Bei alltäglicher oder bei sportlicher (Fort-)Bewegung wirken auf den gesamten menschlichen Körper große externe Belastungen. Für eine beschwerdefreie aufrechte Haltung und Fortbewegung sind eine physiologische Funktionalität der Füße und eine biomechanisch effiziente Interaktion der einzelnen Fußstrukturen entscheidend.
Eine bewegliche Fußkonfiguration ist erforderlich, um die Füße adäquat an verschiedene Untergrundbedingungen anzupassen und eine stabile aufrechte Körperhaltung zu gewährleisten. Außerdem ist eine gute Beweglichkeit, insbesondere in den Rückfußgelenken, von entscheidender Bedeutung, um den Fuß effektiv als Dämpfungssystem zur Belastungsreduktion nutzen zu können. Ein wesentlicher Bestandteil einer physiologischen Belastungsreduktion ist die Anfangspronation während der frühen Standphasen der Lokomotion.
In den späten Lokomotionsphasen, wenn nur der Vorfuß Kontakt zum Untergrund hat, erfahren die Füße und andere Teile der unteren Extremitäten die höchsten externen Drehmomentbelastungen und internen Gelenkbelastungen. In diesen Phasen muss der Fuß eine rigide Einheit bilden können, dass die großen Belastungen nicht zu Überbeanspruchungen an den Füßen und/oder anderen Bereichen des Muskelskelettsystem führen.
Die notwendige Rigidität des Mittel- und Rückfußbereichs in Lokomtionsphasen mit Vorfußkontakt wird über den Windlass-Mechanismus gewährleistet. Er stellt die physiologische Interaktion der einzelnen Fußstrukturen während der Dorsalextension der Zehen dar. Die Spannung in den plantaren Strukturen steigt, wenn die Zehen dorsalextendiert werden. Eine Aufrichtung und Supination des Mittel- und Rückfußes wird durch den Anstieg der Spannung hervorgerufen (Abb. 1). Dadurch und aufgrund der anatomischen Struktur der gelenkigen Verbindungen verriegeln sich die einzelnen Segmente und bilden eine rigide Einheit. Des Weiteren wird Verformungsenergie in den plantaren Strukturen gespeichert. Diese Energie wird verwendet, um den gesamten Körper energieeffizient fortbewegen zu können.
Bei den verschiedensten Fußfehlstellungen und anderen Beschwerden an den unteren Extremitäten ist der Windlass-Mechanismus nicht ausreichend oder gar nicht ausgeprägt. Dann sind die Rigidität und die Energiespeicherung, die beide für eine physiologische Fortbewegung unerlässlich sind, entweder reduziert oder nicht vorhanden. Beispielsweise kann bei der am häufigsten auftretenden Fußfehlstellung, dem funktionellen Knick-Senkfuß, die Spannung in den plantaren Strukturen nur begrenzt oder gar nicht aufgenommen werden. Beim Gehen und/oder Laufen kommt es zu einer unphysiologischen Pronation und in späten Standphasen, in denen nur Vorfußkontakt besteht, werden der Mittel- und Rückfuß nur inadäquat oder nicht aufgerichtet und supiniert. Dies führt dazu, dass der Mittel- und Rückfußbereich nicht verriegelt und überbeansprucht wird. Außerdem kann der Fuß nicht ausreichend als physiologischer Hebel für den Vortrieb verwendet werden. Eine energieeffiziente Fortbewegung ist dann nicht mehr möglich. Bisher existiert keine Versorgung mit Orthesen oder Einlagen, die einen unzureichenden oder fehlenden Windlass-Mechanismus ersetzen oder unterstützen kann.
Aufbau und Funktion der 3D-gedruckten bionischen Fußorthese
Bei der Entwicklung der 3D-gedruckten bionischen Fußorthese/Einlage (bow) lag der Fokus auf der technischen Umsetzung wichtiger bionischer Prinzipien und Aspekte der Fußbiomechanik. Zwei Entwicklungsziele waren die Unterstützung und/oder der Ersatz:
1. des Windlass Mechanismus und
2. der Eigenschaften der Füße, die eine energieeffiziente Fortbewegung
ermöglichen.
Die 3D-gedruckten bionischen Fußorthese verfügt über drei Hauptbestandteile (Abb. 2). Die Deckschicht übernimmt die Bogenfunktion der knöchernen Strukturen, die plantare Schicht die Funktion der Bänder und Sehnen. Ein Umlenkelement ist im distalen Mittelfußbereich positioniert. Durch diesen Aufbau kann eine dynamische und fortbewegungsphasenspezifische Anpassung des Mittel- und Rückfußbereichs und eine größtmögliche Energiespeicherung erreicht werden.
Wird die 3D-gedruckten bionischen Fußorthese im Vorfußbereich nach oben gebogen, was einer Dorsalextension des Vorfußes entspricht, vergrößert sich die Konvexität des Bogens im Mittel- und Rückfußbereich und die 3D-gedruckte bionische Fußorthese nimmt Spannung auf (Abb. 3a, b). Die erzielte Höhe entspricht im Ausmaß der Höhen- und Formanpassung der eines gesunden Fußes.
Durch den Einsatz der 3D-gedruckten bionischen Fußorthese kann ein bisher unerreichter Effekt in Lokomotionsphasen mit Vorfußkontakt umgesetzt werden. Der Fuß der zu versorgenden Person wird in seine physiologische Stellung aufgerichtet und supiniert, indem der Mittel- und Rückfußbereich bei Dorsalextension des Vorfußbereichs der 3D-gedruckten bionischen Fußorthese angehoben und supiniert wird. Diese Unterstützung ist für die optimierte Belastung der gesamten unteren Extremitäten entscheidend. Außerdem speichert die 3D-gedruckten bionischen Fußorthese Energie während der gesamten Standphase. Die gespeicherte Verformungsenergie kann verwendet werden, um die Fortbewegung effizienter zu machen.
Die 3D-gedruckte bionische Fußorthese wird im selektiven Lasersinterverfahren herzustellen. Es hat viele Vorteile im Vergleich zu anderen Fertigungstechnologien. Die Belastbarkeit der 3D-gedruckten bionischen Fußorthese für alltägliche und sportliche Aktivitäten wurde durch mechanische und biomechanische Tests sowie Dauerbelastbarkeitstests überprüft und bestätigt. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie unterstützte die Entwicklung und die Patentanmeldung der 3D-gedruckten bionischen Fußorthese u. a. durch ein WIPANO gefördertes Projekt. bow ist national und international zum Patent angemeldet.
Wissenschaftlicher Nachweis der 3D-gedruckten bionischen Fußorthese
In einer randomisierten kontrollierten Studie wurde die Wirkung der 3D-gedruckten bionischen Fußorthese untersucht. Das Ziel der Studie war es, die Auswirkungen auf das Aufrichten und das Supinieren des Mittel- und Rückfußes während der Push- Off-Phase des Laufens zu untersuchen. Die Studie umfasste elf Teilnehmer*innen mit funktionellem Knick-Senkfuß. Die Pronations- und Supinationsmomente während des Laufens wurden unter vier verschiedenen Bedingungen ermittelt: Laufen ohne Versorgung, mit stützender, sensomotorischer und 3Dgedruckter bionischer Fußorthese. Die Studie zeigte, dass die Teilnehmer*innen mit funktionellem Knick-Senkfuß ohne Versorgung während der Push Off-Phase des Laufens keine physiologische Aufrichtung und Supination des Mittel- und Rückfußes aufweisen. Während des Push Off unterstützen und ersetzen stützende und sensomotorische Einlagen nicht die Aufrichtung und Supination. Wohingegen die 3D-gedruckte bionische Fußorthese das Aufrichten und Supinieren während der Push Off Phase nachweisbar unterstützt. Die signifikante und relevante Aufrichtung und Supination entspricht im Ausmaß der Aufrichtung und Supination von Personen ohne Knick-Senkfußfehlstellung. Die Studie zeigte, dass die 3D-gedruckte bionische Fußorthese einen erheblichen funktionellen Mehrwert für Läufer*innen mit Knick-Senk-Fußfehlstellungen bietet, der durch andere Einlagen nicht gewährleistet wird.
Fazit
Erstmals kann der Windlass-Mechanismus durch eine konservative orthopädische Versorgung unterstützt oder ersetzt werden. Die Umsetzung der Entwicklungsziele ist u. a. durch den Einsatz moderner Fertigungsverfahren möglich. Die einzigartig dynamische und wichtige Unterstützung der wichtigsten Fußfunktionen durch die 3D-gedruckte bionische Fußorthese wurde in einer wissenschaftlichen Studie belegt.
Literatur auf Anfrage bei der Redaktion.