PFORZHEIM – „Wir verwenden unglaublich viel Energie, um unsere Fehler zu verstecken. Warum eigentlich?“, fragte sich Clemens Rieth. Der Industriedesigner entwickelte eine Unterschenkelprothese, deren Design Aufmerksamkeit erregt, kostengünstig herstellbar ist und dazu noch äußerst funktional. Die Abschlussarbeit wird auf der Werkschau der Fakultät für Gestaltung der Hochschule Pforzheim am 5. und 6. Februar 2016 vorgestellt.
„Selbstbewusstsein basiert nicht auf Perfektion, sondern gründet sich auf Akzeptanz“, erklärt der Absolvent der Hochschule Pforzheim. Warum werden Prothesen versteckt? Wieso ahmen sie den Körper nach und werden nicht öffentlich gezeigt? Bei herkömmlichen Prothesen bestehe „kein Gestaltungsspielraum“, so die Feststellung des 25-Jährigen nach einer intensiven Recherche zum Thema. Die Kosten für eine Beinprothese belaufen sich auf 2.000 bis 3.000 Euro – ohne Bänder oder Befestigungen. „Dieser Satz wird von den Krankenkassen übernommen, weitere Kosten nicht“, fand Rieth bei seinen Recherchen heraus. „Bei dem Entwurf, der mir vorschwebte, hätten sich die Herstellungskosten knapp verdoppelt“, bilanziert der Designer.
Deshalb suchte Rieth Unterstützung und vor allem Fachwissen im Bereich der Prothesentechnik. Zusammen mit Jannis Breuninger vom Fraunhofer Institut für Produktionstechnik und Automatisierung in Stuttgart ging er sowohl im Design als auch in der Technik der Prothese neue Wege. Die Außenhaut der Prothese wird aufgebrochen und in „Fraktale“ zerlegt und die Produktion erfolgt über einen 3-D-Drucker. Die Dynamik eines von Breuninger entwickelten Kohlefaser-Fußes wird so mit einem kostengünstigen Sinterteil kombiniert. „Die Herstellungskosten dieses Entwurfs liegen mit 500 Euro deutlich unter den Kosten für eine konventionelle Prothese“, so Rieth. „Und der Vorteil: Sie können das Design der Außenhaut verändern. Die Hülle ist anpassungsfähig, die Fraktale können getauscht und farblich gestaltet werden.“
„Mir kam es darauf an, dass der Entwurf nachher umsetzbar ist und getragen werden kann“, formulierte der Industriedesigner das Ziel seiner Abschlussarbeit. Zusammen mit dem Produktentwickler Breuninger gestaltete er daher eine komplette Prothese, die den Anwendungstest bereits bestanden hat. Die federartige Kohlefaser ermöglicht dynamisches Gehen. Durch den lasergesinterten Werkstoff und die 3-D-Technik sind der individuellen Gestaltung nur wenig Grenzen gesetzt. Nachdem Rieth die Prothese gestaltet hatte, wurde sie zunächst digital auf Herz und Nieren geprüft. Mit Computersimulationen wurden das Gehen und Laufen nachgestellt und die aufkommenden Kräfte berechnet. „Die Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer Institut und die Nutzung der Forschungsergebnisse von Breuninger waren für mich äußerst wertvoll“, lobte Rieth seinen Partner, der derzeit eine Firma im Bereich der Prothesentechnik gründet.
„Meine Prothese soll Grenzenlosigkeit in der Gestaltung, Stärke, Stabilität und Selbstbewusstsein ausdrücken“, erklärte Clemens Rieth. Ein Ziel, das er nach Maßgabe seiner betreuenden Professoren eindeutig erreicht hat. Der Prototyp der Prothese sowie der Weg bis dahin werden am 5. und 6. Februar 2016 im Rahmen der Werkschau der Fakultät für Gestaltung zu sehen sein. Dort präsentieren die Studierenden aus sechs Bachelor- und zwei Masterstudiengängen die Ergebnisse ihrer Semester- und Abschlussarbeiten.
Bilder:
Links: Erprobte den Prototyp der Beinprothese – der unterschenkelamputierte Florian Dennerlein.
Rechts: Industriedesigner Clemens Rieth mit der von ihm entwickelten Beinprothese.
(Quelle: Hochschule Pforzheim)