombinationsmöglichkeiten
einmal dargestellt.
Die Kombination verschiedener ESWT Verfahren (fokussiert und radial)
Nach fast 2 Jahrzehnten der Diskussion über die verschiedenen Indikationen und Behandlungsparameter mit den verschiedenen Geräten, hat sich in den vergangenen 5 Jahren immer mehr herausgestellt, dass zum einen beide Verfahren (fokussiert und radial) ihre eigenen Behandlungsprotokolle, Indikationen und Ergebnisse haben und zum anderen sich diese beiden physikalisch unterschiedlichen Verfahren sehr gut kombinieren lassen. Dadurch wird ein deutlich größeres Indikationsspektrum erreicht. Bedingt durch die verschiedenen physikalischen Eigenschaften lassen sich deutlich bessere Ergebnisse erreichen, dies bei nicht signifikantem Anstieg der potentiellen lokalen Nebenwirkungen wie Hauteinblutungen oder Schmerzen während der Behandlung.
Schon 2021 wurden die ersten kontrollierten Ergebnisse hinsichtlich der Ergebnisse einer kombinierten Behandlung publiziert. Das Ziel der Arbeit von Al-Khair war es, die klinischen, funktionellen und sonographischen Ergebnisse der fokussierten, radialen und kombinierten extrakorporalen Stoßwellentherapie (ESWT) bei der Behandlung der kalzifizierter Schultertendinopathie zu vergleichen. Es wurden 45 Patienten mit kalzifizierter Schultertendinopathie aufgenommen und randomisiert auf die Gruppen fokussierte Stoßwelle mit 1 500 Impulsen, radiale Druckwellen (R-SW) mit 2 000 Impulsen oder der kombinierten ESWT verteilt. Alle Patienten wurden vor der Behandlung, nach 1 Woche und nach 3 Monaten nach der letzten Behandlung untersucht. In allen drei untersuchten Gruppen kam es zu einer signifikanten Verbesserung der Schulterschmerzen, des aktiven Bewegungsumfangs (ROM) und der Schulterfunktion anhand des Schulterinvaliditätsfragebogens (SDQ) nach einer Woche und nach 3 Monaten. Darüber hinaus war in allen drei Gruppen eine signifikante sonografische Verringerung der Verkalkungsgröße zu beobachten. Am Ende der Studie wurde die beste Verbesserung hinsichtlich der Verringerung der Verkalkungsgröße und der Funktion in der Gruppe kombinierte ESWT erzielt.
David Robinson publizierte 2022 die kombinierte ESWT bei der Behandlung der Achillodynie. In einer retrospektiven Kohortenstudie beschreiben sie die Sicherheit und die funktionellen Ergebnisse nach einer Behandlung mit radialer Stoßwellentherapie (n = 58) oder einer kombinierten radialen und fokussierten Stoßwellentherapie (n = 29) bei Patienten mit chronischer Achillodynie, die auf eine klassische Physiotherapie nicht angesprochen hatten. Allen Patienten wurde zusätzlich ein exzentrisches Trainingsprogramm verordnet. Die Ergebnisse, quantifiziert mit dem Victorian Institute of Sports Assessment-Achilles Index, zeigten signifikant bessere Ergebnisse in der kombinierten Therapie im Vergleich zu den ESWT Monotherapien. Es wurden keine klinisch relevanten unerwünschten Wirkungen beobachtet. Die Autoren empfahlen die kombinierte ESWT zur Behandlung der Achillodynie.
In gleicher Weise konnten auch die Autoren um Federica Fulceri aus Pisa 2024 die erfolgreiche Kombination aus fokussiert und radial zur Behandlung der GTPS (greater trochanteric pain syndrom) publizieren. Das Ziel dieser Arbeitsgruppe was es, die klinischen Ergebnisse der kombinierten ESWT bei Gluteusmedius-Tendinopathie zu untersuchen. Die Veränderungen der Schmerzintensität und der Funktion wurden anhand der numerischen Ratingskala, des Fragebogens des Victorian Institute of Sports Assessment for Gluteal Tendinopathy und des Roles- und Maudsley-Scores bewertet. 2 Monate und 10 Monate nach der kombinierten ESWT wurde eine signifikante Verbesserung aller Ergebniskriterien im Vergleich zum Ausgangswert festgestellt (p < 0,05). Die Erfolgsraten der Behandlung betrugen 90,9 % bzw. 81,8 %.
ESWT in Kombination mit der elektromagnetischen Transduktionstherapie (EMTT)
In der modernen Medizin sind die Behandlungsmöglichkeiten für muskuloskelettale Erkrankungen (Soft tissue injuries STI) mittlerweile so vielfältig wie nie zuvor. Zu den innovativen, nicht-invasiven Therapien gehört neben der Stoßwellentherapie (ESWT) auch die Elektromagnetische Transduktions-Therapie (EMTT). Beide Verfahren haben sich als wirksam in der Behandlung von Schmerzsyndromen und degenerativen Erkrankungen des Bewegungsapparates etabliert. In den letzten Jahren hat die Kombination beider Techniken immer mehr an Bedeutung gewonnen, da sich aus deren synergistischen Effekten potenzielle Vorteile für die Patienten ergeben, ohne das die Nebenwirkungen entsprechend zunehmen. Mit dem aktuellen Wissen um den Mechanotransduktionseffekt der Stoßwellentherapie wurde sehr schnell klar, dass dieser Wirkungsweg im Rahmen des Soft Tissue Engineerings sehr gut zu kombinieren sein wird mit anderen Verfahren aus derselben Therapiegruppe des Soft Tissue Engineerings. Dabei sollte nur der Weg der Mechanotransduktion nicht kompromittiert werden.
Nach den ausgezeichneten Ergebnissen der elektromagnetischen Transduktionstherapie aus den Arbeitsgruppen von Klüter 2018, Krath 2017, Knobloch 2022 und Gerdesmeyer 2022 lag es auf der Hand die elektrische Komponente des soft tissue engineering mit in das multimodale Konzept einzubeziehen. Die mit dem DIGEST Preis ausgezeichnete Arbeit von Tim Klüter aus 2018 was die Initialzündung dieses innovativen Behandlungskonzeptes. Mit der innovativen EMTT entstand eine technisch völlig neue Variante von Magnetfeldgeräten, die zum ersten Mal Strom auch in tiefen Gewebsstrukturen generieren konnte. Das wurde möglich über sehr schnelle hochfrequente oszillierende Magnetfelder, die Wirbelströme im Gewebe induzieren und damit sämtliche elektrisch abhängige Stoffwechselprozesse, Transportmechanismen, Zytokinsysteme und Membranstrukturen addressieren konnten.
In der prospektiv randomisierten Studie von Klüter et al. wurden 86 Patienten mit diagnostizierter nicht-spezifischer chronischer RC-Tendinopathie aufgenommen. Die Patienten wurden randomisiert verblindet für die Behandlung mit entweder ESWT und EMTT oder einer Kombination aus ESWT und Placebo EMTT geplant und behandelt. 2 000 Stoßwellen wurden bei 0,32 mJ/mm2 und 4 Hz wurden pro Sitzung appliziert, bei 3 ESWT Sitzungen im Abstand von 2 Wochen. Die EMTT wurde zweimal pro Woche für insgesamt 8 Sitzungen bei 80 mT, einer Impulsfrequenz von 3 Hz und insgesamt 10 000 Impulsen durchgeführt.
Nach 6,12 und 24 Wochen konnten signifikant bessere Ergebnisse erreicht werden zugunsten der kombinierten Therapie ESWT und EMTT, es konnten zudem keine klinisch relevanten Nebenwirkungen festgestellt werden.
Auch in der Behandlung von Knochenpathologien wie der Pseudarthrose zeigt sich die sinnvolle Kombination der Mechanotransduktion und der Magnetotransduktion. Knobloch konnte hierzu ausgezeichnete Verläufe im deutschen Ärzteblatt publizieren. Selbst alte atrophe Pseudarthrosen konnten zur Ausheilung gebracht werden.
Die hochenergetische fokussierte extrakorporale Stoßwellentherapie erfolgte mit einem elektromagnetischen Generator 0,3 mJ/mm2, 3 000 Impulse gemäß den evidenzbasierten Leitlinien der DIGEST. Die EMTT Behandlung erfolgte mit 80 mT und einer elektromagnetischen Transduktionsleistung von > 60kT/s.
Auch die jüngeren Grundlagenarbeiten weisen zunehmend daraufhin, dass die Kombination aus physikalischen (ESWT) und elektrischen (EMTT) Verfahren sinnvoll und synergistisch zu verbesserten Ergebnissen führen können.
In der klinischen Praxis haben sich die Kombination von Stoßwellentherapie und EMTT besonders bei der Behandlung von chronischen Schmerzzuständen, Tendopathien, Muskelschmerzen und entzündlichen Erkrankungen als erfolgreich erwiesen. Die häufigsten Anwendungsgebiete umfassen:
- Fasziitis und Tendopathien
- Chronische Wirbelsäulenschmerzen
- Arthrose und Gelenkbeschwerden
- Entzündliche Weichteilerkrankungen
- Posttraumatische Krankheitsbilder
- Rheumatoide Erkrankungen
- Knochenheilungsstörungen
- Verbesserung der Knochendichte
- Postoperative Rehabilitation
ESWT in Kombination mit Hyaluronsäuren (HA)
Hyaluronsäure ist ein natürlicher Bestandteil des Körpers, insbesondere des Bindegewebes, der Haut und der Gelenkflüssigkeit. In Gelenken fungiert sie als Gleitmittel und Puffer, um die Reibung zwischen den Gelenkflächen zu reduzieren und minimale Inkongruenzen auszugleichen. Bei degenerativen Gelenkerkrankungen wie Arthrose nimmt der Hyaluronsäuregehalt in der Gelenkflüssigkeit ab, was zu Schmerzen, Entzündungen und eingeschränkter Beweglichkeit führt. Die Viskosupplementation ist eine Behandlungsform, bei der Hyaluronsäure direkt in das Gelenk injiziert wird, um die Gelenkflüssigkeit zu regenerieren, die Schmierung zu verbessern und den Knorpelabbau zu verlangsamen. Klinische Studien haben gezeigt, dass Hyaluronsäure-Injektionen nicht nur schmerzlindernd wirken, sondern auch entzündungshemmend sind und die Gelenkfunktion verbessern. Auch hier hat sich in den vergangenen gezeigt, dass eine Kombination beider Verfahren klinisch zu verbesserten Ergebnissen führt im Vergleich zu den Monotherapien.
Die Evidenzlage hierzu hat sich inzwischen ebenfalls deutlich verbessert.
Die Arbeitsgruppe um Mario Vetrano untersuchte die Effekte der ESWT und HA auf Primärkulturen humaner Chondrozyten aus Knorpel-Explantaten. Die ESWT verhinderte signifikant die fortschreitende Dedifferenzierung, die spontan bei längerer Chondrozytenkultur auftritt. Darüber hinaus zeigten sämtliche Proben eine ESWT- und HA-vermittelte Verstärkung der migratorischen und entzündungshemmenden Aktivität in der für OA charakteristischen zytokinreichen Umgebung, was auf eine regenerative Wirkung bei humanen Chondrozyten hinweist. Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass eine ESWTBehandlung die Oberflächenexpression des wichtigsten Hyaluronsäure-Zellrezeptors CD44 induziert, was die Erhöhung des COL2A/COL1A-Verhältnisses nach HA-Verabreichung ermöglicht. Das deutet daher darauf hin, dass die ESWT-induzierte Überexpression von CD44 die In-vitro-Zellanfälligkeit menschlicher Chondrozyten für HA erhöht und damit vermutlich die Regeneration von degeneriertem Knorpel begünstigt.
Rafaelo Pellegrino aus dem Department of Scientific Research der Semmelweis Universität Lugano konnte 2022 nachweisen, dass die Kombination HA und ESWT sinnvoll und effektiv ist zur Behandlung der Tendinopathie der Rotatorenmanschette (RC). Die extrakorporale Stoßwellentherapie (ESWT) wurde nach den Richtlinien der DIGEST durchgeführt, die HA Applikation erfolgte im Rahmen dieser retrospektiven longitudinalen Kohortenstudie
peritendinös.
Die Gruppe von 53 Patienten zeigte im Vergleich zum Ausgangswert eine statistisch signifikante Verringerung des NRS (p < 0,001) und des SPADI (p < 0,001). Interessanterweise wurde ein Geschlechtsdimorphismus bei NRS und SPADI festgestellt, wobei weibliche Patienten offenbar besser auf die kombinierte Behandlung ansprachen.
Ähnlich positiv sind die Kombinationstherapien ESWT mit anderen Biologika wie Platelet rich plasma Therapien. Auch hier sind synergistische Effekte nachgewiesen.
In der Summe haben die vergangenen Jahre gezeigt, dass wir in der kommenden Dekade sehr viele effektive nicht invasive Optionen haben werden, von denen die meisten sehr gut in ein multimodales soft tissue engineering Konzept passen werden.
Wie die einzelnen Verfahren zu kombinieren sind, werden weitere Studien in naher Zukunft zeigen.