Ratzeburg – Dr. med. Uwe Schwokowski, niedergelassener Orthopäde mit dem Schwerpunkt Rheumatologie aus Schleswig-Holstein und Leiter des Referats Orthopädische Rheumatologie des BVOU, hat die aktuelle Versorgungssituation der Rheumapatienten in Deutschland und die Rolle der Orthopäden in diesem Kontext mit Blick auf aktuelle Zahlen und Einschätzungen von anderen Verbänden und Gruppierungen bewertet.
Bereits im Jahr 2008 hielt die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie fest: „Wenn in einem Bereich kein internistischer Rheumatologe erreichbar ist, dann soll ein orthopädischer Rheumatologe diese Arbeit übernehmen.“ Als anschauliches Beispiel führt Uwe Schwokowski hier das Herzogtum Lauenburg an, in dessen Kreisstadt Ratzeburg er niedergelassen ist. „In dem Kreis mit rund 200.000 Einwohnern ist kein internistischer Rheumatologe niedergelassen – hier bin ich mit meiner Praxis die einzige Anlaufstelle für betroffene Patienten“, sagt er und demonstriert damit die Bedeutung orthopädischer Rheumatologen für die Sicherstellung der Versorgung.
Nach der Definition der European League Against Rheumatism (EULAR) sollten Menschen mit rheumatologischen Symptomen innerhalb von sechs Wochen einem in der Diagnose und Differentialdiagnose der rheumatoiden Arthritis kundigen Arzt vorgestellt werden. Dies bezieht vor allem den orthopädischen Rheumatologen (ORh) mit ein, aber auch den rheumatologisch fortgebildeten Orthopäden (RhefO), der mittels ADO-Zert-Kursen auf seine Rolle als Bindeglied zwischen einer normalen Orthopädie-Praxis und dem ORh vorbereitet wurde.
Die Blaupause für die Fortbildungsaktivitäten der Orthopädischen Rheumatologie, unterstützt vom BVOU und der ADO, lieferten die Deutschen Rheuma-Liga und deren Präsidentin Prof. Dr. med. Erika Grominca-Ihle, die sich ebenfalls zur Bedeutung des orthopädischen Rheumatologen geäußert haben. So hält die Rheuma-Liga fest, dass die Versorgung rheumatologischer Patienten ein interdisziplinäres Team erfordere und der orthopädische Rheumatologe bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen in jedem Fall frühzeitig mit einzubeziehen sei.
Des Weiteren macht die Deutsche Rheuma-Liga darauf aufmerksam, dass viele orthopädische Rheumatologen aufgrund der defizitären Versorgungsstrukturen in der Rheumatologie langjährige Erfahrungen in der medikamentösen Therapie haben und damit die Versorgungssituation verbessern. Auch in der Diagnostik entzündlich-rheumatischer Erkrankungen spiele der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie eine wichtige Rolle.
Mit dem strukturierten und zertifizierten Kursprogramm der ADO, an dessen Ende der RhefO steht, würden viele der von der Deutschen Rheumaliga geforderten Inhalte wesentlich vertieft, sagt Schwokowski. So bilden die Kurse I und II den Orthopäden und Unfallchirurg in der Früherkennung und frühen Behandlung fort und erhöhen so die Chance, Rheumapatienten früher zu detektieren. „Die Kurse wurden bereits von zehn Prozent der rund 6.000 Orthopäden und Unfallchirurgen besucht“, sagt der Ratzeburger Orthopäde und Rheumatologe.
Auch das 2008 von der Kommission Versorgung der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie herausgegebene Memorandum zur „Rheumatologischen Versorgung von akut und chronisch Rheumakranken in Deutschland“ nähme auf den Orthopäden und dessen Einbindung bei der Versorgung von Rheumapatienten Bezug, so Schwokowski weiter.
So hält das Memorandum unter anderem fest, dass internistische Rheumatologen bei jeder Krankheit grundsätzlich die Zusammenarbeit mit weiteren Medizinern – und hierbei insbesondere rheumatologisch weitergebildeten Orthopäden und Rheumachirurgen – reflektieren sollten.
Ebenfalls aus diesem Memorandum stammt die Formel, dass ein internistischer Rheumatologe auf 50.000 Einwohner kommen sollte. Insgesamt wären für Deutschland demnach 1.300 internistische Rheumatologen ideal. „Nicht einbezogen, und das erstaunt nicht, sind die Orthopäden und ORh“, sagt Schwokowski – und dass, obwohl die Versorgung allein durch die internistischen Rheumatologen nicht sichergestellt werden kann.
Zieht man aktuelle Zahlen heran, so könnte man dieses Problem als „interdisziplinär gelöst“ erachten. Denn laut der KBV gibt es aktuell 750 internistische Rheumatologen und 556 orthopädische Rheumatologen in Deutschland.
„Also wäre die Vorgabe mit etwas gutem politischem Willen erfüllbar, wenn es denn zu einer breiteren Kooperation kommen würde“, erläutert Dr. Schwokowski. Um auf diesen Umstand aufmerksam zu machen, plant das Referat Rheumatologie des BVOU für 2016 eine Qualitätsoffensive mit dem Titel „Rheumatologie – Orthopäden können helfen“. „Wir wollen Rheuma früh erkennen, Rheuma früh behandeln“, sagt Schwokowski.