Die Entscheidungsfindung für oder gegen operative Maßnahmen am Hüftgelenk gestaltet sich vielfach nicht einfach. Bei jüngeren Patienten mit symptomatischen Veränderungen der Hüftgelenksmechanik (u.a. Dysplasie, FAI, acetabuläre Versions- und femorale Torsionsfehler) zeigen sich die Vorzüge der gelenkerhaltenden operativen Techniken zwischenzeitlich nahezu ebenso deutlich, wie die sehr guten Ergebnisse des Gelenkersatzes beim älteren Patienten mit fortgeschrittener Arthrose.
Als besonders anspruchsvoll gestaltet sich die Indikation zur gelenkerhaltenden Operation im Kollektiv der jungen -zum Teil nur mäßig schmerzgeplagten- Patienten, der stetig wachsenden Gruppe der hochaktiven „best ager“ (Alter um die 50) sowie in Grenzfällen (Borderline-Dysplasie) bzw. Kombinationspathologien. Hier gilt es, die Effekte gelenkerhaltender Verfahren in Hinblick auf die Invasivität des Eingriffs, der erwartbaren langfristigen Beschwerdefreiheit und den möglichen Komplikationen, gegenüber rein konservativen Maßnahmen bzw. dem primären Gelenkersatz sorgfältig abzuwägen.
Zwischenzeitlich liegen einige guten Arbeiten zu gelenkerhaltenden operativen Verfahren mit einem Langzeit „follow-up“ von bis zu 30 Jahren vor (Abb. 1 & 2). Diese lassen durchaus Rückschlüsse auf die Erfolgsaussichten gelenkerhaltender Eingriffe zu. Grundsätzlich fällt auf, dass sich die prognoserelevanten Faktoren für oder gegen den Gelenkerhalt weniger in den zugrundeliegenden Indikation (z.B. Dysplasie, FAI) und/oder der Operationstechnik (Osteotomien vs. Hüftarthroskopie) finden lassen, sondern vielmehr in Fragen zum aktuellen Zustand des schmerzenden Gelenkes verbergen.
Als prognoserelevant haben sich hierbei u.a. das Patientenalter, die Dauer und die Intensität des Schmerzes, der Bewegungsumfang sowie die Funktion des Gelenkes, prä-operative funktionelle Scores, der Degenerationsgrad bei den bildgebenden Verfahren (konventionelles Röntgen/ MRT) sowie individuelle patientenspezifischen Faktoren (u.a. Geschlecht, Gewicht, Nebendiagnosen) erwiesen.
Hinsichtlich der Operationsindikation nimmt das Femoroacetabuläre Impingement (FAI) -neben der klassischen Dysplasie- bei den gelenkerhaltenden Operationsindikationen eine immer größere Rolle ein. Bei den operativen Techniken hat, neben den klassischen Osteotomien, die Hüftgelenksarthroskopie zwischenzeitlich einen festen Stellenwert zur Behandlung intraartikulärer Pathologien erlangt.
Folgende Tendenzen lassen sich in Bezug auf prädiktive Faktoren für oder gegen einen gelenkerhaltenden Eingriff angeben:
Das Patientenalter zum OP Zeitpunkt scheint einen maßgeblichen Einfluss auf die Resultate gelenkerhaltender Maßnahmen zu haben. Unabhängig von OP Indikation und OP Technik, sinken mit steigendem Patientenalter die Erfolgsaussichten gelenkerhaltender Verfahren teilweise sehr deutlich. Zwar können vielfach durchaus Besserungseffekte gesehen werden, die „Erfolgsdauer“ des Eingriffs (Endpunkte: Konversion zur Endoprothese oder erneute Symptome) sinkt jedoch mit zunehmendem Alter merklich. Ein gewisses „cut-off“ Alter scheint hier zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr zu liegen. Je höher die Invasivität, umso zurückhaltender sollte die Indikation gewählt werden.
Ab dem 55. Lebensjahr erscheinen gelenkerhaltende operative Eingriffe nur im Einzelfall gerechtfertigt, insbesondere auch im Hinblick auf die exzellenten Langzeitergebnisse der Hüftprothetik. In Einzelfällen wurden bei höherem Patientenalter auch negative Effekte gelenkerhaltender Maßnahmen beschrieben.
Die Dauer und Intensität der prä-operativ vorhandenen Schmerzen stellt ein negatives prognostisches Kriterium dar. Übereinstimmend zeigen entsprechende Studien, daß eine sehr lange Beschwerdedauer (über mehrere Jahre) und eine prä-operativ hohe Schmerzintensität zu deutlich schlechteren Ergebnissen nach gelenkerhaltenden Eingriffen führen. Auch die Angabe von Anlauf-, und/oder Nachtschmerz gilt als prognostisch eher ungünstiger Faktor, da die Ursache der Beschwerden in diesem Fall oft nicht rein mechanisch bedingt ist.
Ist prä-operativ die „Steifheit“ des Gelenkes im „roll Test“ deutlich erhöht und liegt zudem ein konsekutiv stark verminderter Bewegungsumfang vor (z.B. pos. Drehmann Zeichen), finden sich eher ungünstige follow-up Ergebnisse. Als ein möglicher Grund wird hier eine bereits fortgeschrittene Entzündungsreaktion des Gelenkes mit Verdickung und Kontraktur der Gelenkkapsel angenommen.
Die prognostische Wertigkeit der klassischen Röntgenbildgebung, welche idealerweise eine korrekt zentrierte Beckenübersicht im Liegen, eine seitliche Aufnahme (Lauenstein, Dunn, cross-table) und ggf. ein Faux Profile nach Lequesne umfasst, ist hoch. Ein Gelenkspalt kleiner/gleich 2 mm stellt ein ungünstiges prognostisches Kriterium dar (Abb. 3). Ab einem Arthrosegrad über 1 in der Klassifikation nach Tönnis ist eine Zurückhaltung bei gelenkerhaltenden Eingriffen angezeigt. Eine vor allem im Faux Profile nach Lequesne darstellbare Dezentrierung des Hüftkopfes ist als ungünstiges prognostisches Kriterium zu werten (Abb. 4). Ist der Hüftkopf bereits dezentriert und in die knorpelige Defektzone migriert sind gelenkerhaltende Maßnahmen in der Regel nicht mehr erfolgversprechend.
Lässt sich im normalen MRT der acetabuläre Gelenkknorpel nicht sicher beurteilen, kann ein subchondrales Ödem ein Hinweis für einen höhergradigen Knorpelschaden sein. Hier zeigen aktuelle Studien den vorteilhaften Effekt des TraktionsArthro-MRT des Hüftgelenkes auf. Durch Herausziehen des Hüftkopfes aus der Pfanne kann die acetabuläre Knorpeldicke vielfach besser beurteilt werden und zusätzliche Pathologien (Labrumeinund abrisse, acetabuläre Knorpelschäden mit (Abb. 5) und ohne Teppichphänomen, Lig. capitis Rupturen) kommen ebenfalls besser zur Darstellung. Bei den patientenspezifischen Faktoren ergibt sich ein eher uneinheitliches Bild. Einige Studien berichten von schlechteren Ergebnissen bei übergewichtigen Patienten, andere Arbeiten zeigen tendenziell schlechtere Ergebnisse bei schlanken Frauen. Frauen scheinen insgesamt etwas schlechtere Ergebnisse aufzuweisen als Männer, wobei die Ursachen bislang nicht geklärt sind. Wie in den meisten Arbeiten im orthopädisch/unfallchirurgischen Fachgebiet, erhöht ein Nikotinabusus die Komplikationsraten vor allem bei den Osteotomien
erheblich.
Die Ergebnisse bei der Behandlung der symptomatischen residuellen Hüftgelenksdysplasie sind in den letzten Jahren durch eine präzisere Diagnostik, Zentrenbildung und Anwendung standardisierter, moderner Techniken weiter verbessert worden. In Deutschland hat sich neben der Dreifachbeckenosteotomie nach Tönnis auch die periacetabuläre Osteotomie nach Ganz zur operativen Behandlung der Dysplasie zwischenzeitlich etabliert.
Beim FAI sind die Behandlungsergebnisse der isolierten CAM-Deformität deutlich günstiger einzuschätzen als die operative Intervention bei der globalen PINCER-Deformität. Offene OP Techniken (chirurgische Hüftgelenksluxation) zeigen bei der Behandlung des FAI im Langzeitverlauf vergleichbare Ergebnisse zu minimalinvasiven Techniken (Hüft-Arthroskopie), jedoch sind die Rehabilitationszeit und die Komplikationsrate im direkten Vergleich höher.
In der Ergebnisevaluation hat sich gezeigt, dass dem Labrumerhalt bzw. der Rekonstruktion beim symptomatischen FAI ein hoher Stellenwert zukommt. Zumindest mittelfristig angelegte Arbeiten konnten zeigen, dass der Labrumerhalt der Labrumresektion klar überlegen ist.
Knorpelchirurgische Techniken (Mikrofraktur, AMIC, MACT, ACT) kommen, vergleichbar zum Knie- und Sprunggelenk, zwischenzeitlich auch im Hüftgelenk zum Einsatz und werden im Knorpelregister der DGOU wissenschaftlich ausgewertet. Für eine abschließende Einschätzung ist die Studienlage noch nicht ausreichend.
An konservativen Behandlungsmethoden bei fehlender Indikation zur gelenkerhaltenden operativen Intervention finden sich aktuell keine wegweisenden neuen Behandlungsformen. Angewendet werden die Patientenaufklärung mit Aktivitätsmodifikation, oral analgetisch/antiphlogistische Medikation, physikalische und physiotherapeutische Maßnahmen (Traktion, Abduktionstraining) und die Applikation intraartikulärer sogenannter „knorpelprotektiver“ Substanzen (z.B. Hyaluron, PRP). Die diagnostisch/therapeutische Infiltration des Gelenkes kann in unklaren Fällen wertvolle Hinweise zur Ätiologie von Beschwerden geben. Von einer rein therapeutischen der Injektion mit Kortikoiden beim arthrotischen Gelenk ist abzuraten. Das Intervall zwischen einer Kortikoid-Injektion und dem Zeitpunkt einer endoprothetischen Versorgung wird je nach Studie mit bis zu 3 Monaten angegeben.
Literatur: Beim Verfasser.